Protocol of the Session on June 9, 2005

Das ist viel schlimmer als die Kürzung irgendwelcher Zuschläge. Hartz IV, das Sie immer so angepriesen haben, ist heute zu einem Monster geworden, das Ihnen vollständig aus dem Ruder gelaufen ist. Wir haben eine anhaltende Wachstumsschwäche, und das ist der Kern unseres Problems. Wir werden in Zukunft unsere sozialen Fragen nicht vernünftig lösen können, wenn es nicht gelingt, endlich mehr Wachstum zu generieren. Da sind wir uns doch völlig einig. Das haben Sie in diesen sieben Jahren nicht fertig gebracht, sondern wir sind mit das wachstumsschwächste Land überhaupt geworden.

Herr Kollege, wir haben wankende Sozialversicherungen. In Deutschland ist das unsozial, was in Zukunft die Leute von ihren Sozialversicherungen, Pfl ege- und Rentenversicherungen usw. erwarten können,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wer hat denn die Rentenbeiträge gesenkt?)

weil Sie unfähig sind, vernünftig Arbeitsplätze zu schaffen.

Sie haben beim Bürokratieabbau überhaupt nichts geschafft. Sie haben null Anstrengungen unternommen, den Arbeitsmarkt zu deregulieren, obwohl Sie wissen, dass dies eines der größten Standorthindernisse in Deutschland ist.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Was haben Sie gemacht?)

Dies ist durch zahlreiche internationale Studien belegt.

Herr Bernhard, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte jetzt keine Zwischenfrage.

Keine Zwischenfrage.

Wir haben in Deutschland eine Zunahme der Armut, Herr Kollege. Es ist unsozial, dass wir in Deutschland, seit Sie die Regierung übernommen haben, eine Million mehr Arme haben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das wird das erste Mal erhoben! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Wörner, das ist unsozial.

Ich komme jetzt zu unserem eigentlichen Thema: Sie haben ein Finanzchaos angerichtet, das wirklich beispielhaft ist. Sie sind unfähig oder vielleicht auch unwillig, in Berlin einen Nachtragshaushalt vorzulegen, weil Sie wissen, dass ein solcher Nachtragshaushalt die politische eidesstattliche Versicherung dafür ist, dass Sie nicht mehr regierungsfähig und gescheitert sind.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Nur mit der Ruhe, darauf komme ich noch. – Das ist der Hintergrund, und das ist in Deutschland unsozial. Es geht nicht in erster Linie um die Frage, ob der eine oder andere Zuschuss oder die eine oder andere Subvention gekürzt wird.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben eine Verschuldung von 1,4 Billionen Euro, die jährlich um 80 Milliarden Euro in Deutschland wächst. Man muss sich einmal fragen, wer das künftig bezahlen soll.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben in Berlin eine strukturelle Haushaltslücke von 50 Milliarden Euro, weil Sie unfähig waren, Ihre Haushaltspolitik in Ordnung zu bringen. Wir werden nächstes Jahr in Bayern keine Neuverschuldung mehr haben. Sie haben den Stabilitätspakt ausgehebelt, damit Sie auch in Zukunft Schulden machen können, wie es Ihnen passt. Aber ich denke, das wird im September zu Ende sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Herr Eichel, der Hans im Glück, hat kürzlich erklärt, er habe seit sieben Jahren nichts erreicht. Diese Aussage ist angesichts des fi nanzpolitischen Scherbenhaufens, den er in unserem Land angerichtet hat, noch euphemistisch.

(Ludwig Wörner (SPD): Glauben Sie das selber?)

Das sind die Zahlen. Natürlich glaube ich diese Zahlen, insbesondere die, die das Bundesfi nanzministerium veröffentlicht.

Sie produzieren inzwischen keine Haushaltslöcher mehr, sondern Haushaltsabgründe, weil Sie selber überhaupt nicht mehr wissen, wie Sie damit umgehen sollen.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben seit Jahren in Deutschland die wirtschaftliche Entwicklung immer wieder geschönt und schöngeredet. Sie haben Luftschlösser gebaut, Luftbuchungen und Tricksereien vorgenommen, die sich jetzt alle nicht mehr halten lassen. Irgendwann rächt es sich, wenn man in der Finanzpolitik so verfährt.

Sie haben in Berlin die Steuerung verloren. Das zeigen im Übrigen auch Ihre hemmungslosen Angriffe auf den Bundespräsidenten. Der Parteivorsitzende der SPD räumt selber ein, dass er leider keine Autorität mehr habe und dass Sie inzwischen auf der Suche nach einem neuen Vorsitzenden sind.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): So ein Schmarrn! – Weitere Zurufe von der SPD)

Sie haben keine Steuerung mehr, alles läuft aus dem Ruder.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Frau Kollegin, vor diesem Desaster, das Sie angerichtet haben, kritisieren Sie, dass die Kürzung unsozial ist; zu diesen Fragen komme ich im Einzelnen noch.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dafür wäre ich sehr dankbar. Fangen Sie doch einmal bei 98 an!)

Ich frage Sie: Wo sind wir hier denn eigentlich angekommen?

Im Übrigen ist es völlig unverständlich, dass Sie jetzt auf die Idee kommen, diese Frage zu diskutieren, nachdem Sie wissen, dass wir – CDU und CSU – das schon vor einem Jahr beschlossen und auch so in den Deutschen Bundestag eingebracht haben.

(Zurufe von der SPD)

Wenn wir heute über diese Frage, die Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag aufgeworfen haben, diskutieren, muss – das müssen in Deutschland die Menschen wissen, und sie wissen es inzwischen auch, weil sie zu 80 % der Meinung sind, dass die Regierung abgelöst werden muss – man dieses Thema auch vor dem Hintergrund eines steuerpolitischen Gesamtkonzepts sehen, aber das unterschlagen Sie in Ihrem Antrag vollständig.

Was ist das Ziel der Steuerreform? - Ziel dieser Steuerreform ist in erster Linie, das Steuerrecht zu vereinfachen.

Das geschieht dadurch, dass man Ausnahmen abbaut und Steuersätze senkt,

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

und zwar, Herr Kollege Wörner, den Spitzensteuersatz und auch den Mindeststeuersatz, der in diesem Konzept von 15 auf 12 % gesenkt wird. Nur dies zusammen ergibt Sinn und zeigt, dass unser Vorhaben sozial sehr wohl ausgewogen ist: Wir erlegen den Menschen eine geringere Steuerlast auf.

Herr Kollege Wörner, ich weiß nicht, ob Sie alle Verlautbarungen des Bundesfi nanzministeriums lesen. Wenn Sie sie gelesen hätten, hätten Sie beispielsweise gesehen: Das Bundesfi nanzministerium hat festgestellt, dass die Regelung im Endergebnis sogar eine nachhaltige Steuerentlastung auch für diejenigen vorsieht, die die Pendlerpauschale in Anspruch nehmen. Deshalb ist Ihre Polemik völlig unangebracht, sie entbehrt jeder Sachkenntnis. Sie müssten diese Dinge einmal genauer anschauen.

(Beifall bei der CSU)

Dieses sollten Sie den Leuten sagen, anstatt hier zu polemisieren.

Zur Pendlerpauschale im Einzelnen: Sie tun in Ihrem Antrag so, als würde die Pauschale abgeschafft; denn Sie sprechen vom Erhalten der Pendlerpauschale. Dabei wissen Sie genau, dass es um eine Absenkung von 30 auf 25 Cent, also um 5 Cent geht.

Auch Ihr steuersystematischer Einwand geht völlig ins Leere; Sie sagen, das sei keine Subvention. Ich bin mit Ihnen d‘accord: Das ist keine Subvention, sondern die Absetzung von Werbungskosten. Aber Sie wissen, dass Werbungskosten in ihrer Höhe selbstverständlich begrenzt und nicht zum vollen Abzug zugelassen sind. Auch das, was Sie dazu sagen, glaube ich, geht völlig fehl. Im Übrigen kann man sich, nachdem wir jahrelang kritisiert wurden, darüber nur wundern. Die Pendlerpauschale ist ökologisch falsch und setzt völlig falsche Anreize, was die Verkehrsbelastung etc. anbelangt.

Die Sonn-, Feiertags- und Schichtzuschläge sind zum einen sicher eine fi nanzielle Frage, die aber auch durch Steuererleichterungen kompensiert wird. Es ist zum anderen eine ordnungspolitische Grundsatzfrage, wer bezahlen soll, wenn ein Arbeitgeber – das sind nicht nur die Krankenschwester und das Krankenhaus, sondern das ist eine generelle Regelung – an Sonn- und Feiertagen solche Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Wir sind der Meinung, dass dies im Grundsatz der Arbeitgeber bezahlen soll, der solche Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Wir haben eine Übergangsfrist von sechs Jahren vorgesehen, damit die Möglichkeit besteht, dieses in Tarifverträgen usw. umzusetzen. Herr Kollege Wörner, ich möchte, wenn heute eine solche Regelung neu geschaffen würde und wenn wir sagen würden, generell für alle Arbeitgeber und Industrieunternehmen zahlt diese Mehrbelastung der Steuerzahler, Ihre Rede hierzu nicht hören. Da möchte ich Sie nicht hören; Sie zitieren

immer nur die berühmte Krankenschwester. Da haben wir also eine klare, ordnungspolitisch richtige Position.

Im Übrigen hat diese Regelung jetzt in Teilbereichen der Tarifverträge zu massiven Fehlentwicklungen geführt, weil man Einkommensbestandteile bewusst in den steuerfreien Bereich verlagert hat. Auch das ist falsch und wird damit korrigiert.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Insgesamt ist das, was wir hier beabsichtigen, in keiner Weise ein Angriff auf den Geldbeutel der Arbeitnehmer. Eine ganze Reihe von Regelungen im Steuerrecht, welche die Arbeitnehmer berühren, bleiben unangetastet. Arbeitnehmerpauschbetrag, Verpfl egungsmehraufwendungen usw. bleiben erhalten.