Ich habe an die Verwaltung die Bitte, noch einmal bekannt zu geben, dass gleich die namentliche Abstimmung stattfi nden wird. Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Tolle das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kreuzer, wir hatten schon während der Ersten Lesung gemeinsam festgestellt, dass Defi zite entstanden sind, die die Kommunen nicht länger ausgleichen können. Jetzt scheiden sich unsere Wege wieder, weil wir einen unterschiedlichen Blick haben. Der Blick meiner Fraktion ist nachhaltig positiv und kümmert sich um die Folgen. Der Blick der CSU-Fraktion reicht über die bloßen Haushaltszahlen nicht hinaus. Hauptsache, es wird gespart; was in späteren Haushalten oder welche anderen Folgen auf Sie zukommen, scheint Ihnen egal zu sein. Die einzig richtige Schlussfolgerung, Herr Kollege Kreuzer, ist die Erhöhung der Personalkostenzuschüsse.
Ich glaube, Sie machen mit diesem Gesetzentwurf eines: Sie schieben den schwarzen Peter den Kommunen zu. Das Schulgeld dient erstens nicht zur Verbesserung der Ausbildungsqualität, sondern es fl ießt in die Kassen der Kommunen. Zum Zweiten wird das Schulgeld zu Schließungen und Konzentration führen und damit das Angebot verringert. Zum dritten Punkt möchte ich Ihr Wort aufgreifen, Herr Kollege, wonach die Fachschulen gestärkt werden sollen, und Minister Schneider will die Hauptschulen stärken. Diese Fachschulen besuchen sehr häufi g Hauptschüler. Herr Kollege Kreuzer, auch wir haben mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern gesprochen. Ich habe Ihnen bei der Ersten Lesung schon gesagt, als Sie meinten, Sie könnten sich das nicht mehr leisten, dass dadurch die Hauptschule geschwächt werde und vielen jungen, hoch motivierten Menschen die Chance auf Weiterbildung und damit auf ein besseres Leben genommen werde. Deshalb – das ist unser Weitblick – lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf der Drucksache 15/2692 und die Beschlussempfehlung mit dem Bericht des federführenden Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport auf der Drucksache 15/3309 zugrunde.
Der federführende Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport empfi ehlt die unveränderte Annahme. Der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung ebenfalls zu. Ergänzend schlägt er vor, in § 2 als Datum des Inkrafttretens den „1. August 2005“ einzufügen. Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. So beschlossen.
Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Es wurde namentliche Abstimmung beantragt. Den Modus der namentlichen Abstimmung kennen Sie. Die Urnen stehen an den üblichen Plätzen. Ich bitte abzustimmen. Ich gebe vier Minuten Zeit für die namentliche Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frist ist abgelaufen. Ich schließe den Abstimmungsvorgang. Die Auszählung erfolgt außerhalb des Saales, das Ergebnis wird später bekannt gegeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihre Freude verstehen, dass Sie sich anlässlich der namentlichen Abstimmung wieder einmal treffen. Es wäre schön, wenn der Saal immer so voll wäre.
Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, sich zu setzen oder die Gespräche draußen fortzuführen. Bitte ersparen Sie mir doch, die Namen einzeln aufzurufen. – Herr Welnhofer!
Abstimmung über Anträge etc. die gemäß § 59 Absatz 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden
Über die Listennummern 11, 14, 15 und 20 soll gesondert abgestimmt werden, da hierzu keine Voten der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vorliegen. Ich lasse deshalb zunächst über die Listennummer 11 abstimmen. Es handelt sich um den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Europäische Wasserrahmenrichtlinie als Chance nutzen (Drucksache 15/2766).
Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfi ehlt die Ablehnung. Wer dagegen dem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthal
Wir kommen zur Abstimmung über die Listennummer 14. Es handelt sich hier um den Antrag der Abgeordneten Prof. Dr. Waschler, Prof. Dr. Eykmann, Kiesel und anderer (CSU) betreffend „Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung für das Ehrenamt“, Drucksache 15/2773. Der federführende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes empfi ehlt auf Drucksache 15/3265 die unveränderte Annahme. Ich schlage noch vor, das vorgesehene, bereits abgelaufene Berichtsdatum „01.05.2005“ durch „01.07.2005“ zu ersetzen.
Erlauben Sie mir die Anmerkung, dass es sich hier um einen Antrag zum Bürokratieabbau und zur Verwaltungsvereinfachung handelt, also zur Verwaltungsbeschleunigung. Allerdings ist die Berichtsfrist bereits abgelaufen, und wir schlagen eine neue vor. Das bringt mich zum Nachdenken, und ich bitte, dies an die Verwaltung weiterzugeben.
Wer dem Antrag mit dieser Änderung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen.
Ich lasse über die Listennummer 15 abstimmen. Das ist der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Biedefeld, Herbert Müller und anderer und Fraktion (SPD) betreffend „Korrekturen bei der Bestandsaufnahme zur Wasserrahmenrichtlinie – Bayern muss Chancen im europäischen Gewässerschutz nutzen“, Drucksache 15/2808. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfi ehlt auf Drucksache 15/3166 die Ablehnung. Wer dagegen dem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der CSU-Fraktion gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen abgelehnt.
Nun kommen wir noch zur Abstimmung über die Listennummer 20. Es handelt sich hier um den Antrag der Abgeordneten Dr. Spaenle, Pschierer (CSU) betreffend „Themenkomplex ‚Naturheilverfahren’ an bayerischen Universitäten“, Drucksache 15/2985. Der federführende Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur empfi ehlt auf Drucksache 15/3268 die unveränderte Annahme. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist diesem Antrag einstimmig zugestimmt worden.
Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen zur Verfassungsstreitigkeit und zu den übrigen Anträgen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste. Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit übernimmt der Landtag diese Voten.
Antrag der Abgeordneten Joachim Herrmann, Bernd Sibler, Melanie Beck u. a. u. Frakt. (CSU) Franz Maget, Dr. Linus Förster, Marianne Schieder u. a. u. Frakt. (SPD) Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einsetzung einer Enquete-Kommission im Bayerischen Landtag „Jungsein in Bayern – Zukunftsperspektiven für die kommenden Generationen“ (Drs. 15/3259)
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! „Junge Leute sind nicht mehr neugierig“. Mit dieser These wurde ich gestern bei einer bildungspolitischen Diskussion konfrontiert. Stimmt das auch? – Ist es so, dass junge Menschen einer ihrer natürlichsten Neigungen, nämlich der Neugier, nicht mehr nachkommen? Oder ist das vielmehr Klischee, Abziehbild von Erwartungen, die wir mit unserer eigenen Erfahrung, geprägt von Lebensalter, Herkunft, Geschlecht, Religion und Arbeitsumfeld an junge Menschen herantragen? Sind junge Menschen vermehrt nur noch daran interessiert, was denn ihr Tun bringt, sei es in Euro und Cent, sei es an Fertigkeiten und Fähigkeiten? Unterliegt die kommende Generation immer mehr einem gnadenlosen Utilitarismus? Haben Jugendliche im Schiller-Jahr ihren Idealismus verloren oder handeln sie doch wertorientiert, vielleicht sogar mehr und akzentuierter, als es früher der Fall war? – Diesen und vielen anderen Fragen wollen wir uns als Bayerischer Landtag in Form der Enquete-Kommission „Jungsein in Bayern – Zukunftsperspektiven für die kommenden Generationen“ nachgehen. Wir haben es also geschafft.
(Fortgesetzte Unruhe – Ulrike Gote (GRÜNE): Das Thema scheint Sie ja sehr zu interessieren! – Glocke der Präsidentin)
Der gemeinsame Fragenkatalog aller im Landtag vertretenen Parteien zur Einrichtung einer Enquete-Kommission ist auf den Weg gebracht.
Auf Initiative des Bayerischen Jugendringes vor knapp einem Jahr haben sich die Fraktionen zusammengesetzt und den Katalog gemeinsam erarbeitet. Dieses Vorgehen ist sicher auch ein positives Signal an die Jugendlichen, die sehen, dass Parteien auch in Sachfragen sehr gut zusammenarbeiten können. Wir haben auf diesen Fragenkatalog bereits positive Rückmeldungen aus den Jugendverbänden und den Jugendringen bekommen. Der Fragenkatalog wird insgesamt als umfassend und gut beurteilt. Er stellt eine gute Basis dar, um die Lebenswelt der
Jugendlichen entsprechend zu erfassen, abzubilden und natürlich auch um daraus Schlüsse ziehen zu können.
Herr Kollege Sibler, bitte einen Augenblick. – Ich denke, es sollte doch eine besondere Stunde des Landtages sein, was den jetzigen Tagesordnungspunkt anbelangt.
Wir möchten also eine gesicherte Grundlage für die Jugendpolitik in Bayern erarbeiten. Sicher werden wir auch das Problem der Kürzungen besprechen müssen, die der Bayerische Jugendring Gott sei Dank schon sehr gut umgesetzt hat. Aus Sicht der Mehrheitsfraktion waren diese Kürzungen leider unumgänglich. Die erhobenen Antworten sollen natürlich auch als Grundlage für die Fortschreibung eines weiteren Jugendprogramms der Staatsregierung dienen, das nach der Enquete-Kommission, vielleicht auch erst in der nächsten Legislaturperiode kommen muss.
Zu den Inhalten: Wir möchten dezidiert keine eigene neue Datensammlung erstellen, aber eine Zusammenführung des bestehenden Materials schaffen. Bestehendes Material gibt es nun wirklich in rauen Mengen. Ich bin sehr froh, dass sich auch ausgewiesene Experten aus den Jugendringen, den staatlichen wie kommunalen Jugendämtern, Mitarbeiter aus dem Jugendinstitut und der Jugendforschung zusammengefunden haben. Wir haben gewesene und aktive Vorsitzende von Kreis- und Bezirksjugendringen dabei, über alle Fraktionen hinweg natürlich Vertreter politischer Jugendorganisationen und viele, die noch immer einen regen Kontakt zur Jugendszene haben. Ich denke, das ist eine ausgezeichnete Grundlage für die gemeinsame Arbeit. Möglichst alle Lebensbereiche junger Menschen in Bayern sollen abgebildet werden. Dies beginnt bei den Werten und der Selbstwahrnehmung, beinhaltet die Freizeit, Schule, Ausbildung und Beruf und geht hin zur Medien- und Kulturarbeit mit all ihren Facetten. Es stellen sich Fragen zur Jugendgesundheit, die sicherlich auch mit Jugendstilen und Jugendkulturen zusammenhängen. Erarbeitet werden sollen auch Fragen zur Jugendkriminalität, zu geschlechtsspezifi schen Entwicklungen; Untersuchungen zum Sexualverhalten sollen einbezogen sowie vermeintliche Randgruppen betrachtet werden.
Insgesamt ist das in der Tat ein breiter, ein möglichst ganzheitlicher Ansatz. Besonders spannend werden für mich die Fragen der Medienrezeption sein. Nachdem Jugendliche inzwischen mehr Zeit im Internet und vor dem Computer als vor dem Fernseher verbringen, ergeben sich hier sicherlich auch Konsequenzen für die Medienpädagogik und den schulischen Unterricht. Natürlich muss hier auch die Beeinfl ussung der Lebenswelt durch die Medien in
den Fokus genommen werden. Hier wird sehr schnell deutlich, dass formelle Bildungsprozesse in der Schule und die informellen in der Clique oder in der Freizeit oder im Verein immer zusammenwirken müssen und dass hier vielleicht Synergien erzielt werden können. Auch die Frage nach den Rollen der Jugendlichen als Buben und Mädchen werden ein breites Feld einnehmen. Die Pisa-Studie hat deutlich gemacht, dass sich das Leseverhalten, aber auch die Nutzung von Computern zwischen den Geschlechtern zum Teil deutlich unterscheiden. Dies genauer zu erarbeiten und zu erforschen wird unsere Aufgabe sein. Hat sich die Emanzipation durchgesetzt?
Haben junge Menschen bei den Ausbildungsplätzen nachgezogen? Wie steht es um Mädchen und Naturwissenschaften? Sind die Buben mittlerweile die verlorene Generation geworden Frau Tolle? Auch diese Frage ist sicherlich ganz spannend zu betrachten. Sind die Buben die Verlierer an den Schulen? – Interessant ist ebenso die Frage nach dem unterschiedlichen Umgang mit Konflikten: Sind Buben gewalttätiger? Haben die Mädchen aufgeholt? Lösen Buben ihre Konfl ikte eher mit Gewalt, während Mädchen diese eher mit sich ausmachen und sich nach innen kehren und deswegen vielleicht Probleme mit der Ernährung bekommen? – Bulimie, Fettleibigkeit etc. Hier gibt es wohl erhebliche Differenzen zwischen den Geschlechtern. Aber passen denn diese Erwartungen, die wir alle mit unseren Bildern von jungen Menschen in dieses Hohe Haus transportieren? Heute haben wir ja schon gehört, dass Kinder in ihren Familien glücklich sind, dass sie auch in der Schule glücklich sind. Ich glaube, viele in diesem Haus hätten eher eine andere Antwort erwartet. Die Kommentierung in den Medien macht das auch deutlich.
Wir werden mit der Enquete-Kommission sicherlich auch einen Schritt zur Evaluation dieser Fragen beitragen können. Ich freue mich auf die Arbeit, die vor uns liegt. Der Landtag macht damit deutlich, dass ihm die Lebenslagen junger Menschen in Bayern am Herzen liegen. Wir beginnen mit einer gemeinsamen Initiative, mit einem interfraktionellen Antrag auf Einrichtung der EnqueteKommission. Ich bin schon gespannt, ob wir auch einen gemeinsamen Abschlussbericht gestalten können. Versuchen wollen wir es auf alle Fälle. Wir brauchen Eltern, die ihre Kinder zur Wissbegierde erziehen, hat unser Bundespräsident Horst Köhler erst vor kurzem gesagt. In diesem Spannungsfeld natürliche Neugierde – Erziehung zur Wissbegierde – Eigenaktivität und das Setzen von Anregungen werden wir uns auch sicherlich in der EnqueteKommission bewegen. Ich bin überzeugt, dass wir spannende Antworten, aber vielleicht auch wieder neue Fragen fi nden werden. Ich darf das Hohe Haus um Zustimmung bitten.