und wir es nur aufheben müssten. Wenn das so einfach wäre, würden wir uns selbstverständlich bücken.
Das ist eine klare Geschichte. Deswegen müssen wir das Problem etwas ausführlicher betrachten, als Sie das eben getan haben.
Sie führen in Ihrem Dringlichkeitsantrag aus, dass in Bayern dem Fiskus 3,38 Milliarden Euro verloren gehen. Sie haben den Betrag aufgeschlüsselt und sagen, wegen der Umsatzsteuer-Karusselle würde Bayern 1,1 Milliarden Euro verloren gehen. Die Karusselle sind tatsächlich ein Problem. Das ist ein Betrugsfall. Hier gibt es organisierte Kriminalität. Die Umsatzsteuerkriminalität stieg in den letzten Jahren an, ist aber seit dem Jahre 2004 wieder etwas rückläufi g. Auch das wurde vom Bundesrechnungshof bestätigt. Die Umsatzsteuer-Karusselle und die organisierte Kriminalität in diesem Bereich ist eine Sache, der man angehen muss.
Ansonsten gibt es noch ein großes Problem, das ist die Schattenwirtschaft oder die Schwarzarbeit. Nach dieser Berechnung würden Bayern 1,94 Milliarden Euro verloren gehen. Dazu ist zu sagen, dass daran die Bundesregierung nicht ganz unschuldig ist, denn deren Steuer- und Abgabenpolitik hat zur Folge, dass viele am Fiskus vorbei versuchen abzurechnen. Das muss man einstellen, das muss man bekämpfen – da gebe ich Ihnen Recht. Der bayerische Finanzminister und die bayerischen Finanzbehörden machen alles, um das zu unterbinden. Die Rahmenbedingungen müssten aber Sie klären.
- Nein, wir schieben die Verantwortung nicht auf andere ab. Wäre das so einfach, wie Sie das sagen, wäre Ihr Ansatz ist löblich. Der Sache gehen wir nach. Aber nirgendwo wird soviel getäuscht und getrickst wie bei der Umsatzsteuer. Die Ertragsausfälle machen laut Bundesrechnungshof 16 Milliarden Euro aus. Der Bundesrechnungshof stellt aber auch fest, dass die Kreativität und Gestaltungsvielfalt der Tatbeteiligten nahezu unerschöpfl ich ist. So urteilt der Bundesrechnungshof.
Das bedeutet, dass die kriminell Tätigen unwahrscheinlich erfi nderisch sind, dem muss man etwas entgegensetzen.
Nun wird bemängelt, dass Bayern dem nichts entgegensetzen würde. In Bayern wird mit EDV-Programmen gearbeitet und abgeglichen. Aber es gibt auch Situationen, dass der Datenschutz uns manchmal einen Strich durch die Rechnung macht bei den Ermittlungen. Man muss bedenken, dass über Bundesgrenzen hinaus Unfug getrieben wird. Es gibt Briefkastenfi rmen und Handys mit Rufumleitung. Niemand weiß, wo der Gesprächspartner sich befi ndet. Mit 200 oder 250 Stellen kann das Übel nicht beseitigt werden. Das Ganze muss mit Gesetzesänderungen und Systemänderungen angegangen werden.
In den letzten Jahren wurden viele Gesetzesänderungen beschlossen. Sie wirken dahingehend, dass bereits im letzten Jahr der Umsatzsteuerbetrug rückläufi g war. 2003 hatten wir noch 11,5 %, im Jahr 2004 waren es nur noch 9,5 % Steuerausfall.
Das heißt, die Umsatzsteuernachschau, das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz, das Steueränderungsgesetz 2003 und das Haushaltsbegleitgesetz 2004 – zum größten Teil von der bayerischen Finanzverwaltung initiiert – zeigen Wirkung. Man muss das ganz deutlich sehen. Betrachtet man sich, dass auch der Bundesrechnungshof einen Systemwechsel für erforderlich hält, weil die gesetzlichen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft sind, dann muss man feststellen, dass man das, was bereits eingeleitet ist und in Modellen überprüft wird, abwarten sollte, bis dann im Spätsommer die Ergebnisse des Gutachtens vorliegen, um dann danach entsprechend zu handeln und ggf. gezielt nachzubessern.
Ich glaube, das ist ein vernünftiger Weg. Man muss solche Wege gehen, denn sonst wird man unglaubwürdig. Wenn ich sehe, dass die Finanzminister bereits beschlossen haben, im Spätsommer weiter an einer grundlegenden Reform der Umsatzsteuer zu arbeiten, dann ist das meines Erachtens ein vernünftiger Weg.
Herr Kollege Kiesel, haben Sie meine Ausführungen zur Kenntnis genommen, dass eine Änderung des Umsatz
steuersystems ausschließlich von der Europäischen Kommission vorgeschlagen werden kann und dass wir auf Bundes- und auf Landesebene keine Möglichkeit haben, von uns aus das System zu ändern?
Haben Sie zweitens zur Kenntnis genommen, dass der von Ihnen erklärte Rückgang des Umsatzsteuerbetrugs in diesem Jahr lediglich ein halbes Prozent betrug? Ich habe eine Presseerklärung des Ifo-Institutes vorliegen: 2004 wurden 10 % des gesamten Umsatzsteueraufkommens hinterzogen, 2005 beläuft sich die Schätzung auf 9,5 % - also ein klägliches halbes Prozent weniger. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass man sich jetzt nicht in Ausfl üchte stürzen sollte, sondern dass man mit der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges jetzt und heute beginnen sollte, das heißt, auch mit mehr Personal in den Finanzämtern?
Herr Kollege Kaiser, es ist nicht so, dass die Finanzverwaltung dem tatenlos zusieht. Ich muss wiederholen: Es wird alles gemacht, um einen Datenabgleich durchzuführen, die Auszahlungen von Umsatzsteuerrückzahlungen nicht sofort erfolgen, es wird nachgeprüft und man versucht einzugreifen, weil die Umsatzsteuer eine Steuerart ist, die sofort wirkt. Wenn ein Krimineller sie eingenommen hat und sie auf ein Konto verbringt, auf das kein Zugriff mehr besteht, dann ist das Geld weg. Das Geld dann wieder zu holen, ist sehr schlecht möglich. Deswegen arbeitet die Finanzverwaltung an einer Lösung.
Sie wollen aber nicht wahrhaben, dass man eine Änderung des Systems und damit das angesprochene Modell braucht. Die Thematik wird am Planbeispiel durchgerechnet. Auch Bayern ist daran beteiligt; am 16.12. ist hier im Landtag ein entsprechender Beschluss gefasst worden. Man beteiligt sich an dem Verfahren und überprüft die Vorgänge praxisnah. Nach dem Abschluss der Überprüfung sollen Folgerungen gezogen werden und diese Folgerungen gegenüber der EU-Kommission entsprechend dargelegt werden. Die EU-Kommission hat erklärt, sie wolle von Deutschland wissen, wie das gehandelt werden soll. Die EU-Kommission muss sich etwas einfallen lassen, denn die Problematik auf Deutschland abzuschieben, geht nicht. Ich möchte deutlich machen: Vieles von dem, was in den letzten Jahren gesetzlich geändert worden ist, ist von Bayern initiiert worden. Das ist Fakt und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Wir werden Ihren Antrag ablehnen und wir werden die Ergebnisse dieses Gutachtens abwarten. Wenn die Ergebnisse auf dem Tisch liegen, werden wir über Maßnahmen beraten, um dann entsprechend zu handeln. Uns liegt daran, dass die Steuern, die zu erbringen sind, auch erhoben werden. Es geht beim vorliegenden Sachverhalt um Betrug und weniger um die Steuerzahler, die in anständiger Weise ihre Steuern entrichten. Deswegen stehen wir dem nahe und suchen nach tragfähigen Lösungen. Das Ziel muss sein, dass nicht nur fi ktiv – wie Ihr letzter Satz zum Ausdruck gebracht hat – 1,7 Milliarden erhoben werden können, sondern dass tatsächlich die Steuer in dem
Maße erhoben werden kann, wie sie uns zusteht, sodass mit möglichst wenig Aufwand ein möglichst großer Ertrag erzielt werden kann. Das ist unser Ziel. Heute lehnen wir Ihren Antrag ab. Sobald die Ergebnisse der Begutachtung des Modells vorliegen, werden wir darüber reden.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht das erste Mal, dass wir in diesem Hohen Hause über Umsatzsteuer und Umsatzsteuerbetrug reden. Erst im Dezember hatten wir über zwei Anträge der SPD und der CSU-Fraktion debattiert. Seitdem – Herr Kollege Kaiser hat in seiner Frage an Herrn Kiesel den Aspekt schon vorweggenommen – hat sich nichts Grundlegendes an der Ursprungssituation geändert wenn man einmal davon absieht, dass die angenommene Hinterziehungsquote um ein halbes Prozent abgenommen hat und sich die härteren Maßnahmen gegen Umsatzsteuerbetrüger langsam bemerkbar machen.
Zu nennen – ich wiederhole es – wären hier sicherlich das Steuerverkürzungsgesetz, welches monatliche Voranmeldungen bei Neugründungen vorschreibt, unangekündigte Umsatzsteuernachschauen möglich macht, zusätzliche Kontrollen bei Leasing-Modellen bietet, wie in der Baubranche, oder die verstärkte Bekämpfung der Schwarzarbeit. Wir haben vorhin zur Schwarzarbeit einiges gehört.
Herr Minister, Sie waren auch in Bayern nicht untätig; das ist uns schon klar. Aber der Minister – lieber Herr Kollege Kiesel, da muss ich Ihnen widersprechen – tut nicht alles, was er tun könnte. Mit dem Finger nur auf die EU zu zeigen, kommt mir ein bisschen so vor, wie wenn alle mit dem Finger auf andere zeigen würden und es geht nicht weiter. Das kann es nicht sein. Es bleibt festzustellen – das ist wohl Fakt -, dass immer noch geschätzte 15 Milliarden Euro an Umsatzsteuer hinterzogen werden, wenn man die Hinterziehungsquote bereinigt. Deshalb halten wir den Antrag der SPD in der vorliegenden Form für richtig.
Immerhin – das ist schon der Erwähnung wert – höhlt anscheinend steter Tropfen der Opposition den Stein beim Finanzminister. Er hat inzwischen eingesehen, dass die verstärkte Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs dazu beitragen könnte, den Staatshaushalt mit mehr Mitteln auszustatten. Anscheinend reden wir, Herr Minister, nicht mehr von Milchmädchenrechnungen. Sie hatten sich im März entsprechend geäußert. Ihnen ist also bewusst geworden, dass es um Summen geht, die wichtig sind und die wir auch einnehmen wollen. Es geht nicht darum, unbescholtene Bürger mit mehr Steuern zu belasten. Es handelt sich nicht um Kleinigkeiten, sondern um die erwähnten 3 Milliarden Euro, die in Bayern hängen bleiben würden. Wir reden also über 5 % des bestehenden Haushalts, die wir als Einnahmenplus erzielen könnten, wenn wir uns rigoroser um die Bekämpfung dieses Betruges kümmern würden.
Die SPD hat in ihrem Antrag zur kurzfristigen Erzielung höherer Einnahmen bei der Umsatzsteuer einige Maßnahmen vorgeschlagen. Ich möchte diese aus unserer Sicht bewerten und vielleicht ergänzen: Alle Bundesländer stehen vor demselben Problem und haben sich ihre eigenen Gedanken gemacht. Das Land Rheinland-Pfalz wurde schon genannt, Nordrhein-Westfalen hat Vorschläge gemacht und die SPD fordert Änderungen im bestehenden System. Man will nicht abwarten – wie es Herr Kollege Kiesel gesagt hat – wie diese groß angelegten Modellversuche zum Reverse-Charge-Modell, Ist-Besteuerung und Cross-Check-Verfahren ausgehen. Grundlegende Änderungen – auch darauf haben Sie hingewiesen – bedürfen der Zustimmung der EU-Kommission und werden daher ein etwas längeres Verfahren erforderlich machen.
Aus diesem Grunde – das können wir gut nachvollziehen – fordert die SPD jetzt Handlungen vom Finanzminister. Hier in Bayern können wir das tun. Die SPD schlägt als erstes einen höheren Personaleinsatz bei der Prüfung vor. Schon jetzt ist es so, Herr Minister, dass pro Außenprüfer im Jahr 2004 Mehreinnahmen von 3,22 Millionen Euro erzielt worden sind. Das sage nicht ich, sondern das sagt die OFD München. Wir sind uns sicher darin einig, dass diese Summe das Mehrfache von dem ist, was ein Prüfer verdient. Diese Kosten-Leistungs-Relation sieht für einen Außenprüfer also sehr gut aus. Ich frage mich und ich frage vor allem Sie, Herr Minister, warum Sie nicht mehr Prüfer einsetzen wollen, obwohl Sie doch diese Relation kennen müssten.
Im Jahresbericht der OFD München vom Jahr 2004 heißt es weiter, dass der Einsatz von allein zehn weiteren Prüfern 2004 im Vergleich zum Jahre 2000 zu Mehreinnahmen von 120 Millionen Euro geführt hat. In dem Bericht heißt es auch, dass die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges das zentrale Thema ist. Ihre Minister sind Ihnen in Bezug auf die Erkenntnis des Ernstes der Lage etwas voraus gewesen, Herr Minister.
Es kann sein, dass Sie im Ministerrat Probleme bekommen, wenn Sie als Einziger mehr Personal für die Außersteuerprüfungen fordern, während die anderen alle Personal abbauen müssen.
Aber – und so kenne ich Sie eigentlich nicht, dass Sie über geringes Selbstbewusstsein verfügen, Herr Minister –
Am 29. September dieses Jahres werden wir den Nachtragshaushalt 2006 beraten. Uns ist bewusst, dass da am Stellenplan kurzfristig nichts geändert werden kann. Aber ich bin gespannt, ob Sie Vorschläge machen, um diese Situation zu verbessern.
Was den EDV-Einsatz angeht, den die SPD anspricht, kann man anmerken, dass mit der Zentralen Datenbank zur Speicherung und Auswertung von Umsatzsteuerbetrugsstellen und Entwicklung von Risikoprofi len – entschuldigen Sie bitte dieses lange Wort, es heißt übrigens abgekürzt ZAUBER, was in diesem Zusammenhang eine phantastische Abkürzung bedeutet – beim Bundesamt für Finanzen ein funktionierendes System vorhanden ist.
Aber was passiert? Es gibt natürlich wie immer in solchen Fällen Konkurrenz zwischen Länder- und Bundessystemen. Wir fordern Sie auf, Herr Minister, sich mit Ihren Kollegen auf ein System zu einigen, egal ob es ein Bundessystem ist oder von mir aus ein bayerisches System.
Kommen wir zur besseren Koordination von Behörden, wie von der SPD gefordert. Dies ist natürlich zu unterstützen, da zum Beispiel die Karussellgeschäfte länder- und staatenübergreifend geschehen. Wir haben in der letzten Woche in einem Antrag die Errichtung einer Zentralstelle gegen Umsatzsteuerbetrug gefordert. Diese könnte durch Konzentration von Informationen, Wissen und Koordinierung durch spezielle Steuerfahnder die richtige Stelle dafür sein. Angesiedelt werden könnte sie – das ist ein Vorschlag von uns – am Landesamt für Finanzen in Würzburg, was auch eine Aufwertung dieser Stelle bedeuten würde. Ich würde mich freuen, wenn sich die Kolleginnen und Kollegen der SPD unserem Anliegen anschließen könnten und das nicht nur als Bürokratisierung abtun würden. In NRW, also rot-grün regiert, hat der Finanzminister das vor kurzem propagiert.
Aber auch hier geht es natürlich nicht ohne zusätzliches Material. Ihr Finanzministerkollege, Herr Dieckmann aus NRW, hat das auch ganz klar deutlich gemacht.
(Staatsminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser: Der macht ja schon sieben Milliarden Schulden, ist ja wurscht!)
Das weiß ich wohl. Aber er hat dann auch höhere Einnahmen, Herr Minister. Hier könnten Sie zeigen, dass mit organisatorischen Änderungen auch die Bekämpfung des Betruges unterstützt wird und nicht so, wie inzwischen geschehen, mit der Neustrukturierung der Betriebsprüfungs- und Körperschaftsteuerstellen die Finanzminister – Entschuldigung – entscheidend geschwächt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges und damit die Erhöhung der allgemeinen Steuereinnahmenquote werden uns in den nächsten Monaten sicher weiter beschäftigen. Der Herr Minister wird in den nächsten Monaten mit den Verhandlungen mit den Kollegen der Finanzministerkonferenz beweisen müssen, dass es ihm damit ernst ist. Wir vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wollen die Bekämpfung weiter forcieren, um mit höheren Einnahmen wieder mehr investieren zu können, und unterstützen daher den Antrag der Kolleginnen und Kollegen der SPD. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Mütze. Als Nächstes hat sich Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser zu Wort gemeldet.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, dass ich gar nicht undankbar bin, dass die SPD einen derartigen Antrag gestellt hat und dieses Thema wieder auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt hat. Das Thema rentiert der Debatte.