Protocol of the Session on April 6, 2005

Trotz der gut gemeinten Anträge – wohlwollend formuliert – werde ich Ihnen einige Argumente und die Begründung liefern, warum wir diesem Antrag nicht zustimmen werden.

Zunächst bleibt – wie bei jeder Debatte – festzuhalten, dass Bildung und Bildungspolitik in Bayern Priorität haben, was an den Zahlen auch abzulesen ist.

(Susann Biedefeld (SPD): In Ihren Worten, nicht in Ihren Taten! – Weitere Zurufe von der SPD)

Hören Sie erst mal zu.

Das zeigt sich bei allen Zahlen. Kollege Prof. Dr. Waschler hat Ihnen anlässlich der Haushaltsberatungen vorgerechnet, wie sich das zusammensetzt. Ich gehe davon aus,

dass auch Sie dies verstanden haben. Wir haben einen Planstellenzuwachs im Bildungshaushalt; und im Unterschied zum Gesamthaushalt ist der Bildungshaushalt in den letzten Jahren kontinuierlich stärker gewachsen. Das ist Fakt.

Frau Kollegin Schieder, Sie gingen auf die Erhöhung der Unterrichtspflichtzeit ein. Dadurch müssen weniger Lehrkräfte ersetzt und eingestellt werden. Aber die Unterrichtsmenge wird erhöht. Im laufenden Schuljahr gibt es 40 000 Stunden wöchentlich mehr Unterricht an den bayerischen Schulen.

(Marianne Schieder (SPD): Das hilft nichts, wenn keine Lehrkräfte da sind, die den Unterricht halten können!)

Das größte Anliegen in allen Ländern Deutschlands – nicht nur in Bayern – ist es, die Unterrichtsversorgung zu sichern und eine gute Unterrichtsversorgung darzustellen. Deshalb hat die CSU-Fraktion in Wildbad Kreuth wichtige Beschlüsse gefasst. Unter anderem wurde beschlossen, dass für das nächste Schuljahr 500 Stellen zusätzlich geschaffen, 300 Stellen durch organisatorische Maßnahmen gewonnen und 300 Beamte, die aus anderen Bereichen frei werden, den Schulen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. In erster Linie soll das zur Entlastung von Verwaltungsaufgaben dienen.

(Susann Biedefeld (SPD): Wie viele Wechselwillige gibt es?)

Ich möchte auf die einzelnen Punkte Ihres Dringlichkeitsantrages eingehen.

Zu Nummer 1 kann ich festhalten, dass diese Bediensteten zusätzlich eingesetzt werden und damit kein einziger Lehrer ersetzt wird. 150 dieser 300 Bediensteten werden zusätzlich und nicht anstatt der Lehrkräfte eingesetzt. Es ist ein ganz wichtiges Signal, dass die Einstellungschancen von Referendaren nicht beeinträchtigt werden.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Biedefeld?

(Siegfried Schneider (CSU): Ja!)

Frau Kollegin, bitte.

Herr Kollege, am 29.03.2005 lief die Frist ab, zu der sich die wechselwilligen Beamten beim Finanzministerium hätten melden sollen. Wissen Sie, wie viele wechselwillige Beamte sich für die geplanten 300 Stellen gemeldet haben?

Herr Kollege Schneider.

Ich kenne die exakte Zahl nicht. Soweit ich weiß, hat das Kabinett beschlossen – Staatssekretär Freller ist anwesend –, von den 300 angekündigten Stellen 150 für den Schuldienst einzusetzen. Die Bewerberzahl habe ich nicht recherchiert und deshalb

auch nicht präsent. Das zusätzliche Personal geht nicht zulasten der Referendare.

Im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport wurde bereits auf Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN beschlossen, uns morgen mit diesen Fragen auseinander zu setzen. Die Staatsregierung wird die Konzeption vorstellen, wie die Fort- und die Ausbildung der Beamten vonstatten gehen soll. Wir werden das eine oder andere Thema sicherlich vertiefen und die Frage, die Sie gestellt haben, klären können.

Davon ausgehend, dass 150 zusätzliche Beamte für die Schulen zur Verfügung gestellt werden, werden noch 150 ehemalige Beamte aus anderen Ressorts dem Kultusministerium für die Schulen zur Verfügung stehen, um diese von Verwaltungsarbeiten zu entlasten. Auch das ist ein wichtiges Zeichen.

Für eines bitte ich um Verständnis. Wir haben eine gut qualifizierende Lehrerausbildung. Trotzdem sollte nicht angenommen werden, dass jeder Seiteneinsteiger, der auf einem anderen Weg in die Schule kommt, a priori nicht leistungsfähig wäre.

(Beifall bei der CSU – Marianne Schieder (SPD): Das hat niemand gesagt!)

Die Schulen haben Bedarf, sich zu öffnen. Mancher Schule tut es vielleicht gut, wenn jemand mit einer anderen Sichtweise in die Schule kommt. Das heißt nicht, dass wir die Lehrkräfte anders ausbilden wollen. Für den Betrieb und manche Diskussion an den Schulen kann es auch nutzbringend sein, wenn durch eine andere Ausbildung und eine andere Arbeitsweise Anregungen in die Schulen kommen.

In Nummer 2 wird die Forderung aufgestellt, einen Masterplan vorzulegen. Sie wissen, dass es die Lehrerbedarfsplanung gibt. Außerdem gibt es Schülerprognosen,

(Marianne Schieder (SPD): Die auch stimmen sollten!)

die nicht allein vom Kultusministerium zu verantworten sind. Die Schülerprognosen treten wegen verschiedener Bedingungen nicht immer 1 : 1 ein. Wir haben darüber diskutiert, dass Bayern ein sehr attraktives Land ist, sodass Bürgerinnen und Bürger aus den von Ihnen regierten Ländern nach Bayern ziehen, ihre Kinder mitbringen und wir durch Zuzüge mehr Schülerinnen und Schüler an den Schulen haben, als die Prognosen dies zunächst ausgesagt haben. Außerdem haben wir ein anderes Bildungsverhalten, das sich von Jahr zu Jahr verändert. Mehr Schüler als in den Prognosen ausgewiesen gehen zur Realschule, zum Gymnasium oder in M-Klassen und nutzen die Möglichkeit, die Fachoberschule und die Berufsoberschule zu besuchen.

All das sind Umstände, die wir begrüßen; wir begrüßen es, dass sich das Bildungsverhalten derart gewandelt hat und viele eine möglichst hohe Bildung erreichen wollen. Wir begrüßen das alle, nur hat das zur Folge, dass nicht jede Prognose, die aufgestellt worden ist, 1 : 1 auch eintreten

wird. Dazu kommt natürlich auch, dass wir einen sehr angespannten Ausbildungsmarkt und eine sehr angespannte Wirtschaftssituation haben. Deshalb gehen viel mehr junge Menschen den Weg über eine höhere schulische Qualifikation, als dies bisher in den Prognosen angenommen wurde.

Wir haben Beschlüsse gefasst, deren Umsetzung Geld kostet. Ich nenne den Ausbau der Ganztagsbetreuung und Sprachlernklassen, Intensivierungsstunden und Förderstunden – all das wurde vom Bayerischen Landtag beschlossen. Das führt zu unterschiedlichen Bedarfssituationen. Es gibt Prognosen und Lehrerbedarfsplanungen. Ich kann diese nicht langfristig wie eine Monstranz vor mir hertragen, weil sich jedes Jahr Änderungen ergeben, auf welche die Politik reagieren muss.

Zu Nummer 3: Sie fordern, dass bis zum Schuljahr 2007/ 2008 5000 Lehrer eingestellt werden. Angesichts der Einstellungszahlen muss ich feststellen, dass wir in den nächsten Schuljahren sicher diese Anzahl an Lehrern einstellen werden.

(Simone Tolle (GRÜNE): Da bin ich sehr gespannt!)

Wenn Sie aber meinen, dass wir diese Einstellungen über zusätzliche Planstellen vornehmen sollen, dann ist das etwas anderes. Es steht in Ihrem Antrag nicht genau drin. Ich gehe aber davon aus, nach dem, was ich gelesen habe, und wie ich Sie kenne, dass Sie meinen, es sollten zusätzliche Planstellen geschaffen werden. Ich gehe davon aus, obgleich es nicht im Antrag steht. Sie fordern nur, dass 5000 Lehrer eingestellt werden, und das werden wir tun, Frau Kollegin Tolle. Die Forderung nach zusätzlichen Planstellen ist aus meiner Sicht nicht nur unrealistisch, sondern auch nicht verantwortlich, weil Sie keine Lösung zur Finanzierung mit aufzeigen.

Ich erinnere an den Antrag der GRÜNEN, wonach in der Grundschule keine Klasse mehr als 20 Schüler umfassen sollte. Auch das ist ein gut gemeinter Antrag. Nur: Die Konsequenz wäre, dass wir im nächsten Schuljahr 8000 Lehrer zusätzlich einstellen und 8000 zusätzliche Klassenzimmer bauen müssten.

(Simone Tolle (GRÜNE): Das stimmt doch nicht!)

Der Antrag ist zwar gut gemeint, aber nicht zustimmungsfähig. Wenn ich mir die finanzielle Situation in Bayern, vor allem aber auch in Deutschland betrachte, dann glaube ich nicht, dass in den nächsten Jahren die Steuereinnahmen sprudeln werden. Ich möchte es etwas provokant sagen: Sie würden Ihr und auch unser Anliegen, noch stärker in Bildung zu investieren, am besten dadurch unterstützen, dass Sie Ihre Kollegen in Berlin auffordern, zurückzutreten und den Weg frei zu machen, damit endlich eine vernünftige Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik möglich ist.

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist nicht provokant, das ist nur blöd! – Susann Biedefeld (SPD): Bildung gibt es nicht zum Nulltarif, auch nicht in Bayern!)

Es ist jedem klar – ich hoffe, auch den meisten von Ihnen –, dass der einfache Weg einer höheren Verschuldung nicht der richtige ist und in eine Sackgasse führt. Unser Weg ist: Wir sparen jetzt verantwortbar, damit wir durch ersparte Zinszahlungen Handlungsspielräume in der Zukunft haben, gerade auch für die Bildungspolitik.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist doch ein Quatsch! Das ist völliger Unsinn!)

Die Alternative wäre: Wenn wir jetzt nicht sparen, werden alle in einigen Jahren zum Sparen gezwungen, damit die Zinszahlungen noch geleistet werden können. Dann ist überhaupt kein Spielraum mehr gegeben, und zwar weder für die Bildungspolitik noch für andere Politikbereiche. Wir müssen uns die notwendigen Handlungsspielräume erhalten, auch im Sinne einer verantwortbaren Bildungspolitik. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Noch einmal: Er ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht und somit auch nicht umsetzbar.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schneider, nach Ihren Ausführungen ist mir danach, ins Mikro zu seufzen. Da das aber nicht gut klingen würde, fühlen Sie meinen Seufzer hoffentlich verbal. Seit ich im Landtag bin, begleitet mich der Lehrermangel. Ich erinnere mich an einen Film mit dem Titel „Und täglich grüßt das Murmeltier“. In dem Film geht es um einen Mann, der morgens aufwacht und jeweils wieder die gleichen Umstände vorfindet. Genau so verhält es sich in Bayern mit dem Lehrermangel, nur die Varianten wechseln.

Der Antrag der SPD ist gut, weil es nach wie vor gilt: Die CSU braucht viele Wiederholungen, um einen Lernprozess dauerhaft speichern zu können. Auch das habe ich schon öfter gesagt. Ich erspare es mir, konkrete Zahlen zu nennen, und verweise auf meine Haushaltsrede. Ich verweise auch auf einen Antrag unserer Fraktion vom Juli des letzten Jahres, in dem wir eine strategische Personalplanung gefordert haben, den Sie, Herr Kollege Schneider, jedoch abgelehnt haben. Auch heute lehnen Sie mit Ihrem Nein zum SPD-Antrag das Anliegen ab, einen Plan zu machen.

Die Prognosen, Herr Kollege Schneider, liegen vor. Ich glaube, die Schülerprognosen sind letzte Woche von der KMK in Schriftform verschickt worden. Es gibt auch eine Lehrerprognose für Bayern; insofern haben Sie schon Recht. Sie brauchen aber einen Plan, wie Sie die Bedarfssituationen und die Schülerzahlen zusammenbringen wollen. Ich habe mir altes Material zum Lehrermangel durchgesehen, welches mannigfaltig vorhanden ist. Herr Stoiber hat im Dezember gesagt: Wir werden den Lehrerbedarf neu erheben, vor allem mit Blick auf die nächsten Jahre. Herr Stoiber hat auch gesagt: Ich lasse mir das nicht länger bieten, was ihr da macht im Kultusministerium; ich werde Konsequenzen ziehen. Das ist ganz klar. – Jetzt haben wir mittlerweile April, und wir sitzen ebenso

wie die Eltern immer noch da und warten, bis wir schwarz werden. Ich glaube, weder ich noch die Eltern wollen schwarz werden und auch nicht mehr länger warten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zum Antrag: Was zunächst als schlechter Scherz erschien, nämlich Förster zu Lehrern zu machen, und zwar nicht in Baumschulen, sondern in unseren Schulen, ist bitterer Ernst geworden. Herr Kollege Schneider, ich empfinde es als einen Schlag ins Gesicht all derjenigen Junglehrer, die im Sommer auf der Straße standen. Vielleicht erinnern wir uns gemeinsam an die Quoten derjenigen, die damals nicht übernommen worden sind: Berufsschule 50 %, Förderschule 30 %, Grundschule 50 %, Gymnasium 58 %, Hauptschule 19 % und Realschule 49 %. Sie können mir nicht erzählen, Herr Kollege Schneider, dass die Förster, die sich jetzt um eine Lehrerstelle beworben haben, einem Junglehrer keine Stelle wegnehmen werden. Da täuschen Sie sich ganz einfach.

Ich gehe mit Ihnen – ich denke, ich kann das für meine Fraktion sagen – insoweit konform, als wir Quereinsteiger nicht per se ablehnen. Ich denke, sie können eine Bereicherung für die Schule sein. Ich glaube aber, die Frage der Quereinsteiger müsste langfristig im Rahmen der Lehrerbildung bzw. im Rahmen der Reform der Lehrerbildung gelöst werden. Man darf bei diesem Thema nicht aus der Hüfte schießen, weil bis jetzt kein einziger Bewerber weiß, was auf ihn zukommen wird. Die Betroffenen haben nur die Schreiben der Ministerien. An mich haben sich sehr viele gewandt. Ich werde morgen auch einen Fragenkatalog mitbringen, um die Damen und Herren, die sich für den Lehrerberuf interessieren, zu erhellen. Ich bin sehr gespannt und verschiebe die Debatte über diese Quereinsteiger auf die morgige Ausschusssitzung.

Zu Nummer 2 und 3 des SPD-Antrages: Ich halte einen Plan, wie man mit dem Mangel an Bayerns Schulen auf lange Sicht klarkommen will, für sinnvoll. Ich habe es schon im Juli gesagt: Wir brauchen eine strategische Personalplanung. Die Staatsregierung hat, Herr Minister Huber, keine Strategie. Es ist kein roter Faden erkennbar. Der einzige rote Faden, der sich durch das Kultusministerium zieht, ist der Mangel. Es ist inzwischen auch schon so weit, dass eine Elterninitiative für mehr Lehrer in Bayern gegründet wurde.

Ich halte das für beschämend.