Im Mittelpunkt dieser Beschlüsse stand nicht eine sachgerechte Entscheidung, sondern die Frage, wer bekommt was. Dieses Behördendomino geht nicht nur zulasten der Beschäftigten, sondern auch zulasten der Bürgernähe und vor allem zulasten des fl achen Landes. Aber Sie stellen sich hin und sagen, diese Verwaltungsreform orientiert sich an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger. Sie sagen, die Verwaltung bleibt in der Fläche präsent. Das zeigt einen weiteren Realitätsverlust, weil die Bürgerinnen und Bürger draußen das ganz anders sehen.
Wir haben den ORH eingeschaltet, damit endlich einmal ein Gremium nachvollziehbare Kriterien und vor allem Wirtschaftlichkeitsberechnungen einfordert, bei denen neben volkswirtschaftlichen auch gesellschaftspolitische Aspekte nicht außer Acht gelassen werden.
Es gibt nämlich Berechnungen aus dem Innenministerium, die aufzeigen, dass jede Verlagerung von Arbeitsplätzen mit zusätzlichen Ausgaben in der Größenordnung von 0,5 bis 1 Million Euro je verlagerten Arbeitsplatz bewertet werden muss. Die „Behörden-Scharade“ wird den Freistaat Bayern sehr viel Geld kosten. Ich will zwei, drei Beispiel nennen. Oberbayern: Umzug des Straßenbauamtes nach Freising, Umzug des Wasserwirtschaftsamtes nach München, Umzug des staatlichen Hochbauamtes nach Weilheim. Niederbayern: Umzug des Straßenbauamtes Deggendorf nach Passau, Umzug des Wasserwirtschaftsamtes Passau nach Deggendorf, Umzug des Stra
ßen- und Wasserbauamtes nach Landshut und, und, und. Quer durch Bayern werden die Behörden verschoben, und das soll keine Kosten verursachen, Herr Huber?
Das ist ein Schildbürgerstreich ohne gleichen, ein Kuddelmuddel, wie es besser nicht geht. In keiner Weise ist geklärt, welche Umzugskosten entstehen werden, durch Arbeitsausfall von mehreren Hundert Mitarbeitern während und nach den Umzügen, durch Aus- und Umbaukosten für die neuen Gebäude, durch Gebäudeneubaukosten. Es gibt keine Antworten auf viele Fragen, keine Bereitschaft vonseiten der Staatsregierung zu antworten. So viel nur zu Ihrer Aufforderung an uns, mitzuarbeiten. Sie wollen das gar nicht.
Ich komme zum Schluss. Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben die Verwaltungsreform hoffnungslos verbockt. Sie haben ein Behördengeschachere, ein Behördenkarussell, einen Beamtentourismus provoziert, dass es einem nur schwindelig werden kann.
Schade, hätten Sie nur ein bisschen auf den Rat anderer gehört, wie auf die SPD, auf die Beschäftigten und auf die kommunalen Spitzenverbände,
dann hätte aus der „Reförmchen-Missgeburt“ vielleicht eine richtige Reform werden können, und die unendliche Geschichte der bayerischen Verwaltungsreformen hätte dann vielleicht endlich ein Ende gefunden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Naaß, während Ihrer Rede bin ich zunehmend nachdenklicher und betroffener geworden.
Ach, Kollege Franz Maget, hören Sie doch erst einmal zu und lassen Sie mich ein paar Gedanken entwickeln.
Sie machten nichts anderes, als Phrasen und populistische Äußerungen aneinander zu reihen. Der Gipfel war Ihre Schlussaussage, die CSU hätte sich auf die SPD verlassen und auf Sie hören sollen. Frau Kollegin Naaß, ich habe in Ihrer gesamten Rede zur Verwaltungsreform nicht einen einzigen Vorschlag gehört, den man umsetzen könnte.
Der nächste Punkt: Es macht mich auch betroffen, dass Sie immer noch uralten Vorstellungen nachlaufen, wonach der Staat der beste Arbeitgeber sei. Kaum ein Wirtschaftswissenschaftler, der ernst genommen wird, vertritt Ihre These, dass man den Staat als besseren Arbeitgeber sehen könnte. Wir wollen den anderen Weg. Wir wollen Fesseln lösen. Wir wollen Freiheiten schaffen, damit die Wirtschaft wieder Arbeitsplätze schafft, dass dort investiert und dort Arbeitsplätze geschaffen werden. Zu fordern, der Staat müsse dies ermöglichen, ist der falsche Weg. Nehmen Sie das doch endlich zur Kenntnis.
Der nächste Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Mich hat auch betroffen gemacht, dass in Ihrer ganzen Rede, Frau Kollegin Naaß, kein einziges Mal unsere Situation in Deutschland angesprochen wurde. Wir haben neue Herausforderungen, Frau Kollegin Naaß.
Der globale Wettbewerb, die demographische Entwicklung – das alles sind Stichworte, die in Ihrer Rede nicht vorgekommen sind.
Wir wollen nicht, dass der Staat Wohltaten fi nanziert, sondern dass er sich auf das Wesentliche konzentriert. Wir wollen nicht, dass der Staat ständig auf Pump lebt. Herr Steingart, ein Redakteur des „Spiegel“, hat in einem Buch kürzlich dargestellt, dass seit der Regierungszeit von Willi Brandt das Wirtschaftswachstum in Deutschland nur auf Pump fi nanziert worden ist. Es ist der falsche Weg, das Wirtschaftswachstum nur durch neue Schulden der öffentlichen Hand zu ermöglichen. Ich halte es für richtig, dass wir endlich umkehren und einen neuen Weg gehen. Deshalb haben wir in Bayern den schuldenfreien Haushalt beschlossen. Wir müssen neue Wege gehen. Frau Kollegin Naaß, die Schulden von heute sind die Steuern von morgen, also die Steuern der künftigen Generationen. Das kann man nicht oft genug sagen.
(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aber auch die versteckten Schulden! – Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))
Die Personal- und Verwaltungskosten müssen reduziert werden, um Investitionen und Dinge, die den Menschen helfen, fi nanzieren zu können.
Als Vater von zwei Kindern macht es mich immer wieder nachdenklich, dass zwischenzeitlich in der Bundesrepublik Deutschland jedem Kind bei der Geburt ein Rucksack
an Schulden und Pensionslasten in Höhe von mindestens 80 000 Euro mit auf den Weg gegeben wird. So darf es nicht weitergehen. Auch Ihnen müsste klar sein, dass dies der falsche Weg ist. Wir müssen umkehren. In ihrer Rede, Frau Naaß, habe ich dazu keinen einzigen Ansatz gehört. Dass es anders geht, haben wir in Bayern über viele Jahre hinweg vorgemacht.
Ich will einen Vergleich zwischen Nordrhein-Westfalen und Bayern in der Ausgangslage 1969 anstellen. Damals befand sich Bayern im Wechsel vom landwirtschaftlichen Flächenstaat zum Industrieland. Beide Länder hatten damals 1,6 Milliarden Euro Schulden. Zwischenzeitlich hat das große Land Nordrhein-Westfalen – das größte Industrieland in Deutschland, in das früher viele Menschen aus Bayern zur Arbeit pendeln mussten – sechzig Mal mehr Schulden als der Freistaat Bayern. Die Broschüre zum Länderfi nanzausgleich zeigt die erschreckende Tatsache, dass das Industrieland Nordrhein-Westfalen nur noch 0,2 Milliarden Euro im Jahr 2005 in den Länderfi nanzausgleich zahlen wird. Diese Zahl zeigt, dass in NordrheinWestfalen Spielräume vertan wurden, obwohl man dort die gleiche Ausgangslage wie in Bayern hatte. In Bayern haben wir einen anderen Weg eingeschlagen. Wir haben immer noch Investitionsmöglichkeiten, wie kein anderes Bundesland.
Unsere Investitionsquote liegt bei 12,6 %. Das ist der entscheidende Ansatz. Den können wir allem entgegenhalten, was Sie, Frau Naaß, gesagt haben.
Noch ein weiterer Gedanke, Frau Kollegin Naaß, dazu: Wir müssen endlich damit aufhören, mehr Geld auszugeben als einzunehmen.
Sie haben in diesem Zusammenhang davon gesprochen, dass Staatsminister Huber den Staat abschaffen und neuen Zentralismus schaffen wolle. Dazu verweise ich Sie auf die Verwaltungsreform in Thüringen.
Ich greife ein Beispiel heraus, nämlich die Amtsgerichte. Wir haben nicht ein einziges Amtsgericht in einem Landkreis abgeschafft. Die Amtsgerichte bleiben vor Ort. Das Land Thüringen schafft von seinen dreißig Amtsgerichten sieben Standorte ab. Es handelt sich in Thüringen nicht um Außenstellen, wie bei uns, sondern um Amtsgerichte.
Ein weiteres Beispiel: Thüringen schafft insgesamt 81 Behördenstandorte ab und das sind keine Außenstellen sondern vollständige Behördenstandorte. Das ist der Unterschied. Warum musste Thüringen das machen? – Weil 10 % des Haushaltsvolumens Schulden sind und dafür Zinsen aufgebracht werden müssen und weil das Land weitgehend zahlungsunfähig geworden ist.
Hier wird Zentralismus geschaffen. Bei uns bleiben die Behörden und die Arbeitsplätze in der Fläche erhalten. Sie befi nden sich weiter in den Landkreisen. Das ist der Unterschied zu anderen Verwaltungsreformen. Nehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis.
Wir haben – auch das ist bei Ihnen nicht vorgekommen – einen Personalanteil von 43 %. Wenn wir nichts ändern, werden die Versorgungslasten bis zum Jahr 2015 so ansteigen, dass man ein Stellenäquivalent von 43 000 schaffen könnte. Das ist der entscheidende Punkt, warum wir einsparen, reduzieren und reformieren wollen.