Gefährlich ist Ihr Angriff auf die Tarifautonomie, Ihr Bestreben, Betriebsräte in Teilen gegen die Tarifvertragsparteien in Stellung zu bringen. Das deutsche Tarifvertragssystem ist flexibel genug, um auf die neuen Herausforderungen der Globalisierung zu reagieren. Schon heute kann von Tarifvertragsbedingungen abgewichen werden, wenn sie für die einzelnen Beschäftigten günstiger sind – das ist sowieso klar –, aber auch dann, wenn die Tarifparteien dem zustimmen. Das ist in der Vergangenheit schon oft der Fall gewesen. Wir finden das auch in der Gegenwart sehr häufig, gerade dann, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert und Unternehmen in Not geholfen werden kann.
Ein staatlicher Eingriff in diese heutige Flexibilität ist also in keiner Hinsicht notwendig und angezeigt. – Herr Bernhard, in gewisser Hinsicht haben sie Recht. Aber es hat sich inzwischen doch in den letzten Monaten und Jahren gebessert.
Dabei hatte die jetzige Debatte für Sie in der letzten Woche eine geradezu peinliche Aktualität bekommen. Wir alle haben in den letzten Tagen aufmerksam verfolgt, wie die rot-grüne Bundesregierung mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine bahnbrechende Tarifreform auf den Weg gebracht hat; das habe ich eben schon kurz angesprochen, aber man kann es nicht oft genug darstellen, liebe Kollegen. Dies gilt für die tariflich Beschäftigten im Bund und in den Kommunen.
Der neue Tarifvertrag steht für stärkere Leistungsorientierung, für mehr Transparenz, für die Stärkung des Dienstleistungsgedankens und für mehr Flexibilität. Sogar die üblicherweise – und spätestens das müsste Sie doch alle überzeugen – nicht als unmittelbar rot-grün-lastiges Medium geltende „Passauer Neue Presse“ kommentierte diesen Abschluss mit der Überschrift „Mutmacher“ und gab die Empfehlung – ich zitiere – „die Länder sollten sich jetzt diesem Tarifabschluss anschließen, anstatt weiter im Abseits zu stehen.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die „Passauer Neue Presse“ hat Recht, nicht immer und auch nicht immer öfter, damit das gleich klar ist, aber in diesem Punkt. Bayern sollte sich dem Tarifvertrag für die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst anschließen und als Vorbild dafür nehmen, wie sie mit den eigenen Beamtinnen und Beamten von den Arbeitsbedingungen her umgeht. Dieser Tarifabschluss hebt sich nämlich nicht nur im Inhalt, in der Flexibilität, in der Transparenz, der Stärkung der Dienstleistung und der Leistungsorientierung wohltuend ab von dem, was wir in Bayern seit der Wahl erleben.
Besonders beeindruckend war die Art, wie der Vertrag zustande kam. Hier wurden – jetzt muss ich doch etwas in die Vergangenheit zurückblicken – im Zusammenhang mit dem Gegenüber eben nicht Sprüche von Mittelmäßigkeit, von Sümpfen und quakenden Fröschen geklopft, es wurde nicht über die Köpfe der Beschäftigten eine 42-Stunden-Woche beschlossen. Hier feierte nicht der Obrigkeitsstaat fröhliche Urständ. Vielmehr war der Abschluss das übereinstimmende Ergebnis von vernünftigen Verhandlungspartnern, die sich gegenseitig als gleichberechtigt und gleichwertig akzeptiert hatten.
Dieser Weg der Verhandlungen, das Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ist auch für Bayern und in Bayern alternativlos, wenn wir auch künftig motivierte und gute Beamtinnen und Beamte in der Staatsverwaltung haben wollen. Dieser Weg ist nicht nur richtig und gut, sondern auch das glatte Gegenteil dessen, was Sie im letzten Jahr praktiziert haben.
Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass dieser Tarifvertrag den 5 Millionen Arbeitslosen nichts nützt, da sie außerhalb stehen?
Sie wollen das Arbeitsrecht flexibilisieren. Ich sage Ihnen, das Arbeitsrecht ist flexibel und diese Flexibilität ist genau das, von dem Sie selber unterstellen, dass es den Arbeitslosen hilft. Insoweit sage ich aufgrund Ihrer eigenen Begründung und Argumentation: Natürlich hilft er den Arbeitslosen, weil eben diese Flexibilität erreicht wird. Im Übrigen ist natürlich die Frage des Einstellungsverhaltens im öffentlichen Dienst etwas, was nicht nur von den Tarifvertragsabschlüssen abhängt. Soweit gilt natürlich die Einschränkung.
Noch etwas anderes fand ich höchst beeindruckend. Während Herr Huber verzweifelt die Seinen über das Land schickt, damit irgendwann irgendwo eine Schlagzeile produziert werden kann: Heureka, wir haben ein Blatt Büro
kratie gefunden; das war überflüssig und wir haben es vernichtet, ist es der Bundesregierung und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gelungen, die Zahl der Eingruppierungsmerkmale in den Verhandlungen mit einem Federstrich von 17 000 auf 100 herunterzubringen. Während die Bayerische Staatsregierung von Bürokratieabbau spricht, ist hier bei den Tarifpartnern der rot-grünen Bundesregierung ein erfolgreiches Vorbild gefunden, und auch hier war es, was Sie durchaus annehmen können, das Miteinander starker Partner, das zum Erfolg führte.
Wenn sich die Staatsregierung dennoch so gegen die Übernahme der Tarifreform im öffentlichen Dienst für Bayern sträubt, so drängt sich bei mir als durchaus - wenn auch ein bisschen bemüht - wohlwollendem Betrachter Ihrer Politik der Eindruck auf, dass das – ich muss das wiederholen – erfolgreiche und gute Funktionieren der Sozialpartnerschaft Ihnen hier politisch ideologisch nicht passt. Es geht Ihnen nicht um die Sache. Diese Flexibilisierung ist genau das, was Sie wollen, und trotzdem lehnen Sie sie ab. Insoweit ist das wahrscheinlich der Grund, warum Sie diesen erfolgreichen Abschluss nicht übernehmen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Bundesregierung hat mit ihren arbeitsmarkpolitischen Reformen viele alte Zöpfe aus Ihrer alten Regierungszeit abgeschnitten. Das ist gut so.
Es war Rot-grün. Wir haben mit großer Energie die Reform auf dem Arbeitsmarkt auf den Weg gebracht, was Sie jahrzehntelang völlig versäumt haben.
Sie haben das noch im Vermittlungsausschuss im Jahre 2003 mit aller Kraft, mit der Kraft politischer Taktierer blockiert.
Wir haben eben über die Zuverdienstmöglichkeiten debattiert. Da hatten wir diesen Fall sehr deutlich.
Das, was Sie uns in Sachen ALG II als Hinzuverdienstmöglichkeiten präsentiert haben, hat die „Süddeutsche Zeitung“ übrigens zu Recht als Volksverdummung bezeichnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe eben in der Debatte – ich wiederhole mich jetzt nicht – gesagt, was der Arbeitsmarkt dringend braucht, und Sie haben sicher alle fleißig mitgeschrieben. Ich sage Ihnen jetzt, was wir nicht brauchen. Das ist eine Arbeitsmarktpolitik nach HenzlerArt, und das ist der Versuch, die schlechte Wirtschaftslage zu einem Generalangriff auf die Schutzrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit auf unseren Sozialstaat zu missbrauchen.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags. Wer ebenfalls für die Ablehnung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer möchte dem Dringlichkeitsantrag zustimmen? – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt mit den Stimmen der Mehrheitsfraktion gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Beraterverträge, Gutachten und Studien
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Externe Beratung von Landesregierungen tut Not. Das ist keine Frage, und das gilt nicht nur für Landesregierungen, sondern selbstverständlich auch für die Bundesregierung. Über Ausmaß und Umfang der externen Beratungen kann man durchaus diskutieren, das ist aber heute nicht unser Thema und Anliegen. Wir wollen mit unserem Antrag zweierlei Missstände beheben. Der erste Missstand ist, dass es viel zu oft keinerlei Transparenz gegenüber dem Landtag gibt. Das heißt, wir erfahren viel zu wenig über das „Das“ und das „Wie“.
Der zweite Missstand, den es zu beheben gilt, ist die Vergabepraxis. Nach allen einschlägigen Rechtsvorschriften vom Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen, in das über das Vergaberechtsänderungsgesetz auch die europäischen Vergaberegularien eingearbeitet sind, über die Haushaltsordnungen, die Vergabeordnung bis hin zu den freistaatlichen Vergabeempfehlungen sollte die öffentliche Ausschreibung die Regel sein. Tatsächlich ist die Regel die freihändige Vergabe. Das heißt, die Regel wird zur Ausnahme und die Ausnahme wird zur Regel gemacht, und das überall, angefangen bei der Staatsregierung bis hin zu nachgelagerten Behörden.
Ich will zwei Beispiele nennen. Wir hatten uns im letzten Frühjahr eingehend mit den Beraterverträgen befasst. Die Staatsregierung hat eine Auflistung vorgelegt. Von den 208 externen Beratungs- und Dienstleistungsaufträgen, die die Staatsregierung in Beantwortung unserer Anfragen vom Januar und Februar für den Zeitraum 1998 bis 2003 aufgelistet hat, sind lediglich 11 nach öffentlicher Ausschreibung und 12 nach beschränkter Ausschreibung vergeben worden. Bei den nachgelagerten Behörden haben wir ungefähr das gleiche Verhältnis.
Ich komme zum Innenminister, der besonders dafür sorgen müsste, dass unsere Rechtsvorgaben eingehalten werden. Nehmen wir einmal die Bayerische Versorgungskammer, eine unmittelbar dem Innenministerium nachgeordnete Oberbehörde. Dort gab es 81 Beratungsaufträge im Rahmen des Projektes „Neue Versorgungssoftware“, die nach außen vergeben wurden und die einen Wert ab 25 000 Euro aufwärts hatten. 25 000 Euro ist die Wertgrenze, ab der das öffentliche Verfahren die Regel sein sollte. Tatsächlich war es so, dass von diesen 81 Aufträgen 69 freihändig vergeben wurden. Lediglich eine Auftragsvergabe ist im offenen Verfahren erfolgt. Zweimal gab es einen Zuschlag über eine beschränkte Ausschreibung, neunmal im Verhandlungsverfahren.
Das heißt, die Ausnahme wird zur Regel gemacht. und die Regel ist die Ausnahme. Ich habe Herrn Strehle gesehen. Herr Strehle, Sie geben mir doch sicher Recht. Das prägnanteste Beispiel ist das Trust-Gutachten. Einen Auftrag für viele Millionen Euro hat man einfach freihändig vergeben. Wir halten das für einen Skandal. Ich danke für Ihren Applaus, Herr Strehle.
Sehen wir uns an, warum es so ist. Selbstverständlich gibt es in manchen Fällen Gründe, warum man von der Wertgrenze abweicht und sagt, wir gehen nicht in das offene Verfahren, sondern vergeben in einem begrenzten Kreis oder an einen bestimmten Bieter, ohne eine Vergabebekanntmachung herauszugeben bzw. ohne öffentlich ausgeschrieben zu haben. Für die aufgetretene Häufung gibt es nur zwei Begründungen: Entweder es ist Bequemlichkeit, oder es ist Spezlwirtschaft. Mal ist es das Eine, mal ist es das Andere.
Wir haben in unserem Antrag formuliert, wir hätten gern jährlich einen schriftlichen Bericht zu den im letzten Jahr vergebenen Aufträgen für Beratungsleistungen, Gutachten und Studien vergleichbar dem Bericht, den wir bereits bekommen, also die so genannte Kaub-Liste, die die Öffentlichkeitsarbeit betrifft. Wir haben unsere Forderung ein wenig aufgegliedert nach Auftragsgegenstand, auftraggebendem Ministerium, Auftragssumme usw. Als zweite Forderung steht in dem Antrag, dass die Staatsregierung dafür Sorge tragen möge, dass Aufträge für die genannten Leistungen entsprechend den Regularien, wie ich sie vorhin aufgezählt habe, vergeben werden. Drittens ist uns ein wichtiges Anliegen – hier bin ich bei der Transparenz –, dass die Ergebnisse der Beratungsleistungen, Gutachten und Studien unverzüglich dem Landtag – das ist uns ganz wichtig – und auch der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden, sofern es keine Gründe gibt, die gegen eine Veröffentlichung sprechen.
Grund für uns, diesen Antrag hochzuziehen, war das Verhalten im federführenden Haushaltsausschuss. Herr Dr. Bernhard, schön, dass Sie mir gegenübersitzen. Sie haben damals gesagt, das brauchen wir nicht, das wäre zu viel Bürokratie. Ich zitiere einen besonders schönen Satz, der auch der Grund dafür war, dass sich Herr Kollege Hallitzky zu dem Ausdruck „Büttel“ hat hinreißen lassen. Sie haben erstens gesagt, die Regierung entscheidet, welche Informationen für das Parlament wichtig sind und welche
nicht. Das ist eine Formulierung, die wir nicht unbedingt mittragen können. Sie haben gesagt, alles sei rechtens, es gebe den ORH, der der Staatsregierung auf die Finger schaue, und bei Interesse im Einzelfall würden wir informiert werden. Wir wollen dem entgegenhalten, der ORH hat immer wieder Vergabeverstöße moniert, ohne dass etwas passiert wäre.
Zweitens. Wenn Sie sagen, wir bekommen die Informationen, die wir wollen, dann muss ich sagen, ich habe es oft genug im Wirtschaftsausschuss erlebt, dass Ihre eigene Fraktion die mangelnden Informationen moniert hat. Damals ging es zum Beispiel um das SMA-Gutachten zum Nahverkehr, das Roland-Berger-Gutachten zu eiligen Sanierungen und das Roland-Berger-Gutachten zur Schulverwaltung. Wir reden hier über Gutachten, die wir gar nicht kennen. Diesen Missstand gilt es unseres Erachtens zu beheben.