Protocol of the Session on February 15, 2005

Das wird aber nicht gelingen; denn die Eltern lassen sich nicht täuschen. In Bayern gibt es zwei Realitäten, eine auf dem Papier und eine an den Schulen. Aber auch das beste Marketing, die schönsten Pressemitteilungen und die ausgeklügeltsten Rechnungen werden Ihnen auf Dauer nichts nützen. Die Wahrheit wird sich ihren Weg bahnen. Ich prophezeie: Der Notstand wird weitergehen, und die bayerischen Eltern werden sich das nicht länger gefallen lassen. Wir werden sie in ihrer Not unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Schieder.

Es ist keine Schande, eine Oberpfälzerin zu sein, gell!

(Beifall – Zurufe von der SPD und von den GRÜ- NEN: Bravo! – Joachim Herrmann (CSU): Dieser Satz war der einzige, dem ich zustimme!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

(Unruhe)

Ich bitte um etwas Ruhe. – Frau Kollegin Schieder, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zahlentricks hin oder her, Verschiebebahnhöfe hin oder her, Beteuerung der Staatsregierung hin oder her: Inzwischen ist jedem Menschen, der sich in diesem Land ernsthaft mit dem Problem der fehlenden Lehrerstellen beschäftigt hat, klar geworden, dass diese Staatsregierung alles will, nur keine zusätzlichen Lehrer einstellen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Anschein soll erweckt werden; das ist klar. Dazu dient der Zahlensalat. Ein Journalist, der gerade nach der Rede von Herrn Waschler den Saal verlassen hat, hat zu Recht gesagt: Jetzt glaube ich, dass es gleich 5000 mehr sind, die eingestellt werden sollen. Der Anschein soll also erweckt werden. Dazu dient das ganze Theater. Aber wirklich eingestellt wird nicht, wenn es irgendwie geht.

(Zurufe von der CSU)

Wenn die ganzen Zahlentricks und die Verschiebebahnhöfe nicht weiterhelfen und die Not nicht anders beseitigt werden kann, dann gibt es Einjahres-Zeitverträge. Diese Einjahres-Zeitverträge haben den schönen Vorteil, dass man die Lehrer nicht einmal ein ganzes Jahr beschäftigen muss; denn im September wird eingestellt und im Juli wieder ausgestellt. Außerdem haben solche Verträge den Vorteil, dass man hoffen kann, keine Interessenten zu finden und damit nicht einmal diese Zeitverträge ausnützen zu müssen.

Zeitverträge würde ich als Mittel zur Lösung des Problems anerkennen, wenn es sich um einen vorübergehenden Mangel handeln würde. Aber das Fehlen von über 1000 Lehrern ist doch bei Gott kein vorübergehender Mangel, sondern es ist ein in vielen Bereichen struktureller Mangel, der mit befristeten Verträgen in der Tat nicht behoben werden kann. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Das, was Sie hier betreiben, ist Flickschusterei, und noch dazu eine ziemlich schlechte.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Art und Weise, wie seitens der Staatsregierung der Begriff „zusätzlich“ verwendet wird. Für mich bedeutet „zusätzlich“, dass etwas dazukommt. Für die Staatsregierung bedeutet „zusätzlich“, dass die neue oder zusätzliche Stelle auch dann eine neue oder zusätzliche Stelle ist, wenn sie eine Sekunde zuvor im selben Bereich gestrichen worden ist. Um das anhand eines bayerischen Beispiels zu erläutern: Wenn man in die Weißwurst am einen Ende hineinbeißt und das Trumm am anderen Ende wieder anflickt, dann ist die Wurst um das ganze Trumm länger geworden. So schaut es aus.

(Heiterkeit bei der SPD)

In Wahrheit ist es natürlich so, dass das Trumm, das weg ist, wirklich weg ist. Das wissen auch Sie.

Ein Beispiel: Im Haushalt 2005/2006 ist die Rede von 400 zusätzlichen Stellen für Grundschullehrer. Diese 400 Stellen wurden im Nachtragshaushalt 2004 gekürzt, weil man seitens der Staatsregierung wild entschlossen war, eine Religionsstunde in der dritten und vierten Klasse zu streichen. Als man mit den Kirchen gesprochen hat, hat man gemerkt, dass die Religionsstunde nicht gestrichen werden kann. Die Lehrer dafür blieben aber gestrichen. Die Religionsstunde blieb in der Stundentafel, musste also erteilt werden, aber die Lehrer gab es nicht. Erst zum Beginn des Schuljahres 2005/2006 werden diese 400 Lehrer – natürlich als neue Lehrer – wieder zur Verfügung gestellt. Wir haben im Ministerium nachgefragt, wo in der Zeit der Religionsunterricht geblieben ist. Man hat uns gesagt, der wird schon irgendwie erteilt worden sein von denen, die grad da waren. Aber wir haben 18 Millionen Euro Konsolidierungsbeitrag geleistet, und das ist das Wichtigste. So funktioniert die Sache.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Respekt!)

Ein zweites Beispiel: Sie wollen in den nächsten zwei Schuljahren 20 000 Kinder zusätzlich einschulen, das steht in Ihrem Gesetzentwurf. Dazu brauchen Sie 320 neue Lehrerstellen. Was steht drin im Haushalt? – 160 Stellen stehen drin, und zwar 65 Stellen für heuer, 95 für das nächste Schuljahr. 160 ist aber die Hälfte von 320 und nicht 320. Es wird also bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit die nächste Mangelverwaltung aufgemacht.

(Beifall bei der SPD)

Im Haushalt steht aber, 160 neue Stellen werden für die Einschulung zur Verfügung gestellt. Abgesehen davon, dass diese zusätzlichen Lehrer durch zusätzliche Kinder bedingt sind und das Ganze im Grunde als neutral behandelt werden müsste und nicht als zusätzliche Lehrerstellen, werden sowohl die 400 Grundschullehrerstellen als auch die 160 Grundschullehrerstellen durch eine Streichung von 500 Hauptschullehrerstellen und 262 Grundschullehrerstellen erwirtschaftet. Das heißt, den Volksschulen werden zunächst 762 Stellen weggenommen, um ihnen anschließend 560 Stellen zuzuteilen. Wenn das keine Zahlentrickserei und kein Verschiebebahnhof ist, dann weiß ich nicht, was sonst Zahlentricks sein sollen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Die Schüler werden doch nicht weniger, wenn man früher einschult.

Ich meine, das waren zwei Beispiele, die deutlich machen, in welcher Art und Weise Sie hier vorgehen. Ich kann Sie nur auffordern: Weg mit den Zahlentricks, weg mit den Verschiebebahnhöfen und her mit echten Lehrern auf echten Planstellen!

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Schneider.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es gibt auch Schüler, die dann, wenn sie eine Aufgabe nicht verstehen, von Zahlentrickserei sprechen. Manchmal kommt mir das bei Ihnen auch so vor. Schauen Sie in den Haushalt hinein und zählen Sie die Zahlen zusammen, dann kommen Sie auf die Ergebnisse, die Herr Kollege Prof. Dr. Waschler vorgetragen hat. Wenn Sie sich die Zahlen herausschreiben und Einer unter Einer, Zehner unter Zehner und Hunderter unter Hunderter schreiben, dann kommen Sie auf die richtigen Ergebnisse.

(Heiterkeit bei der CSU)

Frau Kollegin Schieder, ich habe es noch nie erlebt, dass jemand von der Weißwurst abbeißt. Erstens zuzelt er sie, und zweitens hängt er das Stück nicht an der anderen Seite dran. Das macht auch die CSU nicht; davon dürfen Sie überzeugt sein.

Zu dem, was Herr Kollege Maget gesagt hat, möchte ich bemerken: Entscheidend ist, wie viel Unterricht an unseren Schulen stattfindet. Wir brauchen nicht zu diskutieren über Stellen, Stellenäquivalente und Lehrerplanstellen; denn das verwirrt natürlich. Entscheidend für die Eltern und die Qualität der Schule ist, wie viel Unterricht stattfindet. Hier können wir feststellen – und das haben Sie mittlerweile hoffentlich auch –, dass im laufenden Schuljahr in Bayern 40 000 Unterrichtsstunden mehr gehalten werden als im Schuljahr zuvor. Das ist Fakt.

(Beifall bei der CSU)

Mit diesen 40 000 zusätzlichen Stunden wird eine ganze Reihe von zusätzlichen Unterrichtsangeboten und sonstigen Verbesserungen erreicht. Ich weise darauf hin, dass die durchschnittliche Schülerzahl in der Volksschule, also in Grund- und Hauptschule, zurückgegangen ist, dass wir mehr Praxisklassen haben, mehr M-Klassen, mehr Außenklassen, mehr Kooperationsklassen, mehr sonderpädagogische Dienste und mehr Ganztagsangebote. Ich könnte die Liste weiterführen.

Entscheidend ist, wie viel Unterricht an unseren Schulen gegeben wird. Diesbezüglich können wir uns wahrlich sehen lassen und brauchen von Ihnen keine Nachhilfe.

(Zurufe von der SPD)

Hören Sie erst einmal zu.

Die Unterrichtsversorgung ist in allen Ländern Deutschlands ein Problem. Daran sind die Länder nicht allein schuld, sondern das liegt daran, dass in allen Ländern die Einnahmen eingebrochen sind.

(Simone Tolle (GRÜNE): Nicht schon wieder, Herr Schneider!)

Haben Sie heute zufällig die „Süddeutsche Zeitung“ gelesen? – Dort steht zwar nicht auf der ersten Seite, aber auf der Seite „Wissen“, dass Ihr Kollege Senator aus Bremen, Herr Lemke, angekündigt hat, dass er Schauspieler an den Schulen einsetzen wird, um in der Lehrerversorgung besser dazustehen. Ein Drittel des Unterrichts soll in Bremen künftig nicht durch Lehrer, sondern durch Schauspieler und andere Berufsgruppen abgedeckt werden, weil die Versorgung ansonsten nicht gewährleistet werden kann. Sie sehen, die Unterrichtsversorgung ist nicht nur eine Herausforderung in Bayern.

(Franz Maget (SPD): Kriegen die Verträge?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir regeln die Unterrichtsversorgung anders. Wir haben festgestellt, dass aufgrund der Zuzüge nach Bayern und aufgrund eines anderen Bildungsverhaltens mehr Unterricht notwendig ist. Darauf haben wir reagiert. Wir haben in der Debatte vor Weihnachten darauf hingewiesen, dass sich die CSU-Fraktion mit der Thematik intensiv auseinander setzen wird.

(Simone Tolle (GRÜNE): Was ist herausgekommen? – Zurufe von der SPD)

Wir haben in Kreuth Beschlüsse gefasst. Es war kein Strohfeuer, sondern es war ein Kraftakt, zu sagen, wir stellen für das nächste Schuljahr zusätzlich 500 Stellen zur Verfügung.

(Simone Tolle (GRÜNE): Sie wollten aber 800!)

Mir geht es nicht um die Stellen, sondern um die Unterrichtsversorgung. Das ist ein kleiner Unterschied. Sie fabulieren immer von Stellen; mir geht es um die Unterrichtsversorgung. Das Problem war, dass wir umgerechnet circa 800 Planstellen brauchen, um die Unterrichtsversorgung im nächsten Schuljahr zu gewährleisten. Wir können sie nun gewährleisten, indem wir erstens für 500 Lehrerkapazitäten zusätzlich Mittel zur Verfügung stellen. Ob das 500, 550 oder 600 Lehrer sind, hängt davon ab, ob es sich um Teilzeitkräfte handelt. Das muss man alles mit berechnen.

Zweitens werden wir organisatorische Maßnahmen ergreifen, die im Endeffekt zu mehr Unterricht führen werden. Es ist nichts Schlimmes dabei, wenn Referendare sechs Stunden in der Woche eigenverantwortlichen Unterricht an Volksschulen geben. Warum kann das nicht auch an der Realschule und dem Gymnasium geschehen? – Was spricht gegen den eigenverantwortlichen Unterricht? – Es wird aber kein Student eigenverantwortlichen Unterricht geben, es hat ihn kein Student gegeben, und es wird ihn kein Student geben müssen. Wir werden die Mitarbeit der Studenten nutzen, um besser als bisher den Praxisbezug herzustellen und besser als bisher die individuelle Förderung zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, insgesamt können wir feststellen, dass wir bis zum Schuljahr 2003/2004 jede Planstelle, die frei geworden ist, ersetzt haben und gleichzeitig mehr als 4000 Lehrer zusätzlich eingestellt haben. Es gibt kein Land, das diese Leistungsbilanz vorlegen kann. Es gibt

auch kein Land, dem in allen Studien und von allen Experten eine so gute Bildungspolitik bescheinigt wird. Wir werden morgen die Gelegenheit haben, detailliert auf das Thema einzugehen. Auf jeden Fall sind wir davon überzeugt, dass wir mit unseren Maßnahmen für den Haushalt auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Pranghofer.