Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 35. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich einige Geburtstagsglückwünsche aussprechen: Einen jeweils runden Geburtstag feierten am 10. Februar Frau Kollegin Karin Radermacher und am 12. Februar Frau Kollegin Christa Naaß. Einen halbrunden Geburtstag konnte Herr Kollege Henning Kaul am 1. Februar begehen. Heute feiert Herr Kollege Dr. Martin Runge seinen Geburtstag. Allen Genannten einen herzlichen Glückwunsch und alles Gute!
Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Weg mit Zahlentricks – her mit Lehrerplanstellen“ beantragt. Sie kennen die Regeln der Geschäftsordnung: Grundsätzlich beträgt die Redezeit fünf Minuten, für die ersten Redner auf Wunsch einer Fraktion auch zehn Minuten, was auf die Gesamtredezeit angerechnet wird. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält eine Fraktion auf Antrag für eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit. Ich bitte auf das Signal zu achten. Erster Redner: Herr Kollege Maget.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil endlich Schluss sein muss mit Schönrederei und Gesundbeterei. Die Wahrheit ist: Die Situation an den Schulen unseres Landes ist völlig unbefriedigend und eines Landes, das wirtschaftlich, kulturell und bildungspolitisch an der Spitze stehen will, in jeder Weise unwürdig.
Da helfen keine Zahlentricks und keine vollmundigen Ankündigungen, die ohnehin nicht eingehalten werden. Da hilft nur eines: Es müssen neue Lehrer her, und zwar genügend und sofort sowie in allen Schularten!
Schon vor einem Jahr haben wir die schulpolitische Realität in Bayern im Landtag so beschrieben wie sie draußen im Lande tatsächlich ist: Es fehlen aktuell über 1000 Lehrerinnen und Lehrer in Bayern, die Mobilen Reserven sind ausgeschöpft, der Unterrichtsausfall nimmt überhand und Eltern, Förster oder wer auch immer verfügbar sein könnte, werden an die schulpolitische Front gerufen, um regulären Unterricht zu erteilen.
Alles das in der Summe nenne ich eine bildungspolitische Bankrotterklärung für die CSU-Staatsregierung, Kultusministerium und Mehrheitsfraktion verantwortlich sind. Alles wäre noch viel schlimmer, wenn nicht Lehrerinnen und Lehrer in dieser Notlage über die Maßen Flexibilität und Einsatzbereitschaft zeigen würden. Dafür verdienen sie unseren Dank.
Wie aber haben CSU und Staatsregierung auf diese Notsituation an unseren Schulen reagiert? Sie haben reagiert wie die drei Affen: Nix sehen, nix hören, nix sagen!
Zunächst, Herr Kollege Herrmann, haben Sie alle Probleme ignoriert und der SPD Schwarzmalerei und Panikmache unterstellt. Erst als der Druck aus den Schulen immer größer wurde, Elternbeiräte Alarm geschlagen und sich Lehrer und Direktoren auf die Hinterbeine gestellt haben, konnten Sie die Öffentlichkeit nicht länger täuschen und belügen.
Noch im November 2004 haben Sie unsere Darlegung, dass in Bayern mindestens 1000 Lehrer fehlen, als Blödsinn abgetan. Aber schon einen Monat später im Dezember 2004 mussten Sie selber einräumen, dass „mindestens 818 Lehrer“ – so heißt es in einem internen Papier des Kultusministeriums – fehlen. Warum nicht gleich so? Warum geben Sie eigentlich nicht gleich zu, wenn etwas faul ist, und warum müssen Sie sich zuerst zur Wahrheit zwingen lassen?
Noch schlimmer aber ist, dass seither, also seit jenem Eingeständnis Ihres Scheiterns und dem Zusammenbruch Ihrer Märchengebäude, nichts Zählbares geschehen ist. Es ist das alte Lied: Viele vollmundige Ankündigungen, vielfach in den Medien als Rettungsaktion angepriesen – dann aber Fehlanzeige und Tatenlosigkeit.
Sie sprechen von Hunderten neuer Stellen, von Hunderten neuer Lehrerinnen und Lehrer, die den Schulen zur Verfügung gestellt würden. Die Schulen freuen sich darauf und warten sehnlichst auf die neuen Kolleginnen und Kollegen in den Lehrerzimmern. Aber da werden sie noch lange warten; denn da wird so schnell keiner vorbeikommen.
Die Wahrheit ist nämlich schlicht und ergreifend: Es werden weniger Lehrer und nicht mehr. Diese Wahrheit ist der schulpolitische Offenbarungseid der CSU in Bayern.
Wie sieht es tatsächlich aus? - Erst streichen Sie 1204 Lehrerstellen und wollen sich dann für 500 Aushilfskräfte feiern lassen. Da gibt es aber nichts zu feiern, sondern lediglich zu beklagen. 1200 Stellen weniger und dann 500 Stellen aushilfsweise ab nächstem Schuljahr mehr, das macht in der Summe 700 Lehrerstellen weniger für unsere Schulen in Bayern. Das ist die traurige Wirklichkeit.
Alles andere, was Sie daherbringen, ist bloße Flickschusterei. Die Referendare sollen eigenverantwortlich unterrichten, heißt es. Sie wollen damit ja noch zusätzliche Stellen herausschlagen; so steht es in Ihrem eigenen Beschluss. Wenn Referendare eigenverantwortlich unterrichten sollen, dann bedeutet das nach Ihrer Rechnung 50 neue Lehrerstellen.
Alle Lehrer sollen sowieso mehr arbeiten. So genannte Minderklassen an den beruflichen Schulen wollen Sie wegstreichen. Durch dubiose organisatorische Maßnahmen wollen Sie weitere Kapazitäten gewinnen, wie Sie schreiben. Schade bloß, dass niemand weiß, wie diese organisatorischen Maßnahmen eigentlich ausschauen sollen. Ich sage Ihnen: Am Salvatorplatz herrscht ein Chaos, wie es seiner Lebtag noch nicht war. Das ist die Wahrheit.
Die Gymnasien überlegen, wie sie mit dem G 8 fertig werden können und wie sie auch nur im Entferntesten die versprochenen Intensivierungsstunden darstellen sollen.
An den Realschulen steigen die Schülerzahlen, aber nicht die Lehrerstellen. Sie sollten sich einmal durchlesen, was der neue Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbandes dazu schreibt: mobile Reserve auf Null gestellt; 2660 Wochenstunden Unterrichtsausfall; zusätzliche Mehrarbeit für alle Lehrerinnen und Lehrer; Wegfall von Sportunterricht; Verschlechterung bei den Klassenstärken und den Fördermaßnahmen. All das dokumentiert der Bayerische Realschullehrerverband schwarz auf weiß.
Die Grundschulen müssen eine frühere Einschulung verkraften. Und die Hauptschulen zahlen sowieso die Zeche. Das, meine Damen und Herren, soll vorausschauende Bildungspolitik sein? - Nein, das ist unerträglich und spottet jeder Beschreibung.
Zurückzuführen ist die Misere auf eine schwache Kultusministerin, die den Schulen nicht mehr helfen kann. Auf die Blindheit, Uneinsichtigkeit und Überheblichkeit der CSU, die die Entwicklung nicht erkennen wollte und auch heute noch nicht bereit ist, dieser Entwicklung Rechnung
zu tragen, ist sie ebenfalls zurückzuführen, aber auch auf eine völlig verfehlte Haushaltspolitik des Bayerischen Ministerpräsidenten. Angeblich, so Herr Stoiber, geht es bei der bayerischen Haushaltspolitik um die Interessen und Belange der künftigen Generationen. Aber genau das ist das Schlimme: An der Bildung wird gespart, während an den Schulen gekürzt wird. Damit arbeitet man nicht für, sondern gegen die Zukunft der kommenden Generationen und zerstört sie.
Wer morgen gut und sicher leben will, muss heute mehr für Bildung und die Ausbildung unserer Kinder leisten. Das ist unser Credo. Deshalb unser Appell: Kehren Sie um, kommen Sie zur Vernunft. Schaffen wir gemeinsam und sofort die Lehrerstellen, die unsere Schulen so dringend brauchen! Morgen ist dazu bei der Beratung und Beschlussfassung des Einzelplans 05 die ideale Gelegenheit.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf die Vorhaltungen des Kollegen Maget könnte man sehr, sehr viel erwidern. Er hat das Bild von den drei Affen gebraucht. Ich möchte es aber nicht mit aufnehmen; denn Ähnliches könnte einem Redner der CSU-Fraktion unterlaufen, wenn die Bildungspolitik und die Maßgaben der Haushaltspolitik, die den Bildungshaushalt betreffen, hier erörtert werden; denn die Opposition verschließt immer noch die Augen davor, wie im Haushalt Stellen verbucht und eingebracht werden.
Ich bin jetzt zwar schon einige Jahre von meiner Schulzeit entfernt und möchte auch nicht, dass ich Lehrer oder Oberlehrer genannt werde, wie es die Opposition manchmal zu tun pflegt, aber manchmal mag man als Lehrer verzweifeln, wenn Daten trotz drei- oder viermaligen Vortrags immer noch nicht richtig verstanden werden. Und deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen, machen wir einen erneuten Versuch, die Dinge hier darzulegen.
Die Behauptung der SPD, hier seien Stellen gestrichen worden – es soll sich um 1204 Stellen handeln –, veranlasst mich, Folgendes festzustellen:
Es sind 1445 Stellen aus UPZ-Erhöhungen, 500 Stellen aus der Schließung von Teilhauptschulen, 262 Stellen wegen Schülerrückgangs im Volksschulbereich betroffen. Herr Kollege Maget, ich hoffe, Sie hören mir aufmerksam zu. Es sind in der Summe 2207 Stellen. Abzüglich der Schaffung neuer Stellen, die von Ihnen ja nicht bestritten werden – 403 Stellen G 8, 160 Stellen wegen Vorverlegung des Einschulungsalters, 40 Stellen an Realschulen – ergibt sich als Zwischensumme ein Plus von 1003 Stellen.
Als Fazit, Herr Kollege Maget, sage ich: Es trifft zu, dass, rein rechnerisch, 1204 Stellen eingezogen werden. Das ist das unbestrittene Fazit. Sie sollten also nicht wieder Wet
Die Opposition vergisst bei dieser Rechnung aber Folgendes: Von 2091 Stellen Kapazitätsgewinn aus der Unterrichtspflichtzeiterhöhung werden lediglich 1445 eingezogen. Es gibt dabei keine Kündigung oder Streichung bestehender Beschäftigungsverhältnisse. Somit bleibt ein Plus von 646 Stellenäquivalenten für die Unterrichtsversorgung zusätzlich übrig. Zu diesen 646 Stellenäquivalenten kommen 241 Stellen im Doppelhaushalt.
Herr Kollege Maget, hören Sie zu! Wenn Sie Zwischenrufe machen, verstehen Sie wieder nicht, was ich Ihnen jetzt zu erklären versuche.
Die zusätzlichen 241 Stellen ergeben einen positiven Saldo von 887 Stellenäquivalenten. Das ist genau das, was Sie, Herr Kollege Maget, als Führer der Opposition bis heute offensichtlich nicht verstanden haben.
Ich erläutere jetzt noch einmal, wie wir auf die 241 zusätzlichen Stellen kommen. Vielleicht erklären Sie das dann auch den Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN. Die 241 zusätzlichen Stellen sind folgendermaßen aufzuschlüsseln. Insgesamt kommen 1003 neue Stellen auf, die sich zum einen für den Bereich der Gymnasien für den Ausbau des G 8 mit 403 Stellen niederschlagen. Im Bereich der Volksschulen ergeben sich zum anderen durch die frühere Einschulung 160 Stellen. Der Ausgleich für den Nachtragshaushalt – im Jahr 2004 waren es an Volksschulen 400 weggefallene Stellen – beträgt 400. An den Realschulen ergeben sich durch die Veränderung der Schülerzahlen – es hat ein erheblicher Wanderungsgewinn stattgefunden – 40 Stellen. Das ergibt insgesamt 1003 Stellen.