Es ist eigentlich kein kriminaltechnisches Problem. Ich sehe in der geforderten Ausweitung – ob nun schrankenlos oder nicht; da ist man sich offensichtlich noch nicht ganz einig – nicht in erster Linie ein kriminaltechnisches Problem. Ich sehe darin auch nicht in erster Linie ein Problem der Rechtstaatlichkeit. Ich bin mir sicher, dass man das so konstruieren kann, dass es unter rechtstaatlichen Gesichtspunkten einwandfrei ist. Meines Erachtens geht es um etwas anderes, nämlich wieder ein kleines Mosaiksteinchen in einer Fülle von Maßnahmen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon ergriffen worden sind.
Frau Kollegin Stahl hat völlig Recht: Wir werden unserer Aufgabe nicht gerecht, wenn wir heute isoliert über die Ausweitung der DNA-Analyse reden. Nächste Woche reden wir dann über die Möglichkeiten des KennzeichenScannings, übernächste Woche reden wir darüber, dass es dringend erforderlich ist, auch präventiv Telefone abzuhören, dann reden wir darüber, dass selbstverständlich die Schleierfahndung europaweit ausgebaut werden muss, und schließlich reden wir darüber, dass es heutzutage nicht mehr angeht, wenn jemand einfach so ins Fußballstadion geht. Ganz im Gegenteil: Man muss ihm Karten verkaufen, mit denen er identifiziert werden kann und mit denen festgehalten wird, für welchen Club er letztlich applaudiert, um kein Durcheinander zu haben. Ein paar Wochen später reden wir über andere Dinge, die letztlich alle zusammen dazu führen, dass der Staat eine Allmacht bekommt, die nicht geschaffen wird, um die Menschen zu kujonieren, sondern die jeweils mit guten Gründen gemacht werden, weil es technisch gerade möglich ist.
Ich unterstelle niemandem, dass dahinter eine böse Absicht steht. Dennoch bitte ich, den Umfang dessen, was bereits beschlossen worden ist, zu berücksichtigen. Wir reißen allmählich Barrieren ein und sehen angesichts der Details, um die wir uns kümmern, das Ganze nicht mehr.
Letzte Bemerkung: Ich habe den Eindruck, die Aufgeregtheit nach dem Mordfall Moshammer war Ihnen, Herr Dr. Beckstein, willkommen, weil sie Gelegenheit geboten hat, davon abzulenken, dass Sie die Verantwortung für den Einzug von 1200 Stellen bei der Polizei tragen.
Sie tragen die Verantwortung dafür, dass unsere Polizei mit Autos durch die Gegend fährt, die zum Teil bereits schrottreif sind. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass die technische Ausrüstung unserer Polizei beim Funk auf einem Status ist, der den Fünfzigerjahren entspricht. Sie tragen die Verantwortung auch dafür, dass viele unserer Polizeibeamten aufgrund des Umgangs von oben demotiviert sind und nicht mehr das tun, was sie eigentlich tun möchten. Dafür tragen Sie die Verantwortung und davon wollen Sie durch eine Diskussion ablenken, die man in ruhigen Zeiten ohne Schaum vor dem Mund führen sollte.
Ich darf zunächst darauf hinweisen: Nach gegenwärtigem Stand haben wir noch zwei Redner: Kollegen Welnhofer und Staatsminister Dr. Beckstein. Anschließend ist das Gedenken für die Opfer des Nationalsozialismus. Ich hoffe, dass wir uns dabei auch nach außen verständlich machen können.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin tief beeindruckt vom Erscheinungsbild der Opposition in der heutigen Aktuellen Stunde. Zuerst zur SPD: Im Vordergrund stehen bei Ihnen Aussagen wie „je nachdem“, „sowohl als auch“ und „ja nichts überstürzen“. Bravo! Herr Kollege Maget, Ihr Verhaltensmuster nach einem Verbrechen, das uns alle anrührt und erregt, ist offenbar folgendes: allgemeine Betroffenheit – auch bei Ihnen –, Forderung nach Konsequenzen ohne Festlegung, welcher Art diese sein sollen, Warnung vor Überreaktion, nachhaltige Beschwichtigung – damit haben Sie heute schon begonnen – und Untätigkeit bis zum nächsten Verbrechen. Dann wiederholt sich das Ganze von vorne. So schaut das aus; das ist sozialdemokratische Sicherheitspolitik, wie Sie uns Herr Maget heute wieder präsentiert hat.
Aber das ist noch nicht alles. Sie haben für jeden etwas. Sie haben Herrn Maget für die einen und Herrn Schuster für die anderen.
Ich bin sehr erstaunt und finde es außerordentlich bemerkenswert, welch breites Meinungsspektrum eine doch relativ überschaubare Gruppe in diesem Landtag auf die Beine bringt.
Zum anderen Teil der Opposition, zu Frau Stahl: Das war schon hochinteressant. Wir sind hier nicht in Transsilvanien, Frau Stahl. Man kann nur sagen, Frankenstein lässt grüßen, wenn man Ihre Ausführungen hört. Der Gentest als Ungeheuer. Sie hätten eigentlich ein Buch schreiben sollen. Es hat schon einmal eines gegeben, nämlich „1984“ von einem gewissen Orwell. Aber das ist ein alter Hut, das ist über 20 Jahre her, und Sie bringen es in einer Neuauflage, allerdings jenseits jeder Realität.
Ich will deutlich hervorheben: Die CSU-Landtagsfraktion unterstützt die Bundesratsinitiative der Staatsregierung ganz ausdrücklich und dankt der Staatsministerin der Justiz dafür, dass sie diesen Gesetzentwurf im Kabinett vorgelegt hat. Es gibt – wie immer bei Fragen der inneren Sicherheit – eine ganze Reihe von Bedenkenträgern, insbesondere von Seiten des Datenschutzes. Aber man muss immer wieder deutlich sagen: Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt nicht schrankenlos. Es muss eine Güterabwägung stattfinden, und Täterschutz geht nicht vor Opferschutz.
Wenn eine neue Methode auch – jedenfalls theoretisch – Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet, dann ist es falsch, diese neue Methode zu verteufeln. Richtig ist es, die neue Methode anzuwenden und gegen den theoretisch möglichen Missbrauch die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Genau das soll durch die Bundesratsinitiative der Staatsregierung geschehen. Was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen einem Fingerabdruck und einem so genannten „genetischen Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts“, wenn wir ihn nicht zur Herstellung eines Persönlichkeitsprofils verwenden, was niemand will? Der entscheidende Unterschied ist, dass der „genetische Fingerabdruck“ fast überall zurückbleibt, wo jemand als Täter am Werk war; den herkömmlichen Fingerabdruck kann man vermeiden, den „genetischen Fingerabdruck“ so gut wie nie. Das wollen wir uns für die Verbrechensbekämpfung zu Nutze machen. Das im Interesse der Sicherheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu tun, ist eigentlich selbstverständlich - denn wenn wir es nicht täten, wäre das verantwortungslos.
Ich muss hinzufügen: Der kontrollierte Staat macht mir wesentlich weniger Angst als manche Branchen, die unkontrolliert – wenn auch nicht mit Gentests, sondern auf andere Weise; das ist ja möglich – Persönlichkeitsprofile entwerfen, einsetzen, verkaufen und kaufen.
Darum sollten Sie sich kümmern und nicht der Polizei immer wieder vorhalten, sie neige zu Missbrauch. Wir müssen sehr schnell begreifen, so hat Hans Leyendecker voriges Jahr im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz geschrieben, dass der Rechtsstaat Deutschland nicht von Gesetzesänderungen bedroht wird, sondern von Gesetzesverstößen und Verbrechern. Deswegen bitte ich um Unterstützung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung tritt konsequent dafür ein, dass der „genetische Fingerabdruck“ immer dann genommen wird, wenn eine erkennungsdienstliche Behandlung nach einer Straftat durchgeführt wird, und zwar deswegen, weil wir uns einer Professionalisierung der Kriminalität gegenübersehen und wir – anders als die GRÜNEN – nicht haben wollen, dass die Verbrecher mit modernen Techniken arbeiten und der Staat lediglich die Mittel des 19. oder 20. Jahrhunderts hat. Es muss dem Staat möglich sein, auch die moderne Technik anzuwenden.
(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Woher wissen Sie, was wir wollen? Sie haben doch keine Ahnung von unserer Politik!)
Es überrascht nicht, dass die GRÜNEN eine restriktive Haltung einnehmen. Sie haben schon in den Neunzigerjahren verschiedene Anträge in den Landtag eingebracht, in denen sie gegen jede Nutzung der DNA für polizeiliche Zwecke eingetreten sind. Wenn ihren Anträgen gefolgt worden wäre, wären Hunderte von Schwerverbrechern, Mördern, Vergewaltigern und Sittlichkeitsverbrechern frei. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen, legen Sie sich keinen Scheinheiligenschein um, sondern sagen Sie, da haben wir geirrt, da haben wir für die Sicherheit zu wenig getan und da haben wir in der Vergangenheit versagt.
Wenn ich hier das Herumgeeiere der SPD sehe, kann ich nur sagen: Reden Sie doch einmal mit Herrn Bundesinnenminister Schily, bei dem ich am Dienstagnachmittag war und der gesagt hat, es ist sehr schön, welchen Gesetzentwurf ihr in Bayern einbringt. Er hat ihn extra von mir im Wortlaut erbeten. Unmittelbar nachdem er veröffentlichungsfähig war, hat Herr Schily ihn an Frau Zypries geschickt.
Herr Schily hat wie alle anderen Innenminister erklärt, wir wollen, dass der genetische Fingerabdruck wie der herkömmliche Fingerabdruck verwendet wird, aber selbstverständlich nicht bei allen Straftaten. Jeder, der ein bisschen Ahnung hat, weiß, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung bei einem Schwarzfahrer oder einer älteren
Dame, die ihren ersten Ladendiebstahl begangen hat, nicht durchgeführt wird. Wenn aber aus der Tat eine gewisse kriminelle Energie ersichtlich wird und die Tat schwer ist, dann werden nicht nur die Personalien aufgenommen, sondern es wird ein Foto gemacht, und zwar nicht nur von vorn, sondern auch im Profil. Außerdem wird der herkömmliche Fingerabdruck genommen, und zwar bei den älteren Dienststellen mit Druckerschwärze auf Papier und bei modernen Dienststellen auf dem Scanner. Es werden unveränderliche Kennzeichen festgestellt. Beispielsweise werden bei einem Sexualstraftäter Tattoos im Intimbereich fotografiert. Wir meinen, dass die Abnahme des Speichels mit einem Zellstoffstäbchen ein weniger tief gehender Eingriff ist als die Durchführung derart massiver Dinge.
Deswegen ist es auch nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz richtig, den genetischen Fingerabdruck lediglich zum Zwecke der Identifizierung abzunehmen. Mehr können wir in unseren polizeilichen Labors nicht, und mehr wollen wir auch nicht können. Wir meinen aber, wir sollten den genetischen Fingerabdruck nehmen können, wie wir beispielsweise ein Tattoo im Intimbereich eines Sexualverbrechers fotografieren.
Weiter ist zu berücksichtigen, der genetische Fingerabdruck dient nicht nur zur Überführung des Schuldigen, er kann auch Unschuldige entlasten. Wie wäre es denn im Mordfall Moshammer gewesen, wenn wir nicht den genetischen Fingerabdruck genommen hätten? – Nach den Informationen, die der Polizei relativ schnell zugegangen sind, wäre klar gewesen, dass Herr Moshammer sich an dem Tag jemand aus dem Strichermilieu gesucht hat. Dann wäre die Polizei an alle in der Münchner Bahnhofsszene herangetreten und hätte gefragt, was sie in der vergangenen Nacht getan hätten und wen sie als Alibizeugen benennen könnten. Auch das ist ein massiver Eingriff in die Intimsphäre. Es ist also nicht so, dass die einen Eingriffe wollen und die anderen den Rechtsstaat hochhalten. Tatsächlich ist es so, dass die einen erkannt haben, dass wir nicht mehr vor hundert Jahren leben, sondern die moderne Technik zum Einsatz bringen müssen.
Herr Kollege Schindler, Sie haben in mustergültiger Form eine Rede gehalten, wie sie 1950 modern gewesen wäre. Sie haben von Kennzeichen-Scanning und Videoüberwachung gesprochen. Ist Ihnen entgangen, was in Europa Stand der Technik ist? – Allein in Prag sind hundertmal so viele Videokameras installiert, um Kriminalität sichtbar zu machen, wie in ganz Deutschland. Sehen Sie sich an, wie in England vorgegangen wird. Ist Ihnen entgangen, dass dann, wenn Schwerkriminelle sich verabreden, die Treffen nicht mehr in Rom, Paris oder London stattfinden, sondern in deutschen Hotels, weil durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Wohnung – das ist auch das Hotelzimmer – in Deutschland in einem höheren Maße geschützt ist als in jedem anderen westlichen Land. Deswegen haben wir hier Probleme mit der international organisierten Kriminalität.
Vor diesem Hintergrund meinen wir und die meisten anderen Innenminister, wir müssen die in einem Rechtsstaat vorhandenen Chancen nutzen, um gegen Kriminalität vorzugehen. Wir wollen nicht nach Ihrem Motto handeln, nämlich dann, wenn etwas passiert ist, in Trauergeheul auszubrechen, aber der Polizei Hände und Füße zu binden und zu fragen: Warum laufen Sie nicht schneller?
Immer wieder geht es um die Frage des Abbaus von Stellen. Meine Damen und Herren, ich habe im Ausschuss, wo die Interessierten anwesend sein konnten, sehr genau dargelegt, dass wir durch die Erhöhung der Arbeitszeit auf 42 Stunden die Arbeitskapazität erhöhen, und zwar in einem höheren Maße, als die Arbeitskapazität durch den Stellenabbau der nächsten Jahre reduziert wird. Natürlich ist das ein Opfer der Beschäftigten, die mehr arbeiten müssen, aber derjenige, der den Eindruck erweckt, dass durch den Stellenabbau die polizeilichen Arbeitskapazitäten reduziert werden, hat entweder keine Ahnung – dann soll er wegen Dummheit schweigen – oder er will bewusst polemisieren – dann muss er es sich gefallen lassen, dass seine Äußerungen zurückgewiesen werden.
Immer wieder wird auch die Frage des Missbrauchs aufgeworfen. Was soll das Gerede, als ob ausschließlich in diesem Bereich Missbrauch möglich wäre? In Zigtausenden von Fällen erfolgt die Abnahme von Blut, beispielsweise bei Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Jeder Sachverständige sagt Ihnen, dass sowohl aus Blut als auch aus der Speichelprobe DNA-Vergleichsmaterial entnommen werden kann. Was soll also das Gerede, dass die Speichelprobe Anlass für einen Missbrauch wäre, während man alles andere nicht zur Kenntnis nimmt? Selbstverständlich sorgen wir dafür, dass kein Missbrauch betrieben wird. Es steht in der Strafprozessordnung – Frau Kollegin Dr. Merk hat vorhin darauf hingewiesen –, dass es gesetzeswidrig ist, die Speichelprobe oder die sonstige Probe auf anderes zu untersuchen als auf die Identität. Wir wollen – anders als manche Versicherer – weder Erbkrankheiten noch Charaktermerkmale feststellen. Wir wollen lediglich die Identifizierung erreichen. Ich glaube, das ist rechtsstaatlich völlig in Ordnung.
Lassen Sie mich noch auf einen Punkt kommen, der mich wirklich ärgert. Ich spreche von der Ungleichgewichtigkeit in der Wertordnung bei bestimmten Vorhaben der rot-grünen Koalition in Berlin. Die Tatsache, welche Konten jemand hat, wird ohne jeden Verdacht an eine Zentralstelle gemeldet. In diesem Punkt wird der gläserne Bürger von Ihnen gegenüber jedermann durchgesetzt, und zwar in einem Maße, wie das europaweit einmalig ist. Jedes Konto wird automatisch an die Zentralstelle gemeldet. Hier spielen Freiheitsrechte und der Grundsatz, dass man nicht alle Menschen unter Verdacht stellt, keine Rolle.
Ich denke auch an das Antidiskriminierungsgesetz, mit dem die rot-grüne Koalition über das hinausgegangen ist, was Frau Zypries und Herr Schily für erträglich gehalten haben. Da spielen die Freiheitsrechte überhaupt keine Rolle. Es muss aber in der Freiheit des Einzelnen liegen,
dass man sich heraussuchen kann, wem man eine Wohnung vermietet und zu wem man Vertrauen hat, und nicht nachweisen muss, was politisch korrekt ist. Ich sage Ihnen, Sie haben eine falsche Wertordnung. Wenn es um diese Fragen geht, schränken Sie Freiheitsrechte schnell ein, wenn es aber um den Schutz der Bevölkerung vor massiver Kriminalität geht, dann stehen Sie nicht auf der Seite derer, die die Opfer schützen, sondern dann stehen Sie auf der Seite derer, die den Datenschutz so weit übertreiben, dass er zum Täterschutz wird.
Wenn Sie behaupten, ich hätte den Fall Moshammer dazu verwendet, die Zulassung der DNA-Analyse voranzubringen, dann muss ich Sie fragen, ob Ihnen nicht aufgefallen ist, dass die Polizeibeamten, die eine Pressekonferenz abgehalten haben, genauso wie im Übrigen auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter, die GdP und die Deutsche Polizeigewerkschaft im DBB sagen, wir brauchen das Instrument dringend, um die Bürger besser schützen zu können.
Ein Letztes: Wir haben – die Zahlen sind mehrfach genannt worden – das Recht, das bisher besteht, ausgeschöpft, um möglichst viele genetische Fingerabdrücke abzunehmen und zu speichern.