Protocol of the Session on December 16, 2004

Ungefähr zur gleichen Zeit musste die Ministerin auf unseren detaillierten Fragenkatalog hin schriftlich einräumen, dass in ihrem Ministerium ein einzigartiger Wirrwarr von CSU-Parteiarbeit und staatlicher Tätigkeit vorliegt. Es waren – oder besser gesagt es mussten – Ministeriumsmitarbeiter – fünfzehn an der Zahl – rund um die Uhr im Einsatz sein, um allzeit bereit den Ruhm und die Macht der CSUBezirksvorsitzenden für die CSU zu mehren. Das, meine Damen und Herren, alles auf Kosten der Steuerzahler.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das kann im Untersuchungsausschuss besprochen werden! – Gegenruf der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das war ein Eingeständnis, Herr Kreuzer, das muss nicht mehr untersucht werden!)

Auch hierzu, meine Damen und Herren, gab es kein Machtwort des Ministerpräsidenten, sondern er gibt der Ministerin eine zweite Chance. Dazu sei angemerkt: Wie viele Chancen haben eigentlich die Minister Stamm, Sauter und Weiß von Herrn Ministerpräsidenten erhalten für Vorkommnisse, die vergleichsweise Lappalien waren?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dann folgten die Drohungen mit Dossiers über Vorstandsmitglieder. Eine von der Staatskanzlei erzwungene Entschuldigung war die nächste Handlung und schließlich der erzwungene Rücktritt als CSU-Vorsitzende. Freiwillig und durch Einsicht, meine Damen und Herren, ist in dieser Sache bisher nichts passiert.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem Ihnen, meine Damen und Herren von der CSU, der Fragenkatalog zum Untersuchungsauftrag vorlag, geschah erst einmal lange nichts, sondern der Fraktions

vorsitzende der CSU hat offensichtlich in Unkenntnis der Rechtslage zunächst erklärt, alle Fragen zur Münchner Wahlfälschungs-Affäre seien auf keinen Fall zulässig. Ganz nebenbei möchte ich daran erinnern, dass es der CSU sehr schwer fiel, einen Vorsitzenden für diesen Untersuchungsausschuss zu finden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Bei 124 Mitgliedern!)

Einige konnten nicht, die meisten wollten nicht. Das ist verständlich. Die Fallstricke sind unübersehbar.

(Franz Maget (SPD): Respekt, Herr Kupka!)

Der nächste Akt: Schließlich überstürzten sich in den letzten Tagen die Ereignisse. Der Münchner CSU-Vorstand fordert einhellig den Rücktritt der Ministerin. Der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport des Bayerischen Landtags beklagt die Situation der bayerischen Schulen. Plötzlich werden 800 fehlende Lehrerinnen- und Lehrerstellen eingestanden. Er beklagt dies direkt beim Ministerpräsidenten – demonstrativ vorbei an der zuständigen Ministerin.

(Franz Maget (SPD): Das hat er gestern erst gemerkt!)

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Das geschah demonstrativ an der Ministerin vorbei.

Den Höhepunkt der Demontage konnten wir dann vorgestern miterleben, als der Ministerpräsident vor laufender Kamera im Kabinett seine Kultusministerin maßregelte. Zudem rückt er plötzlich von ihrer Schulpolitik ab, meine Damen und Herren, einer Schulpolitik, die er veranlasst hat und die er letztlich zu verantworten hat. Ich finde, das ist eine Schweinerei!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich kann dem Herrn Ministerpräsidenten nur sagen, dass er für die Zustände an den bayerischen Schulen und für die immer mehr und immer lauteren Proteste und Unterschriftenaktionen der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer ganz allein und in erster Linie die Verantwortung trägt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Frage stellt sich, wann und ob sich der Ministerpräsident traut, die längst überfällige Entlassung der Ministerin vorzunehmen. Vielleicht ist es ja auch notwendig, dass die CSU endlich handelt, falls der Herr Ministerpräsident zu feige ist.

(Beifall bei der SPD)

Zwischenzeitlich haben die meisten CSU-Vertreter verstanden, dass die Vorwürfe um die mögliche Mitwirkung an Wahlmanipulationen nicht mehr vertuscht werden können.

Der Kernvorwurf, den wir der Kultusministerin aber machen, geht tiefer. Untersucht werden muss in erster Linie: Hat die Ministerin an der Verletzung der Verfassung und ihres Grundsatzes der innerparteilichen Demokratie mitgewirkt? Untersucht werden muss: Hat die Ministerin bei der Verletzung des Parteiengesetzes und des Landeswahlgesetzes mitgewirkt? Untersucht werden muss auch: Hat sie an strafbaren Handlungen im Zusammenhang mit gefälschten Urkunden mitgewirkt? Dies alles betrifft wesentliche Grundlagen unserer demokratischen Struktur. Meine Damen und Herren, um es deutlich zu sagen: Es geht hier eben nicht lediglich um Falschparken.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Untersucht werden muss auch das selbstherrliche Verhalten einer Ministerin, die ihr Ministerium nach Meinung vieler als Familienbetrieb und als Selbstbedienungsladen benutzt hat. Untersucht werden muss auch die Frage, ob der Ministerpräsident hiervon Kenntnis hatte und warum er nicht einschritt.

Mit Ihren bisherigen Bemühungen wollen Sie – das ist verständlich – Schaden von der CSU abwenden. Gerade das aber ist das Problem. Sie konzentrieren sich darauf, Schaden von Ihrer Partei abzuwenden ohne Rücksicht darauf, welcher Schaden für die Demokratie und für den Rechtsstaat entsteht,

(Beifall bei der SPD)

wenn in Ihren Kreisverbänden über Jahre hinweg je nach Bedarf Phantome, Doubles und wandernde Mehrheiten die Personalpolitik bestimmen. Das alles soll den Landtag nichts angehen? – So Herr Herrmann noch im Oktober. Das ist ein Irrtum – das würde ich Herrn Herrmann an dieser Stelle sagen, wenn er da wäre. Es geht uns in diesem Landtag durchaus etwas an, wenn eine Ministerin die Gesetze bricht, auch wenn dies außerhalb ihres rein staatlichen Handelns geschieht. Dieses lässt nämlich Rückschlüsse auf Ihr Verhalten als Ministerin zu.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es geht uns durchaus etwas an, wenn eine Ministerin vom Steuerzahler bezahlte Beamte in großem Umfang für die CSU-Parteitätigkeit nutzt. Es geht uns auch durchaus etwas an, wenn eine Ministerin Lehrer befördert, deren maßgebliche Qualifikation sich möglicherweise dadurch auszeichnet, dass sie der Ministerin gedient haben. Ich meine, Frau Hohlmeier, Sie irren, wenn Sie glauben, dass Sie niemandem Rechenschaft schuldig sind. Das ist nicht der Fall. Sie sind Rechenschaft schuldig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch ganz kurz zu den Fragen des Untersuchungsauftrages. In Fragenkomplex A beschäftigen wir uns mit den Vorstandswahlen des CSU-Ortsverbandes Perlach und den Delegiertenwahlen zur Landtagswahl 2003. Ich glaube, Sie wissen alle, dass es um die fingierten, gefälschten und satzungswidrigen gekauften Mitgliederaufnahmean

träge und um die offensichtlich so beliebten wandernden Mehrheiten geht. Entscheidend dabei ist, was Frau Hohlmeier und was Herr Ministerpräsident Stoiber in dieser Angelegenheit gewusst haben oder ob sie selbst gehandelt haben. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir auch weitere Untersuchungen in anderen Kreisverbänden, vor allem in jenem von Herrn Haedke vorgenommen. Es wäre auch interessant gewesen zu erfahren, was es mit einer Schwabinger Wohnung, die so geräumig ist, dass dort 17 CSU-Mitglieder gemeldet waren auf sich hat.

(Zurufe von der SPD: Respekt! Eine große Schwabinger Wohnung! – Franz Maget (SPD): War das bei Herrn Spaenle daheim? Der lebt großzügig!)

Dies haben aber Sie mit Ihrer Mehrheit verhindert. Wir werden sehen, ob im Verlauf des Untersuchungsausschusses diese Beschränkung erhalten bleiben kann.

Ein brisanter Fragenkomplex ist die so genannte DossierAffäre. Hier muss der Untersuchungsausschuss klären, ob die Ministerin versucht hat, CSU-Vorstandsmitglieder mit massiven Drohungen unter Druck zu setzen. Statt den Sumpf der CSU in München trockenzulegen, ist sie wohl selbst Teil dieses Sumpfes geworden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In Fragenkomplex B geht es um widerrechtlichen Einsatz von Beamtinnen und Beamten um Ministerium. Ich habe es vorhin erwähnt: 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren mehr oder weniger mit Parteiarbeit beschäftigt. Eine besondere Rolle hat dabei der persönliche Referent gespielt, der für Frau Hohlmeier sogar CSU-Sitzungen besuchen musste.

Schließlich wollen wir in Teil C untersuchen, ob in mehreren Fällen bayerische Schulleiterinnen und Schulleiter durch die zuständige Staatsministerin entgegen der geltenden Bestimmungen durch Beförderungen begünstigt wurden oder willkürlich aufgrund kritischer Haltung zur Politik der Staatsregierung gemaßregelt wurden.

In den letzten Fragen beschäftigen wir uns mit dienstrechtswidrigen Weisungen, aber auch mit der Rolle des Ehemanns von Frau Hohlmeier. So muss die Frage geklärt werden, ob der persönliche Referent der Ministerin von der Leiterin einer Grundschule dienstrechtswidrige Handlungen verlangt hat. Außerdem muss geprüft werden, ob die Finanzierungszusage für eine private Schule aufgrund der familiären Beziehungen der Ministerin zustande gekommen ist.

Sehr geehrte Herren, meine Damen! Eine Bildungsministerin, die solche Vorwürfe nicht voll und ganz ausräumen kann und dies auch nicht freiwillig tut – das ist das Entscheidende –, ist aus unserer Sicht nicht tragbar. Sie ist kein Vorbild. Sie hat keine Vorbildfunktion mehr für die bayerischen Lehrerinnen und Lehrer, aber auch schon gar keine Vorbildfunktion mehr für bayerischen Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nachdem bisher in gewohnter Weise nur zugegeben wurde, was absolut nicht mehr zu leugnen war – da haben Sie, Herr Kollege Kreuzer, Ihre Antwort auf Ihre Frage, weshalb wir einen Untersuchungsausschuss brauchen –, weil immer nur etwas zugegeben wurde, wenn man mit dem Rücken an der Wand stand und wenn es nicht mehr zu leugnen war, beantragen wir und brauchen wir die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses Hohlmeier.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Bause.

Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident! Wie dringend notwendig dieser Untersuchungsausschuss ist, zeigt sich allein schon daran, wie zunehmend nervös einige in den Reihen der CSU in den letzten Tage geworden sind, je näher die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses und je näher damit die Untersuchung vieler spannender Fragen rückt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Untersuchungsausschuss ist notwendig, weil bisher weder Frau Hohlmeier noch Ministerpräsident Dr. Stoiber noch die Münchner CSU willens und in der Lage waren, Aufklärungsarbeit über die Vielzahl von Affären, Gesetzesverstößen und kriminellen Machenschaften zu leisten, die mittlerweile schon vom Gericht festgestellt wurden. Sie waren nicht in der Lage, zur Aufklärung beizutragen und noch viel weniger in der Lage, die daraus fälligen bzw. überfälligen Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Diese Aufgabe wird nun der Untersuchungsausschuss wahrnehmen. Die Liste der Vorwürfe und Verfehlungen ihrer Noch-Kultusministerin ist in der Tat ziemlich ungewöhnlich. Sie reicht von Freundschaftsdiensten für Günstlinge und Clan-Mitglieder an allen Vorschriften und gesetzlichen Vorgaben vorbei über Missbrauch von Beamten für Parteizwecke bis hin zur Einschüchterung und Bedrohung von Parteikollegen und von Kritikern ganz allgemein bis hin zur Frage, inwieweit Frau Hohlmeier von den Gesetzesverstößen und den mafiösen Strukturen – wie das eine Amtsrichterin in München nannte – in der Münchner CSU wusste, daran beteiligt war oder sogar zu Straftaten angestiftet hat. Das sind die Fragen, die im Raum stehen und die zweifelsfrei aufgeklärt werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Reaktion von Frau Hohlmeier auf all diese Vorwürfe war immer die gleiche. Mit einer Mischung aus Dreistigkeit, Unverschämtheit und Selbstherrlichkeit hat sie immer alles geleugnet, abgestritten und versucht, die Schuld auf andere abzuwälzen. Nur sie selbst hat offenbar niemals gefehlt. Das waren immer die anderen. Frau Hohlmeier verfährt nach dem Motto: Recht ist, was mir recht ist. Das ist in einem Rechtsstaat unerträglich.