Protocol of the Session on December 16, 2004

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Bayern ist zum Glück anders“, sagte vorgestern unser Wissenschaftsminister Dr. Thomas Goppel zu Beginn seiner Haushaltsrede. Ich ergänze: Unsere Bauern haben Glück, denn sie können in Bayern wirtschaften.

(Beifall bei der CSU)

Die Bayerische Staatsregierung ist in der Tat ein Standortvorteil für unsere Landwirtschaft.

(Beifall bei der CSU)

„Ackerbau und Viehzucht sind die zwei Brüste, die den Staat sicherer säugen als Gold- und Silberminen“, behauptete einmal ein kluger, weitsichtiger Mensch. In der Tat ist Landwirtschaftspolitik mehr als nur Politik für einen Berufsstand.

Sehr geehrte Frau Lück, Sie beklagen, dass wir Ihnen auf Ihren Wegen nicht vollkommen folgen. Das ist richtig. Wir folgen Ihnen nicht und wir haben auch nicht vor, Sie zu überholen, denn Sie stehen kurz vor dem Abgrund.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Sprinkart, zum Strukturwandel: Sie wissen haargenau, dass jeder dritte Bauernhof Deutschlands in Bayern steht. Vor gut dreißig Jahren hat ein Agrarkommissar namens Sicco Mansholt behauptet, Anfang 2000 wird es in Bayern vermutlich noch 13 000 bis 14 000 landwirtschaftliche Betriebe geben. Wir haben den Strukturwandel nicht verhindern können, wir haben ihn aber sozial abgefedert und mit unserem bayerischen Weg haben wir sichergestellt, dass wir heute noch die zehnfache Anzahl an Bauernhöfen haben, wie sie damals von Sicco Mansholt prognostiziert worden ist. Das ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass unsere Agrar- – auch Agrarsozialpolitik – richtig war.

Die Agrarpolitik bewegt sich heute in einem Spannungsfeld zwischen zunehmend liberalisierten Agrarmärkten, die eine weltmarkt- und gewinnorientierte Agrarproduktion einfordern und der Umsetzung wichtiger, von der Gesellschaft geforderter Ziele, wie Erhaltung und Schonung natürlicher Lebensgrundlagen durch nachhaltige landwirtschaftliche Produktion, steigende Anforderungen beim Tierschutz, dem Umweltschutz und der Lebensmittelsicherheit, Pflege und Gestaltung der Kulturlandschaft durch eine flächendeckende Landbewirtschaftung auf wirtschaftlicher Grundlage und Erhaltung einer eigenständigen bäuerlichen Kultur.

Bei den Gestaltungsspielräumen der bayerischen Agrarpolitik sind aber folgende Sachzwänge zu berücksichtigen: Unter dem Einfluss der WTO und der EU-Osterweiterung wird sich die EU aus der Unterstützung der Agrarmärkte zunehmend zurückziehen, wodurch die Landwirtschaft einem stärkeren internationalen Wettbewerb und größeren Preisschwankungen ausgesetzt wird. Aufgrund der unbefriedigenden Einkommenssituation in der Landwirtschaft wird sich leider der Strukturwandel weiter verstärken. Wichtig für die Zukunft wird es daher sein, das Angebot an betriebsnahen und attraktiven Arbeitsplätzen auch außerhalb der Landwirtschaft zu erhöhen. Die Bevölkerung erwartet trotz schlechter ökonomischer Rahmenbedingungen von der Landwirtschaft die Sicherung wichtiger gemeinwohlorientierter Ziele wie Ressourcenschutz, Erhalt der Kulturlandschaft oder Erhalt des kulturellen Erbes.

Die Möglichkeiten zur Einkommenskombination bzw. zum Wachstum im Dienstleistungssektor sind aber abhängig vom Standort und von den Potenzialen der Betriebsleiterfamilie. Meine Damen und Herren, das ist für den Betriebserfolg nach wie vor von entscheidender Bedeutung.

Nicht die Hektarzahl allein macht es, sondern die Qualifikation und die Bereitschaft der Betriebsleiterfamilie.

(Beifall bei der CSU)

Die CSU-Fraktion schöpft ihren agrarpolitischen Spielraum zum Wohle der Land- und Ernährungswirtschaft sowie zur Sicherung eines vitalen ländlichen Raumes voll aus und wird das auch in Zukunft tun.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Ja, Frau Lück, Bayern kann sich ein großes Stück vom europäischen Förderkuchen abschneiden. Wir bedauern das nicht; wir sind stolz darauf. Wir können das aber nur, weil wir in Bayern die Kofinanzierung sicherstellen. Andere Bundesländer beneiden uns darum.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zuständigkeiten in der Agrarpolitik sind sehr komplex. Grundsätzlich gilt folgende Aufteilung: Die EU-Ebene ist mehr oder weniger zuständig für die Markt- und Preispolitik. Auf Bundesebene ist man verantwortlich für Steuer- und Sozialpolitik – ich muss fast sagen, man wäre dafür verantwortlich.

(Gudrun Peters (SPD): Ach geh!)

Auf die bayerische Ebene entfallen Kompetenzen wie der Erhalt der Kulturlandschaft, ländliche Entwicklung, Dorferneuerung, Bildung, Beratung, Forschung und Qualitätssicherung.

(Zurufe von der SPD)

Ich weiß, das können Sie nicht hören, was wir in Bayern alles erledigen.

Auch wenn es vielen Landwirten schwer fällt, dürfen diese drei Verantwortungsbereiche nicht vermischt werden. Um die agrarpolitische Lage ausreichend erklären zu können, möchte ich im Folgenden einen Blick auf die verschiedenen Ebenen werfen.

Mit der Entscheidung der Agrarministerkonferenz vom 26. Juni 2003 in Luxemburg über eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik sind die Beschlüsse über die Agenda 2000, die eigentlich bis 2006 gelten sollten, zum großen Teil überholt. Mit den Beschlüssen wurde über die ursprünglich geplante Halbzeitwertung weit hinausgegangen. Die wichtigsten Elemente dieser EU-Agrarreform sind die Entkoppelung der Ausgleichszulage, die Bindung der Ausgleichszulage an neue Umweltkriterien – nämlich die 19 Cross-Compliance-Bedingungen –, die gute landwirtschaftlich-ökologische Praxis und vieles andere mehr. Bei der nationalen Umsetzung dieser EU-Agrarreform hat die Bundesrepublik Deutschland bzw. die SPD-Regierung wohl das komplizierteste und aufwändigste System aller EU-Länder gewählt.

(Heidi Lück (SPD): Dank des Bundesrates!)

In unserer letzten Arbeitskreissitzung haben wir uns mit der Umsetzung der Agrarreform auf bayerischer Ebene auseinander gesetzt. Dieses System ist verwaltungstechnisch kaum noch überblickbar, und zwar weder von der Verwaltung noch von unseren Landwirten. Unsere Bestrebungen bezüglich Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung werden in diesem Fall ad absurdum geführt. Ich muss hier allerdings feststellen, dass die Verantwortung hierfür auf Bundesebene zu suchen ist.

(Heidi Lück (SPD): Auch beim Bundesrat!)

Unsere bayerischen Landwirtwirtschaftsbeamten werden die Beschlüsse umsetzen müssen und sich damit letztlich wohl auch den Klagen der Landwirte ausgesetzt sehen.

Bei der Reform dieser Agrarpolitik fordert die CSU-Fraktion aber noch weitere wichtige Maßnahmen zur Milchmarktentlastung. Wir fordern, dass die beschlossene Anhebung der Milchquote ab 2006 um 1,5 % ausgesetzt wird, die Saldierungsmöglichkeiten für Überlieferung eingeschränkt werden und eine variable Quotenmenge in Höhe von 1 bis 3 % der Garantiemenge eingeführt wird. Dies erlaubt flexiblere Reaktionen je nach Marktlage. Es macht keinen Sinn, den bereits sehr stark belasteten Milchmarkt durch eine weitere Quotenerhöhung an den Rand des Zusammenbruchs zu führen.

(Beifall bei der CSU)

Während wir noch mit der Umsetzung der EU-Agrarreform beschäftigt sind, hat sich die Kommission in Brüssel bereits neuen Betätigungsfeldern zugewandt. So plant die EU-Kommission eine Reform der Zuckermarktordnung mit einem Minus von 37 % beim Zuckerrübenpreis und einem Minus von 16 % bei der Quote. Die Einkommenseinbußen sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission jedoch allenfalls bis zu 60 % ausgeglichen werden.

Was wir brauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist kein Abnicken der EU-Vorschläge, sondern eine mit Augenmaß vernünftig weiterentwickelte Zuckermarktordnung. Die CSU setzt sich vehement dafür ein, dass auch in Zukunft in Bayern Zucker erzeugt werden kann, um auf diesem Gebiet wichtige Arbeitsplätze auch in der Verarbeitung zu sichern.

(Beifall bei der CSU)

Der ernährungs- und agrarpolitische Bericht 2004 der Bundesregierung stellt nur ein Armutszeugnis für die Arbeit der Bundesregierung und insbesondere der Ministerin Künast dar. Die Gewinne landwirtschaftlicher Betriebe sind seit 2002/2003 erneut gesunken, und zwar um dramatische 20 % auf durchschnittlich nur noch 26 900 Euro je Unternehmen. Besonders betroffen waren die Veredelungsbetriebe mit einem Einkommensrückgang um 45 % gegenüber dem Vorjahr. Die Nettoinvestitionen sind seit drei Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau. In den benachteiligten Gebieten liegt der Durchschnittsgewinn um 7100 Euro oder um 23 % unter dem Durchschnittsgewinn in den anderen Gebieten. Der gewerbliche Vergleichslohn – das heißt, die Messlatte gemäß Landwirtschaftsgesetz

wurde nur noch von Betrieben über 100 Hektar erreicht, von 82 % der Haupterwerbsbetriebe jedoch nicht.

(Thomas Kreuzer (CSU): Skandalös!)

Die unbefriedigende Einkommenslage in der bayerischen Landwirtschaft beruht zu einem erheblichen Teil auf der verfehlten rot-grünen Agrarpolitik.

(Beifall bei der CSU)

Statt unsere Bauern für den europäischen und internationalen Markt fit zu machen, hat die Schröder-Regierung seit 1998 die Rahmenbedingungen insbesondere für die Landwirtschaft kontinuierlich und drastisch verschlechtert.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Nein, da helfen keine Zwischenrufe, Frau Lück. Mit einem monatlichen Einkommen von durchschnittlich nur noch 1470 Euro brutto je selbstständig tätigen Landwirt ist kaum noch die zur Existenzsicherung notwenige Eigenkapitalbildung möglich. Wer allerdings denkt, aufgrund der alarmierenden Zahlen des Bundesagrarberichtes 2004 und auch des Situationsberichtes des Bayerischen Bauernverbandes für 2005 würde die Bundesregierung sich für unsere Landwirte einsetzen, der irrt. Mit der Verabschiedung des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 hat die Bundesregierung wiederum Wettbewerbsnachteile in Höhe von 55 Millionen Euro für unsere deutschen Landwirte beschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aufgrund dieser weiteren Einschnitte im agrarsozialen System durch die Senkung des Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung um 82 Millionen Euro können auf die Landwirte sogar Beitragserhöhungen von 20 % zukommen, während in anderen Bereichen die Krankenkassenbeiträge stagnieren oder gar gesenkt werden.

Darüber hinaus wir die Wettbewerbssituation der Landwirtschaft durch die verschärfte Umsetzung von EU-Recht ständig verschlechtert. Ein Beispiel hierfür ist das Gentechnikgesetz. Auch die CSU nimmt die Probleme beim Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sehr ernst. Aus diesem Grund haben wir uns auch für einen Erprobungsanbau in Bayern ausgesprochen, um in der Praxis gewonnene Erkenntnisse in die Betrachtung einfließen lassen zu können. Grundsätzlich wollen wir eine Koexistenz von konventionell wirtschaftenden Betrieben und von Ackerbau auf Flächen, wo der Anbau gentechnisch veränderter Organismen erlaubt ist.

Kernbestandteil des verabschiedeten Gentechnikgesetzes ist jedoch eine gesamtschuldnerische, verschuldungsunabhängige Haftung, die im Schadensfall selbst Landwirte trifft, die sich an die gute fachliche Praxis beim Anbau gentechnisch veränderter Organismen gehalten haben. Unter diesen Voraussetzungen ist das Gentechnikgesetz ein Gentechnikverhinderungsgesetz, da unter diesen Voraussetzungen keinem Landwirt geraten werden kann, sich auch nur versuchsweise an einem Erprobungs

anbau zu beteiligen. Die Konsequenz des Gentechnikgesetzes wird sein, dass auch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten unterbleiben, die notwendig sind, um die Chancen und Risiken der grünen Gentechnologie vorurteilsfrei zu prüfen.

Die Bundesregierung gefährdet mit ihrer zum Großteil ideologisch motivierten Agrarpolitik die Zukunft des Agrarstandortes Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Die CSU-Fraktion setzt sich hier im Gegensatz dazu für eine innovative und wettbewerbsfähige Landwirtschaft ein. Wir möchten in Bayern bei der Nutzung von Biomasse die Spitzenposition erhalten bzw. weiter ausbauen.

(Gudrun Peters (SPD): Dank der Bundesregierung!)

Der Ausbau des Anteils an nachwachsenden Rohstoffen, besonders in der energetischen Verwendung, ist zwingend erforderlich, um schädliche Abgase zu begrenzen und fossile Brennstoffe zu schonen. Die Errichtung und der Ausbau des Kompetenzzentrums für nachwachsende Rohstoffe in Straubing ist hierzu ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Den gibt es aber schon ziemlich lang!)