Protocol of the Session on December 15, 2004

Die erste Entscheidung: Die Polizei wird in Zukunft dreistufig geführt. Aus unserer Sicht ist das eine Fehlentscheidung, weil diese Entscheidung nicht aus fachlichen Gründen getroffen wurde, sondern nur, um bei der Polizei Personal einzusparen. Es ist keine Reform zur Verbesserung der Polizeiarbeit. Im Gegenteil, die Polizeiarbeit wird bis auf wenige Bereiche verschlechtert, wie uns unter anderem die Präsidenten der Flächenpräsidien in ihrem Brief an das Ministerium und auch die Personalvertretungen und die Polizeigewerkschaften bestätigen. Durch die Veränderung vom vierstufigen zum dreistufigen Aufbau wer

den 680 Stellen frei, von denen 180 vom Finanzministerium eingezogen werden. 500 Planstellen sollen den Inspektionen zugute kommen, und zwar nach dem Motto: mehr Polizei auf die Straße. Mir hat bisher noch keiner sagen können, wie das funktionieren soll. Stäbe sollen miteinander verschmolzen, und das übrig bleibende Personal soll auf die Inspektionen verteilt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Polizeihauptkommissar, der jahrelang in einem Präsidium Stabsarbeit gemacht hat, wieder seinen Dienst im Streifenwagen aufnehmen wird.

(Beifall bei der SPD)

Wie es genau laufen soll, weiß man anscheinend noch nicht. Deshalb werden in den Präsidien Arbeitsgruppen gebildet. Allein beim Polizeipräsidium Mittelfranken sind es circa 20 Arbeitsgruppen mit bis zu 15 Teilnehmern pro Arbeitsgruppe.

(Karin Radermacher (SPD): Die sind dann wenigstens beschäftigt!)

Es wäre einmal interessant, nach Einführung der Dreistufigkeit zu überprüfen, wie viele Mannstunden benötigt wurden und welche Kosten dafür angefallen sind, um die Dreistufigkeit umzusetzen, und diese Kosten dann in die Kosten-Nutzen-Analyse mit aufzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Zweite Entscheidung: Die Arbeitszeit für Beamte wurde von 40 auf 42 Stunden erhöht. Noch im Landtagswahlkampf hat der Ministerpräsident in einem Interview Folgendes gesagt – ich zitiere:

Wenn wir uns nach der Landtagswahl erneut darüber unterhalten, wird man sehen, dass die bayerischen Beamten im Ländervergleich von Einsparungen am allergeringsten betroffen sind. Es wird auch keine Verlängerung der Arbeitszeit geben wie zum Beispiel in Baden-Württemberg.

Nun wurde nach einem Beschluss des Ministerpräsidenten und seines Kabinetts mit Unterstützung aller CSULandtagsabgeordneten die Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamte ab September dieses Jahres auf 42 Stunden pro Woche erhöht – und zwar unabhängig davon, ob jemand bei der Polizei im Schichtdienst beschäftigt ist oder nicht. Das ärgert mich ganz besonders.

(Beifall bei der SPD)

Die Polizeigewerkschaften haben diesbezüglich eine Petition an den Bayerischen Landtag gerichtet. Ich war für die SPD-Fraktion Berichterstatter zu dieser Petition. Die Argumente, die ich in dieser Sitzung vonseiten der CSU-Fraktion hören musste, waren für mich nicht nachvollziehbar. Sie machten mich als langjährigen Berufsfeuerwehrmann, der selbst 23 Jahre lang Schichtdienst geleistet hat, eigentlich fassungslos. Selbst eine Stellungnahme des Innenministeriums, in der von Gesundheitsbeeinträchtigungen für den Fall, dass die 11 Freischichten wegfallen sollten, die Rede war, wurde von der CSU-Fraktion vom Tisch

gefegt. Lassen Sie mich nur einen Satz aus dieser Stellungnahme zitieren:

Bei Wechsel- bzw. Schichtdiensten wird gegen den natürlichen Körperrhythmus gearbeitet. Kurzfristig wirkt sich dieser Dienst durch Ermüdung und beeinträchtigtes Wohlbefinden aus. Langfristig kann dies auch zu Gesundheitsschäden führen.

Wer so etwas als Abgeordneter nicht zur Kenntnis nehmen will oder vielleicht auch nicht darf, kann, wie es im CSU-Wahlslogan heißt, nicht näher am Menschen sein; denn der hat kein Verständnis für die Nöte gerade von Berufsgruppen wie Polizei und Feuerwehr.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schuster, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kreidl?

Wir haben so wenig Zeit, ich möchte fortfahren.

Gut, danke.

Vorschläge der Berufsvertretungen und Gewerkschaften, die Arbeitszeitverlängerung für Schichtdienstleistende wenigstens durch eine Änderung der Urlaubsverordnung oder durch eine Faktorisierung des Dienstes zu ungünstigen Arbeitszeiten etwas abzumildern, wurden ebenfalls abgelehnt. Dazu passt natürlich auch Ihre Entscheidung, die Vorsorgekuren für Schichtdienstleistende bei der Polizei abzulehnen. Hierfür wären in den Haushaltsjahren 2005 und 2006 jeweils 500 000 Euro anzusetzen gewesen. Um festzustellen, dass das Geld für die Vorsorgekuren vorhanden gewesen wäre, muss man nur den Bericht 2004 des Obersten Rechnungshofes lesen. Darin stellt man fest, dass allein bei den Laboruntersuchungen auf Betäubungsmittel und Medikamente Einsparungen in Höhe von 1 Million Euro möglich gewesen wären, wenn sich alle Präsidien auf einen durchschnittlichen Vergütungssatz für die Labore geeinigt hätten. So hat ein Präsidium 111 Euro pro Laboruntersuchung gezahlt, andere Präsidien haben dagegen 310 Euro gezahlt. Wenn man die Kosten bei Blutentnahmen wegen Verdachts auf Alkohol im Straßenverkehr einrechnen würde, hätte man einige Millionen einsparen können. Diese Mittel hätte man besser für Vorsorgekuren für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte verwenden können. Das aber wollen Sie nicht.

(Beifall bei der SPD)

Fakt ist, dass durch die Verlängerung der Arbeitszeit 758 Planstellen bei der Polizei wegfallen werden. Wenn man noch die 180 Planstellen, die aufgrund der Reform wegfallen, hinzuzählt, werden es in Zukunft 1000 Planstellen sein, die bei der Polizei wegfallen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das hat folgende Auswirkungen: Bisher wurden pro Jahr circa 750 Anwär

terinnen und Anwärter in den Polizeidienst eingestellt. Nach den mir vorliegenden Informationen werden im nächsten Jahr zum 1. März 100 Anwärterinnen und Anwärter eingestellt und zum 1. September – das ist aber noch nicht entschieden – eventuell noch einmal 200 Anwärterinnen und Anwärter. Das sind im Jahr 2005 300 Anwärterinnen und Anwärter. Insgesamt werden im nächsten Jahr also 450 Polizeibeamtinnen und -beamte weniger eingestellt.

Kolleginnen und Kollegen, das ist Sparpolitik um jeden Preis.

(Beifall bei der SPD)

Unternehmen in der freien Wirtschaft fordern die Staatsregierung auf, Jugendlichen einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, was ja auch richtig ist, während gleichzeitig beim bayerischen Staat Ausbildungsplätze abgebaut werden. Das Schlimme daran ist, dass diese 300 Anwärterinnen und Anwärter im Jahr 2009 mit ihrer Ausbildung fertig werden – und gleichzeitig gehen 684 bayerische Polizeibeamte in den Ruhestand, weil sie das 60. Lebensjahr vollendet haben. Im Jahr 2009 fehlen also 384 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, und genau so viele Polizeibeamtinnen und -beamte werden wir weniger auf unseren Straßen haben, obwohl Sie nicht müde werden zu sagen, in Zukunft täten mehr Polizistinnen und Polizisten auf der Straße ihren Dienst. Die Pensionszahlen steigen ab dem Jahr 2011 unaufhörlich. Deshalb ist es unverständlich, dass Sie unseren Antrag zum Haushalt abgelehnt haben, der sich mit dieser Thematik befasst.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Konsequenz Ihrer Einstellungspolitik ist, dass einige Standorte der Bereitschaftspolizei keine Ausbildungsabteilungen mehr vorhalten werden, zum Beispiel Nürnberg. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen ganz genau: Was einmal abgebaut wurde, kommt so schnell nicht wieder. Es ist ja nicht so, dass bei der Bereitschaftspolizei nicht eingespart worden wäre. Schon 1995 hat es eine Reform bei der Bereitschaftspolizei gegeben, bei der etliche Stellen beim Stammpersonal eingebüßt wurden.

Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede zum Haushalt 2003/ 2004 Folgendes gesagt – ich zitiere: Wir haben in Bayern aufgrund der Sicherheitslage mit dem umfangreichsten Sicherheitspaket aller Länder reagiert. Wir haben, das ist in diesem Haushalt enthalten, 890 neue Stellen für die Sicherheit in Bayern geschaffen. – Mit den Entscheidungen, die Sie im zurückliegenden Jahr getroffen haben, sind diese Planstellen wieder weg, obwohl sich die Sicherheitslage in Deutschland nicht verbessert hat. Das geben Sie in jedem Interview zu Protokoll.

(Rainer Volkmann (SPD): Ankündigungsminister!)

Einerseits kündigen Sie für 2003 vollmundig 890 Personalstellen für die innere Sicherheit in Bayern an, dann werden aber durch die im zurückliegenden Jahr getroffenen Entscheidungen wieder 1000 Planstellen weggenommen. Zeitgleich fordern Sie immer den Einsatz der Bun

deswehr im Innern, um den Abbau Ihres Personals zu kaschieren.

(Rainer Volkmann (SPD): Aber Reklame hat er gemacht!)

Sehr geehrter Herr Minister, nach Pressemitteilungen haben Sie am Rande der Innenministerkonferenz Otto Schily in scharfer Form bezüglich seiner Forderung nach mehr Bundeskompetenz im Antiterrorkampf attackiert. Sie haben dort gesagt – ich zitiere:

Otto Schily will die bewährte föderale Sicherheitsarchitektur umkrempeln. Das ist ein völlig falscher Ansatz. Otto Schily wird damit selbst zu einem Sicherheitsrisiko.

Wenn ich das letzte Jahr seit der Regierungserklärung Revue passieren lasse und mir die Entscheidungen anschaue, die Sie für den Bereich des Innenministeriums mit Rückendeckung der CSU-Fraktion getroffen haben, zum Beispiel die Polizeireform, zum Beispiel die Erhöhung der Arbeitszeit auf 42 Wochenstunden, zum Beispiel die Entscheidung, weniger Polizeibeamte und -beamtinnen im nächsten Jahr einzustellen, muss ich schon feststellen: Wenn Sie Otto Schily angreifen und ihm vorwerfen, er krempele die bewährte föderale Sicherheitsarchitektur um, muss ich Ihnen im Gegenzug vorwerfen, dass Sie die bewährte bayerische Sicherheitsarchitektur umkrempeln wollen. Dann muss ich sagen: Auch in Bayern gibt es ein personifiziertes Sicherheitsrisiko.

(Beifall bei der SPD)

Es gäbe noch viele Punkte zum Polizeibereich, auf die man an diesem Tag eingehen könnte, zum Beispiel die Nichtetatisierung der Einsatzhundertschaften, die aus Beamtinnen und Beamten zusammengestellt werden, die bei Großveranstaltungen aus den Inspektionen abgezogen werden. Dadurch werden die Inspektionen geschwächt. Unseren Haushaltsantrag dazu haben Sie ebenfalls abgelehnt. Man könnte auch auf die Kürzungen bei den Sachmitteln im Polizeihaushalt eingehen.

Herr Kollege, der Kollege Peterke bittet um die Möglichkeit einer Zwischenfrage. –

Nein, ich habe die Zeit dafür nicht, es tut mir Leid. Wir können uns anschließend gern unterhalten; aber wir haben nur 34 Minuten Redezeit.

Es geht also aus Zeitgründen nicht.

Sie haben den Ansatz bei den Sachmitteln in zwei Bereichen des Haushalts um insgesamt 4 Millionen Euro erhöht; das ist erst einmal positiv zu bewerten.

(Rudolf Peterke (CSU): Na also, Sie sagen es doch selbst!)

Ja, das ist positiv zu bewerten, aber wenn man ein bisschen genauer hinschaut, stellt man fest, dass Sie genau in diesen beiden Bereichen im Haushalt 2002 um 5 Millionen Euro und im Nachtragshaushalt 2004 bei der Landespolizei um 36 Millionen gekürzt haben, insgesamt sind das also 41 Millionen Euro. Da kann man jetzt ruhig mal 4 Millionen nachlegen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da kann man wirklich leicht wieder was drauflegen! – Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch zum Bereich Feuerwehr und Katastrophenschutz kommen. Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede am 6. Dezember zum Doppelhaushalt 2003/2004 gesagt – ich zitiere –: Bei der einheitlichen Notrufnummer 112 sind wir weitergekommen. Wir werden allerdings unsere Anstrengungen noch zu verstärken und zu beschleunigen haben. – Seit dieser Aussage sind jetzt zwei Jahre vergangen. Von einer Beschleunigung in dieser Angelegenheit haben wir nichts gemerkt; die notwendigen Verordnungen, welche die technischen und personellen Mindeststandards vorschreiben, sind seit zweieinhalb Jahren nicht erlassen worden; denn hier würde das Konnexitätsprinzip greifen, und davor haben Sie anscheinend Angst.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben damals vor der Zweiten Lesung mit einem Antrag gefordert, diese Mindeststandards per Gesetz festzuschreiben. Das haben Sie damals abgelehnt. Jetzt kann es passieren, dass einzelne Rettungsverbände, wenn die Mindeststandards nicht festgeschrieben werden, bei der Ausbildung ihres Personals sparen werden, was zu einer Verschlechterung im Rettungs- und Feuerwehrdienst führen wird. Es wird also Zeit, Herr Innenminister, dass Sie nicht nur beschleunigen, sondern richtig Gas geben in dieser Angelegenheit. Denn es kommt noch hinzu, dass, wenn die zehn Schutzbereiche für die Polizei ihre eigenen Einsatzzentralen bekommen, die Feuerwehralarmierung auf dem Land nicht mehr durch die Polizei, sondern durch die integrierten Leitstellen erfolgen muss. Diese integrierten Leitstellen müssen dann natürlich dafür gerüstet sein.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz zu den Förderrichtlinien im Feuerwehrbereich sagen. – Wir waren grundsätzlich für die zum 1. Januar 2005 in Kraft tretenden Richtlinien, weil sie zu einem Bürokratieabbau führen könnten. Allerdings stellt man fest, wenn man es ganz genau betrachtet, dass die Staatsregierung hier wieder einmal auf Kosten der Kommunen sparen will. Ich möchte nur ein Beispiel nennen. In Nürnberg wurde eine Feuerwache gebaut. Die Stadt Nürnberg hat dafür nach den alten Richtlinien einen Zuschuss von 1,48 Millionen Euro bekommen. Nach den neuen Richtlinien bekäme sie pro Stellplatz 40 000 Euro. Die Stadt Nürnberg würde insgesamt für diese neue Feuerwache heute nur noch 240 000 Euro bekommen.

(Rainer Volkmann (SPD): Das ist ja ein Wahnsinn!)