Seit zwei Jahren modeln Sie herum. Eine andere Sache ist der Modellversuch Eingangsstufe an der Grundschule. Im schriftlichen Bericht des Kultusministeriums können Sie das Ergebnis nachlesen: Eine sehr erfolgreiche Sache; wir können das aber nicht tun; wir haben dafür kein Geld. Ich frage mich, welche Schul- und Bildungspolitik Sie in Bayern eigentlich machen.
Ich möchte zum Schluss sagen, dass ich meine, dass genug ausprobiert und modelliert worden ist. Es wird wichtig sein, in der Schul- und Bildungspolitik in Bayern entscheidende Schritte zu machen. Es wäre wirklich wichtig, Herr Schneider – das richte ich auch an Ihre Adresse –, nicht ständig die gleichen Argumente zu wiederholen, sondern sich endlich einmal Gedanken darüber zu machen, wie wir in der Schul- und Bildungspolitik einen Meter weiterkommen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! „Arm an Bildung, arm an Chancen – Bildungsarmut in Bayern bekämpfen“ – so heißt das Thema des heutigen Nachmittags. Ich muss dazu sagen: Was ich bisher vonseiten der Oppositionsparteien gehört habe, war ein einziges Schlechtreden und ein Frontalangriff auf das bayerische Schulsystem, ohne dass Sie selbst heute entsprechende Gegenkonzeptionen vorgestellt haben. Was Sie tatsächlich vorhaben, müssen wir leider aus den Tageszeitungen entnehmen bzw. in den Ausschüssen hören. Ich bedauere sehr – ich sage das in aller Deutlichkeit –, dass Sie heute die Katze nicht aus dem Sack gelassen und gesagt haben, was Sie tatsächlich wollen. Wahrscheinlich streiten Sie noch darüber, Frau Radermacher.
Ich denke daran, welche Vorschläge die SPD derzeit macht und diskutiert. Das geht von der sechsjährigen gemeinsamen Beschulung bis zur neunjährigen gemeinsamen Beschulung in Schleswig-Holstein.
Ihre Bundesbildungsministerin hat sogar die Abschaffung der Hauptschule vorgeschlagen. Bringen Sie bitte zunächst einmal Ihre eigenen Gedanken auf einen Nenner, bevor Sie uns entsprechende Ratschläge erteilen.
Für die GRÜNEN gilt letztlich das Gleiche. Auch in Ihren bildungspolitischen Vorstellungen gibt es meines Erachtens noch zu wenig Klarheit.
(Margarete Bause (GRÜNE): Darf ich Ihnen einmal den Beschluss von unserem Parteitag überreichen? – Da könnten Sie sich schlau machen!)
Frau Kollegin Tolle, Sie sprechen von einem Paradigmenwechsel und von der neunjährigen Beschulung, verschweigen aber den Bürgerinnen und Bürgern und vor allem den Eltern in unserem Lande, was das letztlich bedeuten würde. Das würde nämlich bedeuten, dass die Realschule in Bayern eingemottet wird, dass in Bayern das Gymnasium eingemottet wird und im Grunde ein gänzlich neues System aufgebaut werden müsste. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das müssen Sie den Eltern mitteilen, damit sie wissen, worüber sie zu entscheiden haben.
Meine Damen und Herren, ich persönlich bin der Meinung, dass wir in Bayern nicht arm an Bildung oder arm an Chancen sind. Bayern ist vielmehr das Land mit der reichsten Bildungslandschaft und den vielfältigsten Angeboten. Wir haben ein System, das alle Neigungen und Begabungen unserer Kinder aufnimmt. Ich möchte das nur an einem Beispiel darstellen: Die Kinder in Bayern können den mittleren Bildungsabschluss über insgesamt 24 Wege erreichen. Sie können ihn nicht nur über das Gymnasium, die Realschule, die Wirtschaftsschule oder die Hauptschule erreichen, sondern auch über das berufliche Bildungssystem. Das sollten Sie bedenken. Wir machen Angebote für die unterschiedlichen Begabungen unserer Bürger. Diese Angebote können sich sehen lassen.
Ich möchte eines feststellen, weil Sie, Herr Kollege Maget, das so stark betont haben: Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns beginnt der Mensch nicht erst beim Abiturienten.
Die CSU respektiert die Entscheidung der Eltern. Wir wollen keine Bildungslenkung und keine Bildungsplanung bis in das letzte Komma. Wir wollen vielmehr den Eltern Entscheidungsmöglichkeiten offen halten. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Wenn sich Eltern bewusst dafür entscheiden, ihr Kind auf die Realschule zu geben, weil es dann über die Fachoberschule oder die Fachhochschule den Hochschulzugang erreichen kann, habe ich als Politiker das nicht zu kritisieren. Das ist das freie Entscheidungsrecht der Eltern. Sie sollten das nicht ständig kritisieren und über die angeblich zu geringen Abiturientenzahlen in Bayern klagen. Wir haben ein gutes System und mit den Möglichkeiten zum Erwerb des mittleren Bildungsabschlusses hervorragende Zugänge in die Fachhochschulen und in die Universitäten. Diese Zugangsmöglichkeiten sind in den letzten Jahren verbessert wor
Ich möchte angesichts des Themas, das Sie für heute Nachmittag vorgeschlagen haben, noch einmal in den Raum hineinfragen, ob es denn Ausdruck einer Chancen- oder Bildungsarmut in Bayern ist, wenn derzeit insgesamt 347 000 Schüler das Gymnasium besuchen. Das sind 5702 Schüler mehr als im vergangenen Jahr.
Ist es ein Ausdruck für Chancen- oder Bildungsarmut, wenn derzeit 222 000 Schüler die bayerische Realschule besuchen? Das sind 10 730 Schüler mehr als im vergangenen Jahr.
(Karin Radermacher (SPD): Das hat etwas damit zu tun, dass es mehr Schüler gibt! – Margarete Bause (GRÜNE): Sie haben überhaupt keine Ahnung, was Bildungsarmut bedeutet!)
Hören Sie mir bitte zu. Sie können sich nachher noch einmal zu Wort melden. Ist es Ausdruck von Bildungs- oder Chancenarmut, wenn der Realschule in Bayern von der Pisa-Studie bestätigt wird, dass sie mit ihren Abschlüssen mit den Testsiegern Finnland und Kanada auf einer Augenhöhe steht?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Ergebnis durfte auf Ihr Geheiß hin nicht veröffentlicht werden.
Ich frage Sie zum Schluss, ob es Ausdruck von Bildungs- oder Chancenarmut ist, wenn in Bayern derzeit 295 000 Schüler die Hauptschule besuchen, von denen sich 41 500 in M-Klassen auf die mittlere Reife vorbereiten.
Ihnen fällt dazu nichts anderes ein, als die Hauptschule abzuschaffen. Herr Kollege Maget, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie Ihrer Bundesbildungsministerin gehörig in die Parade gefahren sind und ihr gesagt haben, dass sie die bayerische Hauptschule einen feuchten Kehricht angehe. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Äußerung. Das war eine sehr gute und treffende Antwort auf diesen Vorschlag.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir auf den Sozialbericht und auf die Pisa-Studie in Bayern die entsprechenden Antworten gegeben haben. Wir müssen uns selbstverständlich auch weiterhin auf vielen Feldern anstrengen. Ich sage auch in aller Deutlichkeit, dass für eine bessere Lehrerversorgung im Freistaat Bayern gekämpft werden muss. Ich bin aber der Auffassung, dass wir das gut funktionierende bayerische Bildungssys
tem nicht erneut auf den Kopf stellen und die Einheitsschule oder die Gesamtschule fordern sollten. Diesen alten Hut wollen wir uns in Bayern nicht mehr aufsetzen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erschüttert über die Art und Weise, wie Sie die Diskussion in der Aktuellen Stunde führen.
Sie schmeißen Zahlen ohne jeglichen Bezug in den Raum. Natürlich ist die Zahl der Schüler, die in Bayern das Gymnasium besuchen, größer als im Saarland. Schließlich gibt es in Bayern auch mehr Menschen als im Saarland.
Ich möchte das an einem relativ primitiven Beispiel deutlich machen: Sie werfen Schulstrukturen in den Raum, die angeblich gescheitert sind. Sie sind – das muss ich Ihnen vorwerfen – so kleinkariert, sich nur innerhalb des deutschen Bildungswesens zu bewegen; denn Sie haben keinerlei Vergleich mit anderen Schulformen der Pisa-Sieger aufgeführt. Finnland, Skandinavien und Kanada haben ganz andere Bildungssysteme als wie. Sie vergleichen Bayern nur mit anderen Bundesländern, weil Sie dort angeblich einen Spitzenplatz einnehmen.
Herr Kollege Maget hat heute schon einmal darauf hingewiesen, wie die entsprechenden Zahlen zustande kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, selbst wenn Sie einen Spitzenplatz hätten, lägen Sie weltweit gesehen immer noch im unteren Mittelmaß. Ich glaube nicht, dass Sie sich damit zufrieden geben wollen.
Sie haben in dieser Aktuellen Stunde die Problematik ignoriert, sie schön geredet und als nicht existent bezeichnet. Sie sind auf die Probleme nur mit ein paar kleineren Klammersätzen eingegangen. Im Interesse der bayerischen Schülerinnen und Schüler täte eine echte Bildungsdiskussion Not. Führen wir diese Diskussion. Stellen wir die Konzepte gegeneinander und vergleichen wir sie mit den Konzepten der Pisa-Sieger. Ziehen wir pädagogische Wissenschaftler hinzu und stellen wir die Konzepte auf den Prüfstand. Soweit kommen Sie jedoch überhaupt nicht, weil Sie behaupten, in Bayern sei alles wunderbar und hervorragend, sodass wir nichts tun müssten.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, diskutieren wir im Interesse von Bayerns Schülern darüber, wie die individuelle Förderung von jedem einzelnen Kind in unserem Lande so betrieben werden kann, dass ein Kind einer türkischen Migrantenfamilie in Gostenhof – das ist ein Stadtteil von Nürnberg –, dessen Eltern schlecht Deutsch sprechen, seine Talente und Fähigkeiten so entwickeln kann, dass es irgendwann einmal einen Nobelpreis erringen
kann. Wir müssen versuchen, dieses Kind durch Schule und Bildung so zu fördern, dass es einen Abschluss erhält. Darum geht es uns. Wir wollen nicht alle Schüler in der Hauptschule haben.
Wir wollen die individuellen Fähigkeiten jedes Kindes durch unser Bildungssystem soweit fördern, dass das Kind alles entfalten kann, was in ihm steckt. Frau Staatsministerin, dies erreichen wir garantiert nicht, wenn wir wie Ihr Ministerium vorgehen. In der „Süddeutschen Zeitung“ war heute in einem Artikel unter der Überschrift „Hohlmeiers Schweigen“ von einem Brief von besorgten Eltern zu lesen. Diese Eltern von Schülern der Volksschulen haben sich bereits im Oktober im Ort Miesbach zusammengeschlossen.
Sie beklagen, dass eine Vielzahl von Stunden seit Wochen und Monaten, Frau Hohlmeier, an ihrer Grundschule ausfällt. Sie wollten das schriftlich übergeben und hatten große Probleme, bei der Staatskanzlei einen Termin zu bekommen. Sie bedauern, dass sie seit Oktober – wir haben heute den 14. Dezember – vom Ministerium nicht einmal eine Eingangsbestätigung bekommen haben. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn Sie so weitermachen, ist es schade um die bayerischen Schüler.
(Beifall bei der SPD – Joachim Herrmann (CSU): Sie haben doch keine Ahnung! – Gegenruf der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Damit machen Sie es sich zu einfach!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit das Märchen nicht mehr allzu lange weitererzählt wird, will ich es hiermit beenden. Der Brief der Eltern ist nicht im Kultusministerium angelangt. Sie haben ihn uns heute per Fax zugesandt. Wir haben einen Brief der Bürgermeisterin bekommen, der innerhalb einer Woche beantwortet worden ist.
(Beifall bei der CSU – Joachim Wahnschaffe (SPD): Das war wieder typisch, zur Sache sagen Sie keinen Satz!)
Herr Kollege Wahnschaffe, ich darf doch darauf hinweisen, dass Frau Ministerin vorhin gesprochen hat. Damit können Sie nun einverstanden sein oder nicht, aber sie hat Stellung genommen.