Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 30. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist erteilt.
Tagesordnungspunkt 14 Haushaltsplan 2005/2006; Einzelplan 02 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei (Drucksache 15/2095)
(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Direkt voll ist es nicht bei der CSU! – Thomas Kreuzer (CSU): Bei euch auch nicht! – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Bei uns ist das aber auch kein Wunder!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Doppelhaushalt 2005/2006 eröffnen wir ein neues Kapitel in der bayerischen Landespolitik. Dieser Haushalt gibt politische Orientierung und Richtung über den Horizont einer Legislaturperiode hinaus: 2006 hat Bayern einen ausgeglichenen Haushalt. Wir haben dies 1998 angekündigt, im Jahr 2000 ins Haushaltsgesetz geschrieben, und im Jahr 2006 ist das wie geplant erreicht. Wir verfehlen unsere Zielmarken nicht. Wir halten unsere Wahlversprechen. In Bayern ist Verlass auf Staat und Politik.
Entscheidend ist: Wir wollen 2006 nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt; der Freistaat soll vielmehr dauerhaft ohne neue Schulden auskommen. Der Gewinn sind niedrigere Zinslasten und auf Dauer mehr Kraft zur politischen Gestaltung. Deshalb sparen, reformieren und investieren wir.
Neuverschuldung gleich Null. – Damit öffnen wir kommenden Generationen die Tür zur Zukunft weit. Das ist christlich-soziale Politik für unsere Kinder und Enkel. Wir schaffen Vertrauen in die Zukunft und Zuversicht. In den Siebziger- und Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts haben wir die Bewahrung der Schöpfung, den Schutz unserer Umwelt als Leitidee politisch und gesellschaftlich durchgesetzt. Heute setzen wir die Generationengerechtigkeit als Leitidee in Deutschland durch.
Die heutige Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland führt zusammen mit den Renten- und Pensionsansprüchen dazu, dass jedem Neugeborenen heute mehr als 80 000 Euro Belastungen in die Wiege gelegt werden. Das ist ein einmaliger Vorgang. Wer kann eine solche Erblast verantworten? – Eine solche Vorbelastung unserer Kinder ist ökonomisch kurzsichtig und politisch schlicht unmoralisch.
Deshalb machen wir in Bayern eine Haushaltspolitik, die das Prädikat „nachhaltig“ tatsächlich verdient. Auch für die Haushaltspolitik gilt: sustainable development. Die Einnahmen stagnieren, die Ausgaben steigen, das gilt in Bund, Ländern und Kommunen gleichermaßen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Bayern haben wir heute – das muss ich immer wieder, auch an alle Verbände gerichtet, sagen, Steuereinnahmen in der Höhe derer von 1999, aber Ansprüche des Jahres 2004. Damals waren es 25,5 Milliarden Euro Einnahmen, in diesem Jahr werden es 25,7 Milliarden Euro Einnahmen sein. Das ist die Realität in unserem Land. Gut begründete Forderungen, dennoch mehr auszugeben, gibt es aus vielen Bereichen. Das wäre aber Verschuldung zulasten der Zukunft unserer Kinder.
Meine Damen, meine Herren, ich will auch darauf hinweisen, dass Bayern ein höheres Wachstum als alle anderen Bundesländer mit Ausnahme von Baden-Württemberg hat. Wir werden nach einer vorläufigen groben Schätzung im laufenden Jahr etwa 190 Millionen Euro mehr einnehmen als geplant. Aber leider müssen wir von diesen 190 Millionen Euro dann etwa 185 Millionen Euro für den Finanzausgleich zur Verfügung stellen, weil andere Länder weniger einnehmen als geplant. Das ist ein hohes Maß an Solidarität. Ich will nur einmal deutlich machen, welche Schwierigkeit man hat, wenn man ein höheres Wachstum verzeichnet. Man kann es dann für die eigene Bevölkerung nicht ausgeben.
Wir haben in Bayern eine klare politische Entscheidung getroffen: Die Einnahmen bestimmen die Ausgaben, keine neuen Schulden mehr. Wenn die Opposition in Bayern gegen unseren Sparkurs polemisiert mit der Behauptung, wir würden das soziale Gesicht Bayerns gefährden, dann ist das mehr als billig. Unsere Antwort darauf lautet: Wir regieren nicht nach dem Motto: nach uns die Sintflut. Wir sichern auch morgen und übermorgen ein soziales Bayern.
Wenn Sie lachen, dann zeigen Sie damit, dass Sie die Befindlichkeit der Bevölkerung überhaupt nicht kennen.
Die große Mehrheit unserer Bürger sagt zu unserem Ziel, keine Neuverschuldung im Jahr 2006 zu haben: Das ist richtig. Eine Umfrage für den „Zeitspiegel“ des Bayerischen Rundfunks von Infratest dimap zeigt, dass eine Mehrheit von 55 % der SPD-Anhänger und 62 % der Anhänger der GRÜNEN sagen: Das Ziel eines ausgeglichen Haushalts ab 2006 ist richtig.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN, Sie sollten mehr auf das Urteil Ihrer eigenen Anhänger setzen statt auf Polemik und auf Schlagworte.
Wäre es nach Ihren Anträgen in den letzten fünf Jahren gegangen, dann hätte Bayern heute rund 5 Milliarden Euro mehr Schulden und dramatische Zinslasten. Sie würden uns mit Ihrer Politik in die Nähe von Nordrhein-Westfalen führen. Das wird die CSU in diesem Hause verhindern.
Ich sage Ihnen noch einmal sehr deutlich: Mit dieser Politik verkonsumieren Sie den sozialen Wohlstand unserer Kinder. Wir dürfen nicht länger die Gegenwartsinteressen höher bewerten als die Zukunftsinteressen. Gegenwartskonsum oder Zukunftsinvestitionen – das ist die entscheidende Frage, vor der wir stehen.
Die Bundesregierung sagt zwar ganz eindeutig Ja zu Zukunftsinteressen, aber in der Realität ist das anders. Für uns ist die Antwort klar: sparen, reformieren, investieren. Das ist unser Fahrplan bis zum Jahre 2008 in dieser Legislaturperiode, den ich auch in meiner Regierungserklärung vor gut einem Jahr angekündigt habe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das erste Jahr dieser Legislaturperiode war ein bewegtes, ein schwieriges und dornenreiches Jahr für die betroffenen Menschen,
für die politisch Verantwortlichen in den Kommunen und für jeden Einzelnen aus der Mehrheitsfraktion und für die Staatsregierung.
Wir haben sofort im ersten Jahr nach der gewonnenen Landtagswahl die schwierigen Hausaufgaben angepackt und zu einem beachtlichen Teil erledigt. Nach Sparen und Reformieren wird in den kommenden Jahren immer stärker das Investieren in den Vordergrund rücken. Genauso hatte ich es in meiner Regierungserklärung vor einem Jahr angekündigt. Ich sagte damals:
Wir gehen nicht den Weg des bequemen, aber leisen Abstiegs, wir gehen den unbequemen, schmerzhaften und wahrscheinlich auch demonstrationsreichen Weg, der uns und unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Zukunft verspricht.
Das war eine Aussage und natürlich eine gewisse Erwartung, die sich auch bestätigt hat. Wir sind einen dornenreichen und demonstrationsreichen Weg gegangen.
Meine Damen und Herren, wir hätten es uns auch bequem machen und uns auf unserer komfortablen Mehrheit von 60 % ausruhen können. Wir haben uns nicht ausgeruht. Wir haben vielmehr meine zentralen Aussagen im Landtagswahlkampf 2003 konsequent umgesetzt. Was waren die zentralen Aussagen im Jahre 2003? Haushalt ohne Neuverschuldung ab dem Jahre 2006 und, meine Damen und Herren, auch die Ansage einer grundlegenden Verwaltungsreform. Ich sprach damals im Mai, Juni, Juli von einer Verwaltungsreform in einem Ausmaß wie zu Mont
gelas’ Zeiten. Wir haben den Mut gehabt, wie angekündigt, die Menschen mit der harten Wirklichkeit zu konfrontieren,
den Haushalt zu konsolidieren und das Land zu reformieren zum Wohle des Ganzen für eine gute Zukunft Bayerns.
Für jeden Abgeordneten der Mehrheitsfraktion, der CSUFraktion, bedeutete dies Proteste und Widerstand, in Gesprächen mit den Wählern immer wieder den Kurs erklären und viel Überzeugungsarbeit leisten zu müssen. Natürlich ist es populärer, Geld auszugeben, als Zuschüsse kürzen zu müssen. Der scheinbar leichtere Weg zur Bank – Jahr für Jahr neue Schulden – findet schnell den Applaus einzelner Interessensgruppen. Da gibt es keine Demonstrationen. Wir sind diesen bequemen Weg nicht gegangen; denn dies hätte dem Land enorm geschadet. Zur politischen Verantwortung gehört, die als richtig erkannten und notwendigen Reformen rasch und zügig durchzusetzen und durchzuführen. Das haben wir in großer Gemeinsamkeit und in enger, intensiver Zusammenarbeit zwischen Staatsregierung und Mehrheitsfraktion in wochenlangen, tagelangen, stundenlangen Diskussionen getan; denn wer rechtzeitig und energisch auf Reformen setzt, der vermeidet später noch tiefere Einschnitte. Wer dagegen zaudert und zögert, wer sich nur halbherzig auf den Reformweg macht, wie das die Bundesregierung tut, der führt das Land nur noch tiefer in die Krise.
Wir in Bayern haben dagegen im Rahmen unserer Möglichkeiten durchgreifende Reformen durchgesetzt, um auf der Basis eines Haushalts ohne Neuverschuldung ab dem Jahre 2006 neue politische, zukunftsweisende Akzente setzen zu können und damit unser Land weiter auf Erfolgskurs zu halten. Wir wollen den Menschen in Bayern, unseren Kindern und Enkelkindern wieder neue Perspektiven für die Zukunft eröffnen. Das nennen wir Verantwortung für künftige Generationen. Das nennen wir glaubwürdige Politik. Das ist ein klarer Kurs.
Wir haben, meine Damen und Herren, im Nachtragshaushalt 2004 2,1 Milliarden Euro echte Konsolidierung erreicht. Gemessen am Jahre 2003 summieren sich unsere Konsolidierungsmaßnahmen in den Jahren 2004 bis zum Jahre 2006, also über drei Jahre hinweg, auf eine Gesamtentlastung von rund 6 Milliarden Euro. Das ist eine gewaltige Leistung. Meine Damen und Herren, wir haben auch die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst verlängert, und wir haben die Verwaltungsreform beschlossen. Das alles zusammen in einem einzigen Jahr war ein großer politischer Kraftakt für die Staatsregierung und für die Mehrheitsfraktion. Das hat es in Bayern seit der Gebietsreform Anfang der Siebzigerjahre in dieser Dichte nicht mehr gegeben.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei jedem einzelnen Abgeordneten aus der Mehrheitsfraktion und ihrem Vorsitzenden Joachim Herrmann aufrichtig dafür bedanken, dass sie diesen unbequemen Weg aus Verantwortung für
Meine Damen und Herren, dieser nicht einfache Weg hat uns aber auch grundsätzlich neue Perspektiven eröffnet.
Wir gestalten in Bayern einen Paradigmenwechsel: weniger Gegenwartskonsum, weniger Subventionen für die Strukturen von gestern, mehr Zukunftsinvestitionen in Bildung, in neue Ideen, in neue Produkte und in neue Märkte.
Trotz der Einsparungen halten wir deshalb die Investitionsquote in diesem und in den kommenden Jahren mit rund 12 % – es sind genau 12,4 % –, auf einem im Ländervergleich sehr hohen Niveau. Unser Ziel ist es, mit zunehmenden Finanzierungsspielräumen wieder auf 15 % zu kommen.
Wenn ich vergleichen darf, meine Damen und Herren – Föderalismus ist natürlich auch Wettbewerb; ich bin mitten in der Diskussion über die Föderalismusreform –: Der Bund hat mit 9,6 % die niedrigste Investitionsquote, die er je hatte. Baden-Württemberg, unser großer Nachbar, hat eine wesentlich höhere Verschuldung als wir und eine Investitionsquote von 8,5 %. Hessen hat eine Investitionsquote von 9,4 %, Niedersachsen hat eine Investitionsquote von 8,6 %, Nordrhein-Westfalen hat eine Investitionsquote von 10,1 %, Schleswig-Holstein hat eine Investitionsquote von 10,1 %.
Vergleichen Sie bitte einmal damit die bayerische Investitionsquote trotz des Sparhaushalts und des Ziels des ausgeglichenen Haushalts, das natürlich in Deutschland keiner erreicht. Diese Ziele haben sich alle Länder vorgegeben. Aber alle erreichen sie nicht, und sie geben das auch zu. Außer Bayern ist niemand in der Lage – das ist die letzte Aussage der Ministerpräsidenten auf der Ministerpräsidentenkonferenz –, im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Wir wollen das natürlich auch. Herr Platzeck träumt vom Jahr 2010; auch Hessen träumt davon. Aber wir sind diejenigen, die das durchsetzen.
Trotzdem schafft Bayern beides: Neuverschuldung Null und kraftvolles politisches Handeln. Bereits in den Jahren 1999 und 2000 haben wir 520 Millionen Euro an Staatsschulden getilgt. Im Jahr 2006 werden wir 7,1 % sparen, gemessen am Haushaltsvolumen des Jahres 2003.