Protocol of the Session on November 12, 2004

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein Wort zum weiteren Ablauf der Sitzung: Es ist offensichtlich, dass wir heute nicht mehr abstimmen werden. Es geht ja vor 12.00 Uhr nicht mehr; mir liegen weitere Wortmeldungen vor. Wir werden aber die Aussprache heute zu Ende führen, sodass die beantragte namentliche Abstimmung im nächsten Plenum stattfinden wird. Bezüglich der Rednerliste sieht es folgendermaßen aus: Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Kollegen Sprinkart, dann folgen die Kollegen Wörner und Pschierer und dann wohl Staatsminister Schnappauf.

(Thomas Kreuzer (CSU): Bitte noch den Kollegen Zeller!)

- Gut, Kollege Zeller. Die Redezeit pro Fraktion ist auf 15 Minuten begrenzt. Die CSU-Fraktion hat noch 10 Minuten, die SPD hat noch 7 Minuten, und die GRÜNEN haben ebenfalls noch 7 Minuten. Das Wort hat Kollege Sprinkart.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag des Kollegen Pschierer gelesen habe, war mir klar, dass ihm hier Augustin Kröll, der Chef der Fellhornbahn, die Feder geführt hat. Anders kann es gar nicht sein. Herr Kollege Pschierer, Sie machen sich damit zum willfährigen Lobbyisten der Bergbahn-Unternehmen. Das Ganze hat sich ja schon mit der Untersuchung der Wertschöpfung des Wintertourismus angekündigt, die letztes Jahr veröffentlicht wurde und die vom bayerischen Wirtschaftsministerium finanziell unterstützt wurde. Interessanterweise kamen dabei Zahlen zutage, die denen, die ein Jahr vorher bei der Jahresversammlung der Bergbahnen von einem Schweizer Unternehmen vorgestellt wurden, diametral widersprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Pschierer, wenn Sie glauben, dass wir Ihren Antrag nur aus ökologischen Gründen ablehnen, täuschen Sie sich. Es gibt sehr viele gute wirtschaftliche Gründe, um diesen Antrag abzulehnen. Ich will Sie auf eine Studie hinweisen, die vom Tourismusverband Bayerisch-Schwaben und von der APA in Memmingen unterstützt wurde und die ganz aktuell ist. Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur 12,4 % der befragten Gäste sagten – es handelt sich wohlgemerkt um Winterurlauber, nicht Ganzjahresurlauber –, sie kämen, um Alpinski zu fahren. Das ist ein verschwindend kleiner Prozentsatz, aber trotzdem wollen Sie einen gigantischen Aufwand betreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Studie deckt sich mit der Untersuchung von Professor Bauer, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass nur 20 % der Gäste überhaupt Wintersport betreiben. Da ist Langlauf und so weiter auch noch dabei.

Für einen Bruchteil der Gäste betreiben Sie einen Aufwand, der unverhältnismäßig ist.

Ich darf – und das finde ich das Spannende – aus der Untersuchung der Universität Erlangen vom Oktober dieses Jahres zitieren:

Der typische Hotelgast besucht das Allgäu im Winter aus Gründen der Erholung. Alpinsport spielt lediglich eine untergeordnete Rolle.

Herr Kollege Pschierer, jetzt kommt das Wichtige. Hören Sie gut zu.

Die zahllosen Skifahrer auf den winterlichen Hängen der Allgäuer Berge rekrutieren sich in erster Linie aus Tagesurlaubern.

Herr Kollege Pschierer, von Tagesurlaubern haben die Vermieter – Urlaub auf dem Bauernhof, Privatvermieter und Hotels – wenig. Davon profitieren die Bergbahnen und ein paar Pizzabudenbesitzer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen aber eine gigantische Infrastruktur, die wir vorhalten müssen. Deswegen habe ich vorhin gesagt, hier hat Ihnen die Bergbahnlobby eindeutig die Feder geführt. Ich denke, das sind einleuchtende Gründe, um den Antrag abzulehnen.

Ich nenne Ihnen noch weitere Gründe. Vor etwa zehn Jahren hat der Landkreis Oberallgäu eine Studie in Auftrag gegeben mit dem Titel „Tourismus und Verkehr“. Die Studie kam zu Ergebnissen, die den Mächtigen in unserem Landkreis und den Tourismusverantwortlichen nicht gepasst haben. Es wurde zum Beispiel sauber herausgearbeitet, dass erstens die Wertschöpfung bei Übernachtungsgästen um ein Mehrfaches höher ist als bei Tagesausflüglern. Ich verweise auf das, was ich gerade gesagt habe, wer alpines Skifahren betreibt. Zum zweiten war der Studie zu entnehmen, dass es in touristischen Zentren zu der kritischen Situation kommen kann, dass Tagesausflügler Übernachtungsgäste verdrängen. Weil das das Ergebnis war, hat man die Studie in der Schublade verschwinden lassen und nichts mehr davon hören wollen. Ich denke, das ist der zentrale Grund, warum wir auf diesem Gebiet keine Förderung gewähren sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Beschneiungsanlagen – im Allgäu haben wir fast alles beschneit, was zu beschneien ist – in hohen Lagen rechnen sich. In den tieferen Lagen versucht man, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Das wird sich aber finanziell nicht rechnen. Die Gemeinden zahlen jetzt schon mit. Ich halte es für wahnsinnig, wenn der Staat sich daran ebenfalls beteiligt. Wenn ich mich richtig erinnere, haben Vertreter der Staatsregierung gesagt, künftig können wir nicht mehr das fördern, was wünschenswert wäre, sondern nur noch das, was unbedingt notwendig ist. Meine Damen und Herren, das ist ganz sicher nicht unbedingt notwendig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich mische jetzt zwischen den Fraktionen und rufe Herrn Kollegen Pschierer auf. Anschließend erteile ich das Wort Herrn Kollegen Wörner und dann Herrn Kollegen Zeller.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Sprinkart, lassen Sie mich ein für allemal ein Missverständnis ausräumen. Wenn Sie das noch häufiger zitieren, werden wir das draußen thematisieren. Es geht hier nicht darum, dass Beschneiungsanlagen im Freistaat Bayern aus Mitteln des Freistaates Bayern gefördert werden. Der Antrag, den wir formuliert haben und der im Wirtschaftsausschuss verabschiedet worden ist, enthält zwei Kernelemente: zum einen eine andere Genehmigungspraxis und zum anderen die Aufhebung des Förderverbotes. Als Konsequenz der Aufhebung des Förderverbotes steht in diesem Antrag, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, aus originären Landesmitteln Beschneiungsanlagen zu fördern. Das will niemand. Dafür werden keine Landesmittel bereitgestellt. Bei der Aufhebung des Förderverbotes geht es uns darum, eventuell EU-Fördermittel in Anspruch nehmen zu können.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Und die Kofinanzierung?)

Frau Kollegin Paulig, ich hätte von Ihnen eine andere Art von Recherche erwartet. Wenn Sie in den Haushaltsplan hineinschauen, stellen Sie fest, dass im Einzelplan 07 ausdrücklich die Position „Saisonverlängerung“ steht. Das stimmt, aber es ist auch aufgeführt, dass die Maßnahmen zur Saisonverlängerung keine Förderung von Beschneiungsanlagen beinhalten. So sollen – ich zitiere – „bestimmte Maßnahmen dazu beitragen, die Auslastung und Rentabilität der gewerblichen Tourismuswirtschaft zu verbessern“. Beispiele für solche saisonverlängernden Maßnahmen und Förderungen sind kommunale Tagungs- und Veranstaltungsräume, Schlechtwetter-Angebote wie Hallenbäder, Kurhäuser, Wandelhallen, etc. Es geht also nicht darum, dass Beschneiungsanlagen gefördert werden.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Et cetera!)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Gote?

Ganz klar: Nein. Sie haben die Wertschöpfungsstudie zitiert, die gemeinsam vom Freistaat Bayern und dem Bayerischen Schlepplift- und Seilbahnverband in Auftrag gegeben worden ist. Herr Kollege Sprinkart und Frau Kollegin Peters, schauen Sie einmal in diese Studie hinein. Frau Peters, Ihren Beitrag will ich gar nicht kommentieren; der war an der Schmerzgrenze. Schauen Sie doch einmal in die Studie hinein. Was die Arbeitsplatzwirksamkeit der Wintersportgebiete angeht, ist die Wertschöpfung nirgendwo anders größer als in den Skigebieten. Wir wissen: Wo wir attraktive und gut gepflegte Pisten haben, gibt es auch gute Hotels und eine gute Infrastruktur. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir über 3700 Hektar Pistenfläche im Freistaat Bayern haben. 11 % davon werden beschneit. Wir wollen nicht mehr, als dass die Beschneiungspraxis liberalisiert wird, damit wir uns leichter tun im Wettbewerb mit der Schweiz, Österreich, Südtirol und Frankreich.

Frau Kollegin Peters, für Informationen brauche ich nicht in Nordrhein-Westfalen anzurufen. Wir sind inzwischen in der Lage, ins Internet zu schauen. Wie weit Ihre technolo

gischen Fähigkeiten reichen, will ich nicht kommentieren. Es ist doch herrlich, wenn Sie sich hier herstellen und einen Antrag ablehnen, in dem es nicht einmal um eine Förderung geht, während in den von Ihnen regierten Bundesländern Beschneiungsanlagen, zum Beispiel im Sauerland mit 68 %, gefördert werden. Schlimmer geht es doch nicht mehr, was die Doppelmoral angeht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schade, dass wir nicht mehr abstimmen können. Ich gehe davon aus, dass in der CSU-Landtagsfraktion eine große Mehrheit für den vorliegenden Antrag vorhanden ist.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wörner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dieses Thema wäre es wert, einmal grundsätzlich mit allen Kolleginnen und Kollegen, die die Hand dafür heben oder auch nicht, diskutiert zu werden. Ich darf einmal weggehen von dem Unfug der Wirtschaftlichkeit und hingehen zu der Frage: Was tun wir da eigentlich? Das hat mit Moral zu tun. Herr Pschierer, wenn Sie von Doppelmoral sprechen, dann sage ich Ihnen: Wer sich Heimat und Natur auf die Fahnen schreibt und das „C“ im Parteinamen führt und dann mit der Natur Schindluder treibt, wie Sie es tun, der verhält sich nach einer Doppelmoral. Es wundert mich nicht, dass sich dem Herrn Minister Dr. Schnappauf der Griffel verbogen hat, als er das schreiben musste, was Sie ihm zumuten.

Damit sind wir beim eigentlichen Thema. Kolleginnen und Kollegen, man muss sich einmal Folgendes vorstellen: Es gibt ein Gesetz und dazu Verordnungen, die meiner Meinung nach kluge Leute beschlossen haben, um Beschneiungsanlagen und deren Auswirkungen im Griff zu behalten. In einem Gutachten stellt man fest, die Natur ist intakt geblieben. Und was macht man dann? – Man ändert das Gesetz, weil man sagt, ein bisschen mehr könnte noch gehen. Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen? – Wie jemand, der aus einem Auto die hinteren Bremsen ausbaut, weil er sagt, bisher ist es gut gegangen, die könnten wir uns sparen. So machen Sie das. So gehen Sie mit der Natur um. Mich wundert schon, dass sich die Leute in Ihrer Fraktion, von denen ich weiß, dass sie die Natur, die Berge und das Geschöpf Gottes – um in Ihrer Sprache zu bleiben – ehren und schützen, hier so ruhig verhalten. Das wundert mich wirklich.

Herr Pschierer, Sie sprechen von der Schweiz. Zermatt, ein Ort, der bekannter ist als manch anderer, hat sich entschieden, keine Beschneiungsanlagen zu bauen.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Die haben genug!)

Eben nicht. Sie haben keine Ahnung. Sie reden nur. Sie wissen nichts. Sie wissen nicht, dass Zermatt entschieden hat, keine Beschneiungsanlagen zu bauen, weil man auf Zukunft setzt. Die Leute in Zermatt wissen, dass die Schneefallgrenze nach oben geht, und wollen ihren zukünftigen Gästen nicht zumuten, dass die Berghänge verschandelt werden. Anders bei uns. Im ehemaligen Heimatort Ihres Ministerpräsidenten hat man nicht nur Schneekanonen bauen müssen, was auf einer Höhe von

1200 Metern Unfug ist, man hat auch noch das Gelände modellieren müssen, damit jeder den Hang hinunterfahren kann. Scheinbar ist es nicht mehr möglich, dass man dann, wenn man schon Ski fahren will – das tue ich auch gern – –

(Joachim Haedke (CSU): Wo?)

Herr Haedke, da kommen Sie nicht hin; denn dafür fehlt Ihnen die Luft.

(Zurufe von der CSU)

Ich bin mein Leben lang Skitouren gegangen. Ich habe es nicht notwendig, ich brauche keine Steighilfen.

Selbst höher gelegene Orte wie Zermatt entscheiden sich dazu, den Tourismus intelligenter in die Zukunft zu lenken. Wir aber mit unseren paar Bergerln meinen, wir müssten die Saison verlängern. Herr Pschierer, wer wirtschaftliche Kompetenz hat, darf Geld nicht in den Sand, oder in dem Fall in den Schlamm, setzen. Sie machen das aber gerade.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Wir nehmen doch kein Geld in die Hand!)

Doch, Sie haben sich nämlich entlarvt. Sie zitierten aus dem Haushaltsplan. Sie zitierten daraus und listeten eine Reihe von Punkten auf; sie verschwiegen dabei aber, dass deswegen auch das Andere möglich ist. Sie haben nur Beispiele genannt, aber nicht alles aufgeführt; Herr Pschierer, so viel nur zur Redlichkeit. Natürlich kann aus diesem Topf genau das, was Sie wollen, auch gefördert werden. Deswegen müssen wir diesen Antrag ablehnen.

Ich will Ihnen nur noch Folgendes sagen. Warum wollen Sie in drei Teufels Namen ein Gesetz verändern, das sich bewährt hat? Lassen Sie es so, wie es ist. Es hat sich bewährt.

Was wollen Sie denn mit Saisonverlängerung? Wollen Sie drei Tage mehr für einen gigantischen Aufwand? Ich sage Ihnen noch einmal, was ich Ihnen schon öfter gesagt habe: Sie machen sich schuldig, wenn wir heute Gemeinden dazu verführen, für Millionen von Euro Anlagen zu bauen, die irgendwann einmal im wahrsten Sinne des Wortes im Sand stehen; denn nach Auskunft des Umweltministers soll die Schneefallgrenze noch auf 1800 Meter steigen. Die Anlagen werden dann auch nicht mehr funktionieren, weil die Temperaturen nach oben gehen. Dann müssen Sie Chemie einsetzen. Sie glauben doch selbst nicht, dass Sie dann den Druck aus der Skiindustrie und der Touristikindustrie aushalten werden. Sie brechen doch jetzt schon ein, wie man sieht. Sie werden den Druck nicht aushalten. Sie werden dann Chemie einsetzen müssen, um die Temperatur im Wasser zu senken. Genau das wollen Sie aber auch nicht. Sie werden aber den Druck nicht mehr aushalten, den Sie jetzt ohne Not erzeugen. Herr Pschierer, lassen Sie uns zu einem Tourismus kommen, der der Natur und den Menschen dient!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie uns nicht einen Gegensatz herstellen. Lassen Sie uns die Natur langfristig für die Menschen erhalten,

und lassen Sie uns nicht im Tagesgeschäft absaufen. Dann wären wir beieinander, und dann hätten wir auch etwas für die Zukunft getan. Das Wort „Nachhaltigkeit“ wird schon ständig missbraucht. Wenn wir sagen würden, wirtschaftlich ist das, was langfristig dem Land und den Menschen dient und dabei die Natur erhält, dann könnten wir Nachhaltigkeit beweisen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)