schätzung werden wir auch Zustimmung von anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für diese Position erhalten, sodass ich davon ausgehe, dass sich die Vorstellungen der Kommission nicht realisieren lassen werden. – So der der Bundesinnenminister Otto Schily.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, verstehe ich irgendwie Ihren Antrag nicht. Sie wissen erstens, dass die Bundesregierung einer Einschränkung nationaler Polizeibefugnisse nicht zustimmen wird. Sie wissen zweitens, dass der Bundesrat in seiner Sitzung vom 24. September 2004 einstimmig – also auch mit den Stimmen der SPD-geführten Länder –gegen die EU-Verordnung ausgesprochen hat. Sie wissen drittens, dass dieses Thema auf der Innenministerkonferenz am 18. November Gegenstand sein wird – es wird über diese Angelegenheit diskutiert werden und es wird mit Sicherheit ein einstimmiger Beschluss herbeigeführt werden.
Ich frage Sie jetzt: Was soll dieser Antrag im Bayerischen Landtag? Es handelt sich aus unserer Sicht um einen Schaufensterantrag. Ich habe gestern Abend mit dem Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Fritz Körper, telefoniert. Der EU-Vorschlag wird derzeit auf Arbeitsebene in Brüssel diskutiert. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die deutsche Position bereits hier Berücksichtigung finden wird, die Bayerische Staatsregierung vertritt in dieser Kommission ja die Länder und kann somit ihr Gewicht in die Waagschale werfen und braucht daher nicht den Antrag hier im Bayerischen Landtag. Die Entscheidungen gegenüber der EU werden beim Bund getroffen. Das ist auch gut so. Die Angelegenheit ist bei Otto Schily und der SPD-geführten Bundesregierung in guten Händen.
Ich möchte, weil Herr Kollege Peterke im Zusammenhang mit unserem Antrag gesagt hat, er sei nicht ganz eindeutig, ausführen: Wir sprechen uns eindeutig für die Schleierfahndung in ihrer bisherigen Form aus. Wir haben die Bundesautobahnen oder die Flughäfen nicht explizit aufgeführt, weil von der EU nicht bezweifelt wird, dass dort eine Schleierfahndung durchgeführt werden kann. Umstritten ist eigentlich nur der 30-Kilometer-Korridor. Wir werden uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag enthalten, weil wir glauben, dass er überflüssig ist, weil von der Bundesregierung und Otto Schily alles getan wird, was notwendig ist. Ich bitte Sie, sich zu überlegen, vielleicht doch unserem Antrag zuzustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir haben uns gefragt, was dieser Antrag der CSU-Fraktion bezwecken soll. Ich habe mich aber auch gefragt, welche Sicherheitspolitik Sie wollen und ob die Sicherheitspolitik, die hier beschrieben ist, in einem demokratischen Rechtsstaat die richtige ist. Konzentriert sich unsere Polizei wirklich auf die wichtigen Dinge oder verzettelt sie sich? Besteht eine klare Struktur und eine klare Organisation, oder besteht Kompetenzwirrwarr? Was kenn
zeichnet unsere Polizei? Was will unsere Polizei? – Im Internet findet man ein wunderbares Leitbild der bayerischen Polizei. Erst kommt ein schönes großes Bild von Innenminister Dr. Beckstein und dem ehemaligen Staatssekretär Regensburger. Anschließend kommt das Leitbild der bayerischen Polizei. Vorangestellt ist Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu stützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
… Unser hohes Ansehen in der Bevölkerung ist uns wichtig. … Im Rahmen der Rechtsordnung setzen wir politische Vorgabe loyal um. Notwendige und klare Gesetze setzen wir voraus …
Das Leitbild der bayerischen Polizei ist sehr vernünftig. Mit dem Leitbild einer bürgernahen Polizei hat die Schleierfahndung aber nichts zu tun. Genau genommen, Kolleginnen und Kollegen, ist die Schleierfahndung keine Fahndung, wie dies der Name suggeriert, sondern eine verdachts- und anlassunabhängige Kontrolle. Der Name Fahndung suggeriert, dass nach etwas gefahndet wird. Das ist aber bei der Schleierfahndung nicht der Fall. Die Polizei greift bei der Schleierfahndung auch dort in die Bürgerrechte ein, wo es nicht um die Abwehr von Gefahren geht. Der Bürger muss sich jederzeit und ohne Anlass polizeiliche Maßnahmen gefallen lassen. Die Schleierfahndung ist wohl gemerkt unverhältnismäßig, stets ein Eingriff in die Freiheitsrechte ohne Anlass. Zudem ist sie im Vollzug oft diskriminierend. Manche, die etwas anders aussehen, trifft es deutlich öfter als andere. Sie ist für die Bürger mit Nachteilen verbunden. Ich werde im Augsburger Bahnhof oft von jungen Leuten angesprochen, die aufgrund der Schleierfahndung den Zug verpasst haben.
Herr Kollege Schuster, der 30-Kilometer-Schleierfahndungsstreifen ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Sicherheit Bayerns hängt nicht von der Schleierfahndung ab, Herr Kollege Peterke. Sicherheitsgefahren wie die organisierte Kriminalität, die Wirtschaftskriminalität, die Internetkriminalität, internationale Extremismusgefahren usw. erfordern Fahndung und keine Zufallsgriffe.
Der Landtag begrüßt … den auf Initiative Bayerns gefassten Bundesratsbeschluss, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, den Bestrebungen der EU-Kommission entgegenzutreten,
Ich möchte Ihnen vortragen, was in dem Bundesratsbeschluss steht. Es heißt dort, dass eine Zustimmung zu dem entsprechenden EU-Beschluss nur dann in Betracht gezogen werden könne, wenn die mitgliedsstaatliche Polizeihoheit ungetastet bleibe. Dies solle insbesondere gelten für die umfassende Ausübung der nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts zulässigen polizeilichen Maßnahmen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, sowie – man höre – die zeitlich befriste
te Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen. Wo kommen wir in Europa denn hin, wenn jedes Land eigene Überlegungen anstellt und anfängt darüber nachzudenken, ob an irgendeiner Schengen-Binnengrenze Grenzkontrollen eingeführt werden sollen. Ist das Ihre Vision von Europa, dass jedes Land in Europa beschließen kann, etwa nach den Niederlanden oder nach Österreich wieder Grenzkontrollen einzuführen? Ist das unsere Vision von Europa? – Das ist unsere genau nicht.
wollen wir eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden über die Grenzen hinweg. Auf dieses Ziel müssen wir hinarbeiten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch vor der Sommerpause legte die EU-Kommission den Entwurf einer Verordnung vor, die das Überschreiten der Staatsgrenzen durch Personen neu regeln soll. Wir begrüßen zwar grundsätzlich, dass die in vielen unterschiedlichen Vorschriften festgelegten Normen zusammengefasst werden. Das ist vernünftig. Das wird die Rechtsanwendung erleichtern. Wegen des Inhalts haben wir aber massive Bedenken, weil die Kommission davon ausgeht, dass jegliche polizeiliche Befugnis, die auch nur im Entferntesten auf einen Sachverhalt mit grenzüberschreitenden Bezügen abstellt, automatisch mit Abschaffung der Binnengrenzkontrollen unvereinbar wäre und darüber hinaus gegen das europäische Grundrecht auf Freizügigkeit sowie das Diskriminierungsverbot verstoßen würde. Diese Auffassung halten wir für nicht nachvollziehbar; denn es ist das Kennzeichen der Schleierfahndung, dass sie nicht darauf abstellt, dass eine einzelne Person die Grenze überschritten hat, sondern dass insbesondere im grenznahen Bereich zur Abwehr von Gefahren Kontrollen durchgeführt werden.
Das bei der Schleierfahndung praktizierte Prinzip der gezielten Kontrollen entspricht im besonderen Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Während bei der Grenzkontrolle jedermann kontrolliert worden ist, ist bei der Schleierfahndung ein besonderes Fahndungsraster anzuwenden. Dass dieses Fahndungsraster, Frau Kollegin Kamm, sehr effizient funktioniert, wird Ihnen jeder polizeiliche Praktiker darstellen. Deswegen ist es erstaunlich, dass Sie sich dagegenstellen und die Schleierfahndung ablehnen. Sie sollten zwischenzeitlich in der Tat bemerkt haben, dass dieses Instrument wirksam ist. Im Übrigen hat die Bundestagsfraktion der GRÜNEN der befristeten Schleierfahndung des BGS zugestimmt.
Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass Sie „sicherheitspolitische Monster“ sind, die der Vergangenheit nachlaufen
Die internationale Kriminalität macht sich die Grenzüberschreitung noch zu Nutze. Sie haben angesprochen, dass die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene massiv vorangetrieben werden müsse. Das funktioniert leider noch nicht annähernd in dem Maße, wie das notwendig wäre. Wollen wir die Vernehmung der Mutter und ihres Freundes in Italien, wegen der getöteten Carola in Ulm, dauert es sechs Monate, bis wir in Italien eine Vernehmung durchführen können.
Den Polizeibeamten wurde nicht einmal der Kontakt gestattet. Will man in Polen eine Durchsuchung organisierter Einbrecher in Juweliergeschäfte, dauert es mehrere Monate, bis derartiges durchgeführt werden kann.
Diese Erfahrungen können viele darstellen. Wir können deshalb nicht davon ausgehen, dass es ohne Sicherheitseinbußen abgehen könnte, die Überprüfungen der Grenzüberschreitungen in einem losen Raster in grenznahen Raum aufzugeben. Die Kriminellen machen sich die unterschiedlichen Rechtssysteme nutzbar. Laut einer Untersuchung sorgt der internationale Autodiebstahl sorgfältig dafür, die Autos in ein Land zu geben, in dem ein gutgläubiger Erwerb eines gestohlenen Fahrzeugs möglich ist, um es dann auf legale Weise international zu verkaufen. Solange es unterschiedliche Rechtsvorschriften gibt, müssen wir darauf achten, dass die Sicherheitsbehörden einigermaßen mithalten können. Die Aufrechterhaltung der Schleierfahndung ist unabdingbar.
Die SPD hat früher immer die Fragen, ob der Kontrollkorridor 30 Kilometer oder 50 Kilometer breit sein soll und ob Durchgangsstraßen und öffentliche Einrichtungen des internationalen Verkehrs einbezogen werden, problematisiert. Ich freue mich, dass Sie, Herrr Kollege Schuster, heute dargestellt haben, dass Sie uneingeschränkt zu der in Bayern praktizierten Form der Schleierfahndung stehen. Es wäre schön, wenn das auch aus dem Antrag ersichtlich wäre
Lassen Sie mich noch etwas bemerken zur zeitweisen Herstellung der Grenzkontrollen. Im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft hat Portugal zeitweise
die Grenzkontrollen herbeigeführt, um beispielsweise dafür zu sorgen, dass Leute, die in der Hooligan-Datei stehen, nicht nach Portugal einreisen können. Nach dem 11. März 2004 gab es zwischen Frankreich und Spanien zeitweise Polizeikontrollen, um den Terrorismus aus dem Bereich des internationalen Fundamentalismus zu bekämpfen. Ich finde es bemerkenswert, wenn Sie sich gegen derartige Maßnahmen aussprechen. Die Kommission geht hier nicht so weit. Sie sagt, die Anordnung muss von der Kommission kommen.
Dass solche Kontrollen zeitweise notwendig sind, ist unbestritten. Aber alle Länder wollen, dass sie durch nationale Erklärung angeordnet werden können. Solche polizeilichen Befugnisse sollen nicht entgegen den rechtlichen Grundlagen des europäischen Rechts europäisiert werden.
Deswegen bin ich der CSU-Fraktion dafür dankbar, dass sie den vorliegenden Dringlichkeitsantrag eingebracht hat. Er unterstützt die bayerischen Positionen. Wir werden sie natürlich in der Innenministerkonferenz voran bringen. Der Bundesrat hat einstimmig das Entsprechende beschlossen.
Es ist aber noch nicht alles gelaufen. Die Einwände sind auf der Arbeitsebene vor Abfassung des Entwurfs in vielfältigster Form vorgetragen worden, Herr Kollege Schuster. Die vielfältigen Einwände haben die Kommission nicht daran gehindert, das in den Entwurf der Verordnung aufzunehmen. Wir haben da schon unsere Erfahrung: Wenn etwas einmal in einem Entwurf steht, ist es nicht ganz einfach, es wieder herauszubekommen. In der Tat ist es sehr sinnvoll, auf allen Ebenen tätig zu werden. Der Bundesinnenminister hat das erklärt; der Bundesrat hat auf unseren Antrag hin entsprechende Beschlüsse gefasst, und ich bin der CSU-Fraktion dankbar dafür, dass sie dieses Vorgehen ausdrücklich mit unterstützt. Ohne Schleierfahndung wäre die Sicherheit deutlich geringer, und wir brauchen sie auch in der Zukunft.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Da werden die Anträge wiederum getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/1952 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die CSU-Fraktion. Danke schön. Gegenstimmen? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Die SPD-Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen.
Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/1960 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die SPD-Fraktion. Gegenstimmen? – CSU-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es stehen nur noch wenige Minuten für die Beratung von Dringlichkeitsanträgen zur Verfügung. Daher darf ich Sie darauf hinweisen,
dass wir jetzt keine weiteren Dringlichkeitsanträge mehr behandeln, sondern dass diese Dringlichkeitsanträge an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden.