Protocol of the Session on October 19, 2004

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Naaß.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Meißner braucht den Minister vielleicht als moralische Stütze. Ich aber erwarte, dass der Minister anwesend ist, wenn es um das Verwaltungsmodernisierungsgesetz geht.

(Thomas Obermeier (CSU): Er ist doch da!)

Wir haben auch auf ihn gewartet.

Kolleginnen und Kollegen, die Abschaffung der Ernährungsberatung und die Privatisierung der Beschussverwaltung sind das Ziel dieses Gesetzentwurfes. Sie haben es gerade gehört. Staatsminister Huber hat bei der Ersten Lesung richtigerweise gesagt, dass es sich hierbei um einen „schmalen Gesetzentwurf“ handele. Ich habe es als „keinen großen Wurf“ bezeichnet. Über fünf Monate lang wurde nun dieser Gesetzentwurf beraten.

Bezüglich der Beschussverwaltung wissen wir immer noch nicht mehr, als dass sie einem Privaten übertragen werden kann. So steht es im Gesetz. Zur Beschussverwaltung wird im Gesetz ausgeführt, genaue Kostenfolgeabschätzungen werde erst die Umsetzung des Gesetzes durch eine Verordnung ergeben, in welcher dann der konkrete Umfang des Abbaus staatlicher Aufgaben bestimmt

werde. Wir sollen also heute dieses Gesetz beschließen. Kollege Meißner, Sie sprachen von Verantwortungsbewusstsein. Ich sage, es ist verantwortungsbewusst, wenn ich solche Dinge hinterfrage. Ich möchte wissen, was ich beschließe. Sie wissen es anscheinend nicht.

Wir sollen also heute dieses Gesetz beschließen, aber keiner von Ihnen und keiner von uns weiß, was danach kommt; wer die Aufgaben erledigen wird und vor allem: zu welchen Kosten. Man hofft nur – so steht es im Gesetzentwurf -, dass eine beliehene Privatperson ihre Strukturen und Prozesse ohne Zweifel kostendeckend gestalten wird. So hofft man im Gesetzentwurf, aber man weiß es nicht. Man überlegt, diese Aufgaben dem TÜV zu übertragen. Es gibt 16 technische Überwachungsorganisationen, die derzeit einen Kostensatz von 75 Euro pro Stunde haben. Beim staatlichen Vollzug fallen derzeit Kosten an, die schwanken, je nachdem, ob vom mittleren Dienst oder vom höheren Dienst geleistet, zwischen 34 und 55 Euro. Das sind Berechnungen aus dem Finanzministerium. Beim TÜV wird es also wesentlich teurer werden als bisher.

Nach wie vor werden aber staatliche Beschäftigte benötigt, um diejenigen zu überwachen und zu kontrollieren, die künftig das Beschusswesen privat durchführen werden. Mittel- und langfristig – so steht es im Gesetzentwurf – sei davon auszugehen, dass die Personalkosten signifikant gesenkt werden können. Wir wissen aber noch nicht, wie und wo konkret Einsparungen erzielt werden können, und vor allem, Sie wissen nicht, wer wann beliehen wird, wie teuer die Leistungen sein werden und so weiter.

Wir stellen, Herr Kollege Meißner, wenn wir dem Gesetzentwurf zustimmen würden, der Staatsregierung einen Blankoscheck aus, weil Sie auch nicht mehr wissen. Ich trage noch einmal aus dem Gesetzentwurf vor, in dem es heißt, die Fachaufsicht über mit Beschussaufgaben beliehene Private solle daher organisatorisch vom Landesamt für Maß und Gewicht wahrgenommen werden. Durch die Übernahme von Bediensteten der Beschussämter in Mellrichstadt und München könnten sehr effizient auch die personellen Voraussetzungen für die neuen Aufsichtsaufgaben beim Landesamt konzentriert werden. – Die personellen Voraussetzungen gibt es also noch nicht. Sie müssen erst geschaffen werden. Dazu braucht man die Beschäftigten der Beschussverwaltung, die ins Landesamt kommen sollen. Rein vorsorglich wird für den Fall einer eventuellen Umstrukturierung von Aufgaben des Landesamtes – weil man noch nicht weiß, ob der Minister auch das Landesamt abschaffen will – der Staatsregierung eine Ermächtigung erteilt, die Fachaufsicht einer anderen Behörde zu übertragen. Wir wissen nichts. Wir geben der Staatsregierung einen Blankoscheck in die Hand.

Herr Minister Huber, Sie haben uns am vergangenen Mittwoch über Ihre Vorstellungen informiert und gesagt, dass es zu allen Maßnahmen Kosten-/Nutzen-Analysen gebe. Ich bitte Sie, legen Sie in diesem Fall die Kosten-/NutzenAnalyse vor, damit wir fachkompetent beurteilen können, ob die Übertragung sinnvoll ist. Wie gesagt, bisher liegt nichts vor. Auch die langen Beratungen – über fünf Monate – haben dazu nichts ergeben.

Die SPD-Landtagsfraktion ist nicht bereit, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, der alles in die Hände der Staatsregierung legt, die per Rechtsverordnung alles regeln will, ohne zuvor die von mir gerade angesprochenen Fragen beantwortet zu haben. Ich meine, darauf hat das Parlament als Gesetzgeber ein Recht. Der Gesetzgeber hat später keinerlei Möglichkeiten mehr, auf die Umsetzung Einfluss zu nehmen.

Kolleginnen und Kollegen, alleine dieser kleine Bereich der Verwaltungsreform zeigt auf, wie undurchdacht viele Maßnahmen sind, wie ziel- und planlos zum Teil diese Reform ist.

Halt! – Herr Minister, ein Ziel haben Sie schon, nämlich den Umbau des Staates. Sie wollen einen anderen Staat, der sich auf ein Mindestmaß zurückzieht. Sie wollen einen Wechsel des Staatsverständnisses. Sie haben erstmals am vergangenen Mittwoch im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Rechts zugegeben, dass hinter all den Reformaßnahmen der Umbau des Staates steht, was Ihre Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion immer weit von sich gewiesen haben. Sie wollen, dass die Bürgernähe künftig unter anderen Gesichtspunkten gesehen wird. Das sollte man den Bürgerinnen und Bürgern klar, deutlich und ehrlich sagen. Deshalb macht es Ihnen auch nichts aus, Leistungen zu privatisieren, die für die Bürgerinnen und Bürger, für die Konsumenten und die Geschäftsleute teuer werden, auch wenn es für den Staat zu marginalen oder gar keinen Einsparungen führt. Es geht Ihnen um das Prinzip.

Die Abschaffung der Ernährungsberatung, Kolleginnen und Kollegen, sehen ich und die SPD-Landtagsfraktion als großen Fehler an.

Sie wollen dadurch mittel- oder langfristig 106 Stellen abbauen und am Ende dadurch – irgendwann, im Jahr 2011 oder 2015 – 7,1 Millionen Euro eingespart haben. Damit der Stellenabbau aber schneller vorangeht, wird das Altersteilzeitgesetz geändert. Wir haben es vor zwei Stunden besprochen. Herr Minister, Sie wissen aber auch, dass über 80 % der einzusparenden Beraterinnen unter 50 Jahre alt sind. Mit mittelfristiger Einsparung wird es in dem Fall so schnell nichts. Die Einsparung wird eher langfristig oder noch später erfolgen.

Mit der Abschaffung der Ernährungsberatung wird ein wesentlicher Teil des vorsorgenden Verbraucherschutzes wegfallen, obwohl Sie wissen, dass auf der anderen Seite pro Jahr 75 Milliarden Euro für die Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten ausgegeben werden, also für die Behandlung von Krankheiten, die aufgrund falscher Ernährung und aufgrund mangelnder Informationen entstanden sind. Gerade deshalb hatten wir in Bayern eine so gut funktionierende Struktur der Ernährungsberatung aufgebaut, die jetzt ohne Not wieder zerstört werden soll. Die Gesundheitsinitiative von Minister Schnappauf kosteten ein Vielfaches dessen, was die Mitarbeiterinnen gekostet hätten, wenn man sie weiterbeschäftigt hätte. Vor allem vernichten Sie mit dieser Reform eine Reihe von qualifizierten Frauenarbeitsplätzen.

Ich erinnere mich immer noch an das Schlagwort „Vorbeugen ist besser als bohren“. Ich war noch ein kleines Kind, als diese Maxime aufgestellt wurde. Sie wurde zu Recht aufgestellt, weil man wusste, dass Prävention wichtig ist. Aber dieses Wissen um die Notwendigkeit von Prävention scheint Ihnen im Rausche des Reformnebels verloren gegangen zu sein. Der zuständige Verbraucherschutzminister schweigt dazu.

Ziel dieser Verwaltungsreform ist nun einmal der Abbau von 6 000 Planstellen, ohne bei den einzelnen Maßnahmen zuvor eine Aufgabenkritik angestellt und vor allem uns, dem Parlament, eine Kosten/Nutzen-Analyse vorgelegt zu haben. Wenn wir einmal, wie etwa bei der Staatsforstreform, eine Kosten/Nutzen-Analyse bekommen, will man davon aber schon nichts mehr wissen, weil man ganz andere politische Ziele hat.

Nicht alles, was in Bayern bisher gut war und Gültigkeit hatte, ist deshalb schlecht oder unnötig geworden, weil die CSU-Staatsregierung und Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, es auf einmal nicht mehr haben wollen. Sie stellen sich dadurch doch selbst in Frage. Alles das, was Sie in den vergangenen Jahren aufgebaut und als gut empfunden haben, zerstören Sie jetzt wieder mit einem Federstrich. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, haben es in der Hand, diese Änderung eines Politikziels zu verhindern. Um nichts anderes als um eine Änderung des Politikziels geht es Herrn Ministerpräsident Stoiber und Herrn Minister Huber. Dabei unterstützen Sie den Ministerpräsidenten und den Minister auch noch. Kolleginnen und Kollegen, an Ihrer Stelle würde ich meine ureigensten Aufgaben als Mitglied dieses Parlaments ernsthafter angehen und solche Maßnahmen wie die Abschaffung der Ernährungsberatung zu verhindern versuchen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau Kollegin Rütting.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb vor einigen Wochen, der Landtag sei ein „Hort der Langeweile“, was unter anderem auch damit zu tun habe, dass in den Ausschüssen längst darüber entschieden sei, wie im Plenum abgestimmt werde. Eine frustrierende Erfahrung für Neulinge ist das, und auch die Laien wundern sich immer wieder darüber, wenn sie das hören. Ich muss Sie heute leider auch langweilen; denn das, was ich vortrage, wurde bereits mehrmals gesagt. Es geht um die Modernisierung der Verwaltung. Erstens geht es um die geplante Schließung der Beschussämter und zweitens um die Streichung der wichtigen Ernährungsberatungsstellen an den Landratsämtern. Wir haben es schon gehört. Im Übrigen ist diese Kombination nicht sehr glücklich, wie wir finden.

Zuerst zu den Beschussämtern. Bis vor einer Woche hatte ich das Wort noch nie gehört. Beschussamt muss irgendetwas mit Schießen zu tun haben.

(Sebastian Freiherr von Rotenhan (CSU): Das lernt man bei der Jägerprüfung!)

Wird da aus einem Amt herausgeschossen? Wenn ja, warum und auf wen? Oder wird das Amt beschossen, und wenn ja, warum und von wem? Vielleicht hat es aber gar mit Bezuschussen zu tun. Aber das ist angesichts der allgemeinen Sparwut eher unwahrscheinlich. Ich wühlte mich also durch einen ganzen Aktenstapel hindurch. In einem Beschussamt – ich zitiere – „wird die beschusstechnische Prüfung von Waffen und Böllern sowie die Zulassung von Munition bei den Herstellern vorgenommen“. Aha. Weiter erfahre ich: Es gibt in Deutschland sieben Beschussämter, davon hat Bayern zwei, eines in Mellrichstadt und eines in München. Beide sind defizitär. Noch vor kurzem befand die Staatsregierung, die Beschussämter seien unverzichtbare Wirtschafts- und Standortvorteile für Bayern. Nur ein halbes Jahr später sollen beide geschlossen werden.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Der Oberste Rechnungshof schlägt allerdings vor, eines zu schließen und eines zu behalten. Damit würden Baumaßnahmen mit einem Volumen von bis zu 6,7 Millionen Euro gespart. Wenn wir schon über Privatisierung reden, sollten wir uns auch die Frage stellen, ob Bierbrauen oder die Seenschifffahrt zu den staatlichen Kernaufgaben zählen und unverzichtbar sind, oder ob sie auch von Privaten bewältigt werden könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CSU: Der Huber schreibt sich’s schon auf!)

Eine staatliche Kernaufgabe ist meiner Meinung nach die Prävention, insbesondere die Prävention für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Damit kommen wir zu dem für uns entscheidenden Punkt Ihres Verwaltungsmodernisierungsgesetzes, nämlich zur Streichung der Ernährungsberatungsstellen an den Landratsämtern. Am 11. Mai haben wir den Antrag gestellt, einen Teil dieser Stellen zu erhalten. Er wurde von der CSU abgelehnt, obwohl quer durch alle Parteien die gleiche Botschaft verkündet wird, die auch in den Medien zu lesen und zu hören ist und die auch von Frau Staatssekretärin Müller und Minister Schnappauf am 13. Februar 2004 vorgetragen worden ist. Ich zitiere:

Übergewicht hat sich zu einer wahren Epidemie entwickelt. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, droht uns nicht nur eine Kostenlawine, die das Gesundheitssystem zum Explodieren bringt, sondern auch der Rückschritt in eine deutlich geringere Lebenserwartung. Die Situation ist ernst. Schon jedes fünfte Kind ist zu dick. Folgekrankheiten wie Diabetes, Herz-/Kreislauf- und Gelenkerkrankungen sind damit vorprogrammiert. Fettleibigkeit schon im Kindesalter lässt nach neuen Studien die Lebenserwartung um bis zu 12 Jahre sinken. Übergewicht vermeiden sei eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen der Gegenwart. Der Schutz der Gesundheit

so nach wie vor Frau Staatssekretärin Müller –

über die Ernährungserziehung muss allen ein Anliegen sein. Wir brauchen eine Partnerschaft

von Familien, Schulen, Politik und Wissenschaft. Ziel ist es, die ganze Gesellschaft zu sensibilisieren und zu aktivieren für Gesundheitsbewusstsein im alltäglichen Leben.

Ich möchte noch einmal die Zahl wiederholen, die vorhin schon fiel. Jährlich werden 75 Milliarden Euro in Deutschland zur Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten ausgegeben, also zur Behandlung von Krankheiten, die durch falsche Ernährung hervorgerufen werden und durch vorbeugende richtige Ernährung hätten verhindert, geheilt oder zumindest gelindert werden können. 75 Milliarden Euro! Minister Schnappauf erklärte, dass 30 % der Krankheiten ernährungsbedingt seien. Wir stimmen also eigentlich wunderbar überein.

Ich freue mich, dass diese Erkenntnisse inzwischen Allgemeingut werden. Bundesministerin Renate Künast liefert schon seit langem die begleitenden Bundesprogramme. Wir brauchen in Bayern kein Modellprojekt mehr, wie es jetzt von der Staatsregierung angekündigt wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In diesem Modellprojekt sollen dicke Kinder richtige Ernährung lernen. Nein, wir brauchen die flächendeckende praktische Umsetzung dieser im wahrsten Sinne des Wortes notwendigen Erkenntnisse.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir stimmen also gegen das Verwaltungsmodernisierungsgesetz, weil wir die Streichung in diesem wichtigen Punkt für falsch halten.

Aber ich könnte Ihnen einen Deal vorschlagen: Wir stimmen der Schließung der Beschussämter zu, und das eingesparte Geld wird für die gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen in Kindergärten und Schulen verwendet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie wäre das, Herr Minister Schnappauf?

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Staatsregierung hat sich Herr Staatsminister Huber zu Wort gemeldet.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Der große Beschießer!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Debatte trägt zum Teil gespenstische Züge, denn wenn die Kollegen von SPD und GRÜNEN zugeben, bis vor kurzem überhaupt nicht gewusst zu haben, dass es eine Beschussverwaltung gibt, wundert man sich doch sehr, dass sie diese jetzt für unersetzlich halten.

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wir brauchen sie nicht, ihr braucht sie!)

Man kann immer noch klüger werden.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Ob man klüger ist, wenn man weiß, was die Beschussverwaltung ist, ist sehr die Frage!)