Protocol of the Session on July 22, 2004

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Bei zahlreichen Veranstaltungen habe ich immer wieder gesagt: Für mich gilt der Satz: Die Kinder mit den kürzesten Beinen brauchen den kürzesten Schulweg. Das ist eine klare Aussage für die Aufrechterhaltung einer wohnortnahen Grundschule. Das ist mir wichtig zu betonen, weil wir darauf achten müssen, dass bei allen Reformen und bei allen Sparmaßnahmen die Kleinsten in unserem Schulsystem nicht mit besonderen Problemen konfrontiert werden. Wir müssen vermeiden, dass sie schon früh im Winter an Bushaltestellen warten und kilometerweit fahren müssen. Deswegen wird die CSU-Fraktion – dessen bin ich sicher –, aber natürlich auch die Staatsregierung, alles unternehmen, dass die wohnortnahe Grundschule – ich spreche im Augenblick von der Grundschule – gesichert bleibt.

(Zurufe von der SPD: Hauptschule!)

Ich komme schon darauf. Wissen Sie, warum ich meine Rede mit dem Hinweis auf die Grundschulen beginne?

Bei der Diskussion um Teilhauptschulen wird nämlich von Ihnen oft der Eindruck vermittelt, als würde die gesamte Schule vor Ort schließen.

(Beifall bei der CSU)

Das möchte ich endlich entkräften, meine Damen und Herren.

(Margarete Bause (GRÜNE): Ist es besser, wenn die 10jährigen schon kilometerweit fahren müssen?)

Wenn die Schließung einer Teilhauptschule diskutiert wird, haben viele Leute, die die Fachbegriffe nicht kennen, Angst, dass die ganze Schule vor Ort geschlossen wird.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Du meine Güte! So ein Unsinn!)

Es geht hier um die fünften und die sechsten Klassen, aber nicht um die Klassen eins bis vier. Das möchte ich einmal deutlich nach außen bringen. Denn wenn es um die Teilhauptschule geht, diskutieren wir nur über die Jahrgänge fünf und sechs, aber nicht über die gesamte Schule. Mir ist wichtig, dass diese Diskussion redlich geführt wird,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): In der fünften Klasse sind die Kinder auch erst 11 Jahre alt!)

weil ich den Eindruck habe, dass bei Ihren Presseveröffentlichungen und bei den Diskussionen, die Sie mit den Eltern führen, die Befürchtung vermittelt wird, als würde ein Schulstandort völlig ausgelöscht werden.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Genauso wichtig wie die wohnortnahe Grundschule für die Kinder der Klassen eins bis vier ist für die Schüler ab der fünften Jahrgangsstufe eine optimale Beschulung, eine optimale Vorbereitung auf das Leben. In einem differenzierten Schulwesen müssen sie auch innerhalb einer Schule und einer Klasse differenzieren können, wenn der Anspruch einer weiterführenden Schule auch ausgefüllt werden soll.

(Beifall bei der CSU – Werner Schieder (SPD): Hat jemand hier das Gegenteil behauptet?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Teilhauptschule hatte ihre Begründung darin, dass man damals sagte: Die Realschule beginnt ab der siebten Klasse, und die Schüler sollen nach der vierten Klasse nicht zwei Jahre auf irgendeine andere Schulart geschickt werden, um dann erst auf die Realschule gegeben zu werden. Diese Begründung war zum Zeitpunkt, als die 4-stufige Realschule bestand, völlig stichhaltig und korrekt. Aber die 4stufige Realschule gibt es nicht oder kaum mehr. Wir werden also in Zukunft ganz anders als bisher bereits nach der vierten Klasse den Übertritt in alle anderen Schularten haben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch das Problem!)

Die Hauptschule ist eine weiterführende Schule, die zu Recht den Anspruch erheben darf, dass sie nicht nur den Hauptschulabschluss, sondern den mittleren Bildungsabschluss vermittelt.

(Margarete Bause (GRÜNE): Durch Ihre Politik ist sie eine Restschule geworden!)

Nein, die Hauptschule ist eine weiterführende Schule. Niemand von Ihnen käme heute auf den Gedanken zu fordern, dass die ersten drei Klassen des 8-jährigen Gymnasiums in Ort A beschult werden, während die nächsten fünf Klassen in Ort B unterrichtet werden. Wenn wir das tun wollten, würden wir als verrückt verschrien. Auch, wenn das an der Realschule geschähe, würde man uns auch fragen: Seid Ihr denn wahnsinnig? – Ihr könnt doch nicht die Klassen fünf bis sechs in Ort A und die Klassen sieben bis zehn in Ort B beschulen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir haben eben ein anderes Verständnis von Schule; das haben wir schon festgestellt!)

Ausgerechnet dieses Recht, das man dem Gymnasium und der Realschule zuspricht, nämlich an einem Ort komplett zu sein, will man den Hauptschulen absprechen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sie zäumen mit Ihrer Argumentation doch das Pferd von hinten auf!)

Sie müssen die Argumentation sehen, wenn Sie der Hauptschule gerecht werden wollen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dann sagen Sie doch gleich, dass Sie sie schließen wollen! – Marianne Schieder (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Staatssekretär.

Liebe Frau Schieder, Sie wissen ganz genau, dass wir in den letzten Jahren mit einer Intensität sondersgleichen die Hauptschulen mit den M-Klassen gestärkt haben. Über 37 Prozent der Schüler besuchen die Hauptschule.

(Marianne Schieder (SPD): Vor Ort wissen sie aber nichts davon!)

Wissen Sie, wie Sie die Hauptschule kaputtgemacht haben? Indem Sie sie jahrelang als Restschule bezeichnet haben.

(Beifall bei der CSU – Susann Biedefeld (SPD): Das ist eine Lüge!)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Eine Schulart, die fast 40 Prozent der Schüler eines Jahr

gangs hat, als Restschule zu bezeichnen, würde ich einer Partei nicht unbedingt empfehlen, die angesichts ihrer Prozentanteile selbst sehr schnell zur „Restpartei“ werden könnte.

(Beifall bei der CSU – Susann Biedefeld (SPD): Sie lügen, Herr Staatssekretär!)

37 Prozent sind es in der achten Klasse, das ist eine absolut korrekte Zahl. Diese Prozentzahl hält sich auch konstant, trotz der Einführung der R 6. Wir haben sehr viel in die Hauptschule investiert. Nennen Sie mir auch nur ein einziges Land, das von der SPD regiert oder in dem die SPD mitregiert, wo es auch nur annähernd solche Zahlen für die Hauptschule gibt. Die SPD hat die Hauptschulen in Deutschland kaputtgemacht.

(Beifall bei der CSU –. Peter Welnhofer (CSU): So ist es!)

Sie stellen sich demgegenüber als Retter der Hauptschulen dar. Gehen Sie doch einmal in andere Länder. Wo es jemals eine Hauptschule gegeben hat, gab es eine Gesamtschulreform, die alle kleinen Schulen zerstört hat. Als der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband vor vier Jahren sein Volksbegehren gestartet hat, haben Sie es unterstützt. Es hätte zur Folge gehabt, dass die Schullandschaft in Bayern wirklich ausgedünnt worden wäre.

(Beifall bei der CSU – Gudrun Peters (SPD): Wie kommen Sie denn da drauf?)

Gott sei Dank hat sich die Bevölkerung anders entschieden. Sie spielen sich hier als Retter der Hauptschule auf, die Sie vor fünf Jahren am liebsten minimiert hätten, was ihre Standorte betrifft.

(Margarete Bause (GRÜNE): Sie wollten sie doch tot machen! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wer hat denn die Verantwortung? Jetzt muss ich schon mal fragen: Wir? Das habe ich nicht gewusst!)

Entschuldigen Sie. Die Verantwortung liegt ganz wo anders.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wenn es schlecht läuft, haben wir sie, und wenn es gut geht, dann Sie? – Ist schon klar!)

Nein, hören Sie zu: Welchen Sinn macht es denn, wenn zum Beispiel an 100 Teilhauptschulen eigentlich nur noch eine einzige Klasse, eine fünfte oder sechste Klasse existiert? Es kann nicht die Bildungspolitik der Zukunft sein, dass man irgendwo eine einsame fünfte Klasse einer weiterführenden Schule hat und das als Schule bezeichnet. Damit würden wir auch den Kindern nicht gerecht.

Im Übrigen kommen die Eltern mittlerweile zu uns mit der Frage: Kann es sein, dass die Übertrittsquote an der oder jener Teilhauptschule deshalb so gering ist, weil man unbedingt den 15. Schüler halten möchte, um die Teilhauptschule erhalten zu können? – Ich unterstelle dies den

Schulen nicht, aber die Eltern stellen diese Fragen. Sie sind besorgt, weil um den 15. oder 16. Schüler gekämpft wird.

(Margaret Bause (GRÜNE): Das ist das Problem Ihres Systems!)

Wenn wir die Hauptschule stärken wollen, müssen wir ihr alle Möglichkeiten geben, wie sie auch das Gymnasium und die Realschule haben, nämlich eine entsprechende innere Differenzierung. Sonst kann die Schule nicht den Anspruch erheben, in gleicher Weise wie die Realschule zu einem mittleren Bildungsabschluss zu führen. Wir haben in Bayern eine Reihe von Regionen, in denen die Bevölkerungszahlen zurückgehen. Ich habe alles angeschaut, ich war in Oberfranken, wo die Kinderzahlen zum Teil um 50 Prozent zurückgehen.

(Susann Biedefeld (SPD): Das ist das Ergebnis Ihrer Wirtschafts- und Landesentwicklungspolitik!)

Ich rede jetzt von den schulischen Konsequenzen. Es macht doch keinen Sinn, meine sehr geehrten Damen und Herren, einzelne Klassen stehen zu lassen. Das Allervernünftigste – und das ist das Ziel unseres Antrags, der letztlich auch die Bildungspolitik der Staatsregierung darstellt – ist es, zu überlegen: Wie sieht die Hauptschule des Jahres 2005, 2007, 2010 und 2012 aus? Wir werden nicht ohne Not eine in sich stimmige, wenn auch vielleicht nur einzügige Hauptschule auflösen. Aber wenn die Schülerzahlen in dieser einzigen Teilhauptschule soweit heruntergehen, dass es jedes Jahr ein Theater zum Schuljahresende um die Frage gibt, ob die Schule im nächsten Jahr überhaupt noch 15 oder 16 Kinder hat, müssen wir reagieren.

(Marianne Schieder (SPD): Fünfzehn oder dreiundzwanzig? Das ist schon ein Unterschied! Vor der Wahl waren es noch 15!)

Auch bei 23 haben Sie ein großes Problem, wenn Sie noch differenzieren wollen, egal ob in Sport oder anderen Fächern. Sie tun sich wahnsinnig schwer mit dem Teilen, wenn es nur noch eine einzige Klasse gibt.