Protocol of the Session on July 21, 2004

Was mir bekannt ist, Frau Kollegin Guttenberger, ist Folgendes: Es gibt den neuen Länderfinanzausgleich ab 2005, und in diesem neuen Länderfinanzausgleich ist eine verstärkte Umsatzsteuerfahndung mit enthalten. Von daher sehe ich es so, dass weitergehende Regelungen angedacht wurden.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Schieder?

Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass der Bund sehr wohl in Bezug auf den massiven Vorsteuerbetrug in der Vergangenheit verschiedenste Vorschläge unterbreitet hat, aber mit seinen Vorschlägen am Partikularismus der Bundesländer gescheitert ist, und dass der Bund mehrmals, weil er keine eigene Steuerverwaltung hat, die Ländersteuerverwaltung aufgefordert hat, massiv in die Umsatzsteuersonderprüfung einzusteigen, was nur plausibel ist, Bayern dagegen nicht eingestiegen ist, sondern sogar eher noch bei den Umsatzsteuersonderprüfungen Personal zurückgenommen hat und wir deshalb massive Steuerausfälle haben?

Herr Kollege Schieder, das war eine sehr lange Frage, ich würde darauf mit Ja antworten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine zentrale Stelle muss nicht zwangsläufig zu einer Mammutbehörde führen – auch wenn sie entsprechende Ängste schüren wollen –, wenn sie Kosten sparende Strukturen aufbaut. Ihr Hinweis auf die Subsidiarität greift unserer Meinung nach nicht, da der Bund ja nicht vorhat, reine Landessteuern durch eine Bundesbehörde erheben zu lassen. Die beiden größten Steuerblöcke – Einkommen- und Umsatzsteuer – stehen Bund und Ländern zu. Es ist müßig, darüber zu streiten, wer sie eintreiben soll. Wie die Steuerverwaltung zukünftig am besten organisiert wird, hängt von der Struktur des Steuersystems ab. Die Diskussion über diese Frage hätte in der Föderalismuskommission geführt werden können. Da sich die unionsgeführten Länder noch nicht einmal auf eine eigene Position einigen konnten, wurde diese Frage – ich muss sagen: leider – ausgeklammert.

Deshalb muss das Thema unserer Meinung nach weiterhin auf der politischen Tagesordnung bleiben, da nur durch eine stärkere Trennung der Zuständigkeiten die andauernde Blockade im Bundesrat – früher durch Herrn Lafontaine, heute durch Herrn Stoiber – beendet werden kann.

Es gibt natürlich Argumente für die teilweise Zentralisierung, wie die komplizierte Vertretung der Bundesländer auf EU-Ebene, den nicht einheitlichen Steuervollzug oder die zum Teil nicht kompatiblen EDV-Systeme. Da fällt mir das EDV-Programm FISKUS ein. Ich weiß nicht, wie das mit ihm weitergeht.

Vielleicht gibt es darauf mal eine Antwort der Staatsregierung.

Oder eine andere, ganz einfache Geschichte: die Steuerformulare. Die Abgleichung von 16 unterschiedlichen Steuerformularen ist an sich schon ein Irrsinn. Vielleicht gibt es, mag sein, auch Argumente gegen eine Bundesfinanzverwaltung, aber es sollte möglich sein, darüber weiterhin zu reden und zu einem Ergebnis zu kommen. Ein Denkverbot, wie Sie es hier fordern, können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch eine Anmerkung zum letzten Satz Ihres Antrags – ich zitiere –:

Der Landtag fordert … die Staatsregierung auf, … sich weiterhin für eine Vereinfachung des Steuerrechts einzusetzen.

Wenn ich diesen Satz lese, fallen mir sofort Bierdeckel ein. Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD – Sus- ann Biedefeld (SPD): Stimmt!)

Die Idee, die damals auf dem Bierdeckel stand, stammte aber nicht von der CSU, glaube ich.

(Herbert Müller (SPD): Sie ist mittlerweile auch ausgemerzt worden!)

Gegen die Vereinfachung des Steuerrechts ist natürlich nichts zu sagen, so lange die hohe Leistungsfähigkeit des Staates erhalten bleibt. Leider hat die Staatsregierung beim Abbau von Steuervergünstigungen bisher eine unrühmliche Rolle gespielt und eine konstruktive Mitarbeit im Bundesrat vermissen lassen. Bestes Beispiel – Kollege Runge wird dazu gleich etwas sagen –: Die Biersteuermengenstaffel ist von der Staatsregierung mitgetragen worden. Nur so zuviel zu Ihrer Glaubwürdigkeit!

Sie wollen die bayerische Finanzverwaltung für sakrosankt erklären. Diesen Weg gehen wir nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsminister Faltlhauser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Blick ins Grundgesetz zeigt die Struktur der bundesstaatlichen Ordnung, wie sie die Verfassungsväter festgelegt haben. Eine der wesentlichen Festlegungen war, dass die Durchführung der Gesetze grundsätzlich den Ländern übergeben ist. Wer an diese Grundfesten zum Beispiel bei der Steuerverwaltung rühren will, legt Hand die Grundfesten unserer verfassungsstaatlichen Ordnung, meine Damen und Herren. Bemerkenswert ist, dass ein Kollege aus der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag den Mut hat, diesen Anschlag auf die Verfassung und auf die Zuständigkeiten des Landes hier im Bayerischen Landtag zu unterstützen. Haben Sie gut zugehört? – Er will die bundesstaatliche Steuerverwaltung oder – ich will mal sagen –: die Reichssteuerverwaltung, die wir – Gott sei Dank! – nicht mehr in unserer Verfassung haben, einführen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schieder?

(Franz Maget (SPD): Er traut sich nicht, er kann nicht!)

Nein. Herr Schieder hat genug Zeit, um später noch einmal hier ans Rednerpult zu kommen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Er kann aber nicht, keine Zeit mehr!)

Meine Damen und Herren, deshalb müssen wir fragen: Hat der Bund denn besondere Fähigkeiten, die dafür sprechen, dass er eine zentrale Verantwortung für 120 000 Steuerbeamte in Deutschland und für 600 Finanzämter übernimmt?

(Heidi Lück (SPD): Ja, besser als in Bayern, wo Beamte verunglimpft und zwei Stunden Mehrarbeit verordnet werden!)

Frau Kollegin Guttenberger hat richtigerweise schon darauf hingewiesen, dass der Bund geradezu in dramatischer Weise beweist, dass er zentrale große Verwaltungen – siehe die Bundesagentur für Arbeit – nicht zu steuern in der Lage ist. Wie er in der Lage ist, komplexe Dinge zu regeln, sehen wir etwa am Problem „Toll Collect“. Das heißt: Wir haben überhaupt keine Veranlassung zu glauben, dass der Bund besser qualifiziert ist. Wenn Sie die Verwaltungspraxis anschauen und sehen, dass die Finanzminister in allen Ländern selbstverständlich ein- oder zweimal jährlich mit den Amtsleitern zusammenkommen, dass die Finanzminister, Staatssekretäre und Spitzenbeamten die Finanzämter nicht nur vor Ort besuchen, sondern kontrollieren, motivieren und Umstellungen vornehmen, frage ich: Wie will das eine Bundesregierung leisten, die weit weg in Berlin sitzt? Wer so etwas glaubt, hat von Verwaltung keine Ahnung. Das wäre das Ende einer geordneten Finanzverwaltung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe hier sogar das Wort vom Versagen in der Verfolgung des Umsatzsteuerbetruges gehört. Mittlerweile bin ich schon der Zweit- oder Drittälteste im Amt in der Riege der Finanzminister, und ich habe dieses Thema lange Zeit verfolgt. Die Finanzministerkonferenz hat seit vielen Jahren Vorschläge gemacht und den Bund aufgefordert, hier koordinierend tätig zu sein. Der Bund hat regelmäßig nichts getan, er hat die entsprechenden Initiativen verweigert und ist absolut untätig geblieben. Erst seit einem Jahr bewegt sich da etwas im Gespräch mit den Ländern.

Ich spreche hier nicht für B-Länder, für die unionsregierten Länder. Die SPD-Länder sind in gleicher Weise empört. Unser Wortführer ist in dieser Frage Kollege Mittler, SPD, aus Rheinland-Pfalz, der immer wieder Vorschläge gemacht hat. Der Bund ist in der Frage einer administrativen Reform absolut unfähig. Das ist ein besonders gutes Beispiel dafür, dass man die Administration nicht dem Bund in den Schoß legen darf. Sie können es einfach nicht!

Wir kommen zur Frage: Wie können wir die Administration tatsächlich verbessern? Was belastet denn unsere Finanzämter? Erstens ein extrem kompliziertes Steuerrecht und zweitens die permanenten Änderungen dieses Steuerrechts. Gerade weil das Steuerrecht kompliziert ist, wird es immer noch komplizierter. Das ist tatsächlich eine Zu

mutung für unsere Beamten draußen in den Finanzämtern. Deshalb befürworten wir nachdrücklich eine massive Vereinfachung des Steuerrechts. An solchen Konzepten habe ich schon monatelang mitgearbeitet. Die Union hat ein gemeinsames Papier – üblicherweise heißt es im Fachjargon Merz/Faltlhauser-Papier –, das gegenwärtig in Gesetzestext umgearbeitet wird. Sie werden die Besonderheit erleben, dass die Opposition zur nächsten Bundestagswahl entsprechende fertige Konzepte, im Wesentlichen auch in Gesetzesform, vorlegen kann. Wir stecken mitten in dieser Arbeit.

(Simone Tolle (GRÜNE): Machen Sie es vor der Wahl, Herr Faltlhauser!)

Bundesfinanzminister Eichel sagt zu diesem entscheidenden Punkt: Ich bin für drastische Vereinfachung; man kann mich dafür sofort haben. Gleichzeitig sagt er aber: Wir können uns keine weitere Steuersenkung erlauben.

(Werner Schieder (SPD): Recht hat er!)

Jetzt sind Sie auch in der Realitätenfalle! Die Steuer kann nämlich nicht vereinfacht werden, wenn sie nicht gleichzeitig gesenkt wird. Warum? Die vielen Ausnahmen und Sonderregelungen für Einzelne und Gruppen machen unser Steuerrecht zu kompliziert. Wenn diese Ausnahmen wegfallen, ergibt das für den Einzelnen logischerweise eine Steuererhöhung.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Schieder (SPD))

Herr Schieder, konzentrieren Sie sich doch weniger auf den Kehlkopf, sondern auf den Kopf!

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie verhindern wollen, dass ein Vereinfachungskonzept gleichzeitig zu einer massiven Steuererhöhung für sehr, sehr viele Bürger in unserem Land führt, dann müssen Sie uno actu, also gleichzeitig, die Steuern senken. Sonst geht es nicht. Genau das ist unser Konzept. Dass wir natürlich nicht gleichzeitig um 41 Milliarden Euro entlasten können, wie Kirchhof vorschlägt, ist selbstverständlich. Aber die 10 Milliarden, die CDU und CSU in ihrem gemeinsamen Konzept stehen haben, werden wir uns leisten können und müssen. Wenn wir das hinkriegen, haben wir die entscheidende Entlastung.

Ich komme zum nächsten Punkt. Natürlich haben wir nicht überall eine tolle Koordinierung geleistet.

(Abgeordneter Werner Schieder (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Schieder, das ist sinnlos. Kommen Sie noch einmal ans Rednerpult, dann können Sie noch etwas sagen.

Wenn viele Arbeitsgruppen vorhanden sind, ist auch bei einer Zentralisierung eine intensive Abstimmungsarbeit mit den Finanzverwaltungen in der Fläche unumgänglich. Diese Arbeitsgruppen wird man nie auflösen können, weil

ihre Arbeit die Umsetzung von Gesetzestext in administratives Handeln beinhaltet. Man kann sie nur durch ein einfaches Steuerrecht reduzieren.

Bei der Koordinierung durch die Länder hat sich tatsächlich bisher ein großes Defizit herausgestellt. Das steckt in dem Projekt „Fiscus“. Zielvorstellung aller Länder war es, eine gemeinsame Software für die Bearbeitung der Steuern zu schaffen.

Das war im Jahre 1993. Dann wurde bis zum Jahre 2000 gearbeitet. Das große Projekt hat kein einziges so genanntes Produkt auf den Markt gebracht. Es war nicht anwendbar. Im Jahre 1999 habe ich in der Finanzministerkonferenz gesagt, Bayern wird aus dem Fiscusverbund austreten, wenn nicht in einem Jahr Ergebnisse vorliegen. Ich habe noch einmal ein Jahr zugegeben. Danach lagen immer noch keine Produkte oder anwendbaren Programme vor. Man gründete die fiscus GmbH. Ich habe nicht mitgemacht, weil ich der Meinung war, dass diese GmbH erfolglos sein wird. Bayern hat deshalb nicht mitgemacht und auf eine andere Methode, nämlich auf die Methode EOSS gesetzt, die pragmatisch Schritt für Schritt vorgeht und nicht versucht, auf der grünen Wiese ein neues Haus zu bauen. Mit uns im Boot sind das Saarland und alle neuen Bundesländer.