Protocol of the Session on May 12, 2004

Insbesondere im Hinblick auf die Tätigkeit des künftigen wissenschaftlichen Beirates gilt, dass inhaltliches Konzept einerseits und Standort wie Raumgrößen andererseits logischerweise in einem stringenten Verhältnis zueinander stehen müssen. Es besteht somit begründeter Anlass zu der Erwartung, dass – insbesondere auf der Grundlage des hinsichtlich der künftigen Gremien erreichten Konsenses – auch die Standortfrage vom Freistaat Bayern und von der Landeshauptstadt München in enger Zusammenarbeit und effizienter Weise sowie an den sachlichen Notwendigkeiten orientiert geklärt werden kann.

Eine Zusatzfrage: Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Staatssekretär, heißt das, dass die Staatsministerin von ihrem öffentlich gemachten Vorschlag, Haus der Kunst oder Lenbachgalerie als Standort für dieses Dokumentationszentrum, Abstand nimmt?

Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter, ich kann nur wiederholen, dass es hier ein gutes und sinnvolles Gespräch gab, um einvernehmliche Lösungen zwischen der Landeshauptstadt München und dem Freistaat Bayern zu suchen.

Weitere Zusatzfrage: Herr Pfaffmann.

Es tut mir leid, Herr Staatssekretär. Wenn Sie mir keine Antwort auf die Frage geben, muss ich es noch einmal versuchen. Heißt das, dass Frau Staatsministerin von ihrem öffentlich gemachten Vorschlag, den Standort ins Haus der Kunst oder in die Lenbachgalerie zu verlegen, Abstand nimmt?

Herr Staatssekretär.

Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass eine abschließende Festlegung auf einen Standort naturgemäß auch deshalb noch nicht vorgenommen werden konnte, weil bei allen in Frage kommenden Liegenschaften auch die Situation des jeweiligen Eigentümers zu bedenken ist.

Letzte Zusatzfrage: Herr Abgeordneter.

Ist die Aussage „einvernehmliche Lösung mit der Landeshauptstadt München“ so zu interpretieren, dass der von der Staatsministerin einseitig gemachte Vorschlag „Haus der Kunst oder Lenbachgalerie“ nun nicht mehr gilt?

Herr Staatssekretär.

Ich kann nur ein weiteres Mal wiederholen, dass man hier verhandelt hat. Die Verhandlungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass Ende des Jahres ein einvernehmliches Ergebnis stehen soll. Ich bin mir sicher, dass diese Einvernehmlichkeit auch von meiner Ministerin eingehalten wird.

Die Fragestunde ist damit beendet. Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Folgendes bekannt geben. Meine Damen und Herren, in der Diplomatenloge haben mehrere Generalkonsuln der alten und der neuen Mitgliedsländer der Europäischen Union Platz genommen. Ich heiße Sie, verehrte Gäste, sehr herzlich im Bayerischen Landtag willkommen und begrüße stellvertretend besonders den Doyen des Konsularcorps, Herrn Generalkonsul der Republik Österreich, Dr. Christian Lassmann. Ihnen allen ein herzliches Willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 17

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zum Thema „Das Neue Europa – Bayerns Chancen gestalten“

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern liegt seit zwölf Tagen politisch in der Mitte Europas. Prag liegt München näher als Mailand, und Budapest näher als Paris. Viele Bürgerinnen

und Bürger haben an den Grenzen gefeiert. Der 1. Mai symbolisiert einen mutigen Schritt hin zur Einigung unseres Kontinents. Wir heißen die neuen Mitgliedstaaten herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Die Europäische Union ist gewachsen aus der Vision von Frieden und Freiheit und dauerhaftem Wohlstand. Die Beitritte von 10 Staaten mit 75 Millionen neuen EU-Bürgern beweisen: Die Gründungsidee der Europäischen Union ist und bleibt erfolgreich!

Seit 12 Tagen ist die Europäische Union grundlegend verändert. Das Ausmaß dieser Veränderung erkennen viele noch nicht. Erst langsam rückt ins Bewusstsein: Diese Beitritte schaffen etwas Neues. Es geht um mehr als um die Vergrößerung der Fläche und der Bevölkerung. Es geht um mehr als nur um eine organisatorische Anpassung. Diese Erweiterung verändert die Europäische Union in einer Art, wie die Wiedervereinigung die alte Bundesrepublik Deutschland verändert hat. Es geht um das Zusammenwachsen von Ost und West in Europa, um das Zusammenführen großer Unterschiede von Wohlstand, von Mentalitäten und Lebensweisen. Das alte Europa ist am 1. Mai 2004 abgelöst worden durch ein neues, größeres Europa. Damit dieses Europa ein Erfolg wird, muss sich noch viel, viel verändern.

Doch unverrückbar bleibt die Vision von Freiheit, Frieden, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Für diese Werte steht Europa heute und in der Zukunft. Allein auf dieses Fundament lassen sich Europa und die Weltordnung des 21. Jahrhunderts bauen. Diese Prinzipien dienen überall auf der Welt der Wahrung der Würde des Menschen. Deshalb sind wir alle bestürzt und entsetzt über die schrecklichen Taten, die einzelne Angehörige der amerikanischen und der britischen Streitkräfte im Irak begangen haben. Die Bilder machen uns fassungslos. Sie sind eine moralische und auch eine politische Katastrophe.

(Beifall bei der CSU)

Diese Untaten Einzelner stehen ja nicht nur im Widerspruch zu Demokratie, Recht und Gesetz, sondern sie erschüttern auch in der Welt den Glauben daran. Deshalb müssen nicht nur im Interesse der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, sondern auch im Interesse der gesamten demokratischen Welt die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden. Ich bin überzeugt, dass ohne eine rasche und stärkere Verantwortung der Vereinten Nationen, zu der die Vereinigten Staaten einen wichtigen Beitrag leisten müssen, keine dauerhafte und friedliche Lösung im Irak möglich sein wird.

Meine Damen und Herren, mit den Beitrittsstaaten kommen keine Fremden zu uns. Sie sind für Bayern, für uns, gute Bekannte, ja Freunde. Wir pflegen seit vielen Jahren enge Beziehungen zu den meisten Beitrittsstaaten.

Der Freistaat Bayern hat viele dieser Kontakte bereits zu einer Zeit geknüpft, als Deutschland und Europa noch durch den Eisernen Vorhang getrennt wurden. Sie sind das Ergebnis einer langfristig orientierten Politik der

Staatsregierung. Alfons Goppel, Franz Josef Strauß und Max Streibl gebührt hierfür unser Dank.

Diese Beziehungen haben wir nach dem historischen Umbruch 1989 systematisch ausgebaut. Heute unterhält der Freistaat Bayern im Rahmen bilateraler Regierungskommissionen intensive Kontakte zu Slowenien, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Polen, Bulgarien, Rumänien sowie Kroatien. Nächste Woche beispielsweise werde ich zu einem Arbeitsbesuch nach Slowenien und Ungarn reisen. Diese Staaten haben sich nach 1989 auf den schwierigen Weg der Reformen gemacht. Aus eigener Kraft haben sie ungeheuer viel geleistet. Wir haben sie dabei nach Kräften begleitet und unterstützt.

Unsere engen Beziehungen zu den Beitrittsländern werden uns das Zusammenwachsen in der neuen Europäischen Union entscheidend erleichtern. Gerade auch der Beitritt unseres unmittelbaren Nachbarn Tschechien bietet die Chance, offene Fragen aus der Vergangenheit zwischen Bayern und Tschechien voranzubringen. Diese Fragen, wie etwa die unterschiedlichen Positionen zu den Benes-Dekreten, sind nun Teil der europäischen Innenpolitik. Als Schirmland der sudetendeutschen Volksgruppen hoffen und erwarten wir deshalb neue Impulse, die uns einer guten, nachbarschaftlichen Lösung in dieser Frage näher bringen. Diese historische Chance sollte von uns gemeinsam zu einem Neuanfang zwischen Sudetendeutschen und Tschechen genutzt werden. Bayern wird dazu seinen Beitrag leisten.

Bayern rückt in die Mitte des größten Binnenmarktes der Welt. Damit sind gerade für Bayern große Chancen verbunden. Die Beitrittsstaaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas sind schon jetzt für uns genauso wichtige Handelspartner wie zum Beispiel die USA.

Unseren bayerischen Unternehmen erschließen sich mit der Erweiterung neue Märkte. In den kommenden Jahren werden für fast alle neuen Mitgliedstaaten Wachstumsraten von deutlich über 3 % vorausgesagt, für die baltischen Staaten sogar über 6 %. Dieser Trend hilft uns. Er hat sich schon in den letzten Jahren in einem deutlichen Anstieg der bayerischen Exporte bemerkbar gemacht. Die neuen EU-Länder im Osten waren 2003 das zweitwichtigste Ziel bayerischer Produkte hinter den USA und vor so langjährigen Handelspartnern wie Italien, Österreich oder Frankreich. Das sichert letztlich Arbeitsplätze in Bayern.

Es entsteht aber auch ein neuer Wettbewerb mit Ländern, die wesentlich niedrigere Arbeitskosten haben als wir. Wir stellen uns als hoch entwickeltes Industrieland diesem Wettbewerb. Wettbewerb hat unser Land groß gemacht. Firmen wie BMW, Audi oder Siemens – um nur einige große zu nennen – sowie unzählige tüchtige mittelständische Unternehmer konkurrieren erfolgreich auf dem Weltmarkt und schaffen damit Wohlstand und Wachstum.

Die Erweiterung stellt uns aber auch vor weitere Herausforderungen. Offene Grenzen bedeuten auch neue Herausforderungen bei der Bekämpfung der Kriminalität. – Unsere bayerischen Landwirte treten mit ihren Produkten in Konkurrenz zu Produkten aus den Beitrittsländern. – Gerade den ostbayerischen Grenzregionen zu Tschechien

drohen durch die neue Konkurrenz Arbeitsplatzverluste und Betriebsverlagerungen.

Wir sehen diese Herausforderungen, und wir nennen sie auch beim Namen. Das hat überhaupt nichts mit Europaskepsis oder Panikmache zu tun, wie mir oft unterstellt worden ist. Die Opposition hat mir das immer wieder vorgeworfen. Wer Europa wirklich will, muss sich ehrlich und kritisch auch mit den Problemen auseinander setzen. Ich kritisiere die Politik aus Berlin. Deshalb bin ich nicht gegen Deutschland. Ich kritisiere die Politik in Brüssel. Deshalb sind wir nicht gegen Europa. Nur so werden die Bürger auf dem Weg zu Europa überhaupt mitgenommen.

Nur wer die Probleme kennt, kann Bayern optimal auf die Erweiterung vorbereiten. Ich nenne drei wesentliche Punkte:

Erstens. Europa soll nicht nur ein Raum der Freiheit, sondern auch der Sicherheit und des Rechts werden. Durch die Erweiterung dürfen keine Sicherheitsdefizite entstehen, die von terroristischen Gruppen oder der organisierten Kriminalität genutzt werden können. In den grenznahen Gebieten werden wir auch künftig für die nötige Polizeipräsenz und für Sicherheit durch Schleierfahndung sorgen. Wir fordern: Vor einem Wegfall der Personenkontrollen an den Grenzen zu den Beitrittsstaaten müssen natürlich die Standards des Schengener Vertrags erfüllt und auf Dauer eingehalten werden.

(Beifall bei der CSU)

Zugleich bietet der Beitritt die Grundlage für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen unserer Polizei und den Polizeien in den Beitrittsländern. Für uns gilt: Bayern bleibt auch nach der Erweiterung Garant für ein beispiellos hohes Niveau bei der inneren Sicherheit.

Zweitens. Wir brauchen Planungssicherheit für unsere Landwirte. Wir haben bei der EU-Osterweiterung immer „gleiche Rechte, aber auch gleiche Pflichten“ gefordert. Ich weiß: Viele Landwirte befürchten, dass aus den Beitrittsländern billige landwirtschaftliche Produkte mit niedrigen Standards unsere Märkte überfluten. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass die europäischen Qualitätsstandards von Beginn an eingehalten werden müssen. Ein einseitiges Draufsatteln durch die Bundesregierung auf diese Standards benachteiligt unsere Landwirte. Das lehnen wir ab.

Auch für die Landwirtschaft heißt die EU-Osterweiterung: neue Konkurrenten, aber auch neue Absatzmärkte. Mit rund 450 Millionen Konsumenten entsteht ein riesiger einheitlicher Nachfragemarkt. Da sich die wirtschaftliche Situation in den Beitrittsländern verbessern wird, liegt unsere Chance gerade in der hohen Qualität der bayerischen Produkte. Landwirtschaftliche Produkte aus Bayern sind bereits heute enorm gefragt. Die bayerischen Agrarausfuhren betrugen allein im Jahr 2002 4,7 Milliarden Euro. Damit ist Bayern mit einem Anteil von 16 % am gesamten deutschen Agrarexport Spitzenreiter in Deutschland. Dies dokumentiert die internationale Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Land- und Ernährungswirtschaft.

Drittens. Die Staatsregierung ist besonders auch Anwalt der Menschen in den Grenzregionen. Trotz aller Chancen kommen gerade auf die Menschen in den Grenzregionen auch Belastungen zu. So müssen zum Beispiel Unternehmen und Handwerker künftig bei Ausschreibungen und Auftragsvergaben auch mit Anbietern aus den Beitrittsländern konkurrieren, die mit erheblich niedrigeren Löhnen und Steuersätzen wirtschaften können.

An unserer Grenze zu Tschechien kommt es zu einem massiven Fördergefälle, wie es sonst kaum an den übrigen Grenzen der Europäischen Union besteht. Mit den künftigen hohen EU-Subventionen auf der tschechischen Seite wird sich die Wettbewerbssituation für uns nochmals verschärfen. Die Staatsregierung tut alles, um unseren Unternehmen in diesem Konkurrenzkampf den Rücken zu stärken und den unvermeidlichen Strukturwandel abzufedern.

Wir haben uns mit Erfolg für eine bis zu siebenjährige Übergangsregelung bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern eingesetzt. Wir haben uns auch mit Erfolg für Übergangsregelungen bei Dienstleistungen zumindest in den Bereichen Bau, Innenausstattung und Gebäudereinigung aus den Beitrittsländern eingesetzt.

Mit den Milliardeninvestitionen im Rahmen der Programme „Offensive Zukunft Bayern“ und „High-Tech-Offensive“ hat die Staatsregierung auch wichtige Impulse für die Modernisierung des Wirtschaftsstandortes Bayern gegeben, gerade auch in den Grenzregionen. Diese Impulse wirken weiter.

Wir stärken unsere Grenzregionen mit einem 100-Millionen-Euro-Ertüchtigungsprogramm. Bis Ende 2003 wurden aus diesem Programm Zuschüsse in Höhe von rund 52 Millionen Euro bewilligt und wurde dadurch ein Gesamtinvestitionsvolumen von rund 340 Millionen Euro unterstützt. Wir konnten damit insgesamt über 1300 Arbeitsplätze neu schaffen und knapp 4000 Stellen sichern. Derzeit werden weitere Maßnahmen zur Unterstützung der bayerischen Grenzregionen geprüft. Am 25. Mai 2004 wird der Ministerrat in Freyung tagen, um diese Fragen zu beraten. Wir handeln für die bayerischen Grenzregionen.

Ich muss an dieser Stelle schon immer wieder fragen: Was haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD oder den GRÜNEN, hierzu eigentlich beigetragen?

(Zuruf von der CSU: Nichts!)