Protocol of the Session on May 12, 2004

Herr Staatssekretär, bitte.

Ich habe die genaue Zahl der Absolventen nicht parat.

(Marianne Schieder (SPD): In etwa!)

Auch das ist im Augenblick nicht auf den Punkt zu bringen. Wir werden aber von der Größenordnung der letzten Jahre ausgehen müssen.

(Marianne Schieder (SPD): Und die wäre?)

Das kommt darauf an, für welche Schulart. Ich kann es jetzt nicht auf einen Punkt bringen. Sie können aber die Zahlen jederzeit nachlesen. Als stellvertretender Ausschussvorsitzender sind Sie Ihnen sicher bekannt. Ich bin auch gern bereit, Sie Ihnen nachzuliefern.

Ich darf Herrn Kollegen Hallitzky bitten, die nächste Frage zu stellen.

Herr Staatssekretär, mit welchen Maßnahmen und in welchem Zeitraum will die Staatsregierung dafür Sorge tragen, dass die M-Züge an den Hauptschulen von der Wirtschaft genau so angenommen werden wie die sechsstufige Realschule, nachdem in Zeitungsberichten immer wieder Klagen zu lesen sind, die auch von den Schülergruppen hier im Hause zu hören sind, dass dies bisher offensichtlich nicht der Fall ist, ein absehbarer Umstand, vor dem die GRÜNEN gemeinsam mit den Lehrer- und Lehrerinnenverbänden im Zusammenhang mit der Einführung der sechsstufigen Realschule stets gewarnt hatten, weshalb wir auch eine Vorlaufphase von einigen Jahren für die M-Züge gefordert hatten?

Herr Staatssekretär, bitte.

Herr Abgeordneter Hallitzky, mit der Einführung des Mittlere-Reife-Zuges an der Hauptschule wurde 1999/2000 begonnen. In kurzer Zeit hat sich damit die Hauptschule zu einer Angebotsschule entwickelt, die ihren Schülern nun auch den mittleren Schulabschluss ermöglicht. Von den 7300 Absolventen der 10. Klasse Hauptschule im Jahr 2003 haben landesweit mehr als 60 % einen Weg eingeschlagen, der ihnen als Hauptschüler zuvor meist verwehrt war. Sie haben eine Ausbildung begonnen, für die ein mittlerer Schulabschluss erforderlich ist oder erwartet wird, oder sie besuchen die Fachoberschule.

Dass der Realschulabschluss hohe Akzeptanz findet, ist gut zu erklären: Er ist ein Schulabschluss, der seit Jahrzehnten auf dem „Markt“ und den Eltern und der Wirtschaft vertraut ist. Es konnte nicht erwartet werden, dass ihm der Mittlere-Reife-Zug mit seinem Abschluss in der Aufbauphase den Rang abläuft. Wichtig ist, dass beide Bildungsgänge Akzeptanz bei der Wirtschaft finden. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat über das neue Angebot des M-Zuges umfassend informiert. Zu nennen sind zum Beispiel das Faltblatt „Der M-Zug“, die Hauptschul-Broschüre und Informationen im Internet. Ich habe selbst darauf Wert gelegt, dass es für das Zeugnis und für Bewerbungen ein Beiblatt gibt, in dem den Arbeitgebern ausdrücklich erklärt wird, was es mit der Mittleren

Reife an Hauptschulen auf sich hat und dass hier ein gleichwertiger Abschluss vorliegt. Auch die in der Beratungskommission Hauptschule – Wirtschaft des Kultusministeriums vertretenen Institutionen der bayerischen Wirtschaft sind informiert. Sie haben der Bitte des Ministeriums auch entsprochen und ihre Mitglieder und Unternehmen über den neuen mittleren Schulabschluss der Hauptschule und seine Inhalte und Anforderungen in Kenntnis gesetzt.

Werbende Worte in Faltblättern und Reden werden allerdings allein nicht überzeugen. Ein Vorlauf von einem Jahr hätte daran wenig geändert. Manche Betriebe müssen die Leistungsfähigkeit der Hauptschulabsolventen erst selbst erfahren, bevor sie von ihrer langjährigen Praxis abrücken, ausschließlich Realschulabsolventen aufzunehmen. Wo Betriebe Absolventen des M-Zuges eine Chance gaben, konnten vielfach positive Erfahrungen eine Öffnung bewirken. Ich gehe auch davon aus, dass sich die Situation schrittweise verbessern wird, wenn die Hauptschulen ihre Kontakte zu den Betrieben vor Ort zur Information nutzen und wenn sich die Schüler des M-Zuges in Betriebserkundungen und Betriebspraktika und vor allem in der Berufsausbildung durch ihre Leistungen bewähren.

Erste Zusatzfrage: Herr Kollege Hallitzky.

Nachdem die Informationspolitik der Bayerischen Staatsregierung nach allem, was wir erfahren, nicht ausreicht und nachdem man den Schülerinnen und Schülern schlecht den Schwarzen Peter zuschieben kann nach dem Motto „Bewährt euch im täglichen Leben, dann werden es eure Nachfolger besser haben“, frage ich Sie nochmals:

Welche Maßnahmen wird die Bayerische Staatsregierung ergreifen, damit die jetzt auf den M-Zügen lernenden Schülerinnen und Schüler wirkliche Chancen bekommen und nicht auf die spätere Zukunft vertröstet werden?

Herr Kollege Hallitzky, auch mir ist das Anliegen eine große Sorge, über das wir berechtigterweise hier in diesem Hause diskutieren. Wir haben, wo immer es geht, darüber informiert, dass der M-Abschluss der Hauptschule ein gleichwertiger Abschluss ist. Wir haben dies vor allem auch dort getan, wo die Entscheidungen für die Einstellungen von Auszubildenden erfolgen, sprich in der Wirtschaft und in der Verwaltung. Ich habe festgestellt, dass es in vielen Fällen auch dort praktiziert wird. Ich habe dies bei den Kommunen festgestellt. Ich bitte Sie darum – jeder von uns hat zu Kommunen Kontakt -, Ihre Landräte und Oberbürgermeister darauf aufmerksam zu machen, dass bei Bewerbungen zum Herbst gerade der mittlere Bildungsabschluss der M-Klassen eine besondere Berücksichtung findet. Ich kann für meine Heimatstadt sagen: Wir haben parteiübergreifend darauf geachtet, dass Bewerber aus M-Klassen berücksichtigt worden sind.

Wenn allerdings ein Arbeitgeber oder ein Personalausschuss keine derartige Einstellung vornehmen will, obwohl ihm die Hintergründe bekannt sind, kann man ihn nicht dazu zwingen. Die Rückmeldungen vieler Betriebe

hinsichtlich der Einstellung von M-Bewerbern sind allerdings positiv; ich möchte das an dieser Stelle ausdrücklich weitergeben. Ich tue das fast in jeder Rede und in allen Diskussionen. Der eine oder andere in diesem Raum muss sich allerdings auch fragen lassen, ob er der Hauptschule dadurch einen Dienst geleistet hat, dass er sie jahrelang als Restschule bezeichnet hat. Man kann nicht erst Jahre und Jahrzehnte die Hauptschule schlecht machen und dann von den Arbeitgebern verlangen, den Abschluss sofort gleich einem Realschulabschluss zu werten. Wir haben eine lange Überzeugungsarbeit geleistet. Man kann sich an die Hauptschuldiskussionen erinnern, die wir vor vier Jahren geführt haben. Massiv ist auch ein Verband zu kritisieren, der vor vier Jahren nicht Geld für ein sinnloses Volksbegehren hätte investieren sollen, sondern mit diesem Geld für den neuen M-Abschluss hätte werben sollen. Der richtige Ansatz ist für mich, dass wir alle zusammen – in der CSU, der SPD, bei den GRÜNEN, in den Verwaltungen oder in den Ministerien – sagen: Wir stehen zu dieser neuen Hauptschule. Sie verleiht einen mittleren Bildungsabschluss, der es wert ist, von den Arbeitgebern als gleichwertig anerkannt zu werden, um den Betroffenen eine Chance zu geben.

Weitere Zusatzfrage: Herr Kollege Hallitzky.

Herr Staatssekretär, Sie haben Ihre Antwort mit dem Ausdruck eingeleitet, Sie seien selber in großer Sorge. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie außer der Aussage „Geht hin, liebe Abgeordnete und verkündet die frohe Botschaft!“ keine weiteren konkreten Maßnahmen geplant haben, insbesondere keine systematischen Aufklärungskampagnen für die Zukunft, damit das Problem für diejenigen, die in diesem Jahr den Abschluss machen, einer Lösung näher gebracht werden kann?

Herr Staatssekretär, bitte.

Herr Abgeordneter Hallitzky, wir haben systematisch gearbeitet. Es ist systematisch aufgeklärt worden, und es wird jedem, der eine M-Klasse besucht, eine Information mitgegeben, die er für seine Bewerbungen verwenden kann, damit vielleicht ein Handwerksmeister, der noch nicht von der M-Klasse überzeugt war oder die Details der Regelung nicht kennt, darüber informiert wird. Wir informieren kontinuierlich.

Das Problem ist ein anderes. Wissen Sie, warum ich in Sorge bin? Meine Sorge betrifft nicht nur die Schüler der M-Klasse, sondern auch die anderen Auszubildenden und gründet sich auf der miserablen Wirtschaftspolitik in Deutschland. Wir erleben leider jetzt die Konsequenzen der 40 000 Firmeninsolvenzen, die wir im letzten Jahr in diesem Lande gehabt haben: Viele Betriebe sind weggefallen, die Ausbildungsplätze anbieten könnten. Damit geraten nicht nur die M-Klasse-Schüler, sondern gerät insgesamt unsere Jugend unter Druck. Die beste Aufklärungsarbeit kann einer solchen Entwicklung nicht entgegenwirken, da aufgrund der schlechten Wirtschaftspolitik, wie sie in Berlin betrieben wird, letztlich immer weniger

Ausbildungsplätze angeboten werden. Die Ausbildungsplatzabgabe kostet meines Erachtens sogar Ausbildungsplätze, statt neue zu schaffen. Es stellt sich also oft nicht die Frage nach einer vermeintlich verfehlten Information, sondern die Frage nach fehlenden Ausbildungsplätzen aufgrund einer verfehlten Wirtschaftspolitik.

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Staatssekretär, gibt es Bestrebungen der Staatsregierung, die M-Klassen an den Hauptschulen flächendeckend auszubauen, nachdem sie nach Ihrer Meinung eine gute Entwicklung darstellen, und führt die Staatsregierung eine Statistik, welche M-Klasse-Absolventen einen Ausbildungsvertrag bekommen bzw. eine weiterführende Schule besuchen und in welchen Berufen? Können Sie sagen, wie viele Prozent der Schüler von M-Klassen in der Ausbildung sind?

Herr Staatssekretär, bitte.

Herr Abgeordneter Pfaffmann, ich bin gern bereit, die von Ihnen aufgeworfenen Fragen sorgfältig zu beantworten. Ihre Frage bedarf jedoch einer entsprechenden Recherche. Ich sage Ihnen gerne zu, dass Sie aus meinem Hause nähere Informationen erhalten werden, wo die Bewerber mit M-Abschluss in diesem oder im letzten Schuljahr untergekommen sind und in welchen Branchen sie arbeiten. Ich persönlich stelle fest, dass eine verstärkte Nachfrage nach Schülern der M-Klasse im handwerklichen Bereich besteht. Zu der weitergehenden Frage nach dem flächendeckenden Ausbau der M-Klasse in Bayern kann ich Ihnen sagen: Diese ist erfolgt. Wir haben in Bayern circa 1500 M-Klassen, wir haben unwahrscheinlich viele MZüge. Die Frage nach einer flächendeckenden Einführung des M-Klasse-Netzes wäre vielleicht vor drei oder vier Jahren aktuell gewesen. Inzwischen kann ich sie damit beantworten, dass die M-Klassen flächendeckend eingeführt sind. Es gibt kein Fleckchen in Bayern, an dem ein Schüler nicht die Chance hätte, eine M-Klasse zu besuchen. Da ist die Entwicklung schon sehr viel weiter als Ihre Fragestellung.

Zur nächsten Frage rufe ich Frau Kollegin Guttenberger auf.

Wie soll weiter sichergestellt werden, dass angehende Diplomhandelslehrerinnen und –lehrer angesichts der Auflösung der kaufmännischen Seminare zum Beispiel an städtischen Wirtschaftsschulen das berufliche Umfeld und die von den Berufsschulen deutlich verschiedene Schülerinnen- und Schülerklientel kennen lernen, und welche Maßnahmen sind geplant, um gezielt die Versorgung mit Lehrkräften an den Wirtschaftsschulen sicherzustellen?

Frau Abgeordnete Guttenberger, die Wirtschaftsschulen sollen auch weiterhin in die Ausbildung einbezogen werden. Die Seminare der beruflichen Fachrichtung sollen jedoch an

Berufsschulen geführt werden, da Lehrkräfte nach ihrer Ausbildung hauptsächlich dort zum Einsatz kommen.

Die Einbeziehung der Vollzeitschulen – neben Wirtschaftsschulen also auch Fachoberschulen, Berufsoberschulen und Berufsfachschulen – erfolgt über Hospitationen der Studienreferendare, im Zweigschuleinsatz und in geeigneten Fällen durch die Einrichtung von Seminaren für Zweitfächer.

Über das Direktbewerbungsverfahren haben Studienreferendare die Möglichkeit, sich auf die im Internet ausgeschriebenen freien Stellen an beruflichen Schulen, also auch an Wirtschaftsschulen zu bewerben. Aufgrund der relativ großen Zahl von Studienreferendaren der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaft besteht derzeit kein Grund zur Sorge, dass Wirtschaftsschulen unzureichend mit Lehrkräften versorgt werden könnten.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Guttenberger?

Heißt das, dass fortan verpflichtend vorgesehen wird, dass auch ein angehender Diplomhandelslehrer bzw. eine Dipolmhandelslehrerin, ganz egal wo das Seminar lokalisiert ist, auch einen bestimmten Ausbildungsabschnitt an einer Wirtschaftsschule abzuleisten hat, und wie sieht das Fortbestehen der Seminare an den städtischen Wirtschaftsschulen aus, die – wie Sie sicher mit mir übereinstimmen – eine hervorragende Arbeit geleistet haben?

Herr Staatssekretär, bitte.

Frau Abgeordnete, ich stimme mit Ihnen überein, dass gerade die beteiligten Seminarleiter eine sehr gute Arbeit geleistet haben und leisten. Wir werden auf jeden Fall sicherstellen, dass die Wirtschaftsschulen in die Fortbildung einbezogen werden. Es wird aber im Einzelfall Entscheidungen geben müssen, ob ein Seminar länger Bestand hat oder im Zuge der Reform aufgelöst wird.

Weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit. Es ist kaum mehr zu verstehen, was gefragt und was geantwortet wird. Bitte, Frau Abgeordnete.

Ich darf noch ergänzend nachfragen, wann in etwa die Regelungen vorliegen werden, die eine Einbeziehung der Wirtschaftsschulen verbindlich festlegen.

Herr Staatssekretär.

Ich gehe davon aus, in den kommenden Wochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist fast 10.30 Uhr. Ich rufe noch eine Frage auf, und dann werde ich die Fragestunde beenden. Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Hans-Ulrich Pfaffmann.

Ich frage die Staatsregierung: Unterstützt die Bayerische Staatsregierung die Landeshauptstadt München bei deren Planung, für das geplante NS-Dokumentationszentrum in München einen Standort in der Nähe des Königsplatzes, also entweder Neubau auf dem Gelände des ehemaligen Braunen Hauses an der Brienner Straße oder Integration auf dem Areal der Alten Chemie der TU München, zu finden, oder favorisiert die Staatsregierung andere Planungen, und falls ja, welche?

Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter Pfaffmann, Staatsministerin Monika Hohlmeier und Oberbürgermeister Ude haben sich am 11. Mai, also gestern, darauf verständigt, in der Standortfrage bis Ende des laufenden Jahres zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Allerdings muss auch noch den zu konstituierenden Gremien Gelegenheit gegeben werden, ihre Überlegungen ernsthaft in die Meinungsbildung einzubringen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Insbesondere im Hinblick auf die Tätigkeit des künftigen wissenschaftlichen Beirates gilt, dass inhaltliches Konzept einerseits und Standort wie Raumgrößen andererseits logischerweise in einem stringenten Verhältnis zueinander stehen müssen. Es besteht somit begründeter Anlass zu der Erwartung, dass – insbesondere auf der Grundlage des hinsichtlich der künftigen Gremien erreichten Konsenses – auch die Standortfrage vom Freistaat Bayern und von der Landeshauptstadt München in enger Zusammenarbeit und effizienter Weise sowie an den sachlichen Notwendigkeiten orientiert geklärt werden kann.