Protocol of the Session on May 11, 2004

Um das Kraut fett zu machen, hört man zur Zeit landauf, landab von einer Vielzahl von Strukturvorschlägen aus den Hochschulen, die gut gemeint sind – den Rektoren bleibt oft gar nichts anderes übrig, als auf die Vorgaben des Wissenschaftsministeriums und der Mehrheit im Bayerischen Landtag zu reagieren –, die aber beileibe nicht mit dem abgestimmt sind, was wissenschaftspolitisch in Bayern erforderlich ist.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Faltlhauser?

– Welche Perspektiven haben Sie heute aufgezeigt? – Eigentlich nichts anderes als das, was schon in den Sonntagsreden landauf, landab verbreitet worden ist.

Damit komme ich zu einem Defizit. Herr Spaenle, wir müssen uns wirklich einmal darüber Gedanken machen, wie weit wir uns im Hochschulausschuss über grundlegende Fragen unseres Wissenschaftsverständnisses austauschen können. Lassen wir uns, wenn wir die Hochschulen auf die Zukunft vorbereiten, davon leiten, ob es nach wie vor die Aufgabe der Hochschule sein wird, nach Erkenntnissen um der Erkenntnis willen zu streben, weil uns die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis für die gesellschaftliche Entwicklung als notwendig erscheint, weil wir eine möglichst breite akademische Bildung mit Zugang für alle Gesellschaftsschichten haben wollen, was in unseren Augen den Kern einer demokratischen Wissenschaftsgesellschaft ausmacht und weil wir wissen, dass wir nur auf dieser Basis die ökonomische Zukunftsfähigkeit unseres Landes fortentwickeln können? Oder lassen wir uns von einem sehr eingeengten ökonomischen Blick auf die Hochschulen leiten, der im November in der „Süddeutschen Zeitung“ mit folgenden Worten sehr treffend beschrieben worden ist:

Das ökonomische Diktat, dem sich die Hochschulen seit langer Zeit ausgesetzt sehen, ist keineswegs nur ein Diktat des Geldes. Das eigentliche Diktat des Ökonomischen ist eine Denkungsart, die mit dem Kalkül des Kalkulierbaren rechnet.

Sie machen den Versuch, wissenschaftsökonomisch zu kalkulieren, weil Sie sich nicht mit der Aufgabe von Wissenschaft an den Hochschulen auseinander setzen. Damit bleiben Sie eine ganze Reihe von Fragen schuldig, die tatsächlich gestellt werden müssen, zum Beispiel, wenn es um die Autonomie geht.

(Widerspruch des Abgeordneten Dr. Ludwig Spa- enle (CSU))

Wo sind denn die Grenzen der Autonomie der Hochschulen? - Wir sind für Autonomie. Wir sind dafür, dass die Hochschulen endlich eigenverantwortlich mit ihren Mitteln umgehen können. Wir sind aber auch dafür, dass wir miteinander definieren, welche Aufgabe der Staat in der Wissenschaftspolitik hat, damit wir nicht jetzt die Hochschulen arbeiten lassen, sie ihre Strukturkonzepte vorlegen lassen und anschließend sagen: Das geht, und das geht nicht. Begeben wir uns doch in einen Diskurs, der Ihnen jetzt schon dazu verhilft, klar zu sehen, wo Sie Ihre Schwerpunkte sehen wollen!

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Hinzu kommt – das ist eine Feststellung, die wir leider immer wieder treffen müssen –, dass Sie weit davon entfernt sind, die Wissenschaft in wohlverstandene Demokratie ein- und unterzuordnen. Wissenschaft braucht Demokratie, sowohl intern an den Hochschulen als auch im gesellschaftlichen Diskurs.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE))

Wie das gestaltet werden soll, stellen Sie hier in keiner Weise dar.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Hans Gerhard Stockinger (CSU))

Es gehört zu den Eckpunkten einer Hochschulreform, dass Autonomie der Hochschulen mit innerer und externer Demokratisierung verknüpft wird, sodass der Staat in der Verantwortung bleiben kann und die Hochschulen dennoch ihren Spielraum nützen können. Sie haben die Zielvereinbarungen angesprochen. Lassen Sie uns doch endlich einmal über deren Inhalte reden! Vor einem Jahr haben Sie noch gesagt, dass wir Zielvereinbarungen gar nicht brauchen, dass Sie unsere Vorschläge dazu gar nicht hören wollen. Heute tun Sie so, als hätten Sie das erfunden, obwohl der Zug in diese Richtung in ganz Deutschland schon abgefahren ist.

Lassen Sie uns auch darüber reden, wie wir über Landeshochschulkonferenzen und über die Einrichtung von Hochschulräten neuer Art endlich eine Einbindung gesellschaftlicher Interessen in die Hochschulen erreichen können. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie Vorschläge vorlegen, wie Drittmittel von den Hochschulen nicht nur eingeworben, sondern dort effektiv für die Wissenschaft eingesetzt werden können, sodass die Gesellschaft insgesamt davon profitiert. Wir erwarten von Ihnen Vorschläge dazu, wie die Hierarchien an den Hochschulen abgebaut werden können – zum Wohle aller dort Beschäftigten, damit sie dort ihrem wissenschaftlichen Auftrag nachgehen können.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE))

Wir erwarten von Ihnen, dass das Verhältnis zwischen Fachhochschulen und Universitäten neu justiert wird. Die Wirtschaft braucht die Fachhochschulen. Die Fachhochschulen sind aber verunsicherter denn je, wie ihr Stellenwert in Ihrem neuen Konzept sein soll. Wir wissen nicht, wohin das gehen soll, weil Sie keine Vorschläge dazu vorlegen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten hierzu konkrete Vorschläge vorlegen, und dann müssen Sie endlich einmal Farbe bekennen.

Sie haben heute auch nichts dazu gesagt, ob Ihre Vorstellung von internationaler Hochschule immer nur bedeutet, sich auf die ökonomische Ausgangsbasis zurückzuziehen, oder ob das die Möglichkeit beinhaltet im erweiterten Europa, über strukturierte Bachelor- und Masterstudiengänge zu gemeinsamen Hochschulabschlüssen zu kommen. Wir waren doch sehr verwundert über die Konfusion, die auf Ihrer Seite während der Anhörung im Ausschuss geherrscht hat.

Herr Spaenle, in dem kurzen Beitrag, den Sie geliefert haben und der an Beliebigkeit nicht zu überbieten war – auch das ist bezeichnend –, lassen Sie völlig das Problem

des Gender Mainstreaming, der Gleichstellung an den Hochschulen außen vor.

(Margarete Bause (GRÜNE): Der hat davon keine Ahnung!)

Eine der wesentlichen Ressourcen in unserer Gesellschaft sind die Frauen mit akademisch-wissenschaftlicher Ausbildung, die keine Chance haben, an den Hochschulen ihre Ausbildung zu nutzen.

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Zuhören!)

Sie haben keinen Satz dazu gesagt, wie Bayern aus seiner Defensivhaltung zur Juniorprofessur herauskommen soll. Gestern Abend wurde ich wieder von jungen Wissenschaftlern angesprochen, die gefragt haben: Womit haben wir das verdient, dass wir in Bayern auf das Abstellgleis geschoben werden?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜ- NEN)

Herr Spaenle, in all diesen Bereichen bleiben Sie die Antwort schuldig. Dann kommen Sie noch mit einem müden Querverweis auf den Innovationspakt. Ich finde es gut, wenn Hochschulrektoren Vorschläge vorlegen; aber diese Vorschläge der Hochschulrektoren müssen doch von Strukturvorschlägen der Politik begleitet werden. Wir hören von den Hochschulen immer wieder: Wir haben Angst, dass wir jetzt planen und anschließend jemand sagt, dass dieser Lehrstuhl erhalten werden muss und jenes Institut dableiben muss.

Wir brauchen Vorgaben von unserer Seite, aber Sie machen zurzeit keine politischen Vorgaben. Und wir hören auch, dass der Minister an manchen Stellen keine Vorgaben macht, wo die Hochschulen Orientierung erwarten. Insofern haben wir große Bedenken, wenn Sie weiter auf dieser Ebene der Argumentation bleiben, ob Sie wirklich den Motor, der zurzeit kräftig stottert, endlich zum Laufen bringen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bevor ich die nächste Wortmeldung aufrufe, meine Damen und Herren: In der Diplomatenloge hat eine Delegation von Kommunalpolitikern und Vertretern des Innenministeriums der Republik Vietnam Platz genommen. Die Delegation hält sich zu Informationsgesprächen über die kommunale Selbstverwaltung in Bayern auf. Ich begrüße unsere Gäste sehr herzlich und wünsche ihnen einen angenehmen und informativen Aufenthalt.

(Allgemeiner Beifall)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Gote.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde Herr Dr. Spaenle, ist wohl als Versuch zu werten, sich als CSU-Fraktion in der bayerischen Hochschul- und Wissenschaftspolitik

endlich wieder einmal zu Wort zu melden, nachdem Ihnen Staatskanzlei und Wissenschaftsminister das Zepter des Handelns nach der Wahl geradezu brutal entrissen haben,

(Beifall bei den GRÜNEN)

mit dem Erfolg innerhalb kürzester Zeit in Generalsekretärsmanier einen Flurschaden in Bayerns Hochschullandschaft angerichtet zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben hier einen Rückblick geliefert, aber keinen Ausblick. Sie haben einen Rückblick geliefert, der wohl der Selbstvergewisserung dienen sollte, man kann schon fast nostalgisch werden, wenn man Ihnen zuhört.

„Hochschul- und Wissenschaftspolitik Motor für Bayerns Zukunft!“ Ich bin Ihnen dankbar für diese vielsagende Metapher. Der Wissenschaftsminister liebt ja ebenfalls die bildreiche Sprache. Kürzlich durfte ich erleben, wie er in der FH München eine abgeschnittene, von einem Draht gestützte Gerberablüte als Bild für die bayerischen Hochschulen bemühte. Aus diesem fast toten Wesen ohne Wurzel, das sich schon nicht mehr aus eigener Kraft aufrecht halten konnte, sollte nach den Worten des Ministers „Neues üppig sprießen“. Ein treffender Vergleich.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin Ihnen dankbar für diese vielsagende Metapher. Motor für Bayerns Zukunft. Auf den ersten Blick mag sie nur zeigen, wie stark Sie doch einem technokratischen Denkansatz verhaftet sind. Wenn man aber genau hinsieht, muss man feststellen: Es passt darüber hinaus tatsächlich recht gut auf die derzeitige Situation.

(Zuruf von der CSU: Sollen wir Rapsöl reintun oder was?)

Ja, kommt noch, warten Sie es ab.

Das Fahrzeug, das dieser Motor antreibt, wird gesteuert von einem, der sich nicht an die Regeln hält, der sie vielleicht gar nicht kennt. Er lässt den Motor aufheulen, überdreht und bringt ihn damit zum Stottern, auf seiner Fahrt kommt es des Öfteren zum Crash, kein souveräner Fahrer, kein guter Stil.

Herr Staatsminister, nutzen Sie diese Aktuelle Stunde, die Ihre Kolleginnen und Kollegen für Sie beantragt haben, um einmal innezuhalten und sich den Schaden in Ruhe zu besehen, den Sie bisher mit Ihrem Fahrstil angerichtet haben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Der macht doch Fah- rerflucht! – Beifall bei den GRÜNEN)

Aus einem weiteren Grunde gefällt mir diese Metapher. Jetzt kommt’s, Herr Dr. Spaenle: Ein Motor braucht ja Treibstoff. Am besten man nimmt einen nachwachsenden Rohstoff. Den haben wir in Bayern in Form studierwilliger

junger Menschen zuhauf und in guter Qualität, und es sollten und könnten noch mehr sein.

Dass Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU den Wert nachwachsender Rohstoffe nicht gebührend zu schätzen wissen und ihren Einsatz nicht ausreichend fördern, das haben Sie auf anderen Feldern der Politik schon reichlich bewiesen. Statt diesem Rohstoff den Raum zu geben, den er braucht, um sich entfalten zu können und Menschen in ausreichender Zahl zur Seite zu stellen, die ihn pflegen und kultivieren, fahren Sie mit dem Rasenmäher über die jungen Kulturen und kürzen unsere bayerischen Hochschulen auf Mittelmaß herunter.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)