Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen allen einen guten Morgen und eröffne damit die 15. Vollsitzung des Bayerischen Landtags in dieser Legislaturperiode. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese wurde erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich dem Herrn Kollegen Reinhard Pachner in Abwesenheit zu seinem heutigen runden Geburtstag gratulieren. Ich gratuliere auch dem Herrn Kollegen Prof. Dr. Vocke zu seinem Geburtstag am heutigen Tage. Den beiden alles Gute und herzlichen Glückwunsch.
Regierungserklärung des Staatsministers des Innern zum Thema „Lage der inneren Sicherheit in Bayern“
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst sage ich allen, die heute in aller Herrgottsfrühe hierher gekommen sind, ein herzliches Dankeschön und zolle ihnen Anerkennung für ihr und mein Pflichtbewusstsein, bereits um 9.00 Uhr im Plenum anwesend zu sein.
Angesichts der Bedeutung der inneren Sicherheit, einer zentralen Landeskompetenz, und der aktuellen Situation habe ich es für richtig gehalten, nicht nur den Fachausschuss zu informieren, der selbstverständlich eine laufende und sehr intensive Berichterstattung erhält, sondern allen Abgeordneten Informationen zukommen zu lassen, weil es um Fragen geht, die jeden Abgeordneten und letztlich auch jeden Bürger in Bayern betreffen.
Meine Rede hat drei Abschnitte. Das Manuskript müsste eigentlich verteilt worden sein, sodass ich mich in wesentlichen Punkten bezüglich der Einzelheiten auf diesen Text beziehen kann. Die Gedankenführung ist dort präzise nachgezeichnet, aber ich werde darüber hinaus eine Menge von Details bringen. An dem Manuskript lasse ich mich selbstverständlich festhalten. Das gilt alles als gesprochen.
Das erste zentrale Thema ist der islamistische Terror, der derzeit die stärkste Bedrohung für die freiheitliche Verfassungsordnung in Deutschland darstellt, wenn ich den schleswig-holsteinischen Kollegen Buß hier zitieren darf. Ich teile diese Beurteilung. Die größte Gefahr für unsere innere Sicherheit ist die Problematik des islamistischen Terrors. Der zweite Abschnitt meiner Rede beschäftigt sich mit der Frage der Osterweiterung und den Sorgen vieler Bürger im Zusammenhang mit einem Anstieg der Kriminalität. Der dritte Abschnitt befasst sich mit der Haushaltslage und den Sparmaßnahmen, die auch die Polizei vor besondere Herausforderungen stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der islamistische Terror ist zur Zeit die aktuellste sicherheitspolitische Herausforderung in Deutschland. Ich sage Ihnen ganz klar meine Einschätzung: Die Gefahr des islamistischen Terrors wird von der Öffentlichkeit in Deutschland unterschätzt. Wenn man von Anschlägen in Djerba, Istanbul, Bali, Afghanistan, dem Nahen Osten und New York hört, denkt jeder, das ist alles weit weg. Selbst durch den Anschlag in Madrid ist keine Änderung in der emotionalen Haltung eingetreten. In Deutschland ist kein breites Bewusstsein in der Weise vorhanden, dass auch wir im Blickfeld islamistischer Extremisten stehen. Jeder Fachmann weiß aber, dass Deutschland viele Jahre Ruheraum für islamistische Extremisten gewesen ist und immer noch ist, dass Deutschland darüber hinaus Vorbereitungsraum für die Anschläge in New York und zum Beispiel in Djerba war und dass es keinerlei Sicherheit gibt, dass wir nicht irgendwann einmal Ausführungsraum werden.
Wir wissen außerdem – und das bewegt uns natürlich sehr –, dass es nicht nur in Deutschland, sondern auch in Bayern Personen gibt, die wir zum Teil auch namentlich kennen, die ganz bewusst davon sprechen, dass es kein tolerantes Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen geben soll, sondern dass der Islam mit Gewalt und Djihad ausgebreitet werden muss. Es handelt sich hier um eine kleine Zahl von Leuten. Namentlich sind uns über 50 Personen in Bayern bekannt, von denen wir wissen, dass sie sich mit Gewalt beschäftigen. Die Zahl der gewaltbereiten Personen, von denen wir die Namen nicht immer kennen, von denen wir aber über Telefongespräche, Decknamen und Ähnliches wissen, schätzen wir auf 300 bis 500. Die Zahlen auf Bundesebene liegen zwischen 3000 und 5000. In der Einschätzung der Zahlen bin ich mir mit Herrn Bundsinnenminister Schily einig. Nennenswerte Unterschiede gibt es nicht. Vor einigen Wochen hat er bei Maybrit Illner öffentlich gesagt, dass er meine Einschätzung in diesem Punkt uneingeschränkt teilt.
Es besteht also die Gefahr, dass eine kleine Zahl von Fanatikern mit einer völlig anderen Wertordnung sich damit beschäftigt, wie der Djihad vorangetrieben werden kann. Die unterschiedlichen Haltungen, die es auch hier in Bayern gibt, sind von den Islamisten in Madrid in bedrückender Weise zum Ausdruck gebracht worden, von denen einer in einem Bekennerschreiben geschrieben hat: Ihr – damit sind die westlichen Zivilisten gemeint – liebt das Leben, wir lieben den Tod. Ich glaube, dass die wenigsten in diesem Hause wissen, dass auch Leute aus Bayern in Tschetschenien im Krieg sind. Es handelt sich um deutsche Staatsangehörige tunesischer oder deutscher Ethnie, die in Tschetschenien auf Seiten der Islamisten gegen die Russen kämpfen und zum Teil auch gefallen sind.
Es hat mich bewegt, als ich in einer Mitteilung gelesen habe, dass bei der Übermittlung einer Todesnachricht die Angehörige eines Gefallenen nicht etwa in Trauer verfallen und in Tränen ausgebrochen ist, sondern auf die Knie gegangen ist und Allah dafür gedankt hat, dass ihr Angehöriger bereits ins Paradies vorangegangen ist. Sie hat gelobt, dass einer ihrer Söhne sich auch dem Djihad anschließen wird. Wir vermissen diesen jungen Mann, der sich nicht mehr in Bayern aufhält. Wir vermuten, dass er im Sudan in einem Lager ist, wo er religiöse Fortbildung
Den bayerischen Sicherheitsbehörden ist nicht ganz zufällig ein Video, das in bayerischen Moscheen verteilt worden ist, in die Hände gefallen, in dem für – jetzt hätte ich beinahe gesagt – islamische Exerzitien – ich bitte die katholischen Kollegen um Nachsicht, wenn ich diesen Begriff hier missbrauche – geworben wird. Dort wurde zunächst zu einem Intensivwochenende in ein anderes europäisches Land eingeladen und in der Folge zu einem monatelangen Aufenthalt in einem Lager im Nahen Osten. Am Beginn steht der Aufruf zu Gewalt und Djihad durch einen weltbekannten Hodscha, der als massiver Fanatiker gilt. Hunderte von Leuten beten, dann sieht man die Unterweisung in Guerilla-Techniken. Anschließend kommt die Übernahme eines CNN-Berichts über Selbstmordanschläge in Israel. Abschließend wird der Hodscha zitiert mit einem Dankgebet für die Märtyrer, die das getan haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Problematik. Es gibt Leute, in deren Gedankengänge wir uns kaum hineindenken können.
Aber es ist eine kleine Zahl der Muslime. Ich hebe hervor: Es gibt, auch in christlichen Bereichen, Leute, die alle Muslime in einen Topf werfen. Das ist falsch. Die überwältigende Zahl der Muslime in Bayern sind friedliebende, tolerante Menschen. Wenn das irgend jemand bezweifeln sollte, dann sage ich Ihnen: Wenn das falsch wäre, hätten wir Zustände wie in Israel oder im Nahen Osten. Die überwältigende Mehrzahl sind tolerante Leute; friedliebende, anständige, tolerante Leute. Aber eine kleine Zahl von Extremisten – die Zahlen habe ich genannt – sind ein Problem, zumal es eine riesige Herausforderung ist, diese Extremisten zu überwachen. Wir tun dafür alles. Ich habe die Maßnahmen auf Seite 5 ff. meines Manuskripts im Einzelnen dargestellt, will es aber hier noch etwas detaillierter ausführen.
Selbstverständlich kümmern wir uns um die Moscheen in Bayern. Ich sage das in aller Klarheit; ich will nicht irgendwelche Maßnahmen hinter dem Rücken durchführen. Es ist eine sensible Frage, Sicherheitsbehörden in religiöse Räume hineinzuschicken, es ist aber eine Notwendigkeit. Wir haben in Bayern noch keine – anders als Herr Kollege Behrens in Nordrhein-Westfalen – Razzien in Moscheen gemacht, bei der jeder Besucher kontrolliert worden ist; Herr Kollege Behrens hat in zwei Moscheen sämtliche Besucher kontrolliert, mehrere hundert Leute mit großen Resonanzen. Wir haben das noch nicht für notwendig und nicht für zielführend gehalten. Aber ich sage hier: Selbstverständlich kümmern wir uns um die Moscheen in Bayern. In dem Augenblick, in dem klar ist, dass Toleranz gelehrt und gepredigt wird, kümmern wir uns weiter nur noch um die Frage der Sicherheit der Moscheen gegenüber ausländerfeindlichen Übergriffen. Wir haben allen angeboten, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen und wir haben Sicherheitsgespräche geführt. Wir haben aber gleichzeitig in den Fällen, bei denen wir gehört haben, dass es um Fundamentalismus, vielleicht auch um Fanatismus, geht, einen Beobachtungsauftrag an den Verfassungsschutz erteilt. Ich empfehle allen Kolleginnen und Kollegen die Lektüre des bayerischen Verfassungsschutz
berichtes. Wir führen solche Maßnahmen nicht hinter dem Rücken der Öffentlichkeit durch, sondern wir führen sie in dem Bewusstsein durch, dass es eine zwingende demokratische Aufgabe ist, derartige gefährliche Strömungen zu verfolgen, um Gefahren sehen und erkennen zu können. Wenn wir Fanatiker erkennen, ist das Landesamt für Verfassungsschutz gefordert. Wenn wir erkennen, dass in Hinterzimmern über gewaltbereites Vorgehen geredet wird, sind auch polizeiliche Maßnahmen erforderlich.
Ich sage diesem Hohen Haus, dass die Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden in diesem Bereich extrem sind. Wer meint, man habe eine echte Chance, Polizeibeamte unter einer Legende als verdeckte Ermittler in die Kreise der Islamisten hineinzubringen, täuscht sich. Es wird auf 20, 50 Meter erkannt, dass eine solche Person ein Mitglied unserer Gesellschaft ist und nicht in das Milieu hineinpasst. Die Anwerbung von V-Leuten versuchen wir natürlich, sie ist aber mit großen Fragezeichen zu versehen. Die Loyalität uns gegenüber ist nicht von vorne herein so hoch wie die Loyalität den eigenen Islamisten gegenüber. Die Gefahren, die damit verbunden sind, will ich deutlich herausstellen, weil ich nicht bereit bin, etwaige Folgen allein auf meinen Rücken zu nehmen. Wenn ein V-Mann einen Befehl bekommt, zum Beispiel in den Jemen oder den Sudan zu fahren, und es würde dort erkannt, dass er mit uns zusammenarbeitet, dann ist sein Leben in Gefahr. Trotzdem haben wir die Aufgabe, Personen anzuwerben und zu versuchen, dadurch Informationen zu erhalten. Wir erleben dabei allerdings auch, dass die Information eines Einzelnen nicht immer eine hundertprozentige Gewissheit für die Wahrheit ist. Wir werden manchmal mit arabischen Geschichten aus Tausendundeiner Nacht bedient. Deswegen ist es besser, zwei oder drei Informanten zu haben als nur einen. Wir machen das, weil es notwendig ist und weil es ein gesetzlicher Auftrag ist.
Wir haben selbstverständlich auch die Möglichkeiten der Telefonüberwachung in umfangreicher Weise genutzt. Soweit es eine Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, läuft es über den Schreibtisch des Kollegen Schmid an mich zur Abzeichnung. Wir haben die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Ich will dem Parlament aber auch sagen, dass es mit großen Schwierigkeiten und Kosten verbunden ist. Die Dolmetscher, die das Ganze begleiten, müssen zuverlässig sein. Wir müssen sicherstellen, dass sie nicht aus dem Milieu kommen und keine Kontakte in dieses Milieu haben. Selbst wenn wir die Übersetzung haben, ist nicht immer gesagt, was die übersetzten Worte bedeuten. Ich habe vor wenigen Tagen eine lange Ausarbeitung auf meinem Schreibtisch gehabt, wonach ein Betreffender, den wir überwacht haben, am Telefon gesagt hat, Allah habe eine bestimmte andere Person verflucht. Jetzt wird von meinen Islamwissenschaftlern untersucht, ob das nur eine allgemeine Unmutsäußerung ist – so wie wir „den soll der Teufel holen“ sagen, wenn wir uns ärgern – oder ob es sich um einen Mordbefehl handelt, wie er beispielsweise bei Salman Rushdi erteilt worden ist, weil er über Allah gelästert hat.
Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Diesen Herausforderungen haben wir uns zu stellen und ich sage in aller Deutlichkeit: Wir stellen uns diesen Herausforderungen. Ich nehme für uns in Anspruch, dass wir an der Spitze aller Länder stehen; wir sind die Markt
führer bei der inneren Sicherheit. Wir sind an den Entwicklungen am nächsten dran. Wer aber meint, es gebe eine Garantie, wirklich alle gefährlichen Strömungen zu erkennen, der verkennt die Problematik von al-Qaida. Es ist nicht – so wie wir es am liebsten hätten – eine feste Organisation mit strikten Zuständigkeiten, wie sie ein Ministerium oder eine Polizeidienststelle hat, mit Personalmitgliedschaften und strikten bürokratischen Korrektheiten, sondern es ist ein Netzwerk, das dadurch geprägt ist, dass man sich gegenseitig kennt und Handlungen von kleinen Grüppchen ausgeführt werden, bei denen keine vereinsrechtlichen Formalien eingehalten werden. Das Netzwerk kennt keine Wahlen und wird nicht registerrechtlich überwacht; es ist ein Netzwerk bis hin zu Einzelkämpfern von „non-aligned“ - nicht angebundenen Mudschaheddin, wie wir im Fachjargon sagen -, die sozusagen auf eigene Faust eigene Ideen umsetzen. Das ist unser Szenario und in diesem Szenario arbeiten wir mit allen Möglichkeiten, die der Rechtsstaat uns gibt, aber auch unter voller Beachtung der Grundsätze des Rechtsstaats. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei und des Verfassungsschutzes. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Wir schützen durch unser Vorgehen sowohl die Freiheitsrechte als auch die Sicherheitsrechte. Beides ist für uns in engstem Zusammenhang zu sehen.
Wir haben in Bayern nach der Rasterfahndung, die wir nach dem 11. September in allen Ländern mit der gleichen Zielsetzung durchgeführt haben, eine weitere Organisation aufgebaut, die wir für besonders wichtig und zielführend halten; eine besondere Aufbauorganisation zur Aufklärung krimineller islamistischer Strukturen, „AKIS“. Wir haben nämlich festgestellt, dass der Tätertyp Atta in Hamburg und New York nur ein Tätertyp ist, aber dieser Tätertyp nicht automatisch auf alle anderen Tätertypen schließen lässt. Wir stellen beispielsweise fest, dass eine ganze Reihe von denen, die gewaltbereit sind, zum Beispiel dadurch in Erscheinung treten, dass sie Personen in illegaler Weise nach Deutschland holen, zum Teil als Schleuser Geld verdienen und zum Teil am Rauschgifthandel beteiligt sind. Die Taliban in Afghanistan haben hierzu immer eine besondere Nähe gehabt. Wir stellen fest, dass auch allgemein kriminelle Verhaltensweisen einer Überprüfung in Richtung islamistischer Bezüge durchaus zugänglich sein müssen. Wir haben in einer mittelgroßen bayerischen Stadt am Rande einer Moschee eine quasi halblegale bzw. illegale Reisebürotätigkeit festgestellt, mit Einreisen nach Deutschland zum Zwecke der Asylantragstellung und Ausreisen, vielleicht auch zum Dschihad. Um das ganze zu ermöglichen, gibt es noch eine Art Heiratsvermittlung, damit die Personen, die hierher kommen, sich ein Aufenthaltsrecht erheiraten können durch Eingehen einer Ehe, bei der der Nachweis der Scheinehe schwierig ist, weil es in dem Milieu nicht ganz selten ist, dass man nicht erst nach monatelangen Liebesbeziehungen oder wenigstens einer intensiven Liebesnacht heiratet, sondern unter Umständen verheiratet wird, wie es auch bei unseren Großeltern noch gang und gäbe gewesen ist.
(Zurufe von den GRÜNEN – Christine Stahl (GRÜNE): Wissen Sie überhaupt Bescheid? – Heiterkeit bei den GRÜNEN)
Ich entschuldige mich für die Bemerkung. – Das Strategische Innovationszentrum der Bayerischen Polizei wurde als Wissensverbund von hochqualifizierten Akademikern und Polizeipraktikern eingerichtet, um an diese Phänomene heranzukommen. Beim Landesamt für Verfassungsschutz wurden Islamwissenschaftler eingestellt. Wir beschäftigen uns auch mit einer internationalen Analyse, um fortlaufend Erkenntnisse zu neuartigen Kriminalitätsphänomenen sowie zu modernsten Einsatztechnologien zu gewinnen. Wir arbeiten deswegen, was für eine Länderpolizei ungewöhnlich ist, mit Scotland Yard in Großbritannien zusammen, um an allen europäischen Entwicklungen teilzuhaben und die Sicherheit zu verstärken.
Wir fordern ein Sicherheitspaket III. Ab Seite 8 sind die Maßnahmen im Einzelnen dargestellt. Ich will drei Forderungen herausarbeiten, die ich für unabdingbar halte. Erstens. Wir müssen die Möglichkeit haben, gewaltbereite extremistische Ausländer, die eine Sicherheitsgefahr für Deutschland bilden, konsequent auszuweisen. Ich verweise auf den Fall des Marokkaners Mzoudi in Hamburg, wo es nicht zu einer Verurteilung gereicht hat, weil die Amerikaner einen Zeugen, dessen Anhörung im Beweisantrag verlangt wurde, nicht zur Verfügung gestellt haben. Deswegen hat der Richter in seiner Entscheidung gesagt, dass alle Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass der Betreffende Mitglied der Terrorzelle der al Qaida in Hamburg gewesen sei und mit der Vorbereitung befasst gewesen sei, aber ein hundertprozentiger Beweis liege nicht vor, und deswegen sei der Grundsatz „in dubio pro reo“ anzuwenden gewesen. Deswegen wurde der Mann freigelassen. Ich beklage nicht, dass der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt. Das Urteil mag richtig sein; es ist nicht meine Aufgabe, es zu kommentieren. Es ist aber ein falsches Recht, wenn sich ein Mann, von dem ein Richter sagt, er sei höchstwahrscheinlich ein gefährlicher Terrorist, in Deutschland frei bewegen kann und allenfalls deswegen ausgewiesen wird, weil er an der Fachhochschule 16 Semester Maschinenbau studiert hat und damit als Bummelstudent gilt. Deswegen kann er vielleicht ausgewiesen werden, aber nicht deswegen, weil er Terrorist ist. Das muss geändert werden.
Ich bin Herrn Schily dafür dankbar, dass er die Anregung aufgenommen hat, zur Beweiserleichterung eine besondere Ausweisungsmöglichkeit zu schaffen. Nach der Vorstellung von Herrn Schily kann das lediglich durch den Bundesminister des Inneren geschehen: Wenn der Bundesminister erklärt, dass jemand eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, soll diese Person ausgewiesen werden können. Der Grundgedanke ist richtig. Ich halte es auch für vernünftig, da nur einen verkürzten Rechtsschutz durch eine Instanz vorzusehen. Ich fordere allerdings, dass nicht nur der Bundesinnenminister eine solche Möglichkeit hat, sondern auch die Landesinnenmi
nister; denn wir verfügen über Sachnähe, wir führen die Überwachung im Einzelnen durch und müssen die Überwachungsmöglichkeiten verantworten. Wir kennen auch die Situation besser als der Bund, der sich nur auf Erkenntnisse des Landes stützen kann. Deswegen brauchen wir eine derartige Ausweisungsmöglichkeit.
Im Rahmen der Beratung des Zuwanderungsgesetzes befinden wir uns in intensiven Gesprächen, die noch nicht abgeschlossen worden sind. Ich werde dem Landtag selbstverständlich in gebührender Weise berichten, sobald die Gespräche abgeschlossen sind. Ich will dem Parlament eindeutig sagen: Es ist die Haltung der Bayerischen Staatsregierung, dass einem Zuwanderungsgesetz nur dann zugestimmt wird, wenn die sicherheitsrechtlichen Möglichkeiten deutlich verbessert werden, gewaltbereite Ausländer abzuschieben. Wenn das nicht kommt, wird es mit uns kein Zuwanderungsgesetz geben.
Zweitens. Die Regelanfrage im Verfassungsschutz ist nicht nur bei der Einbürgerung notwendig, sondern auch bei Gewährung eines unbefristeten Aufenthaltsrechts für Ausländer. Wenn man den Aufenthalt verfestigt, muss man wissen, dass man nicht den Falschen ein Daueraufenthaltsrecht gibt. Wir brauchen die Möglichkeit der Speicherung der ethnischen Zugehörigkeit im AZR. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir wissen, ob jemand irakischer Kurde oder irakischer Schiit ist, weil die Gefährdungsbewertung unter Umständen dann jeweils anders ist.
Bereits im Visumsverfahren sind umfassende Maßnahmen der Identiätssicherung erforderlich. Ich halte den „Volmer-Erlass“, bei dem der Grundsatz „in dubio pro libertate“ gilt, für völlig falsch. Es muss im Gegenteil gelten, dass derjenige, der eine Sicherheitsgefahr darstellt, keine Einreisemöglichkeit erhält. Ich halte es ausdrücklich für gut, dass der Bundesinnenminister einem weltbekannten Hodscha die Einreise verweigert hat, weil dieser Mann immer wieder zur Gewalt, auch zur Gewalt gegen Israel aufgerufen hat. Wer Selbstmordattentate für gerechtfertigt hält und dazu aufruft, ist in Deutschland nicht willkommen; der soll draußen bleiben.
Ich sehe mich übrigens in dieser Meinung von der überwältigenden Mehrzahl der toleranten Muslime bestätigt, die mich nachdrücklich dabei unterstützen, hier eine ganz klare Linie zu ziehen. Sie befürchten nämlich, dass bei einer Grauzone Leute fanatisiert werden. Der Islam hat nicht die gleichen Lehrautoritäten wie die katholische Kirche oder unsere evangelische Kirche, sondern diese Religion ist individualistisch aufgebaut. Dadurch besteht eine größere Gefahr von Sektenbildung und Sektiererei. Deshalb muss in solchen Fällen klar gesagt werden können, dass der Betreffende nicht ins Land kommen kann.
Drittens. Bei der Visumerteilung, insbesondere für Ausländer aus Gefährderstaaten, ist die eindeutige Kennzeichnung über die Biometrie überfällig. Die Bundesregierung hat das zwar für den 1. Januar 2003 angekündigt, aber bis
heute nicht eingeführt. Ich räume allerdings ein, dass die Schwierigkeiten zum Teil durch Europa bedingt sind, aber es hätte schneller gehen müssen. Die Amerikaner sind hier deutlich weiter. Das ist deswegen so notwendig, weil die Übertragung von Namen zum Beispiel aus dem arabischen oder dem chinesischen Sprach- und Schriftraum in lateinische Schrift und in unser Computersystem mit hohen Ungewissheiten verbunden ist. Wir haben zwar im Polizeibereich ein eigenes Softwaremodul, mit dessen Hilfe die abweichenden Schreibweisen nach einem einheitlichen Raster – die arabische Schrift ist in der Regel nicht voll vokalisiert – wieder zusammengeführt werden. Dieser Konverter unterstützt uns auch insoweit, als für eine Person eine große Anzahl verschiedener Namensschreibungen in den Dateien vorhanden ist; denn es genügt, dass ein Komma, ein Punkt, ein Bindestrich oder ein einziger Buchstabe nicht stimmt, sodass die Suchmaschine den Betreffenden nicht findet. Deswegen brauchen wir eine biometrische Erfassung, um eindeutige Kennzeichen zu haben und Sicherheitslücken zu vermeiden.
Wir brauchen – das ist ein zentraler Punkt – einen verbesserten Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden. In Deutschland wird eine breite Diskussion darüber geführt, ob man zentralisieren muss. Auch Herr Kollege Rüttgers aus den eigenen Reihen hat die Diskussion in Gang gebracht, nachdem er dargestellt hat, dass sich circa 36 oder 37 Behörden mit dem Kampf gegen den islamistischen Terror beschäftigen würden. Es handelt sich dabei um die Landesämter für Verfassungsschutz, die Landeskriminalämter und die zuständigen Bundesbehörden. Ich sage Ihnen klar: Ich bin ein strikter Gegner einer Zentralisierung in Bundesbehörden. Das wäre kein Sicherheitsgewinn.
Wir haben in anderen Bereich mit zentralistischen Superbehörden schlechte Erfahrungen gemacht. Ich verweise auf die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Dazu wurde gesagt, dass Vorgänge, die vor Ort entschieden werden können, vor Ort auch besser geregelt werden können als in zentralistischer Weise.
In Köln oder in Berlin weiß man nicht besser als in Schweinfurt, Neu-Ulm, München oder Nürnberg, ob im Nebenzimmer einer Moschee zur Gewalt aufgerufen wird. Was dezentral erhoben werden muss, ist in einer dezentralen Organisation besser aufgehoben, wenn die Information eindeutig ist und völlig frei ausgetauscht wird. Diesbezüglich haben wir Mängel. Die Mängel haben nicht mehr denselben Umfang wie im Falle des NPD-Verbotes.
Ja, ich spreche das an. Die Mängel sind nicht mehr im selben Umfang vorhanden wie im Falle des NPD-Verbotes. Die Situation hat sich deutlich verbessert; das will ich ausdrücklich sagen. Zum Teil waren die Mängel im Fall des NPD-Verbotes auch darauf zurückzuführen, dass schlichtweg ein Misstrauen in die Behörden vorhanden war. Die Informationen wurden teilweise schneller an die Presse als an andere Behörden weitergegeben. Teilweise wurde man ja von den zuständigen Redakteuren des „Spiegel“ genauer informiert als mit den Mitteilungen, die offiziell weitergegeben worden sind.
Vieles ist besser geworden, aber wir brauchen eine weitere Verbesserung. Ich weiß, dass es den einen oder anderen stören wird, aber trotzdem sage ich: Wir brauchen eine Zentraldatei über den islamistischen Terrorismus, in der die Erkenntnisse aller Sicherheitsbehörden gemeinsam gespeichert werden, also vom Bundesnachrichtendienst, von den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, vom Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern, vielleicht auch noch vom Militärischen Abschirmdienst, dem MAD. Mit einer automatischen Vernetzung muss sichergestellt sein, dass eine Sicherheitsbehörde, die etwas über einen islamistischen Terroristen erfährt, auch über die Erkenntnisse einer anderen Behörde informiert wird. Wenn wir im Landeskriminalamt Erkenntnisse über einen gewaltbereiten Islamisten in Bayern erhalten, dann ist es heutzutage völliger Zufall, ob wir erfahren, dass zum Beispiel auch das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg Erkenntnisse über dieselbe Person hat. Das kann nicht richtig sein. In einem solchen Fall muss sofort ein Lämpchen aufleuchten, und dieses Lämpchen besagt: Bei einer anderen Behörde liegen Erkenntnisse vor, und dort kann man nachfragen.