Über das Sparen haben wir heute schon sehr viel gehört. Ihnen, meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, liegt es ja auch enorm am Herzen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es dann auch sinnvoll wäre, an der richtigen Stelle zu sparen. Gerade bei den Sozialpsychiatrischen Diensten sparen Sie ganz bewusst an der falschen Stelle. Sie sparen nicht nur am Menschen, Sie sparen auch riesige Summen ganz bewusst nicht ein, die Sie künftig für Drehtürpsychiatrie und für stationäre Behandlungen werden mit ausgeben müssen.
Das ist im Übrigen auch die „Milchmännchenrechnung“ der Krankenkassen, die glauben, wenn sie sich jetzt aus ihrer so genannten freiwilligen Finanzierung mit 18 % zurückziehen, kommen sie billiger weg. Das ist absolut falsch. Gerade die Krankenkassen werden merken, wie die Gesundheitskosten im Bereich psychiatrischer Versorgung steigen werden.
Aber wir müssen uns hier nicht den Kopf der Krankenkassen zerbrechen. Es bleibt ein Restbetrag von 3 Millionen Euro. Im Vergleich zu den sonstigen Haushaltsansätzen und zu den sonstigen Beträgen, mit denen wir hier jonglieren, ist dies ein ganz geringer Betrag. 3 Millionen an Finanzierung bleiben übrig, die aber dazu dienen würden, psychisch kranken Menschen zu helfen.
Natürlich sind es wieder einmal die Menschen, die keine Lobby haben. Von daher ist es vollkommen verständlich, dass sich der Saal jetzt allmählich leert. Was sollen wir uns auch den Kopf über diese Leute zerbrechen? Möglicherweise wählen sie uns ja noch nicht einmal.
Das Motiv können Sie mir dann anschließend erklären. Es geht hier einfach um Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, und wir sind da offensichtlich nicht so zuständig.
Tatsache ist, dass es möglich wäre, eine Lösung zu finden, wenn sich Bezirke, das Land, Krankenkassen und freie Träger an einen Tisch setzen und überlegen würden, wie die Finanzierung weitergehen kann. Tatsache ist auch, dass man sich im Moment so verhält wie Leute, die zuschauen, wenn ein Kind im Eis einbricht. Der eine sagt: „Du könntest es retten“, und der andere sagt: „Du könntest es auch retten.“ Genauso verhalten sich im Moment die Krankenkassen, die Bezirke, die Träger und das Land. Das ist nicht nur kurzsichtig, nicht nur menschenverachtend, es ist auch fiskalisch dumm.
Gerade aus diesem Grund sind unsere beiden Forderungen mehr als überfällig. Die eine Forderung ist, dass der Freistaat Bayern die Übergangsfinanzierung – die Über
gangsfinanzierung! – der ausfallenden Kosten so lange übernimmt, bis eine tragfähige Lösung gefunden ist. Diese tragfähige Lösung kann an einem runden Tisch, den wir ebenfalls fordern, gefunden werden.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass vor einigen Wochen eine Anhörung des Sozialausschusses zu den sozialpsychiatrischen Diensten stattgefunden hat. Es war wirklich überwältigend, wie Politiker aller Parteien hervorgehoben haben, wie wahnsinnig wichtig diese Sozialpsychiatrischen Dienste sind, wie die Träger uns das erklärt haben und wie die Experten betont haben, dass die Sozialpsychiatrischen Dienste unverzichtbar sind. Wenn es aber so ist, dann sollten wir es nicht bei Worten bewenden lassen, sondern dann sollten wir diesen Worten auch Taten folgen lassen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Angelegenheit der Sicherung der Sozialpsychiatrischen Dienste haben wir schon zum wiederholten Male behandelt, im Ausschuss und auch hier im Plenum. Es geht im konkreten Fall immer wieder um die Finanzen.
Ich gebe noch einmal eine wesentliche Begründung zum Inhalt des Antrags, den die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt hat. In dem Antrag wurde die Staatsregierung aufgefordert, erneut Verhandlungen mit den Krankenkassen aufzunehmen mit dem Ziel, einen 18-prozentigen Finanzierungszuschuss für die sozialpsychiatrischen Dienste zu erreichen. Um ein Wegbrechen der vorhandenen ambulanten Strukturen zu verhindern, soll die Staatsregierung bis zum Vorliegen eines Verhandlungsergebnisses mit den Krankenkassen die Finanzierungslücke zunächst schließen, und dies ist eben das Problem.
Wir haben also in den Ausschüssen diesen Antrag bereits behandelt. Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik und auch der mitberatende Ausschuss für den Staatshaushalt und Finanzfragen haben diesen Antrag abgelehnt. Ganz kurz erwähne ich noch einmal die wesentlichen Gründe für die Ablehnung. Auslöser war die Unsicherheit über die zukünftige Finanzierung dieser Dienste, und zwar deswegen, weil die Krankenkassen Ende des Jahres 2002 den Ausstieg aus der freiwilligen Mitfinanzierung dieser Dienste erklärten. Der fehlende Kostenbeitrag der Krankenkassen von rund 20 % wurde im Jahr 2003 zumindest von einigen Bezirken, die bislang schon etwa 80 % der Kosten für diese Dienste tragen, übernommen. Für 2004 sehen sich die Bezirke jedoch nicht mehr in der Lage – und wir kennen die finanzielle Situation der Bezirke –, diese Kosten zu übernehmen.
Unsere Ministerin war in dieser Richtung ebenfalls tätig und hat inzwischen auch mit Anschreiben erreicht, dass mittlerweile zwischen Krankenkassen und Wohlfahrtsverbänden eine Rahmenvereinbarung zur Soziotherapie geschlossen wurde, die es den sozialpsychiatrischen Diensten ermöglicht, in Zukunft zumindest einen Teil ihrer Kos
ten über die Erbringung dieser Leistungen abzurechnen. Dennoch wird infolge des Ausstiegs der Krankenkassen aus der freiwilligen Mitfinanzierung eine Lücke bleiben. Vonseiten des Staates besteht keine Möglichkeit, diese Lücke zu schließen. Dem stehen ordnungspolitische und auch finanzpolitische Gründe entgegen. Ein Einspringen des Freistaats Bayern in die entstehende Finanzierungslücke kommt also nicht in Betracht, und auch die Bezirke sehen sich nicht in der Lage, das weiter zu finanzieren.
Ich zitiere jetzt aus einem Schreiben vom 31. März, welches unsere Ministerin an die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern gerichtet hat und das die Finanzierung dieser Dienste zum Inhalt hat. Ich zitiere einige Punkte aus diesem Schreiben. Falls die Ministerin noch etwas ergänzen will, kann sie das später tun. Im Schreiben vom 26. September hat die Arge der Krankenkassenverbände die Notwendigkeit der sozialpsychiatrischen Dienste anerkannt und ist bestrebt, deren Struktur zu erhalten. Da sind wir alle einer Meinung.
Am 1. November 2003 ist eine Rahmenvereinbarung über die Vergütung von Leistungen der Soziotherapie in Kraft getreten, und wir betrachten das als einen wichtigen Schritt. Man hat jedoch auch in den letzten fünf Monaten Erfahrungen gesammelt, und es hat sich herausgestellt, dass die Vergütung der Soziotherapie nicht als Königsweg angesehen werden kann, um die Finanzierung dieser Dienste auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, dass erstens nur ein Teil der Dienste die Zulassungskriterien erfüllt, dass zweitens nur wenige Klienten für die Soziotherapie in Frage kommen, dass drittens zu wenige Ärzte zur Verordnung der Soziotherapie zugelassen sind und dass schließlich der ausgehandelte Vergütungssatz – das ist eine Ansicht der Wohlfahrtsverbände – nicht kostendeckend ist. Sie sehen also, zusammenfassend: Der Bayerische Landtag hat sich aufgrund mehrfacher Anhörungen mit der Finanzierungsproblematik befasst und an die Krankenkassen und die Bezirke appelliert.
Wir stehen immer noch in der Situation, dass diese Lücke der Finanzierung nicht geschlossen werden kann. Ich bin überzeugt, dass unsere Ministerin weiterhin am Ball bleibt, damit wir diese Dienste auch für die Zukunft sichern können.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es ist ein Armutszeugnis, dass wir hier schon wieder über dieses Thema reden müssen, weil Sie, im Wesentlichen die Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion und der Staatsregierung nicht in der Lage sind, über Ihren Schatten zu springen und zu agieren.
Frau Matschl, durch Wiederholung werden die Dinge nicht richtiger. Sie wissen doch genauso wie wir, dass die Soziotherapie eben genau keine Möglichkeit ist. Wenn Sie es uns schon nicht glauben, dann glauben Sie es wenigstens dem Verband der Bezirke und anderen Menschen, die Ihnen dies ganz klar schriftlich und mündlich mehrfach vorgetragen haben.
Die SPD-Fraktion im Landtag fordert seit langer Zeit, leider vergeblich, die Fortschreibung des Psychiatrieplans. Was bisher auch nicht passiert ist, ist die Einlösung der Zusage, endlich das überfällige bayerische Psychiatriegesetz auf den Weg zu bringen. Jetzt stehen wir, was die ambulanten Dienste anbelangt, vor einem Scherbenhaufen. Besonders vor dem Hintergrund, dass für den stationären Bereich die Gelder massiv gekürzt worden sind, ist mir nicht klar, wie Sie die Versorgung in der Zukunft gewährleisten wollen.
Auch Sie haben immer wieder betont, wie wichtig diese Dienste sind, und ich habe Ihnen auch schon mehrfach gesagt und wiederhole es noch einmal: Mit Goodwill-Erklärungen und mit Beteuerungen ist weder den Menschen, die diese Dienste in Anspruch nehmen, gedient noch denen, die dort arbeiten. Es geht um 3 Millionen Euro im Jahr 2004, und ich weiß nun wirklich nicht, was dagegen spricht, diese zur Verfügung zu stellen, außer diesem „hehren“ Sparziel für die Bewerbung des Ministerpräsidenten um die nächste Kanzlerkandidatur.
Sie wissen genau wie wir, dass bereits Dienste geschlossen wurden – vor allen Dingen in Schwaben – und dass ihre personelle Auszehrung auch in anderen Bezirken angefangen hat; das betrifft vor allem Ärzte- und Psychologenstellen. Die Regelung hat einen massiven qualitativen Einfluss auf die Dienste, deren Qualität sinkt. Das können Sie doch nicht ernsthaft wollen.
Auf Antrag der SPD-Fraktion haben wir letzten Monat zu diesem Thema eine Anhörung durchgeführt. Auch Ihnen ist dort von allen beteiligten Seiten die Dringlichkeit des Erhalts dieses Angebots nochmals vor Augen geführt worden. Es ist ein unerträgliches Geschacher auf dem Rücken der betroffenen Patientinnen und Patienten, das Sie billigend in Kauf nehmen.
Auch die enorm hohen Folgekosten, die dadurch anfallen werden, dass diese Leute in der stationären Psychiatrie aufgefangen werden müssen, nehmen Sie billigend in Kauf. Ich kann nur nochmals dringend an Sie appellieren, diesem Antrag zuzustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Deswegen können wir jetzt noch zur Abstimmung kommen. Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt die Ablehnung dieses Dringlichkeitsantrags der GRÜNEN. Wer für die Ablehnung dieses Antrags ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer dagegen ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CSU-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der GRÜNEN abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten bis 18.00 Uhr eingeladen; die Zeit ist um. Ich schließe die Sitzung und lade für morgen, 9.00 Uhr, wieder ein.