Herr Huber, ist Ihnen bekannt, dass die Zusatzstoffe Vitamine und Enzyme in geschlossenen Systemen mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden und damit die Gefahr der Ausbringung in die Umwelt, die nicht rückholbar ist, in weitaus geringerem Maße besteht?
Frau Paulig, das ist mir selbstverständlich bekannt. Ich wollte genau diesen Aspekt auch noch ansprechen. Wir sehen bei der grünen Gentechnik gerade einen anderen Aspekt. Weil Organismen in die freie Natur ausgebracht werden, wird die Gefahr der Auskreuzung, der Vermischung mit natürlichen Pflanzenarten oder solchen, die zur landwirtschaftlichen Produktion verwendet werden, befürchtet. Sie bringen den ökologischen Aspekt ein. Das ist legitim; darüber muss man reden. Kollege Müller, der jetzt leider nicht mehr da ist, hat vorhin den wirtschaftlichen Aspekt angesprochen, der auch bei patentierten Sorten gilt, die nichts mit Gentechnik zu tun haben. Soweit ist die Betrachtung vollkommen legitim.
Nun komme ich zu Ihrem Antrag auf Drucksache 15/80. Ich will der Reihe nach auf die verschiedenen Ziffern des Antrags eingehen. Er trägt die Überschrift „Gentechnikfreies Bayern“. Diese Überschrift ist falsch; denn man kann eine gentechnikfreie Zone allenfalls in der Sahara oder in Sibirien einrichten, wo keine Menschen wohnen. Überall, wo es Apotheken und Lebensmittelläden gibt, wird man mit irgendwelchen gentechnischen Produkten konfrontiert werden. Daran hat sich jeder gewöhnt; darüber brauchen wir uns keine Gedanken zu machen.
Es wird uns nicht gelingen, die Entwicklung zurückzuschrauben. Was Sie meinen – ich habe mir erlaubt, das zu korrigieren, und die Ausschüsse haben dabei mitgemacht –, ist eine gentechnikfreie Anbauzone.
In Ziffer eins fordern Sie einen legislativen Rahmen, der den Anbauverzicht gentechnisch veränderter Pflanzen garantiert. Das ist bei dem derzeitigen EU-Recht absolut unmöglich. Das Einzige, was man tun kann – darin stimmen wir Ihnen zu; das wollen wir selbst –, ist die organisatorische Unterstützung freiwilliger Maßnahmen. Hier sind wir dabei. Deswegen lautet unsere Formulierung:
Die Staatsregierung wird aufgefordert zu prüfen, inwieweit die Einrichtung gentechnikfreier Anbauzonen auf freiwilliger Basis durch die Schaffung eines organisatorischen Rahmen unterstützt werden kann.
Wunderbar, darüber freue ich mich. Sie sehen, dass ich lernfähig bin. – Die Ziele, die wir in unseren Anträgen verfolgen wollen, habe ich heute auch von Ihnen gehört. Ich bitte Sie, die Gesetzeslage zur Kenntnis zu nehmen: In Deutschland sind 30,5 Tonnen Bt-Mais zur Ausbringung zugelassen. Das hat Frau Künast gebilligt. Mit der Genehmigung hat sie nicht verbunden, dass irgendjemand erfährt, wo das geschieht. Das will ich hier ganz klar heraus
stellen. Wir wollen – Sie können die Anträge der CSUFraktion aus dem Umweltausschuss nachlesen – eine Anzeigepflicht, um zu erfahren, wo diese Ausbringung stattfindet. Wir wollen diese Ausbringung, die wir wegen der gesetzlichen Regelungen nicht verhindern können, wissenschaftlich begleiten. Wir wollen – das betrachte ich als einen der wichtigsten Punkte – nicht irgendwelche rechtlichen Hürden aufbauen, die den Anbau unmöglich machen, sondern wir wollen klare Regeln dafür,
unter welchen Bedingungen in Bayern welche Kulturen als gentechnisch veränderte Organismen anbaubar sind und welche nicht. Um das entscheiden zu können, brauchen wir wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen. Deshalb wollen wir diese unvermeidbaren Ausbringungen wissenschaftlich begleiten.
Nun zu Ihrem ganz besonders dringlichen Dringlichkeitsantrag von gestern Nachmittag, der mich erst gestern um 16.30 Uhr erreicht hat. Mich verwundert ein bisschen, warum es jetzt auf einmal so pressiert. Die einschlägige EU-Richtlinie stammt aus dem Jahr 2001. Die Umsetzung war für Oktober 2002 vorgesehen. Deutschland wurde im Oktober 2003 wegen Nichtumsetzung verklagt. Die Anhörung der Verbände und Beteiligten erfolgte im Februar 2004, und der Bundesrat hat sich an Anfang April 2004 damit befasst und erklärt, dass er sich diesem Antrag nicht mit wehenden Fahnen anschließen werde, sondern das vernünftig diskutieren wolle. Dabei handelt es sich nicht, wie Sie das hier geschrieben haben, um eine rein politisch bedingte Blockade. Das ist sachlich nicht richtig. Wenn Sie die Anträge der CSU aus der letzten Zeit verfolgen, werden Sie die Bemühungen der CSU um verantwortliche Lösungen nachvollziehen können. Wir wollen uns aber von ideologisch begründeten Zweifeln nicht dazu bringen lassen, die Zukunftschancen dieser für die Menschheit wirklich nutzbringenden Technologie zu zerstören.
Ich bin mit Ihnen darin einig, dass wir jetzt irgendwann einmal klare gesetzliche Regelungen bekommen sollten. Wir brauchen zunächst einmal eine verlässliche, transparente und durchgängige Kennzeichnung. Mir wäre es vollkommen recht – ich weiß nicht, ob dabei alle aus meiner Fraktion mitgehen –, wenn alles gekennzeichnet würde, wie das in der Schweiz ist. Dort wird auch noch ein Enzym, das einem Waschmittel zugefügt ist, gekennzeichnet. Damit hätte ich überhaupt keine Probleme.
Dann müssten auch gentechnisch produzierte Medikamente gekennzeichnet werden. Sie werden dann sehen, dass die Bevölkerung derlei Dinge differenziert betrachtet. Womöglich spricht innerhalb kurzer Zeit niemand mehr darüber.
Des Weiteren brauchen wir klare Vorgaben für die Koexistenz. Um dabei voranzukommen, benötigen wir wissenschaftliche Erkenntnisse und keine rechtlichen Vorgaben, die lediglich ein ideologisches Werkzeug zur Verhinderung sind. Das ist wirklich ein schwieriges Thema, weil es stark
emotional belastet ist. Deshalb sollte man dem Bundesrat Zeit geben, dieses Thema besonnen zu diskutieren, wie es auch bei anderen demokratischen Abläufen üblich ist.
Sie sollten das nicht gleich emotional als Blockade bezeichnen. Die Frage lautet, warum die Staatsregierung in diesen Verhandlungen so reagiert hat. Ich nehme an, dass sich die Staatsregierung zu den Gründen selbst äußern wird.
Das weiß ich schon, ich bin aber nicht befugt, für die Staatsregierung zu sprechen. Ich befinde mich nämlich auf der Seite der Legislative. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit der Aussage schließen, dass wir bei aller Kontroverse der Diskussion miteinander das Ziel verfolgen sollten, einen verantwortungsbewussten Weg zu suchen, um mit der vielversprechenden Technologie so umzugehen, dass wir von unseren Nachkommen nicht irgendwann einmal Vorwürfe zu hören bekommen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um die Gentechnik hat immer wieder dieselbe Faszination. Ich kann sagen: Wir führen permanent eine Fundamentaldebatte, eine Schwarz-Weiß-Debatte. Das
brauchen wir nicht mehr. Die Europäische Union hat Fakten gesetzt, und mit diesen Fakten müssen wir uns auseinander setzen. Gentechnik ist heute Realität. Wir können diskutieren, was wir wollen, schwarz-weiß oder nicht schwarz-weiß – wir haben die Gentechnik, und wir müssen uns mit den Tatsachen in der Europäischen Union und weltweit, aber auch in Deutschland und in Bayern auseinander setzen. Die Grundlagen für das De-facto-Zulassungsmoratorium in der Europäischen Union sind mit der Schaffung umfangreicher rechtlicher Regelungen entfallen. Das muss ich in aller Deutlichkeit sagen. In nächster Zukunft ist wieder mit der Zulassung gentechnisch veränderter Produkte zu rechnen. Weltweit fand im Jahr 2003 auf 68 Millionen Hektar ein Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen statt. Die Fläche Deutschlands beträgt 36 Millionen Hektar. Sieben Millionen Landwirte in 18 verschiedenen Ländern setzen auf die grüne Gentechnik, davon 85 % Kleinbauern in Entwicklungs- und Schwellenländern.
In der Europäischen Union sieht es folgendermaßen aus: In Spanien wird auf 32 000 Hektar transgener Mais angebaut. Die englische Regierung hat dem kommerziellen Anbau transgener Sorten zugestimmt. Es geht um die
Ich möchte jetzt aber auf Ihre Anträge eingehen. Man muss schon klar unterscheiden, worüber man redet, Frau Paulig. Wir sprechen hier über zwei verschiedene Gesetzgebungsverfahren. Zum einen sprechen wir über die Kennzeichnung und über die Rückverfolgbarkeit, zum anderen sprechen wir über die Freisetzungsrichtlinie, die von der Europäischen Union gekommen ist.
Was die Kennzeichnung von Lebensmitteln und Futtermitteln anbelangt, kann ich ganz einfach nur sagen: Auch wir als CSU sehen die Notwendigkeit und die Eilbedürftigkeit, weil die Kennzeichnungsvorschriften ganz klar und europaweit eine Kennzeichnung ab 18. April 2004 vorsehen. Das ist in Kraft getreten. Das ist eine Verordnung, an der wir nichts zu rütteln haben. Im Januar 2004 haben wir auf Bitte des Bundeskanzleramtes einer verkürzten Behandlung im Bundesrat zugestimmt. Wir wollen die Wahlfreiheit der Verbraucher haben, und wir wollen eine klare Kennzeichnung haben. Wir wollen Informationen für den mündigen Verbraucher, für den informierten Verbraucher haben. Das bedeutet auch, dass wir den definierten 0,9-%Schwellenwert umsetzen wollen. Wir wollen auch die Rückverfolgbarkeit. Das sind die Dinge, die wir letztendlich auf den Weg bringen wollen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat erhebliche Mängel, z. B. derzeit keine Länderinformationen aus laufenden Zulassungsverfahren von neuen transgenen Organismen. Dies ist für uns unerträglich, da wir anschließend den Vollzug überwachen müssen. Es fehlt eine Rechtsgrundlage im nationalen Futtermittelrecht zur Ahndung von nach EU-Gentechnikrecht nicht oder falsch gekennzeichneten Futtermitteln. Eine Änderung des nationalen Futtermittelgesetzes ist erforderlich. Die Übertragung der Zuständigkeiten im Zulassungsverfahren vom Umweltbundesamt auf das Bundesamt für Naturschutz ist ebenfalls absoluter Unsinn, weil die Kompetenz beim Umweltbundesamt liegt. Die Änderungsvorschläge des Bundesrates sind nicht übernommen worden; das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. Deshalb ist das Ganze im Agrarausschuss des Bundesrates – liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss man sich wirklich einmal anhören – ohne Gegenstimme abgelehnt und die Anrufung des Vermittlungsausschusses gefordert worden. Kein Land hat dagegen gestimmt. Sie, die Rot-Grünen, hätten sich doch einmal zu Wort melden können, Frau Paulig. Es kam keine Gegenstimme.
Die Bundesregierung kann jetzt im Vermittlungsausschuss die Fehler korrigieren, und sie trägt auch die Verantwortung für ein baldiges In-Kraft-Treten der Sanktionsregelungen. Ich möchte auch deutlich zum Ausdruck bringen: Unsere amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung in Bayern überprüft neue Kennzeichnungsvorschriften auch ohne ein verabschiedetes Gesetz.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, was ich dem Protokoll der Bundesratssitzung vom 2. April 2004 entnehmen kann, dass nämlich die beiden Gesetzespakete, die Umsetzung der drei Verordnungen zum Gentechnikgesetz und die Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie, nur mit Mehrheit in den Vermittlungsausschuss überwiesen worden sind?
Frau Paulig, jetzt möchte ich ganz gerne auf die zweite Geschichte, auf den deutschen Sonderweg eingehen. Frau Künast hat die 1 1⁄2-jährige Umsetzungsfrist für die EU-Freisetzungsrichtlinie untätig verstreichen lassen und fast drei Jahre für einen Gesetzentwurf gebraucht, der völlig unzureichend ist. Ich sage dazu: Das ist ein Gentechnik-Verhinderungsgesetz.
Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Aus diesem Grunde hat sie zur derzeitigen Rechtsunsicherheit in unserem Lande beigetragen, und deshalb gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission seit Oktober 2003 auch gegen Deutschland. Das muss man sich einmal vorstellen. Das ist unhaltbar. Die Europäische Union hat weltweit die strengsten rechtlichen Anforderungen auf den Weg gebracht. Das EU-Zulassungsverfahren garantiert Sicherheit für Mensch und Umwelt. Wir wollen ein gleichberechtigtes Nebeneinander, also eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Anbauformen haben. Wir haben Studien auf den Weg gebracht, die uns bestätigen, dass dies möglich ist. Wir wollen auch freie unternehmerische Entscheidungen der Landwirte und letztlich auch die Wahlfreiheit unserer Landwirte. Wir wollen praktikable Haftungsregelungen.
Wir wollen keine verschuldensunabhängige gesamtschuldnerische Haftung, wie sie im Entwurf von Frau Künast vorgesehen ist. Das ist unseren Landwirten nicht zuzumuten.
Ich möchte auch noch ganz klar sagen: Ein zeitlich befristeter Ausgleichsfonds, finanziert von den Beteiligten der Wirtschaft und vom Bund, für den wenig wahrscheinlichen Fall, dass trotz Einhaltung der guten landwirtschaftlichen Praxis der Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 überschritten wird, ist uns ein Anliegen. Ich kann nur sagen: Die Einrichtung eines Haftungsfonds ist absolut richtig. Auch für das Öko-Label hatten wir einen Haftungsfonds. Darin waren Bundesgelder enthalten. Ich bitte schon, das auch einmal in Relation zu setzen.
Herr Staatsminister Dr. Schnappauf hat zu Recht ein einziges zentrales Anbauregister gefordert und nicht 17 Register. Wir wollen Transparenz, weniger Bürokratie und klare Informationen für unsere Verbraucher. Am 2. April 2004 wurden im Bundesrat über 100 Änderungsanträge beraten. Dabei wurde deutlich, dass der Künast-Entwurf letztendlich nicht haltbar ist. Der Dringlichkeitsantrag ist ein Versuch, uns Fehler der Bundesregierung bei der Erarbeitung von Gesetzen unterzuschieben. Das wird mit uns nicht funktionieren. Wir wollen klare Regelungen und den Schutz der Gesundheit der Menschen.