Protocol of the Session on July 17, 2008

(Heiterkeit)

Die „Jugend“ ist eine wunderbare Zeit und als solche nicht nur in der Werbung ein Ideal. Sie wird nicht nur von unverbesserlichen Anti-Agern in den Fokus gerückt, sondern ist auch abhängig von Charakter, Weltanschauung und Lebensstil, so, dass manche Mitglieder in der Enquete das Gefühl hatten, dass diese, als die alten Hasen Obermeier und Wägemann im Finale dazugekommen sind, jugendlicher wurde, als zu Beginn, als manche Youngster der CSU dabei waren.

Aber wir diskutierten in der Jugend-Enquete nicht primär unser eigenes Lebensgefühl; denn auch für die „Jüngsten“, also Frau Scharf-Gerlspeck, für die jugendpolitischen Sprecher oder die Präsidentin des Bayerischen Jugendrings gilt der Spruch von Salvadore Dali, der sagte – sinngemäß vom Vorsitzenden eben zitiert – „das größte Übel der heutigen Jugend besteht darin, dass man nicht mehr dazugehört“.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

es tatsächlich ernst meint und bereit ist, Zeit und weitere Ressourcen einzubringen. Das gilt uns in diesem Haus.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir Wahlenthaltung, Parteienverdrossenheit etc. nicht akzeptieren wollen, dann wird es Zeit, eine entsprechende Jugendpolitik zu betreiben. So wird von den Jugendlichen als positiv erachtet, was Möglichkeiten zur Identitätsfindung, zur Identitätsstärkung und zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung bietet. Das Credo professioneller Jugendarbeit heißt daher: „An den Problemen ansetzen, die Jugendliche haben, und nicht an denen, die sie machen.“

Wer mit Jugendlichen zusammenarbeiten will, muss daher den Aufwand erbringen, der zur Gewinnung von Vertrauen nötig ist. Hierbei ergibt sich ein bedenklicher Zusammenhang: Je problembeladener und prekärer die individuelle Lebenssituation eines Jugendlichen ist, umso weniger Grundvertrauen bringt die jeweilige Person mit, umso mehr Misstrauen und umso weniger Frustrationstoleranz. Umso mehr Vorleistung ist nötig, um das Vertrauen dieser Jugendlichen zu gewinnen. Ist der Zusammenhang von Vertrauensgewinnung und Erfolgswahrscheinlichkeit situativer Intervention erkannt, wird klar, weshalb in der Jugendarbeit feste Bezugspersonen so wichtig sind.

Welche politischen Konsequenzen ziehen wir daraus? Die modische Projektorientierung in der Förderpolitik darf nicht zulasten einer Grundförderung und ausreichenden Ausstattung mit Fachkräften gehen. Für Jugendpolitik braucht es einen langen Atem, keine spektakulären Schnellschüsse. Deshalb war es aus der Sicht der SPDFraktion auch eine Katastrophe, dass die Regierung Stoiber bei ihrer Kürzungsorgie 2004 die Jugendarbeit wie den Denkmalschutz behandelt hat

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und dass das Doppelpack Beckstein/Huber das bis heute nicht zurückgenommen hat.

Haben Sie Mut, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, und legen Sie die der Jugendarbeit weggenommenen 5 Millionen Euro wieder drauf. Und dann gibt es auf dieser Basis in zwei Jahren ein neues Jugendprogramm, das seine neuen Schwerpunkte mit nochmals fünf Millionen zusätzlich ausstattet und endlich mit Schwung und nicht mit Gekleckere umsetzt.

Ein klarer Konsens in der Enquete bestand darin, dass wir es mit einer zentralen Aufgabe für die Zukunft unserer Gesellschaft zu tun haben: die soziale Integration für am Rande stehende Jugendliche zu erreichen; für Jugendliche, die am Rande stehen bei der Bildungsförderung, im Ausbildungsmarkt, im Arbeitsmarkt, sozial und ökonomisch oder weil sie einen schwierigen Migrationshintergrund haben. Wir müssen diese Aufgabe endlich mit aller Kraft jugendpolitisch angehen und lösen; denn die Alternative hören wir schon, sie lautet: eine Politik des Einsperrens, des Wegsperrens und des Abschiebens. Das wird aber nie Politik der SPD sein.

(Beifall bei der SPD)

tung vor den Grundwerten der Gesellschaft, wie etwa den Menschenrechten. Hier sei in trüber Erinnerung an den gestrigen Tag und an die dort stattgefundene Debatte zum Versammlungsrecht auch gesagt: Jugendliche schätzen auch ihre demokratischen Freiheiten, wie etwa das Demonstrations- und Versammlungsrecht, wie wir in sehr vielen Petitionen feststellen konnten.

Auch in Sachen „Frieden“ haben wir bei Jugendlichen eine sehr positive Haltung ausmachen können.

Die Jugend ist auch politisch, geht aber auf Distanz zu den politischen Parteien und zu den Politikern, wie sie diese zumeist erleben – jugendfern und desinteressiert, außer in unmittelbaren Wahlkampfzeiten, in denen man doch irgendwohin eingeladen wird und man sich profilieren kann.

Jugendliche wählen heute andere Organisationsformen und artikulieren sich anders. Das Engagement ist mehr themenbezogen, problemlösungsorientiert und basisdemokratisch. Starre Strukturen, wie sie sie in den meisten Parteien – also auch in unserer Partei – finden, finden bei jungen Menschen nur bedingt Akzeptanz. So kommt beispielsweise die aktuell aufgelegte Shell-Jugendstudie zu dem Befund, dass die große Mehrheit junger Menschen die Politik als schmutziges Geschäft sieht, als langweilig und dröge, als etwas, das keinen Spaß verspricht und kaum zum Mitmachen einlädt. Dies umso mehr, als aus der Warte der Jugendlichen Politik nicht als kompetent erachtet wird, wenn sie nicht in der Lage zu sein scheint, auf den ihnen wichtigen Problemfeldern – Arbeitslosigkeit, Umwelt, Drogen – wesentliche Reformen herbeizuführen. Wenn Politik aber die Kompetenz abgesprochen wird, Einfluss zu nehmen, ist es wiederum nicht verwunderlich, weshalb man sich nicht daran beteiligt.

Jugendliche können – genauer gesagt: dürfen – auch nicht unbedingt, selbst wenn man es wollte, wenn Sie an das Wahlalter denken. Und so denke ich, dass wir uns irgendwann in diesem Hohen Hause auch mit der Frage der Absenkung des Wahlalters beschäftigen sollten und müssten. Der Bayerische Jugendring schlägt eine Absenkung auf das Wahlalter 14 vor. Diese Empfehlung findet sich leider in den „Empfehlungen der Enquete“ nicht wieder. Vielleicht hätte das etwas Leben in die Diskussion gebracht. Aber das wollen wir hier nicht diskutieren.

Sehr verehrte Damen und Herren, Sie können sich aber sicher sein – richten Sie es den wenigen aus, die natürlich dieser Debatte fernbleiben –: Jugendliche sehen genau hin, wie Erwachsene mit ihnen umgehen, und haben ein feines Gespür dafür, ob sie einfach nur für politische Zwecke funktionalisiert werden sollen.

Symbolische Politik funktioniert bei Jugendlichen nicht, da die Jugendlichen Versprechen sehr genau auf ihre Ernsthaftigkeit hin prüfen und deren Einhaltung auch einfordern werden. Wer diese Versprechen nicht hält, erzeugt ein hohes Maß an Frustration und erhält oft keine zweite Chance mehr. Dann sind die Jugendlichen, wenn Sie so sagen wollen, beleidigt. Daraus folgt, dass nur derjenige dezidierte Jugendpolitik betreiben sollte, der

endlich durch eine auf Teilhabe und soziale Gerechtigkeit ausgerichtete Politik ausgeglichen werden muss.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Sinne ergänze ich mein Jugend-Fazit: „Jugendliche sind herbe cool, aber voll korrekt drauf!“ ganz ohne Jugend-Jargon im normalen SPD-Hochdeutsch mit: „Wenn man sie nur machen lässt und entsprechend fördert“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die JugendEnquete-Kommission des Bayerischen Landtags tagte in einem Zeitraum von drei Jahren und zwölf Tagen, wie der Vorsitzende gesagt hat. Was haben wir denn da geschafft? Vor Ihnen liegt eine Parlamentsdrucksache mit 264 Seiten. Darin lese, wer des Lesens mächtig.

Aber was machen wir nun damit? Was tun wir mit all dem geballten Wissen, den Fakten und Daten?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

Die beste Antwort darauf könnte unser Herr Julius Heigl geben – die gute Seele unserer Enquete-Kommission, dem ich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für seine im wahrsten Sinn des Wortes unparteiische Begleitung der Jugend-Enquete-Kommission danken möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Er würde mit Hinweis auf § 45 a der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags, in dem die Enquete-Kommission legitimiert und erklärt wird, unsere Arbeit verorten zur „Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Angelegenheiten“.

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben natürlich die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission an den Bayerischen Landtag eine ganz besondere Bedeutung. Hier sei der kritische Einwurf erlaubt, ohne leugnen zu wollen, dass wir nach über drei Jahren und vor allem mit dem drohenden Ende der Legislaturperiode vor Augen einen schnellen Schlusspunkt setzen mussten, dass wir zur Beratung der Empfehlungen nur sechs Wochen Zeit hatten. Sechs Wochen von drei Jahren, zwölf Tagen, das sind gerade mal 3,7 % unserer Zeit. Das ist eindeutig zu wenig Zeit, um so umfangreiche Ergebnisse zu diskutieren, Schlüsse zu ziehen und zu beraten, welche Handlungen vonnöten wären, welche Aktionen anstehen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Auch wenn wir den gewissermaßen deskriptiven Teil, die Daten und Fakten sowie die Beantwortung der Fragen, weitgehend konsensfähig erarbeitet und formuliert haben, so war doch klar, dass wir in der Interpretation derselben und vor allem hinsichtlich Lösungsmöglichkeiten auseinanderliegen würden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ein bisschen schon!)

Wir fordern eine aktive, gestaltende und Geld investierende Jugendpolitik. Dazu muss natürlich die Jugendarbeit in der Breite ausgebaut werden und braucht es flächendeckend Projekte der präventiven und mobilen Jugendarbeit, Streetwork und Integrationsprojekte. Hier wurde in den letzten Jahren vieles gestrichen oder gekürzt. Wir brauchen eine Jugendsozialarbeit in und außerhalb der Schulen, rhythmisierte Ganztagsschulen, eine individuelle Förderung für jedes Kind und für Jugendliche in besonderen Problemlagen. Wir brauchen eine konkrete Unterstützung für die gesellschaftlichen Organisationen, die echte Integrationsleistungen für das Zusammenleben der Menschen unterschiedlichster Herkunft erbringen.

Wir haben im Rahmen der „Enquete vor Ort“ – als wir hinausgefahren sind, um vor Ort Jugendliche in ihren Lebenswelten zu treffen, etwa in Regensburg und Augsburg – sehr wohl wunderbare Beispiele erlebt, wie man richtig fördert, wie man Defizite beseitigen und Präventionsarbeit leisten kann.

Wenn wir in der nächsten Legislaturperiode über Bildung, über die Rolle und die Erfolge von Sprachförderung, über Integrations- und Förderprojekte sprechen werden, dann habe ich die Bilder von sogenannten Benachteiligten im Kopf, die in entsprechenden Maßnahmen und Projekten der präventiven und mobilen Jugendarbeit rappen, singen und tanzen, die von Streetworkern individuell betreut werden, die scheinbar ganz nebenbei Verantwortung übernehmen und Disziplin entwickeln, die alle möglichen sogenannten Sekundartugenden an den Tag legen, die ihnen einige Zeit vorher keiner zugetraut hätte.

(Engelbert Kupka (CSU): Da schau her!)

Für eine erfolgreiche Jugendpolitik empfiehlt sich ein Umdenken: Anstatt Jugendliche als Störfälle und Verursacher von Problemfällen zu sehen, ist es erforderlich, deren Ressourcen, Fähigkeiten und Stärken zu betrachten und an diesen anzusetzen. Diese jungen Menschen sind eben nicht unwillig. Sie brauchen aber frühzeitig die richtige individuelle Unterstützung, dann nehmen sie auch gerne ihre mögliche Rolle in der Gesellschaft wahr.

Wir dürfen und sollten die Jugend nicht romantisch verklären. Aber wir haben es heute auch nicht mehr mit einer „Null-Bock-Generation“ zu tun. Wir müssen heute – im Sinne der Shell-Jugendstudie – von einer „pragmatischen Generation“ sprechen. Pragmatisch ist diese junge Generation letztlich aber nicht aus Jux und Tollerei oder guter Laune, sondern weil junge Menschen Pragmatismus als Notwendigkeit erkennen, um in einer Welt einen Platz zu erobern, deren Möglichkeiten unbegrenzt erscheinen; Möglichkeiten aber, die sich für viele Jugendliche schnell als äußert eingeschränkt erweisen, sei es der Zugang zu guten Bildungsabschlüssen oder zum Arbeitsmarkt, seien es finanzielle oder politische Teilhabechancen.

Deshalb legt die SPD-Fraktion einen sehr großen Wert darauf, deutlich zu machen, dass die sozio-ökonomischen Benachteiligungen, von denen das Leben vieler junger Menschen gekennzeichnet ist, auch in Bayern

und kommen zu anderen Bewertungen und damit auch anderen Rückschlüssen.

So war es für uns wahrlich ein Graus – ich muss das so sagen –, dass beim Kapitel D Jugend und Bildung deskriptiv und in dieser finalen Hektik weitgehend aus Schriften des Bildungsministeriums zitiert werden musste. Deshalb distanziert sich die SPD von den bildungspolitischen Darstellungen, soweit sie die Situation an Schulen in Bayern einseitig aus Sicht der Staatsregierung beschreiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Deswegen muss es aber nicht falsch gewesen sein!)

Dass der Themenbereich Bildung nicht zuletzt bei den Empfehlungen zu einem Eklat hätte führen können, wurde durch heftigste Verhandlungen, durch eine sehr diplomatische Hand des Schreibers des Kapitels und nicht zuletzt auch durch das gut geführte Händchen unseres Vorsitzenden verhindert. Ich meine das nicht ironisch. Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich die Leistung von Sepp Zellmeier in der Führung der Jugend-EnqueteKommission betonen. Unter seiner Leitung machte es richtig Spaß, zu arbeiten.

Mein Dank gilt nicht nur ihm, sondern auch den neuen Kolleginnen und Kollegen im zweiten finalen Teil. Ich glaube, in vielen Fällen konnten wir Parteigrenzen ein bisschen verwischen in der Erarbeitung von Fakten und bei der Erarbeitung von Kompromissen. Auch die Experten haben unter mal ein bisschen mehr und mal ein bisschen weniger Augenrollen dazu beigetragen, zu Kompromissen zu finden.

(Beifall des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Nur, wie gesagt, beim Kapitel D hat das nicht richtig geklappt, aus meiner Sicht vor allem auch durch den zunehmenden Versuch der Ministerien, auf die Arbeit der Enquete-Kommission Einfluss zu nehmen, insbesondere in der Schlussphase. Ich empfand das eindeutig als massiv – in Klammern mit Blick auf die Tribüne gesagt: Wir verstehen uns –, zumal ich das Gefühl hatte, dass das oftmals zum Ziel hatte, Dinge zu beschönigen, wo klare, bisweilen auch unangenehme Analysen angesagt waren. Eine saubere Trennung von Legislative und Exekutive war für mich nicht gegeben. Die Experten auf der Tribüne werden auch hierzu die Augen rollen, weil ich diesen Hinweis öfter gebracht habe. Die Enquete-Kommission ist ein Instrument der Legislative zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Angelegenheiten – Herr Heigl lässt grüßen – und keine Spielwiese für die Exekutive.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abge- ordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Das wäre genauso, als würde der Minister für Bildung, Jugend und Sport oder sein Staatssekretär sich an dieses Rednerpult stellen und uns Parlamentariern sagen, wie

Gott sei Dank, das macht ja auch die Parteienlandschaft irgendwo interessant.