Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat vorgestern erklärt, wir sollten parteiübergreifend gegen Extremisten demonstrieren und nicht gegen eine Gesetzesregelung, die Aufmärsche von braunen Banden unterbindet. Sie hat ausdrücklich erklärt, unser Gesetzentwurf sei ein Bekenntnis gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und gegen Fremdenfeindlichkeit.
Meine Damen und Herren, diesen Worten von Charlotte Knobloch ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich danke der CSU-Fraktion für die gute, sorgfältige und konstruktive Beratung dieses Gesetzentwurfs und bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, unserem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zuzustimmen.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Es gäbe tatsächlich unglaublich viel, was hier richtiggestellt werden müsste. Wir haben leider nur eine begrenzte Zeit. Wir hätten doch filibustern sollen. Ich hätte Lust dazu, mit Ihnen bis heute Nacht über diesen Unsinn zu diskutieren, der bisher von der CSU verbreitet worden ist.
Meine Herren und Damen, wir brauchen dieses – ich betone dieses – neue Versammlungsgesetz ungefähr so sehr wie einen rostigen Nagel im Knie. Jeder zweite Artikel spricht eine obrigkeitsstaatliche Sprache. Wie alle, die zu lange herrschen, haben Sie von der CSU das Gespür dafür verloren, was der Staat darf und wo seine Macht endet.
Die Macht endet spätestens bei den Grundrechten der Bürger und Bürgerinnen. Sie wollen – das haben Sie heute zu verschleiern versucht – ganz eindeutig die Bürger und Bürgerinnen klein halten. Sie wollen nicht, dass sie aufmucken, und Sie haben Angst vor dem Volk.
kein Mensch weiß, was „geeignete Maßnahmen“ sind. Sie führen zwar einige Beispiele an, aber reichen die denn aus? Indem Sie darauf abstellen, dass ein Versammlungsleiter die Versammlung rechtzeitig beenden muss, geben Sie – das ist verfassungswidrig – einer kleinen Gruppe ein Instrument an die Hand, um eine komplette Versammlung zu sprengen. Das ist verfassungswidrig.
Ich habe die Änderungen der CSU sehr genau zur Kenntnis genommen, wie im Übrigen auch die Rechtsanwaltskammer, die auch auf die Änderungen eingeht. Ursprünglich wollte die CSU-Staatsregierung diese Leute hinter Gittern sehen. All die Vorschriften, die geändert wurden und die ich jetzt vortrage, sahen ursprünglich vor, dass die Leute ein bis zwei Jahre hinter Gittern kommen. Das muss man sich einmal vorstellen.
Als zweites Beispiel nenne ich das Uniformierungsverbot. Ich gehe gerne auf das ein, was Sie zu unserer und Ihrer Formulierung im Vergleich gesagt haben. Sie haben nicht darauf hingewiesen, dass Ihr Uniformierungsverbot auch für nicht öffentliche Versammlungen gilt. Das halte ich für einen Hammer. Was haben Sie in einer nicht öffentlichen Versammlung zu suchen? – Gar nichts. Bei uns gilt das Verbot nur für öffentliche Versammlungen.
Wir sprechen in unserem Gesetzentwurf von uniformähnlichen Kleidungsstücken, haben also einen Bezug zu Uniformen hergestellt. Sie aber sprechen von gleichartigen Kleidungsstücken. Das wird in der Praxis einen enormen Unterschied machen. Tun Sie also nicht so, als wäre das alles eine Soße! Dagegen verwahre ich mich aufs Heftigste. Mit Ihrem Gesetzentwurf haben wir nun wirklich nichts zu tun.
Auch hier sehen Sie eine Strafe bis zu 3000 Euro vor, wenn jemand an einer Versammlung in einer Art und Weise teilnimmt, die vielleicht einschüchternd wirkt.
Als drittes Beispiel nenne ich den Polizeibeamten, dem ein angemessener Platz eingeräumt werden muss, was immer das sein mag. Auch hier ist eine Strafe von bis zu 3000 Euro vorgesehen. Ich wage gar nicht, mir vorzustellen, was eigentlich geschieht, wenn das Thema, der Veranstalter oder Ort und Zeit nicht richtig genannt wurden; auch das ist bußgeldbewehrt.
Viele dieser Dinge stehen jetzt schon im Bundesgesetz, aber Sie werden diese Sanktionen in unserem Gesetzentwurf nicht finden, und genau das ist der Unterschied; denn wir halten die Sanktionen, die das Bundesrecht bereits enthält, für über das Ziel hinausgehend.
zum Beispiel zwei Personen schon als Versammlung, weil wir wollen, dass bereits zwei Personen geschützt sind.
Sie aber wollen bereits zwei Personen kujonieren und kontrollieren. Genau das ist der Unterschied zwischen uns.
Wir haben niemals gesagt – ich bitte, da wirklich zu differenzieren –, dass alles, was im alten Bundesrecht enthalten ist, falsch wäre. Das ist überhaupt nicht die Debatte, sondern die Debatte geht schlicht und einfach darum: Was ist geeignet, um die Versammlungsfreiheit sicherzustellen, und was ist bereits im alten Bundesrecht kritikwürdig? Da nenne ich beispielsweise die Vorschrift zu den Schutzwaffen. In der Praxis gab es da die abstrusesten Fälle. Da wurde beispielsweise eine Zahnspange als Schutzwaffe benannt.
Das sind Extremfälle, mit denen ich jetzt gar nicht arbeiten will. Das zeigt aber doch, dass diese Regelung nicht wirklich praxistauglich war. Deswegen übernehmen wir solche Regelungen selbstverständlich nicht.
Wir sehen an Beispielen von Strafverschärfungen, dass sich die Atmosphäre sehr wohl ändert. Im Folgenden nenne ich ihnen Beispiele hierfür, die sowohl von der Neuen Richtervereinigung, der Bayerischen Rechtsanwaltskammer, die auf der Tribüne anwesend waren und die ich ganz herzlich begrüße – vorhin waren auch Herr Seemann vom Bayerischen Journalistenverband und viele von Verdi da – aufgegriffen worden sind.
Ich grüße an dieser Stelle im Übrigen auch die vielen Petentinnen und Petenten, die leider wieder einmal nur dadurch beteiligt werden, indem sie hier im Saal oder im Konferenzsaal zuhören dürfen.
Gehen Sie doch einfach in den Konferenzsaal und in den Saal S 501; das ist doch wirklich absurd. Sie haben sich auch die Bußgeld- und Strafvorschriften zu Gemüte geführt.
Ich möchte Ihnen jetzt Beispiele für Strafverschärfungen nennen. Erstens. Wenn ein Versammlungsleiter keine geeigneten Maßnahmen ergreift, um Gewalttätigkeiten zu verhindern, die aus der Menge heraus begangen werden könnten – die er im Übrigen gar nicht absehen kann –, oder wenn er die Versammlung nicht rechtzeitig für beendet erklärt, dann muss er unter Umständen bis zu 3000 Euro Geldbuße bezahlen. Das Problem liegt darin, dass
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das geht einfach nicht! Das ist eine Missachtung des Parlaments.)
Es hätte nicht geschadet, Herr Innenminister, wenn Sie das Interview für eine Minute draußen gemacht hätten, wenn auch dann sicherlich wieder Protest gekommen wäre, dass Sie den Saal während der Debatte verlassen hätten. Also mein Vorschlag: Nach der Debatte kann man Interviews geben. Das wäre mein Vorschlag. Wir setzen die Debatte fort. Frau Kollegin Stahl, Sie haben das Wort.
Jetzt bin ich gespannt, wie viele Minuten Sie mir anzeigen. – Der Staat darf sich aber bei aller Aufgabenübertragung nicht verselbständigen. Das tut er jedoch, wenn er seine Gliederungen mit so viel Entscheidungsmacht ausstattet, dass willkürliche Entscheidungen möglich sind. Das ist das wirklich Dramatische an diesem Gesetzentwurf, an diesem Gesetzentwurf und, wie es die Kollegin Bause ausgeführt hat, an einer ganzen Reihe von Gesetzentwürfen der letzten Woche, Beispiel Computerausforschung, die Sie hier verabschiedet haben.
Sie sagen immer, die Gewerkschaften werden doch davon nicht betroffen sein, die Versammlungen von Kaninchenzüchtervereinen sind auch nicht betroffen und unsere GRÜNEN-Versammlungen auch nicht. Das mag ja sein. Trotzdem statten Sie Sicherheitsbehörden vor Ort mit einer derartigen Entscheidungsmacht darüber aus, was an Versammlung durchgeführt werden darf und was nicht, ob die Formalia eingehalten worden sind, dass ich der Meinung bin: Hier schießt man mit diesem Gesetzentwurf übers Ziel hinaus. In Ihren Debattenbeiträgen verteidigen Sie heute auch noch diese gewünschte Strukturänderung. Damit zeigen Sie mir, welches Staatsverständnis Sie wirklich haben, welche Allmachtsphantasien Sie mittlerweile entwickeln, selbst wenn Sie uns glauben machen wollen, dass es nur für uns gut sei. Ich fordere Sie auf: Betütern Sie uns nicht. Ich brauch das nicht, ich bin 50, ich bin groß. Betütern Sie uns nicht, geben Sie uns unsere Rechte zurück und gehen Sie in sich. Ziehen Sie vor allen Dingen den Gesetzentwurf zurück. Soweit erst mal unsere Bitte.
Vielen Dank Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Welnhofer. – Keine Wortmeldung? – Er zieht zurück, wenn ich das richtig verstanden habe. Dann habe ich als nächste Wortmeldung Herrn Kollegen Ritter. – Rückziehungen wären natürlich schöner, wenn Sie vorher angekündigt wären.
Sie wollen die Menschen verunsichern, obwohl das Verfassungsgericht Regeln erstellt hat. Ich erinnere an das Volkszählungsurteil von 1983 und an das Urteil zur Videoüberwachung und zum Kennzeichen-Scanning. Wer auf die Ausübung seiner Grundrechte verzichtet – so das Verfassungsgericht –, weil er Angst haben muss, registriert, aufgezeichnet oder irgendwie sonst wahrgenommen zu werden, wird in seinen elementaren Selbstbestimmungsrechten beschränkt. Gesetze, die Verhaltensweisen derart beeinflussen, sind verfassungswidrig. Für uns heißt das im Klartext: Wenn sich Bürger und Bürgerinnen nicht mehr trauen, eine Versammlung zu organisieren oder zu einer Demonstration zu gehen, weil sie dadurch persönliche Nachteile befürchten – ich verweise ausdrücklich auf die Regelungen zu den Übersichtsaufnahmen, die Sie marginal überarbeitet haben, aber die aufgrund der Ausführungen des Datenschutzbeauftragten aus unserer Sicht immer noch zu kritisieren sind –, stimmt mit der gesetzlichen Grundlage etwas nicht.
Genau das stimmt beim Versammlungsgesetz nicht. Sie schüchtern die Leute ein und Sie werden erleben, dass sich viele diese Verantwortung nicht mehr zu übernehmen trauen.
Wir Bürgerinnen und Bürger, meine Herren und Damen, kennen die sicherheitsbehördliche Praxis. Deshalb haben wir kein Vertrauen in einen Staat, der vorgibt, für uns alle zu unserem Besten zu handeln. Der Staat hat von uns freien Bürgerinnen und Bürgern als Verwaltungseinheit Aufgaben und Befugnisse erhalten. In dieser Rolle hat er auch ein von Regeln begrenztes Gewaltmonopol
(Fernsehinterview mit Staatsminister Herrmann an einem der Ausgänge des Plenarsaals – wie- derholte Zurufe der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE) – Margarete Bause (GRÜNE): Das geht doch nicht!)