Protocol of the Session on July 16, 2008

Der Landtag hat natürlich die gesetzgeberische Kompetenz, eine Regelung auf Landesebene zu finden. Er muss es aber nicht regeln. Bayern ist bisher das erste und einzige Bundesland, das meint, hier ein Zeichen setzen zu müssen. Es ist allerdings ein negatives Zeichen. Es ist ein Zeichen gegen die Demokratie und nicht für mehr Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weiter zum Verfahren: Sie hatten Angst vor der Meinung von Fachleuten und Verbänden. Wir haben eine Anhörung beantragt und wollten die Organisationen, Verbände und Fachleute in den Landtag einladen und befragen, wie sie zu diesem Vorhaben stehen. Sie haben in der vorgeschriebenen Verbändeanhörung lediglich die Kommunalen Spitzenverbände anhören wollen und die anderen nicht, weil Sie schon wussten, dass Ihnen dieses Machwerk dabei um die Ohren geschlagen würde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben also darauf verzichtet, das übliche Verfahren durchzuführen. Sie haben nur wenige beteiligt und einen Antrag von uns, eine umfassende Anhörung durchzuführen und die Fachleute, Organisationen und Verbände zu beteiligen, vom Tisch gefegt. Das ganze Drama ging jedoch noch weiter: Die Bürger haben sich trotzdem nicht ruhigstellen und den Mund verbieten lassen. Sie haben sich trotzdem geäußert, jede Menge Stellungnahmen ans Innenministerium geschickt und zahlreiche Petitionen an den Bayerischen Landtag gerichtet. Die Bürger haben damit von ihrem Recht auf Petition Gebrauch gemacht. Sehr geehrter Herr Welnhofer, dieses Recht können Sie nicht zur Disposition stellen, auch wenn Ihnen das nicht passt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Bürger haben nur von ihrem Recht Gebrauch gemacht. Mittlerweile liegen dem Landtag bereits 600 Petitionen vor. Es werden stündlich mehr, weil immer mehr Menschen begreifen, was auf dem Spiel steht. Die Art und Weise, wie Sie in der letzten Woche im Rechtsausschuss mit diesen Bürgerrechten, nämlich dem Recht auf Anhörung, dem Recht auf Eingaben und dem Recht auf Behandlung dieser Eingaben umgegangen sind, ist wirklich mies.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die anwesenden Petenten waren zu Recht empört und erbost. Ich glaube nicht, dass das ein Ausweis Ihrer Demokratiefähigkeit und Ihres positiven Demokratieverständnisses ist. Sie haben mit einem miesen Trick die berechtigten Einwände und Bedenken besorgter Bürgerinnen und Bürger abgebügelt. Das wird Ihnen auf die Füße fallen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben deshalb heute diese Debatte beantragt. Wir haben alle Petitionen, die in der letzten Woche im Rechtsausschuss auf der Tagesordnung standen, in dieses Plenum gezogen. Wir haben außerdem die Petentinnen und Petenten in den Landtag eingeladen.

(Peter Welnhofer (CSU): Das ist eine Kampagne!)

Herr Kollege Welnhofer, wir haben die Petenten eingeladen. Das ist keine Kampagne. Wir wahren damit lediglich

Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit soll durch einen Genehmigungsvorbehalt ersetzt werden. Es soll durch eine von den Behörden gewährte Gnade, dass man sich versammeln darf, wenn es den Behörden recht und der CSU genehm ist, ersetzt werden. Das ist das Gegenteil von freier und offener Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Gesetzentwurf ist geprägt von obrigkeitsstaatlichem Denken und von einem antidemokratischen Geist geprägt. Mündige und kritische Bürger gelten Ihnen grundsätzlich erst einmal als suspekt und als Sicherheitsrisiko. Die freie Meinungsäußerung passt Ihnen überhaupt nicht. Freie Versammlungen passen Ihnen auch nicht, wenn dort Kritik an Ihrem Vorgehen geäußert wird. Freie Versammlungen gelten Ihnen in erster Linie als Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und nicht als Grundrecht in unserer Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr sehr zweifelhaftes Demokratieverständnis haben Sie mehrfach bei der Behandlung dieses Gesetzentwurfs im Bayerischen Landtag unter Beweis gestellt. Zuerst – das ist schon zwei Jahre her – hat der damalige Innenminister Dr. Beckstein verkündet: Jetzt macht Bayern von seinem Recht Gebrauch. Jetzt wird Bayern ein Versammlungsgesetz auf den Weg bringen. Daraufhin wurde im Innenministerium „intensiv“ und „kompetent“ gearbeitet.

(Georg Schmid (CSU): Hoch kompetent!)

Was dabei herauskam, ist jedenfalls schon bei der ersten Durchsicht von Juristen durchgefallen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CSU-Fraktion hat dies nach einiger Zeit selbst gemerkt, als Bedenken und Einwendungen vorgebracht wurden und sie zu Gesprächen aufgefordert wurde. Deshalb hat sie sich genötigt gefühlt, einen eigenen Änderungsantrag zu einem Gesetzentwurf des Innenministeriums vorzulegen. Kolleginnen und Kollegen, das kommt so häufig nicht vor. Meistens nicken sie alles, was von der Staatsregierung kommt, brav ab.

(Georg Schmid (CSU): Wenn es gut ist!)

In diesem Fall haben sie gemerkt, dass allerhand Zunder drin ist und das konnten sie so nicht durchwinken. Sie haben deshalb einen Änderungsantrag mit zehn Punkten vorgelegt. Das Problem ist nur, dass die CSU-Fraktion auch mit diesen Änderungen das Grundübel dieses Gesetzentwurfs nicht heilen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieser ganze Vorgang ist peinlich. Das Grundübel, der antidemokratische Geist, ist leider auch in diesem geänderten Gesetzentwurf nach wie vor vorhanden.

ern wissen nämlich sehr genau, dass ihre fantasievollen Aktionen morgen mit diesem Versammlungsgesetz verboten werden könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN – Herbert Ettengruber (CSU): Ist das hier ein Kabarett oder was?)

Herr Ettengruber, wenn Sie glauben, dieses Thema sei Kabarett, ist Ihnen wirklich nicht zu helfen. Damit haben Sie sich selbst disqualifiziert.

(Beifall bei den GRÜNEN – Walter Nadler (CSU): Sie verdummen die Menschen!)

Jetzt komme ich zu Ihrem Hauptargument, wonach dieses Gesetz im Kampf gegen den Rechtsradikalismus nötig wäre. Dieses Argument wiederholen Sie gebetsmühlenartig. Das ist der Hauptgrund, weshalb Sie sagen, dieses Gesetz sei gut, dieses Gesetz sei sinnvoll und dieses Gesetz bräuchten wir.

(Gespräch des Ministerpräsidenten Dr. Beckstein mit einer CSU-Abgeordneten)

Meine Damen und Herren, könnten Sie bitte diese Gespräche an der Regierungsbank unterlassen?

(Zurufe von der CSU)

Vielen Dank. Da stehen zwei zusammen; das ist schon wieder verdächtig.

(Zahlreiche Zurufe von der CSU)

Herr Beckstein, Sie waren auch einmal Innenminister. Auch Ihnen müsste daran gelegen sein, zu einer rechtsstaatlich vertretbaren und zu einer verfassungskonformen Lösung zu kommen, anstatt ein Gesetz durch den Landtag zu peitschen, das vor dem Bundesverfassungsgericht in dieser Form mit Sicherheit nicht Bestand haben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Oder wollen Sie noch einmal eine solche Blamage und eine solche Niederlage erleben wie bei dem von Ihnen inszenierten Verbot der NPD? Da sind nämlich Sie ganz schön auf die Nase gefallen. Wer hat davon profitiert? – Die Rechtsradikalen und die NPD.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen sollten wir mit diesen Sachen sehr, sehr vorsichtig sein, weil Nutznießer am Ende diejenigen sein könnten, die wir alle miteinander nicht haben wollen, Herr Beckstein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Aussage, es ginge hier um einen Kampf gegen den Rechtsradikalismus und darum, rechtsradikale Aufmärsche und Kundgebungen zu unterbinden, ist völlig un

die Rechte und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und wehren uns dagegen, dass Sie sie mit Füßen treten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Welnhofer, wenn es hier eine Kampagne gibt, ist das die Kampagne der CSU gegen die Grundrechte und die Bürgerrechte, die seit Jahren anhält und an Schärfe zunimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie viel Angst müssen Sie vor den Bürgerinnen und Bürgern haben, wenn Sie deren Computer durchsuchen, den Wohnraum und die Telefone abhören und die Kennzeichen von Kraftfahrzeugen scannen wollen. Wie viel Angst müssen Sie vor mündigen und unabhängigen Bürgern haben, wenn Sie immer mehr versuchen, die Freiheits- und die Bürgerrechte einzuschränken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben die Petenten und Petentinnen in den Landtag eingeladen, damit sie diese Debatte mitverfolgen können. Sie sollen sehen, wie Sie mit der Kritik, mit den Einwänden und mit den Bedenken umgehen. Herr Welnhofer, es handelt sich dabei übrigens nicht um die üblichen Verdächtigen, die sich dagegen geäußert haben. An erster Stelle haben sich die Rechtsanwaltskammern geäußert. Das ist keine Vereinigung ausgewiesener Staatsgegner oder Verfassungsfeinde. Die Rechtsanwaltskammern haben sich mit einer sehr klaren, deutlichen und ausführlichen Stellungnahme geäußert. Außerdem haben sich die Initiative der bayerischen Strafverteidiger oder die Neue Richtervereinigung geäußert. Diese Organisationen haben wohl alle keine Ahnung, im Gegensatz zu Ihnen? Sagen Sie doch einmal diesen ausgewiesenen Experten, wer hier Ahnung und wer keine Ahnung hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)