Protocol of the Session on July 16, 2008

Was wir brauchen, ist eine Ermutigung der Bürgerinnen und Bürger, dieses Staatswesen und diese Gesellschaft mitzugestalten. Wir brauchen eine Ermutigung für die Menschen, die in den Verbänden organisiert sind, sich mit ihren Anliegen einzubringen. Es darf keine Repression, Unterdrückung und Strafandrohung geben. Wir brauchen die Ermutigung für die Menschen, die sich für den Erhalt eines demokratischen und – meinem Schwerpunkt – eines ökologischen Bayerns einsetzen. Hier müssen wir Unterstützung geben und dürfen nicht mit Strafe und Repression drohen. Die Menschen, die ihren Einsatz für die Naturschönheiten, die Artenvielfalt in Bayern erbringen, den Schutz der Alpen, der Berge und Flusslandschaften in ganz Bayern, und die sich gegen Straßenbau, gegen den Flughafenausbau wenden, brauchen unsere Unterstützung und dürfen nicht mit Repression und Strafandrohungen konfrontiert werden.

nannt werden müssen. Eine Kann-Bestimmung, durchaus, keine Soll- und Muss-Bestimmung. Aber wir wissen genau, dass die Behörden, um keine Fehler zu machen, genau darauf beharren werden. Wir kennen viele Anforderungen bei Anmeldungen, und dann sind die Namen der Ordner gespeichert.

(Engelbert Kupka (CSU): Wir müssen die Ordner bei Fußballspielen auch benennen!)

Wie schnell kann es dann wieder zu einer Verquickung von Daten für Missbrauch kommen. Genau das, müssen wir sagen, ist deutlich abzulehnen.

Eine lebendige Demokratie sieht anders aus und muss alles vermeiden, was Duckmäusertum und Abtauchen voranbringt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch ein paar Punkte zum heutigen Gesetz sagen. Sie wissen, in meinem Landkreis Starnberg gibt es großen Protest gegen den Ausbau des Sonderflughafens wegen Trinkwasserschutz, wegen Lärmbelastung im Erholungsgebiet, wegen Klimaschutz. Die CSU hat vor zwei Jahren in Weßling einen Neujahrsempfang abgehalten. Erwin Huber wurde erwartet. Es haben sich spontan per Telefonrundruf die Leute verabredet und haben gesagt: „Wir stellen uns da hin. Herr Huber kommt. Wir machen Protest.“

Einige Leute haben sich mit Transparenten hingestellt. Es gab keinen Versammlungsleiter, und Erwin Huber hat sich sogar Zeit genommen, 20 Minuten mit diesen Menschen vor der Türe zu diskutieren.

(Zuruf von der CSU: Also!)

Das war durchaus in Ordnung. Aber war es auch in Ordnung, dass die Staatsanwaltschaft dann eine Geldstrafe von 800 Euro von einer willkürlich herausgegriffenen Person eingefordert hat? 800 Euro für ein Gespräch mit Erwin Huber, der ganz offensichtlich stehen bleibt? Das kann ganz schön teuer werden. So war es nicht geplant.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Glück wurde bei der Verhandlung dieses Begehren der Staatsanwaltschaft auf 800 Euro Geldstraße in eine Verwarnung umgewandelt.

Aber vergessen Sie nicht, das Gleiche kann Ihnen auch passieren, sollte Herr Miller oder Herr Beckstein im Haus der bayerischen Landwirtschaft in Herrsching auftauchen. Ich kann Ihnen versichern, dann werden dort die Bauern mit ihren Demonstrationsschildern stehen, und zwar nicht nur zwei Milchbauern mit einem Trecker. Es gibt ganz schön viele aufgebrachte Bauern, die den fairen Preis einfordern. So geschehen vor dem Haus der bayerischen Landwirtschaft; in meiner Heimatzeitung sind solche Bilder protestierender Bauern immer wieder zu finden. Und was wird das künftig sein? – Eine anmel

Die Mauer ist weg, Wackersdorf ist verhindert worden und die Pershingraketen in Mutlangen sind weg, Massenvernichtungswaffen, gegen die wir demonstriert haben, während im Bundestag gesungen wurde „So ein Tag, so wunderschön wie heute“; währenddessen saßen wir im Schneematsch und mussten uns verhöhnen und verspotten lassen.

Wackersdorf ist weg, die Mauer ist gefallen und die Pershings in Mutlangen sind verschwunden. Das, meine lieben Damen und Herren, ist der Friedensbewegung zu verdanken, die verhöhnt und verspottet wurde, Menschen, die festgenommen wurden und die sehr schlecht behandelt worden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Solche Zustände wollen wir nicht haben. Ich werde Ihnen ein paar Notizen über die Festnahme von Mutlangen vorlesen. Sie müssen sich das anhören. Das war vor 25 Jahren. Ich zitiere:

„1984: Pfingsten in Mutlangen

Bei der sogenannten Promi-Blockade im Herbst 1983 habe ich einsehen müssen, dass ‚Über-den-Zaun-gehen’ – das wollte zum Beispiel unbedingt die amerikanische Nonne Ann Montgomery – nicht der richtige Weg ist. Es gilt, die misstrauische Bevölkerung für uns zu gewinnen, gegen die Pershings zu gewinnen; jenen Wirt zu gewinnen, der immer wiederholte: Hier haben schon seit jeher Waffen gestanden, unter den Nazis, als ich ein Kind war, später die Pershing I, warum regt ihr euch plötzlich über die Pershing II auf? Er hat weniger Angst vor der Pershing als davor, dass wieder mal eine bei den ewigen Herumkutschieren vom Transportwagen fallen könnte, wie das ja bereits geschehen ist.

Das Leben in der Mutlanger Bezugsgruppe – die ja ständig unter ungeheuer primitiven Umständen lebt –

hat mich überzeugt: Nur wenn wir gewaltfrei bleiben, können wir etwas ändern. Das weiche Wasser bricht den Stein, wie das Motto auf unseren blauen Tüchern ja auch lautet. Das weiß ich gewiss: Nie werde ich einen Stein auf einen Menschen werfen, nie Gewalt gegen einen Menschen anwenden, eher selbst Gewalt erleiden.

(Zurufe von der CSU)

Tina, Schauspielerin aus Köln, die zum ersten Mal „bei so etwas“ dabei war, malt mir mit Kugelschreiber auf den Boden eines Pappkartons: „Bruder Polizist, Bruder Bundeskanzler, – damals Helmut Kohl –

ich sitze hier auch für dich und deine Kinder. Ich hatte eigentlich „Sie“ sagen wollen, aber Tina meint: Wenn schon Bruder, dann auch Du. Ich hatte etwas mehr Distanz angestrebt – aber sicher hat sie recht.

Gestern das Lied von Tina Wegner Spekulation, was wäre, wenn Jesus wieder auf die Erde käme: – „Mensch, Jesus, bleib bloß oben, hier schlagen sie dich tot…“

Sie halten das Ehrenamt hoch, Kolleginnen und Kollegen, aber drücken Sie das auch in den entsprechenden Gesetzen aus, sonst ist Ihre Politik absolut unglaubwürdig.

Ich kann Ihnen versichern, es trifft alle Altersstufen, angefangen von den Jugendlichen bis hin zu den Rentnern, die erst jetzt erkennen, dass sie die Freiheit haben, sich auf die Straße zu stellen und ihren Missmut über manche Dinge auszudrücken. Und ich kann Ihnen sagen, unter diesen protestierenden Menschen finden sich auch ganz viele ehemalige Beamtinnen und Beamten. Und das ist gut so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Frau Rütting.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die erste Demo, an der ich teilnahm, fand vor genau 50 Jahren statt, vor einem halben Jahrhundert. Es war hier in München und es ging gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands. Ich befand mich plötzlich in einem Pulk von Teilnehmern, die schrieen: Ho, Ho, Ho Chi Minh, hängt Johnson auf! Damit war der amerikanische Präsident gemeint. Ich wollte dem Verfassungsschutz, der uns begleitete, sagen, Moment, ich will nicht, dass Johnson aufgehängt wird, sondern ich will, dass Deutschland nicht wiederbewaffnet wird. Die Demokratie hat so etwas damals ausgehalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und das muss eine Demokratie auch heute aushalten.

Die nächste Demo, an der ich teilnahm, fand vor einem viertel Jahrhundert statt. Da habe ich mich in Berlin vor dem Scheringkonzern angekettet, um gegen Tierversuche zu protestieren. Auch das hat die Demokratie ausgehalten.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Wir wurden festgenommen, dann aber wieder freigelassen.

Dann folgten Wackersdorf –auch Herr Schindler war dabei – und Mutlangen. Auch da wurde ich zusammen mit anderen Blockierern festgenommen. Es waren dabei Petra Kelly, Bastian, Eppler, Heinrich Böll. Bei dieser sogenannten Prominentenblockade wurden die Prominenten ganz angenehm behandelt und schnell wieder freigelassen, aber die anderen „normalen“ Demonstranten wurden so schikaniert, dass von einem bisher als fabelhaft geltenden Versammlungsrecht überhaupt keine Rede sein kann. Ich komme darauf noch zurück.

Das bisherige, 1953 in Kraft getretene Versammlungsrecht war schon sehr fragwürdig, das aber, was nun kommt, wird noch fragwürdiger. So etwas darf einfach nicht geschehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jemand wirft mir ein Päckchen Tabak zu. Jeder von uns bewacht von „seinem“ Polizisten, junge nette Leute zumeist, die teilweise vor Angst zittern, fahren wir nach Straßdorf. Dort werden üblicherweise die Personalien aufgenommen, dann lässt man die Demonstranten wieder frei. Aber diesmal, in Straßdorf angekommen, dauert es endlos, bis alle erfasst sind. Gespräche mit den Polizisten. „Meinem“ wird schlecht beim Autofahren und eigentlich hätte er gern diesen schönen Pfingstsonntag bei seiner Freundin in München verbracht. Einige sind ziemlich unverhohlen auf unserer Seite, besonders die jungen, andere, meist die älteren, kommen mit den alten Sprüchen: „Geht doch nach drüben, in den Osten.“

Volker aus Tübingen ist schon siebenmal festgenommen worden (ihm galt der Tabak). Er und ein Freund haben einen offenen Brief an Bundeskanzler Kohl verfasst, den wir für die Rechtfertigung unseres Tuns zu verwenden beschließen. Viele sind schon mehrmals festgenommen worden, sprechen in Termini wie: Hab überlegt, ob ich mir heute oder morgen eine Festnahme leiste – geben ihren letzten Groschen und letzten Knopf, damit dieser Wahnsinn endlich ein Ende findet. Auch Praktisches wird diskutiert: Wegen Nötigung kann die zweite Gruppe, zu der zum Beispiel Tina und ich gehörten, gar nicht bestraft werden, da kein Fahrzeug behindert wurde – man kann uns höchstens wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz belangen.

Einer zitiert aus dem kürzlich im „Spiegel“ veröffentlichten Artikel des Verteidigungsministers Wörner. Da steht es nämlich endlich mal schwarz auf weiß, ausgesprochen von Regierungsseite: „Die Pershing IST eine Erstschlagwaffe … aber das Bündnis kann weder – wie von der SPD gefordert – auf die Konzeption der nuklearen Abschreckung noch auf die Androhung des nuklearen Ersteinsatzes verzichten.“ Die Richter sehen das Problem der gewaltfreien Blockade offensichtlich auch unterschiedlich. Wenn das Horten von atomaren, biologischen und chemischen Waffen in der BRD gegen das Grundgesetz verstößt, dann haben wir, wie der Rechtswissenschaftler Prof. Küchenhoff sagt, recht, dass wir mit diesen gewaltfreien Blockaden verfassungswidriger Todeswaffen aktiven Verfassungsschutz betreiben.“

Tatsächlich sind wir hinterher freigesprochen worden. Vom Gericht wurde bescheinigt, wir hätten aktiven Verfassungsschutz betrieben.

„Die Regierung ist demokratisch gewählt, ihr seid in der Minderheit“, meint wieder ein Polizist, „wie kommt ihr dazu, der Mehrheit euren Willen aufzuzwingen?“ Darauf einer von uns: „Die Regierung ist aber nicht gewählt worden, weil die Leute so sehnsüchtig die Pershing wollten, sondern weil ihnen versprochen wurde, dass die Arbeitslosigkeit aufhört.“

„Warten Sie mal die nächste Wahl ab, da gibt es eine grün-rote Koalition!“ rutscht es mir heraus. (Schöner Ver- sprecher, grün an erster Stelle!) „Die Menschen fangen an, aufzuwachen, sie werden sich diese lebensfeindliche Politik nicht länger gefallen lassen!“ Zu meinem 50. Geburtstag hat mir Helmut Kohl ein Glückwunschtelegramm geschickt: Mit Dank für viele schöne Filme … Ich muss lachen. Zu meinem 60. wird er mir wohl nicht gratulieren.

Wer kapiert denn überhaupt noch, dass man die Welt 16mal in die Luft sprengen könnte, so viele Waffen sind vorhanden…

Ja, Wut auf die Freunde zu Hause (wen von ihnen werde ich in Zukunft überhaupt noch zu meinen Freunden zählen wollen?), Zorn auf diese Bequemlinge, die immer nur quatschen, quatschen, intellektuelle Reden schwingen und gemütlich Pfingsten feiern, während die Leute hier sich verbluten.

(Engelbert Kupka (CSU): Mein Gott, was muss noch alles herhalten zu diesem Thema!)

Wenn jeder dieser Stammtischredner wenigstens einmal im Jahr nach Mutlangen ginge …

Um vier Uhr ist eine Blockade vor der Bismarck-Kaserne geplant, berichten neu Hinzugekommene.

Kurz nach 16 Uhr an der Bismarck-Kaserne. Tina und ich setzen uns zu der Gruppe, die bereits die Zufahrt blockiert. Nach ein paar Minuten will ein Fahrzeug heraus. Erste Aufforderung der Polizei über Megafon, die Straße zu räumen, dann die zweite, die dritte – die Gruppe bleibt sitzen.

Wir singen: „Gegen die Raketen hier im Land, schließt euch fest zusammen, wehrt euch, leistet Widerstand“, immer wieder von vorn. Die ersten werden weggetragen. Da ich mir vorgenommen habe, den Polizisten die Mühe zu ersparen und freiwillig mitzugehen, wenn die Reihe an mich kommt, hat das zur Folge, dass ich nur zur Seite gestoßen werde. Ebenso ergeht es Tina. Das Fahrzeug fährt durch. Sofort setzen sich die nicht Weggetragenen wieder hin, neue kommen hinzu. Obwohl jetzt aber gar kein Fahrzeug herein- oder heraus will, verkündet ein Uniformierter über Megaphon: Auflage der Stadt Schwäbisch Gmünd, wir hätten die Zufahrt zu räumen, andernfalls würden Wasserwerfer eingesetzt.