Der Feind der Hauptschule ist nicht derjenige, der über ihre Probleme spricht und versucht, sie zu lösen. Der Feind der Hauptschule ist derjenige, der die Probleme der Hauptschule leugnet und sie dabei im Stich lässt. Der ist der Feind der Hauptschule. So sieht das nämlich aus.
Gegenwärtig findet eine Abstimmung mit Füßen statt. Diese Abstimmung der Menschen mit Füßen läuft gegen die Hauptschule. Das ist die bildungspolitische Wirklichkeit in Bayern.
Richtig ist, Sie schaffen die Hauptschule ab, indem Sie sie einfach zusperren. Das ist doch die bildungspolitische Wirklichkeit.
Alle Teilhauptschulen sind schon geschlossen. Wollen Sie das bestreiten? Alle Teilhauptschulen sind schon weg. Nach übereinstimmender Meinung sind in Bayern 300 oder 400 Hauptschulen in ihrer Existenz bedroht. Das leugnen nicht einmal Sie. Sie geben deswegen auch keine Bestandsgarantie ab, auch nicht dort, wo die Kommunen als Sachaufwandsträger Millionen investiert haben. Nicht einmal dort geben Sie für die Hauptschule eine Bestandsgarantie ab. Nicht wir reden also die Hauptschule schlecht, sondern Sie schließen die Hauptschulen auf dem Land, und das ist bildungspolitisch ein schwerer Fehler.
Deswegen müssen wir Lösungswege diskutieren und dafür offen sein, wie zum Beispiel das Projekt der Regionalschule. Auch das ist keine Ideologie, sondern sachgerecht.
Herr Kollege, da haben Sie recht, da oben sitzt auch ein Verfechter der Regionalschule, nämlich der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband. Die Argumente sollten Sie sich vielleicht einmal anhören.
Sie haben ein Bürgergutachten in Auftrag gegeben. Wissen Sie, welche politische Forderung von den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Bürgergutachten an die erste Stelle gerückt und als oberste Priorität gesehen wird? – Die längere gemeinsame Schulzeit, meine Damen und Herren!
Ist es denn Ideologie, wenn man sagt: Eine solche längere gemeinsame Schulzeit diskutieren und prüfen wir einmal. Schauen wir doch einmal, was an Vorschlägen im Raum steht! Schauen Sie, was der Verband der Bayerischen Wirtschaft vorschlägt: eine gemeinsame sechsjährige Primarschule und darauf folgend eine zweigliedrige Sekundarstufe.
Natürlich ist das der Vorschlag der bayerischen Wirtschaft. Lesen Sie die Stellungnahmen der Handwerksverbände aus Baden-Württemberg, die ein vernichtendes Urteil über das dreigliedrige Schulsystem fällen. Ich mache mir das nicht zu eigen.
Dass Sie die Dreigliedrigkeit des Schulsystems vor sich hertragen wie eine Monstranz und dass Sie damit die Augen für wichtige bildungspolitische Fragen, die man auch stellen muss, verschließen.
Drittens: Vor allem, wenn wir über die Zukunft der Hauptschule reden, muss man an der Stelle ernsthaft diskutieren. Sie versuchen, dem Problem dadurch auszuweichen, dass Sie behaupten, wir würden die Hauptschule schlechtreden.
Ausdruck von Bildungsgerechtigkeit, dass im Landkreis Starnberg 60 bis 70 % der Viertklässler auf das Gymnasium wechseln, aber in anderen Teilen Bayerns nur 20 %? Ist das Bildungsgerechtigkeit?
Ist es für Sie gut, dass Eltern immer mehr Geld für Nachhilfe ausgeben? Ist es in Ordnung, dass bereits 25 % der Dritt- und Viertklässler in der Grundschule Nachhilfe bekommen? Ist das für Sie wirklich in Ordnung, dass 75 % der Migrantenkinder – 75 %! – auf die Hauptschule wechseln? Ohne Migrantenkinder gäbe es in Bayern die Hauptschule längst nicht mehr.
Ist es denn in Ordnung, dass wir den ausländischen Kindern die Hauptschule als ihre Schule mit den entsprechend schlechteren Lebensperspektiven zuweisen? Ist es für Sie in Ordnung, dass unter den vielen Jugendlichen, die die Schule ganz ohne Abschluss verlassen, zwei Drittel Migrantenkinder sind? Ist das in Ordnung?
Reicht uns die Antwort, da seien die Kinder oder die Eltern selber schuld, oder stellen wir uns endlich diesem riesigen und wachsenden gesellschaftlichem Problem für die Zukunft? Das ist die Frage, und davon, Herr Minister, habe ich in Ihrer Regierungserklärung leider überhaupt nichts gehört.
Lassen Sie mich zum Schluss folgende Überlegung anstellen: Wir müssen uns die Frage stellen und beantworten, welche Gesellschaft wir wollen, welche Bildungsphilosophie wir verfolgen und was die Schulen eigentlich leisten müssen. Für mich müssen sie zwei Dinge leisten: Sie müssen die Qualifikationen ermöglichen, die die Kinder und Jugendlichen von heute später auf dem Arbeitsmarkt brauchen. Herr Minister, das sind immer mehr auch akademische Abschlüsse. Adidas hat in Bayern keine Näherei mehr, aber mehr Beschäftigte in anderen Qualifikationen und Berufen als je zuvor. Der Anteil akademisch gebildeter Arbeitnehmer bei BMW und Audi steigt und steigt, also auch bei Autobauern.
Das muss ein Bildungssystem liefern. Das liefert das bayerische Bildungssystem nicht ausreichend. Bayern muss Akademiker importieren.
Die Regionalschule hat nämlich folgende Vorteile: Sie erhält Schulstandorte auch im ländlichen Raum.
Natürlich, sie stärkt den ländlichen Raum. Sie liefert maßgeschneiderte Schulstrukturen für die Regionen. Sie setzt Finanzressourcen sinnvoll ein, und sie erreicht, dass für Kinder wirklich kürzere Schulwege zustande kommen. Deswegen sind solche Überlegungen richtig.
Viertens: Wir brauchen eine bessere Bildungsfinanzierung. Auch davon ist nichts zu hören und zu sehen gewesen. An Realschulen und Gymnasien wollen Sie jetzt keine Klasse mehr über 33 Schüler; Glückwunsch, Herr Minister! Keine Klasse über 33 Schüler – besser kann man die schlimme bildungs- und schulpolitische Situation, wie wir sie im Augenblick haben, gar nicht beschreiben.