Protocol of the Session on June 5, 2008

(Christine Stahl (GRÜNE): Kann doch sein!)

- Das kann doch sein.

Eindeutig ist, dass wir einen solchen Fall nicht mit dem geltenden Strafrecht erfassen können aber erfassen müssten. Verehrte Frau Kollegin Stahl, anstatt zu fragen, wie man so etwas formuliert, müssten Sie sich damit auseinandersetzen, was wir in unserer Antwort auf den Entwurf geschrieben haben. Ich kann nur sagen, die Situation, wie sie uns jetzt vorliegt, ist der reinste Hohn.

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht von ihrem Staat, dass er klar Stellung bezieht. Sollte der Entwurf des Bundesjustizministeriums Gesetz werden, warten die Menschen vergebens darauf. Die Vorlage verlangt in Bezug auf Terrorcamps, dass unter anderem vom Vorsatz umfasst ist, dass der Verdächtige bereits eine schwere terroristische Tat plant, die beispielsweise die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Ich frage mich nur, wie das geschehen soll. Wir können in den Kopf des Verdächtigen nicht hineinsehen. Wir wissen nicht, welche Absicht er hat. Insofern kann ich der Vorrednerin nur Recht geben. Wer so komplizierte Gesetzentwürfe macht, die gar nicht mit Realität erfüllt werden können, dem kann man auch nicht mehr helfen.

Die zweite Voraussetzung bedeutet, dass verlangt wird, dass der Verdächtige zu einer Terrororganisation Kontakt aufnimmt, um sich in der Begehung einer schweren Gewalttat unterweisen zu lassen. In der Begründung des Entwurfs wird ausdrücklich ausgeführt, dass es nicht genügt, wenn sich der Betroffene nur im Umgang mit Waffen oder Sprengstoffen schulen lassen will. Damit ist nicht widerlegbaren Schutzbehauptungen Tür und Tor geöffnet. Wir könnten auch sagen, wir sind wieder bei Null angelangt. Demzufolge ist man fast geneigt, von einem Täuschungsmanöver der Bundesjustizministerin zu sprechen.

Meine sehr geehrten Damen, meine Herren, ich kann die Blockade der SPD nicht nachvollziehen. Wer in ein Terrorcamp geht, um sich im Umgang mit Waffen, Sprengstoff oder auch radioaktiven Stoffen ausbilden zu lassen, will die erworbenen Fertigkeiten auch anwenden. Alles andere ist doch lebensfremd.

(Beifall bei der CSU)

Ich sehe keinen vernünftigen Grund, warum man einen solchen Lehrgang nicht unter Strafe stellen sollte. Deshalb noch einmal: Die Schulung in Terrorcamps als solche muss unter Strafe gestellt werden. Der Gesetzgeber darf den Ermittlern der Strafverfolgungsbehörden nicht permanent nur Knüppel zwischen die Beine werfen.

Meine Damen und Herren, über das Werk der Bundesjustizministerin gäbe es noch viel zu sagen. Die genannten Schwächen sind nicht die einzigen. Die Vorlage ist schwerfällig aufgebaut. Sie verwendet viel zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe - auch das Frau Stahl, ist aus Ihrer Rede sehr deutlich geworden - und sie weist zahlreiche Verwerfungen auf. Auf gut Deutsch, sie gibt unserer Praxis Steine statt Brot.

Deswegen werden wir im kommenden Gesetzgebungsverfahren alles in unserer Macht Stehende tun, damit den Strafverfolgungsbehörden ein effektives Instrumentarium zur Verfügung gestellt wird. Wir werden uns außerdem dafür einsetzen, dass die Sympathiewerbung wieder unter Strafe gestellt wird. Für die Unterstützung durch den Bayerischen Landtag noch einmal ein herzliches Dankeschön.

Frau Staatsministerin, Sie können am Rednerpult bleiben, wir haben eine Zwischenbemerkung. Frau Kollegin Stahl.

Frau Ministerin, da es Ihrerseits eine ausgearbeitete Antwort zur Vorlage der Bundesjustizministerin gibt, frage ich Sie, warum die CSUBundestagsfraktion diese noch nicht übernommen hat und in die Verhandlungen geht. Außerdem könnte Herr Obermeier sich dieser Antwort bedienen und seinen und seiner Kollegen Antrag ausführlicher gestalten. Es wirkt etwas albern, wenn man sehr durchsichtig die CSU-Landtagsfraktion benützt, um tätig zu werden, weil man sich auf Bundesebene nicht durchsetzt. Das war das Eine.

Außerdem möchte ich feststellen, dass nicht wir GRÜNEN – mit einer Ausnahme – massenweise Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem BGH verloren haben. Über 20 Verfahren, die Ihre Gesinnung und Ihre Einschätzung zum Rechtsstaat zum Gegenstand hatten. Deswegen hatten wir diese Woche Kfz-Kennzeichenscanning, Rasterfahndung usw. auf der Tagesordnung, weil Ihre Gesetze der Verfassungsmäßigkeit nicht standgehalten haben. Das musste klargestellt werden.

Meine Vermutung, dass die CSU dieses Thema als Wahlkampfgetöse benützt, rührt unter anderem daher, dass der Ministerpräsident für Anfang September, wenn die Bundestagsfraktionen schon lange nicht mehr tätig sein dürfen, einen Sicherheitskongress plant. Komisch. Das gab es bisher noch nicht. Gestern hat er es verkündet. Wir werden prüfen lassen, ob das zulässig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Antrag der CSU-Fraktion ist – ich gehe davon aus, dass Sie von „geeigneten Mitteln“ sprechen – nicht geeignet, den Terror zu bekämpfen, wie Telepathie eben auch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin.

Staatsministerin Dr. Beate Merk (Justizministerium) : Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass mit dem aufgerufenen Dringlichkeitsantrag sehr deutlich gemacht wird, mit welch schwierigen und schlechten Gesetzentwürfen wir leben müssen und gegen welche Entwürfe wir uns zur Wehr setzen müssen.

(Zurufe von der SPD)

Es geht darum, Menschen zu schützen, Verantwortung zu übernehmen und auf ein Fehlverhalten von Menschen zu reagieren, die nichts anderes im Sinn haben, als den Terrorismus in Deutschland zu unterstützen. Deswegen kann ich nur sagen: Es war richtig, was die CSU gemacht hat. Im Übrigen müssen die Angaben, die wir an das Bundesjustizministerium geschickt haben, hier nicht wiederholt werden. Was Kollege Obermeier dargestellt hat, entspricht voll und ganz den Tatsachen und entspricht auch der Notwendigkeit, um Menschen in unserem Lande klarzumachen, dass sich Politik für sie einsetzt und dass Politik Probleme und Schwierigkeiten aufnimmt und punktgenaue Lösungen bringt. Gesetzesentwürfe, die in der Praxis nicht realisierbar sind, brauchen wir erst gar nicht zu beschließen.

(Beifall bei der CSU – Christine Stahl (GRÜNE): Aber auch keine Anträge, die sinnlos sind!)

Frau Ministerin, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Schindler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil es nicht unwidersprochen im Raum stehen bleiben darf, was Sie, Frau Staatsministerin, so nebenbei behaupten,

(Susann Biedefeld (SPD): Oder Wahrheiten!)

nämlich, dass Sozialdemokraten und die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung nicht in geeigneter Weise gegen den Terrorismus in allen Schattierungen vorgegangen wären. Es gab eine Zeit, als unser Land jeden Tag von terroristischen Anschlägen bedroht war. Da waren SPD-Politiker, die zusammen mit der FDP das Land geführt haben.

Die haben damals mit Augenmaß reagiert, während der ganz starke Mann Ihrer Partei kläglich versagt hat.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben keine Belehrungen nötig, Frau Staatsministerin.

(Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU): Den Eindruck habe ich nicht!)

Wir haben keine Belehrungen nötig, Herr Staatsminister a.D., von einer Partei, die dann, wenn es darauf ankommt - und so war es in den 70er Jahren – jegliches Augenmaß verliert und sich als unfähig erweist, eine tatsächlich vorhandene Krise zu beherrschen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe Verständnis dafür, dass sich die Frau Staatsministerin im bevorstehenden Wahlkampf profi lieren muss. Dass ist uns allen eigen. Man sollte aber die Kirche im Dorf lassen und die CSUFraktion nicht dazu zwingen, eine Pressemitteilung anlässlich einer Konferenz der B-Justizminister wortwörtlich als Dringlichkeitsantrag einzubringen. So ist es nämlich. Wortwörtlich aus der Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz sind ganze Sätze in diesem Dringlichkeitsantrag übernommen worden.

Auch unter Rot-Grün gab es ganz konkrete – damals internationale – Bedrohungen durch den Terrorismus. Da haben die verantwortlichen Politiker

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Auf unseren Schily lassen wir nichts kommen!)

nicht nur ein Gesetz beschlossen, um Lücken zu schließen, sondern mehrere Terrorismusbekämpfungsgesetze, über die wir auch hier gestritten haben. Sie können doch nicht so tun, als habe man 2001 nicht reagiert, als habe man auch nicht auch europäische Vorgaben umgesetzt. Das ist doch alles gemacht worden.

(Beifall bei der SPD)

Wie lächerlich Ihre Argumentation ist, ergibt sich schon daraus, dass Sie jetzt ein marginales fünftrangiges Problem, nämlich die Strafbarkeit der Teilnahme an Terrorcamps irgendwo auf der Welt, zum Mittelpunkt der Diskussion machen müssen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Und das im Bayerischen Landtag!)

Offensichtlich fällt Ihnen nichts anderes ein.

Eine weitere Bemerkung zum Argument der komplizierten Gesetze. Ich rate jedem, der sich darüber beschwert, dass der Vorschlag für die Formulierung des § 89 a neu und des § 91 des Strafgesetzbuches kompliziert sei, die Artikel 34 und 34 a bis k des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, so wie es beschlossen werden soll, daneben zu legen. Das Urteil darüber, wer eine präzise Fassung eines Gesetzes vorlegt und wer nur schwurbelt, wird dann eindeutig sein.

(Beifall bei der SPD)

Das bayerische PAG ist nicht mehr verstehbar und wird deshalb in der Praxis nicht handhabbar sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie brauchen selbstverständlich keinen Rat von mir anzunehmen. Es darf hier jeder reden, was er will. Ich bitte Sie aber der Seriosität halber darum, nicht den Eindruck zu erwecken, als müsste man jetzt das, was Sie zu den Terrorcamps vorschlagen, ganz zwingend beschließen, weil sonst Bürgerkrieg und chaotische Zustände herrschen und Terroristen uns überfallen würden. Gott sei Dank ist es nicht so. Gott sei Dank haben unsere Sicherheitsbehörden vom Verfassungsschutz über die Polizei und die Staatsanwaltschaften bis neuerdings zum BKA die Lage so gut im Griff, dass wir eines der sichersten Länder auf dieser Welt sind. Das sollte man auch einmal sagen und nicht immer so tun, als stünden wir unmittelbar vor einem terroristischen Anschlag. Sie sollten nicht so tun, als müsste man nur dieses Gesetz beschließen, und schon wäre die Welt wieder in Ordnung. Auch das gehört zur Seriosität.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Noch einmal Frau Justizministerin Merk.

Staatsministerin Dr. Beate Merk (Justizministerium) : Herr Präsident, verehrter Herr Kollege Schindler! Vielen Dank für die Geschichtsstunde! Es geht aber heute nicht darum, zu beurteilen, wie unsere früheren Politiker gehandelt haben, sondern es geht darum, wie wir jetzt handeln und was wir jetzt tun, um unsere Menschen in Bayern und in Deutschland zu schützen. Wir leben nach nine-eleven, wir leben im Jahr 2008, und ich glaube, wir sollten uns darüber klar werden, warum wir über Gesetzentwürfe diskutieren.

(Karin Radermacher (SPD): Haben Sie kein Geschichtsbewusstsein? – Weitere Zurufe von der SPD)

- Könnten Sie jetzt vielleicht zuhören? Ich habe zuvor auch zugehört. Wir diskutieren über Ihre Form der Verantwortungsübernahme. Wir diskutieren über Gesetzentwürfe deshalb, weil wir der Meinung sind, dass es notwendig ist, etwas zu unternehmen, wenn Menschen in

fremden Ländern sich in Terrorcamps Fertigkeiten aneignen, um hinterher unschuldige Menschen in die Luft zu bomben und ihre politische Überzeugung in irgendeiner Art und Weise durchzusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)