Protocol of the Session on June 5, 2008

wenn es darüber hinausgeht, haben wir jeweils schon die Vorbereitung oder den Versuch einer Vorbereitung, dann sind wir einer Meinung. Aber die Strafbarkeit noch weiter nach vorne zu verlagern, da werden wir nicht mitmachen. Deswegen sehen wir keinen Sinn in Ihrem Dringlichkeitsantrag und werden ihm nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl.

ein Antrag gestellt, ohne dass Sie sich überlegen, wie Sie den umsetzen wollen

(Herbert Ettengruber (CSU): Überlegen schon, Frau Kollegin!)

sowohl rechtlich wie auch in der Praxis. Das fehlt hier komplett. Man muss sich doch zum Beispiel fragen: Wie sieht es dann aus, wenn jemand in der Ausbildung ist oder auch im Freizeitbereich mit Waffen umgeht – Bundeswehr, Polizei, Sprengmeister, Schützenvereine? Wie wollen Sie das rechtlich fassen, wenn jemand hier konkret Zugang zu Waffen hat? Wie wollen Sie dann die Vorbereitung von Straftaten begründen? Wie wollen Sie das handhaben?

Wie ist es – das wurde vom Kollegen Schindler angesprochen –, wenn jemand naturwissenschaftliche Informationen ins Internet stellt? Was machen Sie, wenn diese naturwissenschaftlichen Informationen eben tatsächlich von Terroristen missbraucht werden? Wird der dann in Mithaftung genommen oder bleibt er außen vor, oder darf man so etwas überhaupt nicht mehr ins Internet stellen?

Wie soll bei der Herstellung von vielfältig verwendbaren Stoffen klar zwischen wirtschaftlicher Tätigkeit und Vorbereitung einer Gewalttat unterschieden werden? Sie müssen doch auch in die Norm hineinschreiben, wie Sie sich das vorstellen.

Wie ist bei Ihnen der Begriff „Anschlag“ defi niert?

Ich könnte diese Liste ohne Ende fortführen. Das sind einfach Fragen, denen Sie sich stellen müssen, weil Sie uns im Alltag dann schlicht und einfach auch betreffen. Aber diese Mühe machen Sie sich nicht, sondern: hingwischt, Lücke, Terrorverdacht. Alles ist unsicher. Sie machen den Menschen Angst, statt ihnen die Angst zu nehmen, indem Sie unklare Normen vorlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Sie nehmen eine Reihe von rechtsstaatlichen Schäden in Kauf. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie Sie es machen wollen, die Gedanken von möglichen Tätern auszuspionieren, wie Sie Gedanken lesen wollen. Das ist auch etwas, was ich in der Praxis so ziemlich – –

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Telepathie!)

Genau, danke schön. Vielleicht sollte man bei der Polizei eine Abteilung Telepathie einrichten.

Ihr Vorhaben dient, auch mit seinem hohen Strafrahmen, mehr dazu, Wind zu machen, als in der Praxis wirklich zu helfen. Sie wollen über diesen Weg wiederum Ihre Vorstellungen von Überwachung von Telefonaten,

Auch ein Einzeltäter, der sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hat, macht sich strafbar, selbst wenn er das Verbrechen noch gar nicht versucht hat.

Ich muss Ihnen leider noch einmal sagen, dass sich ein rechtsstaatliches Strafrecht dadurch auszeichnet, dass Straftatbestände eng zugeschnitten werden müssen

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE) und der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

und dass Sie nicht ein Netz knüpfen können, das harmlose Bürgerinnen und Bürger genauso wie Straftäter betrifft. Ich möchte Sie auch noch einmal daran erinnern, dass es ein BGH-Urteil gab, das ebenfalls enge Grenzen in der Strafverfolgung gezogen hat. Das können Sie nicht einfach unter den Tisch fallen lassen.

Außerdem werden Sie Terroristen, die wirklich vorhaben, einen Anschlag zu begehen, auf diese Weise auch nicht bekommen. Das ist immer so Ihre Behauptung: Wenn man dann den Strafrahmen erhöht – wie gesagt, ich muss ja mit Vermutungen arbeiten, denn ich weiß nicht, was Sie wirklich wollen –, wenn Sie dann mit zehn Jahren drohen, glauben Sie wirklich, ein Terrorist lässt sich davon abhalten? Das Mittel ist schlichtweg nicht geeignet.

Oder nehmen wir einfach die Praktikabilität. Sie müssen vor Gericht belegen, dass wirklich einer etwas vorhat oder getan hat oder sonst was, damit Sie ihn der Strafe zuführen können. Da bezweifl e ich – so wie ich vermute, dass Sie es wollen –, dass Ihre Vermutungen vor Gericht Bestand haben werden, vor allem auch, weil die Geheimdienste, beispielsweise in Pakistan, uns nicht mitteilen werden, welche Erkenntnisse sie haben. Und ein professioneller Täter – das haben wir auch bei der OnlineDurchsuchung diskutiert – wird seine Pläne verschleiern. Er ist dann von der Intention her sowieso schon nicht greifbar.

Mehr Ermittlungsmöglichkeiten für mehr Behörden bringen parallele Ermittlungen. Das muss nicht unbedingt mehr Sicherheit bringen. Das bezweifl e ich ganz einfach.

Ich nehme stark an – das steht bei Ihnen nicht drin –, dass Sie wieder einmal weit in die Vorfeldstrafbarkeit gehen wollen, wo es aber sehr schwierig ist, gerichtsfest zu belegen, dass es sich eben nicht um eine neutrale Handlung oder eine Meinungsäußerung handelt, sondern tatsächlich um eine ganz ernst zu nehmende Tatvorbereitung. Ein rechtsstaatliches Strafrecht lässt eine Vorfeldbestrafung eben nur ganz ausnahmsweise zu.

Wir müssen uns in diesem Kontext auch mit ganz praktischen Fragen auseinandersetzen. Deswegen ärgert es mich ehrlich gesagt immer, wenn man es sich so unglaublich leicht macht wie Sie. Da wird eben mal

lands und keine Bedrohung unserer Bürger gäbe. Irgendwo diskutieren Sie im luftleeren Raum,

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sie machen das!)

und ich halte das nicht für redlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich erinnere daran, dass die rot-grüne Regierungskoalition 2002 die Sympathiewerbung für Terrororganisationen strafl os gestellt hat.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Was?)

Der nächste Anschlag auf das Strafrecht erfolgte 2003. Rot-Grün – lesen Sie es nach – hat den Strafvorschriften gegen den Terrorismus eine Fassung gegeben, die mit Praktikabilität rein gar nichts mehr zu tun hat.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Aber Ihres ist praktikabel?!)

Beide Entkriminalisierungen sind gegen den erbitterten Widerstand Bayerns, der unionsgeführten Länder und auch der Unionsfraktion im Bundestag durchgedrückt worden.

Wie absurd die Konsequenzen daraus sind, hat uns der BGH erst Ende 2007 vor Augen geführt. Es war eine aufsehenerregende Entscheidung, Frau Stahl – Sie haben sie wahrscheinlich gerade angesprochen. Es ging um eine linksextremistische Gruppe, der zahlreiche Brandanschläge auf Kraftwagen und auf Gebäude mit einem Gesamtschaden von mehr als 2,5 Millionen Euro zur Last gelegt wurden. Das höchste deutsche Strafgericht hat die Auffassung vertreten, dass eine solche Vereinigung nach geändertem neuem Recht nicht mehr als terroristische Vereinigung angesehen werden könne, wie das früher der Fall war.

Nun könnte man meinen, dass nach der überfälligen Verabschiedung der GRÜNEN aus der Bundesregierung alles besser geworden sei. Aber weit gefehlt. Nach wie vor müssen wir den Koalitionspartner in der Terrorismusbekämpfung zum Jagen tragen. Bestes Beispiel sind die heute zur Debatte stehenden Terrorcamps. Die Bundesjustizministerin hat von Anfang an Widerstand geleistet. Vor allem Training und Ausbildung in den Camps des islamistischen Terrors wollte sie partout nicht unter Strafe stellen. Dementsprechend schwierig waren die Verhandlungen zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem Bundesministerium des Innern.

Die Ergebnisse stellen nicht mehr dar als den kleinsten gemeinsamen Nenner. Kurz gesagt: Viel beschriebenes Papier, wenig vielversprechend für die Praxis. Ich befürchte, dass uns dieser Entwurf nicht weiterhelfen wird. Ein effi zienter Schlag gegen den Terrorismus sieht völlig anders aus. Dafür ein Beispiel, dem ein realer Sachver

Mails, Online-Durchsuchungen, Internetnutzung usw. aufblasen und durchsetzen.

Für uns gilt, dass ein Gesetz, eine Rechtsnorm, ein Instrument erforderlich und geeignet sein muss und ich nicht einfach aus der puren politischen, ideologischen Laune heraus etwas auf die Tagesordnung setze, ohne wirklich sagen zu können, wie es dann umgesetzt werden soll. Legen Sie etwas Konkretes vor – obwohl ich immer noch der Meinung bin, wir sind hier eigentlich nicht zuständig; aber ich tue Ihnen dann gerne den Gefallen, die konkrete Lösung zu diskutieren. Aber gaukeln Sie nicht etwas vor, was letztendlich nicht machbar ist, nämlich eine allumfassende Sicherheit.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Dr. Merk.

Staatsministerin Dr. Beate Merk (Justizministerium) : Herr Präsident, Hohes Haus! Ich danke der Mehrheitsfraktion, dass sie dieses zentrale Vorhaben als Dringlichkeitsantrag aufgegriffen hat. Ich unterstütze das und sage Ihnen ganz klar: Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um die Menschen in unserem Land vor den Gefahren des Terrorismus bestmöglich zu schützen.

(Zurufe von der CSU)

Dafür brauchen wir ein effektives strafrechtliches Instrumentarium. Darin sollten sich eigentlich alle politisch Verantwortlichen hier einig sein.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜNE))

Bedauerlicherweise ist aber gerade das nicht der Fall. Ich muss auch eines dazu sagen: Wenn man heute sagt, Innere Sicherheit sei Wahlkampf, dann muss ich sagen: Innere Sicherheit hat überhaupt nichts mit Wahlkampf zu tun,

(Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN)

sondern mit Verantwortung. Aber das scheint Ihnen irgendwo abhanden gekommen zu sein.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Mein Gott!)

Diskutieren Sie doch nicht so, meine Damen und Herren von der Opposition, als ob es keine Bedrohung Deutsch

halt zugrunde liegt. Nach überaus aufwändigen Ermittlungen der bayerischen Strafverfolgungsbehörden konnte einem Islamisten die Teilnahme an einem terroristischen Ausbildungscamp nachgewiesen werden. Der Beschuldigte ließ sich dann dahin ein, er habe nichts anderes gewollt als ein interessantes Abenteuerlager zu besuchen. Von den tatsächlichen Inhalten des Abenteuerlagers sei er völlig überrascht worden, und er habe sich keinesfalls für die Durchführung irgendwelcher Straftaten ausbilden lassen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Kann doch sein!)