Protocol of the Session on May 28, 2008

Ein weiterer Schritt zur Glaubwürdigkeit wäre allerdings auch, dass die Vorbehaltserklärung in der UN-Kinderrechtskonvention durch die Bundesregierung zurückgenommen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, es ist nur dann glaubhaft, Kinderrechte in der Verfassung festzuschreiben, wenn man auch den anderen Schritt tut, nämlich endlich klarzulegen, dass in diesem Land nicht nur deutsche Kinder, sondern auch ausländische Kinder dieselben Rechte haben. Kinder sind Kinder, ob sie Deutsche oder Ausländer sind. Und das ist im Moment in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht möglich. Zwei Länder haben diese UN-Kinderrechtskonvention nicht unterzeichnet, nämlich die USA und Somalia. Wir reihen uns mit dieser Vorbehaltserklärung in diese unrühmliche Reihe ein. Wir haben es bisher noch nicht geschafft, diese Erklärung zurückzunehmen.

Wenn wir es also mit den Rechten der Kinder ernst meinen, dann gehört Folgendes dazu: erstens, Festschreibung in der Verfassung; zweitens, handeln – nicht reden – für die Kinder und Maßnahmen ergreifen; drittens, weg mit dieser unseligen Vorbehaltserklärung.

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Das ist eine Schande für dieses Land, das für sich immer in Anspruch nimmt, dass alle Menschen gleiche Rechte haben – bis auf die ausländischen Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt darf ich Herrn Kollegen Welnhofer das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es wird gesagt, Kinderrechte gehörten ins Grundgesetz. Ich kann Ihnen antworten: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind sie da schon drin.

Erst kürzlich hat es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage gegeben, ob der Umgang – das hat mit unserem Problem zunächst nichts zu tun – eines Vaters mit seinem nichtehelichen Kind erzwungen werden kann. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Bestimmung des Grundgesetzes, wonach Pfl ege und Erziehung

Vorbehalte – die anderen vier sind erledigt –: Es kann nicht sein, dass die Kinderrechtskonvention gegen geltendes Ausländerrecht der Bundesrepublik Deutschland missbräuchlich ausgelegt wird. Aufenthaltstitel aufgrund einer Kinderrechtskonvention kann und wird es mit uns jedenfalls nicht geben. Aufenthaltstitel regeln wir allein und innerstaatlich in der Bundesrepublik Deutschland. Da lassen wir uns von niemandem hineinreden.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Da unterschreiben wir auch nicht ohne Vorbehalte eine Konvention, die in dieser Hinsicht zumindest missinterpretiert werden kann.

(Christine Stahl (GRÜNE): Es gibt deutsche Kinder und den Rest irgendwie? „Stolz auf Bayern“, das ist der neue Slogan. Das wissen wir schon! Aber dazu gehört Qualität!)

Frau Kollegin Ackermann, Sie haben noch einmal ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, dieses Thema ist zu ernst, um es mit so fl apsigen, dümmlichen Bemerkungen abzutun.

(Beifall bei den GRÜNEN – Engelbert Kupka (CSU): Was ist denn da fl apsig? Das erläutern Sie jetzt einmal bitte!)

Es geht hier, falls Sie es noch nicht bemerkt haben, um Kinder, und zwar um deutsche Kinder und um Kinder aus anderen Ländern. Ich habe gefordert, dass die Kinder aus anderen Ländern auch als Kinder im Sinne des Grundgesetzes betrachtet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kollege von der CSU hat die Meinung vertreten, dass diese Kinder zu Recht weniger Rechte haben als deutsche Kinder. Da muss ich Ihnen sagen: Sie haben überhaupt noch nichts begriffen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Eben!)

Sie haben überhaupt noch nicht begriffen, was in einer Kinderseele vorgeht, wenn ein minderjähriges Kind aus einem fremden Land unbegleitet hierher kommt,

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

das traumatisiert ist, und Sie dann sagen: Wir lassen uns nicht in unser – ohnehin falsches – Ausländerrecht hineinregieren.

Menschen, die sich, wie ich meine, so egoistisch verhalten, kommen damit bei uns nicht durch, und das ist das Entscheidende.

Sie werden wohl genauso wenig ernsthaft behaupten wollen, dass es bei uns mehr Kinder geben würde, wenn die Kinderrechte im Grundgesetz stünden. Ich möchte mal sehen, welches junge Ehepaar ins Grundgesetz schaut, bevor es sich in der Frage entscheidet, Kind: ja oder nein.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Ich bin davon ausgegangen, dass ein Grundgesetz unter jedem Ehebett liegt!)

Das können Sie zwar sagen, aber da werden Sie noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Ich habe auch zugehört, wie Sie vorgetragen haben, was Sie sich an Formulierungen im Grundgesetz konkret vorstellen. Gerade das ist jetzt schon geltendes Recht.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Aber so steht es nicht drin!)

Ich sage es noch einmal: Kinderrechte im Grundgesetz werden den Alltag nicht ändern. Ich bin der Überzeugung, Deutschland ist kein kinderfeindliches Land, aber einzelne Mitglieder der Gesellschaft. Leider sind nicht ganz wenige kinderfeindlich, aber die werden Sie mit einer Grundgesetzänderung nicht umerziehen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Aber mit einer Diskussion über Kinderrechte schon!)

In aller Kürze nun das Gleiche, das ich schon zum Thema „Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung“ gesagt habe: Wenn es nicht notwendig ist, eine Verfassung zu ändern, weil das, was geregelt werden soll, schon geregelt ist, dann ist es notwendig, die Verfassung unberührt lassen.

(Beifall des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Eine Verfassung ändert man nur in unerlässlichen Fällen, und ein unerlässlicher Fall liegt nicht vor.

Noch ein Wort zu dem zurückgezogenen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der zwar zurückgezogen werden musste, weil er vor weniger als einem Jahr schon einmal eingereicht worden ist, der aber offenbar die Sprecherin der GRÜNEN, Frau Kollegin Ackermann, doch so sehr bewegt, dass sie dazu etwas gesagt hat. Ich kann Ihnen nur sagen – ich will das im Einzelnen nicht mehr ausführen –, dass alles, was die Kinderrechtskonvention enthält, in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert wird. Nur eines geht nicht, und das ist der einzige der noch aufrechterhaltenen, ursprünglichen fünf

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): „Schnell mal“ ist da nichts! Seit 1996 sind wir dran!)

Sowohl im Antrag als auch in der Begründung, Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, steht: Kinder sind eigene Personen. Sie sind keine Anhängsel oder Eigentum von Erwachsenen. Daraus ergibt sich ein völlig verzerrter Eindruck von der bestehenden Verfassungslage.

Mein Eindruck ist, dass sich die Antragsteller mit dem Grundgesetz überhaupt nicht auseinandergesetzt haben

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist immer das einfachste!)

und auch nicht mit dem Urteil zur Durchsetzung des Umgangsrechts, das Kollege Welnhofer zitiert hat.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Mit dem Urteil vom 01.04. haben wir uns sehr wohl auseinandergesetzt!)

Ich möchte dieses Urteil passagenweise vorlesen,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ich habe es auch zitiert, Frau Stewens!)

weil sehr präzise und markant in der ständigen Rechtsprechung zum Ausdruck kommt, was im Bereich Rechtsetzung Kinderrecht tatsächlich gemeint ist.

Das Urteil lautet:

Das Kind hat eigene Würde und eigene Rechte. Als Grundrechtsträger hat es Anspruch auf den Schutz des Staates und die Gewährleistung seiner grundrechtlich verbürgten Rechte. […]

Bedarf aber das Kind solcher Unterstützung durch seine Eltern und ist deshalb die Elternverantwortung allein dem Wohle des Kindes verpfl ichtet wie geschuldet, dann hat das Kind auch einen Anspruch darauf, […] dass seine Eltern der mit ihrem Elternrecht untrennbar verbundenen Pfl icht auch nachkommen. Dieses Recht des Kindes fi ndet insofern in der elterlichen Verantwortung seinen Grund und wird damit von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes geschützt. Es steht in engem Zusammenhang mit dem Grundrecht des Kindes auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, denn es sichert dem Kind den familiären Bezug, der für seine Persönlichkeitsentwicklung von Bedeutung ist.

Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass das Kind gerade nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung ist. Es ist vielmehr Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem es die Eltern schulden, ihr Handeln nach seinem Wohl auszurichten.

Sie treten nicht für die Kinder ein. Ganz genau so ist es, und deshalb ist es dringend notwendig, dass Deutschland diese Vorbehaltserklärung zurücknimmt; denn sonst agieren Sie weiterhin so unmenschlich, wie Sie es jetzt bereits angekündigt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)