Protocol of the Session on April 24, 2008

Herr Präsident, Frau Ministerin, das, was hier bei Siemens getrieben wurde, war nichts anderes als organisierte Kriminalität in ganz großem Stil. Von daher muss die Justiz und von daher müssen der Staat und die Politik hier massiv dagegen halten. Wir haben bereits Anfang des vergangenen Jahres in Anträgen und Anfragen die Verwicklungen des Zentralvorstandes in das kriminelle Treiben bei Siemens thematisiert, und wir haben selbstverständlich auch die mögliche Einbindung der Bayerischen Staatregierung ins Ermittlungsgeschehen und ins Sanktionsgeschehen thematisiert.

Es war augenfällig, dass die Ermittlungsbehörden bislang frühere Spitzenkräfte von Siemens doch eher mit Samthandschuhen angefasst haben, dass aber gleichzeitig nach Steuerfahndern gesucht wurde, die angeblich Dienstgeheimnisse verraten haben. Es war auch augenfällig, dass die Sanktionen doch bescheiden ausgefallen sind.

Wir wollen in der heutigen Ministerbefragung klären, welche Mitglieder der Staatsregierung wann und inwieweit ins Ermittlungs- und Vermittlungsgeschehen eingegriffen haben. Wir wollen geklärt wissen, wie vor allem auch der jetzige Ministerpräsident eingebunden ist und eingebunden war. Ich darf Sie, Frau Ministerin Merk, ganz konkret fragen:

Erstens. Welche Mitglieder der Staatsregierung und welche Spitzenbeamten aus der bayerischen Ministerialbürokratie waren seit wann und sind heute in der Causa Siemens in die Ermittlungen und in die Vergleichsverhandlungen involviert?

Zweitens. Wurde die Staatsanwaltschaft durch Mitglieder der Staatsregierung oder durch Spitzenbeamte aus der bayerischen Ministerialbürokratie gedrängt, Ermittlungen gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn von Pierer oder gegen andere Spitzenkräfte einzustellen oder erst gar nicht aufzunehmen?

Eine dritte Frage – die Staatsregierung hat schon Kollegen Maget geantwortet, ich meine aber, wir müssen das immer wieder festklopfen –: Wann ist der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein von den Korruptionsfällen und vom System der schwarzen Kassen bei Siemens zum ersten Mal informiert worden und von wem,

(Beginn: 9.03 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 121. Plenarsitzung. Ich begrüße alle herzlich. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist erteilt.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich einige Glückwünsche anbringen, auch wenn die Adressaten jetzt noch nicht anwesend sind. Der Fraktionsvorsitzende der CSU, Herr Kollege Georg Schmid, hat am 20. April einen halbrunden Geburtstag gefeiert. Ebenfalls einen halbrunden Geburtstag feierten am 21. April Kollege Klaus Dieter Breitschwert und am 23. April Herr Kollege Professor Dr. Vocke. Heute hat Kollege Rudrof Geburtstag. Er ist anwesend, ihm einen besonderen Glückwunsch.

(Beifall)

Allen Kollegen im Namen des Hauses alles Gute.

Ich darf bekannt geben: Am 8. April haben die Kollegen Jürgen Dupper und Herbert Rubenbauer vor mir zur Niederschrift erklärt, mit Ablauf des 30. April 2008 auf ihr Landtagsmandat zu verzichten. Die beiden Kollegen scheiden damit gemäß Artikel 56 Absatz 2 des Landeswahlgesetzes mit Ablauf des 30. April 2008 aus dem Bayerischen Landtag aus. Ich danke den Kollegen Jürgen Dupper und Herbert Rubenbauer herzlich für die im Parlament geleistete Arbeit und wünsche ihnen in Ihrer aller Namen alles Gute für ihre neuen Aufgaben und für ihren weiteren Lebensweg.

(Allgemeiner Beifall)

Die Namen der Listennachfolger werde ich zu gegebener Zeit bekannt geben. Heute werden noch einige weitere Kollegen ihren Mandatsverzicht erklären. Mittlerweile gibt es eine Frist. Es gibt keine Übergangszeit mehr, in der Amt und Mandat gleichzeitig ausgeübt werden können. Das heißt, vor Amtsantritt der Kommunalämter muss hier die Niederlegung des Mandats erfolgen.

Zum weiteren Ablauf heute – ich hoffe, dass möglichst viele Kolleginnen und Kollegen am Lautsprecher mithören oder es ihnen mitgeteilt wird –: Nach der Ministerbefragung beabsichtige ich eine Erklärung abzugeben zu „75 Jahre Ermächtigungsgesetz“. Das war damals eine historische Abstimmung im Bayerischen Landtag. Dann werden wir mit der übrigen Tagesordnung fortfahren. Das heißt, es geht dann weiter mit den Ersten Lesungen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Ministerbefragung

Ich will zunächst die veränderten Modalitäten in Erinnerung rufen, die zwischen den Fraktionen vereinbart worden sind: Jetzt hat jede Fraktion ein festes Zeitkontingent. Das heißt, die fragestellende bzw. die Initiativfraktion hat fünf Minuten. Heute hat das BÜNDNIS 90/

Was wollen Sie noch?

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Fragen Sie, wenn Sie – – ! – Es sind keine Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung eingebunden worden. Es ist – Sie können unsere Staatsanwälte fragen – keiner unserer Staatsanwälte in irgendeiner Weise zu einem Tun, Handeln oder Unterlassen gedrängt worden; vielmehr ist es ganz anders: Unsere Staatsanwälte arbeiten so, wie sie immer arbeiten: sehr schleunig, sehr schnell, sehr konzentriert auf den Fall – nach dem Gesetz, nämlich nach dem Objektivitätsgrundsatz, ohne Ansehen der Person.

Und ich muss eines sagen: Es ist auch nicht unsere Aufgabe, uns in Ermittlungen einzumischen.

(Beifall des Abgeordneten Günter Gabsteiger (CSU))

Es ist Sache der Staatsanwaltschaft, es ist Sache der Polizei, Ermittlungen zu führen und zu entscheiden, in welcher Art und Weise diese Ermittlungen geführt werden.

Letztlich ist es so, dass nur dann eine Ermittlung gegen eine Person aufgenommen wird oder durchgeführt werden kann, wenn es sich dabei um eine Person handelt, gegen die ein konkreter Tatverdacht besteht. Wann ein solcher konkreter Tatverdacht besteht, entscheiden die Ermittlungsbehörden. Da muss ich dazusagen: Das kann sich natürlich zu jedem Zeitpunkt, von heute auf morgen ändern.

Frau Ministerin, ich hatte vier konkrete Fragen gestellt. Auf diese wollten Sie nicht antworten. Ich werde sie nicht wiederholen, weil das von meinem Zeitbudget abgeht.

Wenn Sie unser letztes Anfragenpaket meinen, das Sie heute um 9.00 Uhr bekommen hätten – das habe ich vor drei Wochen eingereicht. Es gab schon Anfragenpakete aus dem März letzten Jahres; aber das sei dahingestellt. Es geht hier auch nicht um Show-Effekte.

Ich darf Ihnen weitere konkrete Fragen stellen; vielleicht finden Sie ja da eine Antwort.

Einmal: Hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen Mitarbeiter der Steuerfahndung oder andere Staatsbedienstete wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ermittelt? Und wenn ja, durch wen wurden diese Ermittlungen veranlasst?

Zum Zweiten: Haben Vertreter des bayerischen Justizministeriums tatsächlich gegenüber der Siemens AG die Pressekampagne gegen Siemens bedauert?

Und zum Dritten: Wurden dem Bundesamt für Justiz alle von der Bayerischen Staatsregierung gewünschten Unterlagen und andere Informationen in der Causa Siemens gegeben, und geschah das auch zeitnah zu den jeweiligen Anforderungen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

und wann hat Günther Beckstein in oben genannter Angelegenheit zum ersten Mal mit Heinrich von Pierer konferiert, was waren Inhalte und Ergebnisse?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Staatsministerin.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Runge, zu allererst einmal: Sie haben mich jetzt mit einer ganzen Reihe von Fragen konfrontiert. Ich werde ab und zu nachfragen müssen, dass Sie mir die dann noch einmal stellen, denn Steno schreibe ich nicht.

Es ist selbstverständlich das Recht jedes Abgeordneten, die Möglichkeiten der parlamentarischen Befragung zu nutzen. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, ich komme mir schon etwas eigenartig vor, wenn an das Justizministerium ein sehr umfangreicher Fragenkatalog zur schriftlichen Beantwortung gegeben wird, der beantwortet werden soll, von dem Sie wissen, dass meine Beamten zahlreiche Rückfragen bei anderen Ressorts tätigen müssen, weil diese Kenntnisse einfach nicht beim Justizministerium vorhanden sein können, und Sie dann, obwohl Sie noch nicht einmal die Unterlagen bekommen haben und wissen, was drinsteht, eine Ministerbefragung machen.

(Karin Radermacher (SPD): Das ist unser Recht!)

Darum, meine ich, geht es jetzt weniger, – –

(Zuruf)

Das habe ich eben gesagt. Hätten Sie zugehört, Frau Abgeordnete!

Da geht es mir so, dass ich mich schon frage, ob Sie jetzt Informationen haben wollen oder ob es Ihnen um einen Show-Effekt geht.

(Beifall bei der CSU – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Öffentlichkeitsarbeit nennt man das! – Zuruf der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD) – Weitere Zurufe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann per se ganz klar sagen, dass es für mich wichtig ist, festzustellen, dass sich Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung in keiner Weise in Ermittlungen hineinbegeben haben, in den Ermittlungen mit drin sind oder, wie Sie so schön gesagt haben, „eingebunden“ worden sind. Ich wüsste gar nicht, von wem Sie eingebunden werden sollen.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Na! – Jetzt weiter!)

Ja, das war meine Antwort.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

Dann geben Sie mir die Fragen schriftlich. Ich bin auch noch nicht fertig. Und, Frau Abgeordnete, ich sage es Ihnen noch einmal: Wie ich Fragen beantworte, ist Gott sei Dank immer noch meine Sache.

(Anhaltende Zurufe von den GRÜNEN)

Also noch einmal: Was eine Pressekampagne angeht, weiß ich nicht, was da an Bedauern geäußert wurde. Es ist mir nicht bekannt. Das müssen Sie mir sagen; es ist mir unbekannt.

Sie haben Fragen gestellt, was der Innenminister getan und gesprochen hat. Ich muss Ihnen sagen, ich bin nicht der Innenminister. Ich war auch an den Gesprächen, die er geführt hat, nicht beteiligt. Aber: Der Innenminister hat – das haben Sie selber gesagt, Herr Runge – an den Herrn Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion ein Schreiben gerichtet, in dem er zu einem Gespräch mit Herrn von Pierer Stellung genommen hat. Auf dieses Schreiben kann ich mich beziehen.