Protocol of the Session on March 16, 2004

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 12. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

(Die Anwesenden erheben sich)

Meine Damen und Herren! Mit großem Entsetzen und tiefer Betroffenheit vernahmen wir am vergangenen Donnerstag die Nachricht, dass in Madrid durch mehrere feige und brutale Bombenanschläge auf Bahnhöfe und Züge 200 Menschen getötet und mehr als 1500 zum Teil schwer verletzt wurden.

Allen Opfern und ihren Angehörigen gilt das tiefe Mitgefühl der Abgeordneten des Bayerischen Landtags und des ganzen bayerischen Volkes.

Dieser kaltblütige Angriff hat uns alle tief erschüttert. Es ist das erste Mal, dass von einer menschenverachtenden Anschlagsserie dieses Ausmaßes ein europäisches Land betroffen ist. Die verheerenden Bombenexplosionen fanden in Spanien statt, aber getroffen fühlen müssen wir uns alle, denn dieser Massenterrorismus zielt auf die Fundamente unseres europäischen Wertesystems. Deshalb sind wir uns alle einig in der Verachtung der Verbrecher und in dem Bemühen, ihrem blutigen Treiben ein Ende zu setzen. Das ist eine große Aufgabe und bedarf einer gemeinsamen europäischen Anstrengung.

Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen hat sich das Terrornetzwerk al-Qaida zu den Anschlägen bekannt. In einer Videobotschaft der Terroristen heißt es: „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod.“ Zynischer kann man die eigene mörderische Verblendung nicht bloßlegen. Diesen Mördern, die sich ihrer Inhumanität so provozierend rühmen, muss von uns allen energischer Widerstand entgegengesetzt werden. Diese skrupellosen Mörder wollen mit ihrem Terror Angst und Lähmung erzielen. Gerade dies dürfen sie nicht erreichen. Auch hier gilt: Wachsamkeit und entschlossenes Handeln ist der Preis der Freiheit.

Dem spanischen Volk gilt unsere Trauer und unsere Solidarität.

(Schweigeminute)

Ich danke Ihnen und bitte Sie, auch dreier ehemaliger Kollegen zu gedenken.

Am 13. Februar verstarb eine Woche vor Vollendung seines 83. Lebensjahres Herr Erich Zeitler. Er gehörte dem Landtag von 1962 bis 1978 als Abgeordneter der SPD an. Erich Zeitler war kommunalpolitisches Urgestein. Nachdem er schwer verwundet

aus dem Krieg heimgekommen war, studierte er in München Jura und ließ sich in Ismaning als Rechtsanwalt nieder. Bereits im Alter von 31 Jahren wurde Erich Zeitler dort zum Ersten Bürgermeister gewählt. Er blieb es über 38 Jahre hinweg bis 1990. Bei seinem Ausscheiden aus dem Amt wurde ihm die Ehrenbürgerwürde verliehen.

Erich Zeitler war Mitglied des Kreistags und des Bezirkstags sowie stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Gemeindetags und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städte- und Gemeindetags. Im Bayerischen Landtag engagierte er sich besonders im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen, den er von 1966 bis 1978 als Vorsitzender leitete.

Für seine großen Verdienste für die Gemeinschaft wurde er vielfach öffentlich geehrt, unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden und mit dem Großen Bundesverdienstkreuz.

Am 16. Februar verstarb im Alter von 83 Jahren Herr Stefan Höpfinger, der dem Bayerischen Landtag für die CSU von 1969 bis 1976 angehörte. Stefan Höpfinger hatte seine politischen Wurzeln in der christlichen Arbeiterbewegung.

Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1947 erlernte er das Zimmererhandwerk und machte zudem noch eine Ausbildung als Bergmann in Penzberg. Schon früh engagierte er sich in der Christlich-Sozialen Arbeiterschaft und arbeitete ab 1959 als Diözesansekretär für das Werkvolk in der Diözese Augsburg.

Auch kommunalpolitisch war er engagiert, zunächst als Stadtrat in Penzberg, dann in Augsburg. Im Bayerischen Landtag brachte Stefan Höpfinger seine Sachkenntnis und sein soziales Engagement in den Ausschüssen für Eingaben und Beschwerden sowie für Sozial- und Gesundheitspolitik ein.

1976 wechselte er in den Bundestag. Von 1984 bis 1989 war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Am 18. Februar verstarb Herr Heinrich Praml im Alter von 91 Jahren. Er vertrat im Bayerischen Landtag von 1966 bis 1978 für die CSU den Stimmkreisverband Deggendorf-Stadt und -Land sowie Landau an der Isar.

Heinrich Praml, der den Maurerberuf erlernt hatte, engagierte sich nach dem Krieg in der Deggendorfer Bauinnung und im Deutschen Gewerbeverband. Darüber hinaus übernahm er kommunalpolitische Verantwortung als Zweiter Bürgermeister der Gemeinde Offenberg und als Mitglied des Kreistags von Deggendorf.

Mit hoher Sachkompetenz arbeitete Heinrich Praml während seiner Zeit als Landtagsabgeordneter im Ausschuss für Sozialpolitische Angelegenheiten und vor allem im Ausschuss für den Staatshaushalt und Finanzfragen.

Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Angedenken bewahren. – Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf nun noch einige Glückwünsche aussprechen. Einen halbrunden Geburtstag feierten am 8. März Frau Kollegin Marianne Deml und am 9. März Herr Staatssekretär Jürgen W. Heike. Einen runden Geburtstag beging am 10. März Frau Kollegin Angelika Weikert. Ebenfalls einen runden Geburtstag feiert heute der Amtschef des Bayerischen Landtags, Herr Ministerialdirektor Maicher.

Ich wünsche den genannten Damen und Herren im Namen des Hohen Hauses und auch persönlich alles Gute, Gesundheit, viel Freude an ihren Aufgaben und alles Gute für ihren weiteren Lebensweg.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 1 Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzaus- gleichsänderungsgesetz 2004) (Drucksache 15/251) - Zweite Lesung –

Tagesordnungspunkt 2 Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2003/2004 (Nachtragshaushaltsgesetz 2004) (Drucksache 15/252) - Zweite Lesung –

mit den hierzu eingereichten Änderungsanträgen zum

Nachtragshaushaltsplan auf den Drucksachen: 15/372 bis 15/436, 15/453 bis 15/462, 15/464 bis 15/473, 15/475 und 15/476, 15/478 bis 15/486, 15/490 und 15/491, 15/493, 15/495 bis 15/513, 15/515 bis 15/521, 15/531 bis 15/535, 15/538 und 15/539

sowie zum Nachtragshaushaltsgesetz auf den

Drucksachen: 15/437, 15/488 und 15/489, sowie 15/492

Ferner rufe ich auf die

Tagesordnungspunkte 3 mit 9 das sind die SPD-Anträge 15/452, 15/477, 15/487, 15/494 und 15/514

sowie die beiden Eingaben betreffend Nachtragshaushaltsplan 2004 Haushaltsgesetz

“Geplante Kürzungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld“

und

„Verlängerung der Stellenbesetzungssperre, Kürzung der Sonderzuwendung und des Urlaubsgeldes“

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass am Ende der Debatte aufgrund der zahlreichen namentlichen Abstimmungen ein Abstimmungsblock von voraussichtlich über zwei Stunden sein wird. Es ist also zweckmäßig, sich darauf einzustellen, dass – jedenfalls nach dem gegenwärtig abschätzbaren Sitzungsverlauf – die Abstimmungen bis etwa Mitternacht Zeit in Anspruch nehmen werden. Es sollte sich aber niemand darauf einstellen, dass es nicht früher sein kann, und die Zwischenzeit woanders nutzen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Die parlamentarischen Verläufe sind von Überraschungen nie völlig frei.

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis zur Redezeit. Abweichend von der allgemeinen Redezeitregelung für Zweite Lesungen gilt für die Redezeit Folgendes: Die Gesamtredezeit und die Zahl der Redner ist nicht begrenzt. Es gab im Ältestenrat keine diesbezügliche Regelung. Grundsätzlich darf jeder Redner – ist immer auch gleich Rednerin – 15 Minuten sprechen, ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion bis zu 45 Minuten mit Verlängerungsmöglichkeit bis 60 Minuten. Im Übrigen ist es zweckmäßig – und ich glaube, die Gespräche sind schon im Gange –, dass sich die Fraktionen, was die Reihenfolge der Redner betrifft, sich darauf verständigen, dass Themenblöcke aufeinander abgestimmt werden. Ansonsten bekommen wir eine gewisse Willkür im üblichen Reißverschlussverfahren, zu welchem Thema die Einzelnen gerade reden, was die Konzentration auf die Themen nicht gerade erleichtern würde.

Die Fraktionen haben sich offensichtlich darauf verständigt, dass der Redner der CSU-Fraktion beginnt. Da dem offensichtlich so ist, –

(Franz Maget (SPD): Davon weiß ich nichts! Davon wissen wir nichts!)

So wurde es mir mitgeteilt. Normalerweise wäre ich davon ausgegangen, dass die Opposition beginnt.

(Franz Maget (SPD): Das ist neu!)

Verzeihung, darf ich hier einmal –

(Franz Maget (SPD): Das ist aber neu!)

Ich habe gefragt. Normalerweise beginnt der Redner der Opposition. Es wurde mir mitgeteilt, es gäbe intern eine Regelung, dass Herr Ach beginnt.

(Franz Maget (SPD): Wer hat das gesagt? – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Der Herr Ach wahrscheinlich!)

Eine andere Nachricht hat mich nicht erreicht. Wenn das nicht eindeutig geklärt werden kann, dann beginnt Herr Kollege Kaiser. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Nachtragshaushalt 2004 bewegt die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wie wohl kein Haushaltsplan vorher. Viele Menschen protestierten und demonstrierten in den letzten Wochen und Monaten gegen den abrupten, überraschenden, überfallartigen Kurswechsel der CSUStaatsregierung. Entgegen allen Aussagen vor der Landtagswahl verordnete der Ministerpräsident unseres Landes eine finanzpolitische Rosskur, um sich als Sparkommissar der Republik für eine erneute Kanzlerkandidatur zu empfehlen.