Protocol of the Session on February 14, 2008

Im Bereich der Krippen, Horte und so weiter tritt das Problem Mittagessen so nicht auf, weil im SGB VIII die Teilhabe steht. Zur Teilhabe gehört auch das Essen. Deswegen wird das jeweils von den Jugendhilfeträgern im Rahmen der wirtschaftlichen Jugendhilfe bezahlt.

Das Problem tritt natürlich in den Schulen auf. Hier brauchen wir wirklich eine Lösung. Wir sind darum bemüht, eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Das halte ich durchaus für wichtig; denn es kann nicht sein, dass sich Kinder aus Elternhäusern, die das Geld dafür nicht aufbringen, ein Mittagessen oder die Teilnahme am Ganztagsunterricht nicht leisten können.

Noch ein Wort zu Ihnen, Frau Kollegin Ackermann: Wir, die Bayerische Staatsregierung, sind gegen eine Kappung des Ehegattensplittings. Das sage ich ganz klar. Ihre Rechnung, dass Sie mit einer Kappung des Ehegattensplittings 20 Milliarden finanzieren könnten, sollten Sie sich noch einmal sehr genau anschauen. Wenn Sie lediglich eine Kappung des Ehegattensplittings ins Auge fassen, geht das nicht. Ich glaube aber, Sie wollen es abschaffen, denn dann kommen Sie eher auf die 20 Milliarden.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ja, sehr richtig!)

Wir von der Bayerischen Staatsregierung werden dazu immer Nein sagen; denn für uns haben Ehe und Familie einen ganz zentralen Stellenwert. Wir werden uns auch weiterhin darum bemühen, hier gute finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Es gibt auch Familien ohne Kinder, die in diese Förderung kommen!)

Dazu gehört zum einen der Ausbau der Kinderbetreuung, zum anderen auch die Schaffung der finanziellen Rahmenbedingungen; denn Familie hat für uns die oberste Priorität.

(Beifall bei der CSU)

Danke, Frau Ministerin. Ich erteile noch einmal Frau Kollegin Ackermann das Wort zu einer Zwischenbemerkung.

Frau Ministerin, zunächst eine unnötige Richtigstellung; denn von allen anderen wurde ich richtig verstanden. Ich habe nicht gesagt, ich wolle das Ehegattensplitting kappen. Ich habe gesagt: weg damit. Damit ist alles gemeint, weil es sich um ein sozial absolut ungerechtes Instrument handelt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

bei der Hand, wie man sie in den letzten Tagen wieder lesen konnte, nämlich: geschlossene Unterbringung von Kindern, Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters, generelle Anwendung des Erwachsenenstrafrechts bei Heranwachsenden, Anhebung der Höchststrafe für Jugendliche und Heranwachsende, nachträgliche Sicherungsverwahrung auch für Jugendliche usw. usf.

Schließlich kommt auch noch, weil es sich gut verkaufen lässt, die Forderung nach Einrichtung von Bootcamps auch in Bayern. Und diese CSU relativiert dann auch noch das Ziel und die Aufgabe der Resozialisierung

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

im Vollzug der Jugendstrafe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Wegsperren und Abschieben, das sind die Antworten der CSU, mit denen sie hofft, Zustimmung bei den Wählern zu finden und im Übrigen – das nehme ich der Frau Justizministerin durchaus übel – auch Einfluss zu nehmen auf die Entscheidungen der Gerichte.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wie anders als den Versuch der Einflussnahme soll man es nämlich bewerten, wenn die Ministerin in der „Abendzeitung“ vom 12.02.2008 zitiert wird, dass sie bedauert, dass in 98 % der Fälle am Amtsgericht München bei Heranwachsenden das Jugendstrafrecht angewendet wird und nicht das Erwachsenenstrafrecht. Ja, ich möchte schon Wert darauf legen, dass diese Entscheidung, solange das Gesetz so ist, wie es ist, nicht die Entscheidung der Justizministerin und nicht die Entscheidung der CSU ist, sondern unabhängiger Gerichte.

(Beifall bei der SPD)

Nun steht es einer Justizministerin natürlich zu, rechtspolitisch weiterzudenken, aber die gängige Praxis vorwurfsvoll zu kritisieren und darauf zu verweisen, dass es an Landgerichten anders ist, steht ihr nicht zu und ist nichts anderes als der Versuch, Einfluss zu nehmen auf die Entscheidungen unabhängiger Gerichte.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allem Verständnis dafür, dass der eine oder die andere in der Staatsregierung Profilierungsbedürfnisse hat und sich als ganz starker Mann oder starke Frau gerieren und den Blätterwald beherrschen möchte, wird man von einem bayerischen Staatsminister doch erwarten dürfen, bei den Tatsachen zu bleiben und nicht nur Stimmung zu eigenen Gunsten zu machen.

Tatsache ist, dass – entgegen den Veröffentlichungen in der „Bild“-Zeitung und anderen ähnlich renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschriften – die Jugendkriminalität seit Jahren sinkt. Die Zahl der Gewaltdelikte steigt allerdings – das ist auch nicht zu bestreiten –, wobei

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 15/9948 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD-Fraktion. Gegenstimmen? – CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dann ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum dritten Thema des heutigen Tages als Dringlichkeitsantrag, nämlich

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Dr. Thomas Beyer, Susann Biedefeld u. a. u. Frakt. (SPD) Vernunft statt Politik (Drs. 15/9919)

(Zurufe: Polemik! – Heiterkeit)

Danke. Das war ein typischer Freud’scher Versprecher. Es muss natürlich heißen: „Vernunft statt Polemik“. Aber der Versprecher könnte auch passen zu dem Thema „Jugendkriminalität“, das wir jetzt zu diskutieren haben.

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Kollege Schindler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, vielen Dank für die nette Einführung in ein schwieriges Thema. Ich war an sich der Meinung, dass es nach der Hessen-Wahl nicht mehr erforderlich gewesen wäre, dieses Thema zum Gegenstand eines Dringlichkeitsantrages zu machen, bin aber eines Besseren belehrt worden durch Pressemeldungen der letzten Tage, in denen über Äußerungen der Frau Justizministerin, aber auch des Herrn Innenministers berichtet worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt ist die Frau Stewens leider gegangen; ich wollte nämlich einen Gedanken von ihr aufgreifen. Sie hat gesagt, für die CSU komme Familienpolitik nach Kassenlage nie und nimmer in Betracht. Anders scheint es zu sein mit Jugendhilfe.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Da hat nämlich diese Staatsregierung jahrelang kommunale Entlastungsgesetze vorgelegt und durchzusetzen versucht, wobei am Schluss nicht einmal die eigenen Leute im Bundestag mitgestimmt haben, in denen gefordert worden ist, dass Jugendhilfe genau nach Kassenlage gemacht wird. Da fordert die CSU also jahrelang Jugendhilfe nach Kassenlage, da kürzt die CSU die Mittel für die Jugendarbeit, da sträubt sie sich dagegen, dass alle Kinder möglichst frühzeitig gefördert werden, da sortiert sie Kinder im Alter von zehn Jahren ganz bewusst aus, da nimmt sie in Kauf, dass eine große Zahl von Kindern, insbesondere solche mit Migrationshintergrund, die Schule ohne Abschluss verlässt, da weigert sie sich, wirksame Maßnahmen für die Schaffung von Lehrstellen zu ergreifen. Und so weiter, und so fort.

Wenn dann Kinder und Jugendliche auf die schiefe Bahn geraten, dann will sie von ihrer eigenen Verantwortung ablenken und ist ganz schnell und schrill mit Forderungen

schlagen, weder eine Rechtfertigung für einen Deutschen gegenüber einem Ausländer noch für einen Ausländer gegenüber einem Deutschen. Es gibt hierfür keine Rechtfertigung. Jede Straftat ist eine zu viel. Das gilt für Körperverletzungen genauso wie im Übrigen für Anlagebetrug und Steuerhinterziehung.

Darüber muss man mit uns Sozialdemokraten nicht reden. Das muss man uns auch nicht sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die sozialdemokratische Partei war schon für „Law and order“ im guten Sinne, zu Zeiten, als es die CSU noch gar nicht gegeben hat und andere mit braunen Stiefeln auf den Straßen das Recht mit Füßen getreten haben. Schon damals haben sich Sozialdemokraten für das Recht eingesetzt, und sie haben deshalb überhaupt keine Belehrungen von denen nötig, die viel später gekommen sind und sich auch durch eine gewisse Ahnungslosigkeit auszeichnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil das so ist, sind wir leidenschaftlich dafür, dass das geltende Gesetz angewandt wird und Straftäter zur Verantwortung gezogen werden, egal welches Delikt sie begangen haben. Wir sind aber ebenso sehr dafür, dass die Ursachen von Kriminalität bekämpft werden. Gerade bei der Bekämpfung der Ursachen von Kriminalität darf es keine End-of-Pipe-Politik geben wie im Bereich des Emissionsschutzrechtes, sondern ist Prävention das Gebot der Stunde.

Da gibt es viel zu tun. Speziell in Bayern gibt es da viel zu tun. Diejenigen, die sich die Mühe gemacht haben, eine Jugend-Enquete im Bayerischen Landtag durchzuführen, könnten stundenlang darüber berichten, welche Defizite es in Bayern gibt. Das reicht von fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen über fehlende Jugendsozialarbeit bis hin zu Ganztagsschulen und Therapieangeboten.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das vorhandene Instrumentarium der Jugendhilfe, des Polizeirechts, des Jugendstrafrechts und auch des Ausländerrechts reicht aus. Wenn es in Bayern ähnlich wie in Hessen Versäumnisse beim Vollzug der bestehenden Gesetze geben sollte, dann tragen diejenigen dafür die Verantwortung, die auch politisch die Verantwortung tragen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nicht die Opposition in diesem Haus, das ist nicht eine Bundesministerin in Berlin, die sich weigert, die Gesetze zu verschärfen. Wenn es beim Vollzug Probleme und Schwierigkeiten gibt, dann ist hierfür die Bayerische Staatsregierung verantwortlich und sollte an dieser Stelle ansetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt viel zu tun. Es geht darum, Fehler, die von dieser Staatsregie

jedoch die kriminologische Forschung den Anstieg der Fallzahlen auf eine erhöhte Anzeigebereitschaft und eine sinkende Tendenz gegenüber jugendtypischen körperlichen Auseinandersetzungen zurückführt.

Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik und die periodischen Sicherheitsberichte der Bundesregierung sprechen eine ganz eindeutige Sprache, wenn sie feststellen, es zeige sich keineswegs die oft befürchtete allgemeine Brutalisierung unserer Gesellschaft im Sinne einer stetigen Zunahme oder auch einer qualitativen Verschärfung dieser Formen schwerer Gewaltkriminalität; eher sei das Gegenteil der Fall: Den gestiegenen Zahlen polizeilich registrierter Fälle lägen keine realen Zunahmen zugrunde. Auch eine qualitative Verschärfung im Sinne eines steigenden Schweregrades der Delikte sei empirisch nicht festzustellen.

Ich gebe gerne zu, dass man einen anderen Eindruck hat, wenn man manche Publikationen liest. Die Tatsachen sind allerdings anders.

Warum, meine Damen und Herren, sagen das unsere Minister den Menschen nicht? Warum sagen sie den Menschen auch nicht, dass die Anhebung der Höchststrafe bei Jugendlichen und Heranwachsenden von zehn auf 15 Jahre bei den Fällen, mit denen wir uns in den letzten Wochen und Monaten bedauerlicherweise befassen mussten, überhaupt nichts bewirken würde, und auch nicht die Senkung des Strafmündigkeitsalters? Warum sagen Sie das nicht, obwohl Sie es wissen? Es ist ja nicht so, dass hier Ahnungslose reden. Die Frau Justizministerin kennt doch die Zusammenhänge, kennt auch die kriminologische Forschung, und dennoch stellt sie es in der Öffentlichkeit anders dar.

Richtig ist, dass Kinder und Jugendliche mit sogenanntem Migrationshintergrund bei bestimmten Formen jugendlicher Gewaltdelikte überrepräsentiert sind. Es wäre völlig falsch, diesen Befund zu tabuisieren, so zu tun, als gäbe es ihn nicht, zeigt er doch auch, dass es mit der Integration noch nicht so weit her ist.

Anstatt aber nach geschlossenen Heimen, Erziehungslagern und schnellerer Abschiebung zu schreien, wäre es an der Zeit, nach den Ursachen zu fragen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)