Protocol of the Session on February 14, 2008

(Beifall bei der CSU)

In den vergangenen Wochen war ein vielstimmiger SPD-Chor zu hören, angefangen bei dem schon heute in anderem Zusammenhang zitierten Bundesfinanzminister, der in alter Tradition seines Denkens gefordert hat, Freibeträge für Kinder zu kappen, um Sachleistungen zu finanzieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Die Zeiten, in denen die Familien Leistungsverbesserungen ständig selbst finanzieren mussten, müssen vorbei sein. Wer dies nicht begriffen hat, benachteiligt bewusst Familien und Kinder in diesem Land, und das kann keine zukunftsweisende Politik für unsere Kinder sein.

Die zweite Stimme in Ihrem Chor war Ihr eigentlich erster Mann, Ministerpräsident Beck, der ein deutliches und klares „Sowohl-als-auch“ formuliert hat. Meine Damen und Herren, da müssen doch Sie, die Sie Anträge gegen Kinderarmut stellen, ein echtes Unwohlsein bekommen. Wenn Sie sagen, diese Gelder sollen nicht vollständig den Familien selbst zur Verfügung gestellt werden, sondern es soll ausdrücklich eine bestimmte Leistung gefördert werden, dann gehen Sie einen Weg, den wir nicht mitgehen. Wir bekennen uns vorbehaltlos zum bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen.

Um hier gleich zu einer Formulierung im SPD-Antrag zu kommen: Die Vereinbarung, die zwischen der Bayerischen

Staatsregierung und den kommunalen Spitzenverbänden zum Ausbau der frühkindlichen Betreuung geschlossen worden ist, ist vorbildlich. Die Kommunen erhalten neben den Bundesmitteln eine intensive Unterstützung des Freistaates Bayern, wie es in keinem anderen Land der Fall ist. Dafür geht an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Staatsregierung. Der Antrag der SPD ist an dieser Stelle jedenfalls völlig überflüssig.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das wird sich herausstellen!)

Es muss endlich Schluss damit sein, dass Sie die Familien bevormunden, was die Leistungen anbelangt. Wir haben die Priorität zu setzen, dass Leistungen für Kinder und Familien ausgebaut werden. Wenn die Bewältigung des täglichen Lebens aufgrund von Kostensteigerungen in allen Lebensbereichen eine zusätzliche Herausforderung ist, dann müssen wir darauf reagieren, und das ist Ziel unseres Antrags.

Ich sage hier noch einmal ganz deutlich: Die Position, die Wahlfreiheit für Familien auszuhöhlen, ihre eigene Lebensbiografie selbst zu gestalten, ist eine Politik, die wir nicht mitgehen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wer macht denn das? Das machen doch Sie!)

Das ist die Politik, die SPD und GRÜNE auf Bundesebene und leider auch im Bayerischen Landtag betreiben. Das ist nicht die Politik der CSU und der Bayerischen Staatsregierung. Unterstützung für unsere Haltung hatten wir dabei auch von dem parteipolitisch unumstrittenen Berater der Bundesregierung in familienpolitischen Fragen, dem Mitverfasser der Familienberichte, Prof. Dr. Bertram. Er hat nicht nur einen faktischen, sondern auch einen rechtlichen Zwang festgestellt, diese Leistungen zu erhöhen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sollte endlich einmal Schluss damit sein, ständig das System des Familienlastenausgleichs durch Freibeträge bzw. das Kindergeld infrage zu stellen. Ich sage das an dieser Stelle, weil wir diese Diskussion immer wieder erlebt haben. Die CSU war die erste Partei, die ganz deutlich gesagt hat, dass das Kindergeld und der Freibetrag zum 1. Januar 2009 erhöht werden müssen, damit die Familien entlastet werden. Dieser Weg sollte in diesem Hohen Haus einstimmig beschritten werden.

Ich möchte noch einmal deutlich machen: Familien haben ein Recht darauf. Das Bundesverfassungsgericht hat dies durch seine Rechtsprechung festgestellt. Das ist vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden, und das ist auch die Position der CSU-Landtagsfraktion. Die Leistungen des Familienlastenausgleichs müssen beim Kindergeld und bei den Freibeträgen verbessert werden.

Ich teile in diesem Zusammenhang übrigens auch die Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, des familienpolitischen Sprechers Singhammer sowie der Bundesministerin Ursula von der Leyen – Frau Staatsministerin Stewens hat sich in ähnlicher Weise geäußert –, dass

die Kindergelderhöhung mit dem Schwerpunkt bei den Mehr-Kinder-Familien ausgebaut werden sollte. Hier gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten. Familien mit mehreren Kindern haben einen noch höheren Entlastungsbedarf. Eine Staffelung nach der Kinderzahl – wie beim Landeserziehungsgeld in Bayern – könnte dabei ebenso in Betracht kommen wie eine altersgemäße Staffelung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gründe für die Notwendigkeit, zum 1. Januar 2009 eine positive Entscheidung zu treffen, lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:

Erstens. Seit sieben Jahren wurde das Kindergeld nicht mehr angepasst.

Zweitens. Der seit Jahrzehnten dramatische Absturz der Geburtenzahlen in Deutschland zwingt zu einem finanziellen Gegensteuern.

Drittens. Investitionen in die Zukunft – vor allem Investitionen in Kinder und starke Familien – sind eine Voraussetzung für ein familienfreundlicheres Land.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich mit Ihren nachgezogenen Anträgen in Ihrer bisherigen Denkschablone bewegt, bei der das eine gegen das andere ausgespielt wird. Deshalb werden wir Ihren Anträgen nicht zustimmen. Ich bitte aber um ein klares Votum für den CSU-Antrag, um eine wirksame Verbesserung für Familien mit Kindern und eine Weiterentwicklung des Familienleistungsausgleichs zu erreichen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, bleiben Sie gleich stehen. Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich dem Herrn Kollegen von Rotenhan das Wort.

Herr Kollege Unterländer, ich habe nur eine Frage. Da Sie als sozialpolitischer Sprecher diesen Antrag vortragen, ist klar, dass es sich um eine Sozialleistung des Staates handelt. Ich bedaure immer, dass die Sozialleistungen in diesem Land am Anspruch und nicht an der Bedürftigkeit festgemacht werden. Wie Sie wissen, bin ich ein kinderreicher Vater. Ich habe 30 Jahre lang einen riesigen Haufen Geld an Kindergeld-Leistungen kassiert, ohne dass ich dieses Geld wirklich brauche.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darf ich Sie fragen, warum wir diesen Antrag nicht dazu benutzen, zu sagen, dass wir das Kindergeld am Einkommen festmachen, um das Geld, das wir bei den Reichen sparen, denen zu geben, die es wirklich brauchen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege von Rotenhan, die Differenzierung richtet sich nach dem generellen Bedarf. Hier ist der Bedarf von Mehr-Kinder-Familien der absolut richtige Ansatz. Wir haben darüber hinaus eine Trennung bei den Leistungen. Für Familien, deren Einkommen geringer ist, werden die Leistungen über das Kindergeld gewährt, während für die anderen Familien Freibeträge gewährt werden. Auf diese Weise können wir entsprechend steuern.

Ein drittes Argument: Diese Diskussionen und diese Überlegungen sind nicht neu. Es hat sie immer wieder gegeben. Dabei hat sich gezeigt, dass durch eine Einkommensdifferenzierung und die Zahl der Betroffenen ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen würde. Damit könnte das Ziel, eine Verbesserung für die einkommensschwächeren Familien zu erreichen, nicht realisiert werden. Wenn ein solcher Vorschlag etwas bringen würde, wäre ich einer der Ersten, der ihn unterstützen würde.

Herr Kollege, bleiben Sie gleich weiter stehen, weil ich jetzt zu einer Zwischenbemerkung Frau Kollegin Tolle das Wort erteile. Bitte schön.

Herr Kollege Unterländer, erstens. In meiner Tätigkeit als bildungspolitische Sprecherin begegnet mir immer wieder die Tatsache, dass Kinder nicht am Ganztagsschulbetrieb teilnehmen können, weil sich ihre Eltern das Mittagessen, das zwischen zwei und fünf Euro kostet, nicht leisten können. Wenn Sie diesen Eltern zehn Euro pro Monat mehr geben, können sie davon bestensfalls eine Woche finanzieren.

Ich möchte Sie fragen, ob das Geld denn nicht besser bei den 170 000 Kindern in Bayern angelegt wäre, die in Armut leben. Diese Situation sollte soweit verbessert werden, dass diese Menschen wieder eine vernünftige Teilhabe bekommen. In Schweinfurt gibt es einen Kinderhort, in dem ein Teil der Kinder das Kinderhort-Essen bekommt, während der restliche Teil aus sogenannten Brotzeitkindern besteht. Bevor solche Umstände nicht beseitigt sind, halte ich Ihre Vorschläge für etwas schwierig.

Eine zweite Bemerkung: Herr Kollege Unterländer, die Erhöhung des Kinderfreibetrags kommt uns, den besser verdienenden Menschen in Deutschland, zugute. Herr Kollege von Rotenhan hat es dankenswerterweise bereits gesagt: Ich glaube nicht, dass wir diese Steuererleichterungen brauchen. Ich verzichte gern zugunsten von Kindern, die dann an einem Mittagessen teilnehmen können, auf diese zehn Euro im Monat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Tolle, lassen Sie mich insbesondere zu der von Ihnen angesprochenen fehlenden Möglichkeit von Kindern, am Mittagessen in Ganztagsbetreuungseinrichtungen teilzunehmen, etwas sagen. Sie wissen, dass dieses Thema das ganze Haus bewegt. Es kann nicht sein, dass es hier zu einer Stigmatisierung von sozial

Schwächeren kommt. Wir brauchen eine Lösung. An dieser Lösung wird aufgrund eines einstimmig herbeigeführten Beschlusses bereits gearbeitet.

Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat den Ablauf etwas anders dargestellt, als er im Parlament und im Ausschuss tatsächlich war. Alle drei Fraktionen haben entsprechende Anträge gestellt und sich dann auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Die Staatsregierung wurde aufgefordert, zu diesem Thema eine Konzeption zu entwickeln. Zwischen Ostern und Pfingsten soll darüber im Ausschuss berichtet werden. Ich glaube, wir alle sind bestrebt, eine Lösung zu finden. Sie können sicher sein, dass wir gemeinsam daran arbeiten werden.

(Simone Tolle (GRÜNE): Da bin ich gespannt!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Herr Kollege von Rotenhan, um Ihren Wortbeitrag richtig einordnen zu können, wie viele Kinder haben Sie denn?

(Freiherr von Rotenhan (CSU) signalisiert mit den Händen die Zahl sieben)

Sieben Kinder. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie sich ein Beispiel daran. Das ist der beste Beitrag gegen die Überalterung der Gesellschaft.

(Simone Tolle (GRÜNE): Wenn wir eine ausreichende Kinderbetreuung hätten, würden wir vielleicht auch nachziehen!)

Frau Kollegin, das kann ich nicht von der Hand weisen. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Johanna Werner-Muggendorfer (SPD) (von der Red- nerin nicht autorisiert): Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Das ist heute eine denkwürdige Sitzung. Ich hätte im Leben nicht daran gedacht, dass ich Herrn Kollegen von Rotenhan noch einmal recht geben müsste. Respekt! Ich habe wirklich nicht gedacht, dass mir das noch einmal passiert. Aber es ist heute so geschehen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nachdem von Herrn Kollegen Unterländer wieder so unterschwellige Äußerungen gemacht wurden, möchte ich für die SPD-Landtagsfraktion feststellen, dass sie für die Verbesserung der materiellen Situation der Familien eintritt.

(Beifall bei der SPD)

Uns ist jeder Euro recht, der bei den Familien ankommt. Das ist auch klar.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt aber verschiedene Wege und Möglichkeiten, Familien zu unterstützen, und davon haben wir schon einige aufgezeigt. Wir haben auch schon mehrere Mög

lichkeiten beantragt, von Ihnen aber leider keine Unterstützung bekommen.

Jetzt muss ich etwas zum Antrag der CSU sagen. Wir von der Opposition verstehen von dem Thema mehr als Sie. Ihr Antrag ist eigentlich ein Oppositionsantrag, der an die eigene Regierung gerichtet ist. Möglicherweise hat die CSU in der Regierung in Berlin aber auch nichts zu sagen. Diesen Eindruck bekommt man, denn sonst müssten Sie dort keinen solchen Antrag stellen. Oder ist dieser Antrag zur Profilierung nach dem Motto, „wenn ich mir etwas wünschen dürfte“, notwendig? So kommt es mir vor.

(Beifall bei der SPD)

Eigentlich ist im Koalitionsvertrag vereinbart worden, dass die Entwicklung des Existenzminimums beobachtet wird – der Bericht dazu wird im Herbst gegeben – und dass dann darüber entschieden wird, welche Hilfen den Familien gewährt werden sollen.