Protocol of the Session on February 14, 2008

als Grundlage erfordert. Ich möchte das aber nicht zum Nachteil der Realschüler vermittelt wissen, deren Förderung entsprechend ihrer Bildung und ihrer Entwicklung gehemmt würde.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Frau Kollegin Tolle, bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich möchte zunächst Ihren Wissensstand etwas auf den aktuellen Stand bringen. Die GRÜNEN wollen eine neue Schule, und diese Schule hat im Gegensatz zur Gesamtschule, die man überwiegend aus Nordrhein-Westfalen kennt, das Merkmal, dass sie nicht splittet, sondern integriert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie hat im Gegensatz zum bayerischen Bildungssystem das Merkmal, dass sie nicht nach der vierten Klasse gnadenlos aussortiert und bei Kindern mit zehn Jahren bereits die Frage beantwortet, Abi oder nicht. Unsere Schule hat das Kennzeichen, dass kein Kind beschämt wird. Wir fordern eine pädagogische Reform, verknüpft mit einer Lösung der demografischen Probleme.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass wir schon im Jahr 2005 den Antrag gestellt haben, sich mit dem dramatischen Schülerrückgang zu beschäftigen. Meine erste Frage ist: Können Sie sich vorstellen, warum Ihre CSUFraktion diese Anträge immer wieder abgelehnt hat? Mit der Genehmigung eines Schulkonzeptes geben Sie lange geleugnete Probleme zu und machen die Tür immerhin einen Spalt auf. Das ist aber auch schon alles. Ich finde, Sie sind planlos, und Sie sind genauso verplant wie beim achtjährigen Gymnasium. Stimmen Sie mir zu?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie gehen alle paar Monate einen neuen Schritt. Ihnen fehlt der Weitblick. Ich möchte Sie fragen: Wann werden Sie endlich in der Lage sein, ein Konzept vorzulegen, das allen Beteiligten Sicherheit gibt und das auch die nächsten paar Monate standhält?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister.

Warum die CSU-Fraktion die Anträge ablehnt, bitte ich im nächsten Bildungsausschuss nochmals nachzufragen. Vielleicht bekommen Sie dort die Antwort. Ich kann das

jetzt nicht von mir aus alleine beantworten. Da müssen Sie die einzelnen Mitglieder befragen.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Aber Sie haben gute Gründe; denn Bayern hat ein Merkmal, ob Sie das „Gesamtschule“ oder „Einheitsschule“ nennen, oder was Ihnen sonst noch alles einfällt – von mir aus auch „Grüne Schule“ –, das spielt keine Rolle. Wir wollen für die bayerischen Schülerinnen und Schüler Feinkost und keinen Einheitsbrei. Das ist unsere Position. Da gibt es einen Unterschied zu Ihnen, und dieser Unterschied wird bestehen bleiben.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Frau Kollegin Tolle hat jetzt die Möglichkeit der Nachfrage.

Herr Minister Schneider, ich muss Ihnen leider sagen – „leider“ für die bayerischen Schülerinnen und Schüler, um die es hier geht –: Der Einheitsbrei wird im bayerischen Schulsystem serviert. Die neue Schule der GRÜNEN wendet sich jedem einzelnen Schüler zu und gibt jedem einzelnen Schüler das, was er oder sie braucht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben jetzt die Grundschulzeugnisse, und da wird Förderbedarf festgestellt. Aber es gibt die Lehrer nicht, um den Förderbedarf zu erfüllen. Ich muss Ihnen also den Einheitsbrei sozusagen an den Kopf zurückklatschen.

Liebe Frau Kollegin, also bitte doch ein bisschen parlamentarisch!

Ich werfe ihn sanft zurück, damit der Herr Minister nicht so verletzt wird.

Herr Minister, nachdem Sie nicht wissen, warum sich die CSU-Fraktion nicht mit der demografischen Entwicklung beschäftigen wollte: Auch ihr Ministerium hat zwei Jahre für den Stillstand gekämpft.

(Zuruf von der CSU: Das ist eine Unterstellung!)

Jetzt bewegen Sie sich endlich gerade mal einen Zentimeter. Ich will Ihnen nochmals sagen, dass Sie planlos agieren. Ich will Ihnen auch ein Beispiel dafür nennen, warum die Kommunen Planungssicherheit brauchen: Grafing hat vor einer Weile eine Teilhauptschule eingeweiht und am Einweihungstag einen Auflösungsbeschluss bekommen. Sie haben vor einem Jahr eine Hauptschulreform verkündet, die mittlerweile nur noch „Initiative“ heißt. Ich finde das konzeptlos.

Die GRÜNEN haben im Bayerischen Landtag eine Öffnungsklausel beantragt, die den Kommunen mehr Möglichkeiten gibt, als Sie hier im Moment vorgeschlagen haben. Meine Frage ist: Was spricht dagegen, den Schulen mehr Freiheiten zu geben und, wie zum Beispiel die Stadt München plant, eine neunjährige gemeinsame Schulzeit auszuprobieren? Warum haben Sie davor solche Angst, wenn Eltern das freiwillig machen wollen? Warum können Sie so etwas nicht einfach genehmigen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister.

Erstens, Sie können werfen, womit Sie wollen. Sie kommen nicht bis zu mir her. Offenbar ist es da vorne abgeklatscht. Ich habe jetzt nichts gespürt.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Zum zweiten Thema: Ich habe immer von der „Hauptschulinitiative“ gesprochen. Ich erkläre Ihnen auch warum: Es ist eine Initiative, die von unten gewachsen ist; denn viele Ideen sind an unseren Schulen entstanden. Schauen Sie etwa die Modusmaßnahmen an, die im Land breit diskutiert worden sind! Außerdem werden neue Formen der Zusammenarbeit gepflegt. An unseren Schulen ist eine stärkere Berufsorientierung da. Vor Ort wird die Zusammenarbeit mit Betrieben gepflegt, und in vielen Fällen gibt es eine Modularisierung. Das ist ein ganz breiter Schatz, den wir an unseren Hauptschulen vorgefunden haben. Jetzt geht es darum, dies zusammenzuführen. Sie können überall herumschauen, Sie werden feststellen – und das tut Ihnen so weh –, dass Sie kaum Gegner der Hauptschulinitiative finden. Sie können inhaltlich nichts dagegensetzen. Sie werden von den breiten gesellschaftlichen Gruppen mitgetragen, selbst von denen, die etwas mehr möchten und sagen, jawohl, das ist richtig, diesen Weg müssen wir gehen.

Ich bitte Sie noch einmal, auch einmal zu bedenken, dass die meisten jungen Menschen an einer Hauptschule sind, dort exzellente Abschlüsse machen und exzellente Wege in die Berufsausbildung gehen.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen. Dort, wo Sie Ihre Modelle haben, ist die Jugendarbeitslosigkeit ähnlich der in Skandinavien, nämlich 17, 18, 19 %. Das sind doch Ihre Gurus, die Sie immer nennen. Wir haben eine bedeutend geringere Arbeitslosigkeit. Ich greife nur einen Artikel kurz heraus, den der Kollege der SPD, Prof. Dr. Nida-Rümelin, gelesen haben müsste: Die Zeit der Strukturdebatten ist vorbei. Das sind ideologisch verbrämte Diskussionen. Es geht darum, jungen Menschen den Weg in den Beruf zu ebnen, damit sie erfolgreich sind. Das ist unser Thema, und wir sollten

nicht immer wieder die Heilslehren der vergangenen Jahrzehnte herausgreifen.

Liebe Frau Tolle, Sie haben mit den GRÜNEN auch über Multikulti, über „kein Deutschunterricht“ usw. diskutiert. Heute beklagen wir alle die Fehler der damaligen Zeit. Wir gehen Ihnen nicht auf dem Leim, sondern gestalten unsere Bildungspolitik so, wie wir es richtig finden und wobei uns der Großteil der Menschen auch unterstützt.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Damit ist die Ministerbefragung beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kommunale Selbstverwaltung und Kommunale Daseinsvorsorge in Deutschland und die EU (Drs. 15/9917)

Ich eröffne die Aussprache und darf als ersten Redner Herrn Dr. Runge bitten, der schon unterwegs ist.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem ersten Dringlichkeitsantrag für heute fordern wir die Staatsregierung auf, sich unverzüglich über den Bundesrat und auch auf allem ihr ansonsten zur Verfügung stehenden Wegen dafür einzusetzen, dass die Möglichkeiten der Organe der Europäischen Union, horizontal in Angelegenheiten der kommunalen Daseinsvorsorge hineinzuregieren, verhindert bzw. mindestens stark begrenzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir mahnen gleichzeitig an, für mehr Trennschärfe bei der Frage zu sorgen, welche Dienste von allgemeinem Interesse bzw. – das wird ja mal so und mal so genannt – welche nichtwirtschaftliche Dienstleistungen sind und welche Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind. Diese Trennschärfe fordern wir im Interesse der Kommunen in Deutschland, im Interesse der kommunalen Selbstverwaltung und im Interesse der kommunalen Daseinsvorsorge in Deutschland.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Hintergrund, so denke ich, ist uns allen bekannt, zumal denjenigen, die noch ein zweites oder drittes Standbein in der Kommunalpolitik haben. Wir merken, dass europäische Regelungen mehr und mehr das Handeln von Kommunen bestimmen. Wir haben die Binnenmarktregeln mit dem Zug zur Liberalisierung und partiell auch zur Privatisierung. Wir haben ein sehr striktes Beihilferegime, wir haben das Wettbewerbs- und Vergaberecht. All diese Dinge zwängen die kommunale Selbstverwaltung

in Deutschland in ein relativ enges Korsett und engen vor allem die Spielräume bei der Leistungserbringung im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge ein.

Es seien ein paar Beispiele genannt: Ausschreibungen und Vergaben sind nicht nur bei Erreichen der entsprechenden Schwellenwerte europaweit bekannt zu geben und durchzuführen; vielmehr greift ab dem ersten Euro, ab dem ersten Cent das europäische Primärrecht mit seinen Geboten zur Transparenz, zum Wettbewerb und seinem Verbot der Diskriminierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)