Ich weiß, dass Sie Sympathie fürs Car-Sharing haben. Es kann aber nicht sein, dass wir ein Knast-Sharing oder eine Teilzeitverbüßung einführen.
Im Entwurf der GRÜNEN ist auch das Tragen der eigenen Kleidung vorgesehen. Wir lehnen das kategorisch ab. Damit würden wir einen Mehrklassen-Vollzug erreichen, in dem einige Gefangene, die es sich leisten können, Markenkleidung tragen würden und die anderen Gefangenen die offizielle Kleidung der Anstalt tragen müssten.
Dadurch würden auch Erpressungsversuche möglich, weil Gefangene an Markenkleidung kommen wollen. In der Schule gibt es solche Erpressungsversuche, wie Sie bei Gefangenen vorkommen, nicht.
Nun zur freien Arztwahl, die im Entwurf der GRÜNEN gefordert wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt sogar Normalbürger, die keine freie Arztwahl haben. Sie wollen sie Inhaftierten ermöglichen. Lieber Herr Kollege Dr. Dürr, ich bin schon dankbar, dass Sie nicht die freie Chefarztwahl in Ihrem Entwurf vorgesehen haben. Das wäre der Gipfel gewesen.
Auch die Selbstverwaltung im Jugendstrafvollzug ist abzulehnen. Sie verwechseln das wohl mit der Schülermitverwaltung. Da funktioniert das. Im Strafvollzug funktioniert das leider nicht. Das Waffenverbot im Jugendstrafvollzug ist natürlich völlig daneben. Sie wissen nicht einmal, dass in den Haftanstalten in der Regel keine Waffen getragen werden. Die Waffen müssen aber für den Ernstfall greifbar sein, auch im Jugendstrafvollzug.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Gesetzentwurf der SPD fällt mir nicht so viel ein. Er ist deutlich besser als der Gesetzentwurf der GRÜNEN, aber bei Weitem nicht so gut wie der Gesetzentwurf der Staatsregierung. Deshalb möchte ich ihn nicht näher kommentieren. Auffallend ist aber – hier geht die SPD weiter als die GRÜNEN –, dass der Schutz der Allgemeinheit nur als weitere Aufgabe genannt wird, als ob er nicht so wichtig wäre. Das allein weist darauf hin, dass dieser Gesetzentwurf ebenfalls ungeeignet ist.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich allen Bediensteten des bayerischen Strafvollzugs, aber auch allen, die sich ehrenamtlich engagieren, ganz herzlich danken. Das ist eine harte Arbeit mit Schichtdienst und dem Umgang mit einer schwierigen Klientel. Ein herzliches Dankeschön und Vergeltsgott allen Bediensteten für den großartigen Dienst, den sie in unseren Haftanstalten leisten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf der Staatsregierung in der Fassung des Rechtsaus
Mit der Zweiten Lesung des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes erfüllt sich für mich eine Vision, an deren Erfüllung ich vor zwei Jahren noch nicht einmal im Traum geglaubt hätte. Erinnern Sie sich noch? Damals war die Föderalismusreform ein nebulöses Gebilde. Keiner konnte sich die endgültige Gestaltung vorstellen. Als dann tatsächlich die Länder die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug erhielten – dafür haben wir kräftig gekämpft –, war das Protestgeschrei groß.
Für die Kritiker war das ein Albtraum. Sie konnten und wollten nicht verstehen, was dieser Wechsel der Zuständigkeit bedeutet. Herr Kollege Zellmeier hat es bereits angesprochen: Das ist eine einmalige Chance, den Strafvollzug weiterzuentwickeln. Das ist zugleich die Chance, die ausgereifte bayerische Praxis in eine ebenso ausgereifte rechtliche Grundlage zu fassen. Wir haben diese Chance genutzt. Deswegen haben wir ein neues bayerisches Gesetz für den gesamten Strafvollzug vorgelegt. Der besondere Anspruch des Jugendstrafvollzugs ist uns dabei voll bewusst. Uns sind aber auch die Erwachsenen der Mühe wert, besser zu machen, was wir besser machen können. Lieber Herr Schindler, ich meine schon, dass wir hier etwas tun müssen. So sind zum Beispiel von der Sozialtherapie bei zeitigen Haftstrafen über zwei Jahre Häftlinge, die eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßen, ausgenommen. Das ist nicht gut. Das ändern wir.
Das Strafvollzugsgesetz des Bundes war nicht schlecht, aber es war in die Jahre gekommen. Zu einer Regelung des Jugendstrafvollzugs ist es gleich gar nicht gekommen.
Nicht, dass es keine Ansätze gegeben hätte. Die Entwürfe aus dem Bundesjustizministerium hatten jedoch leider immer eines gemein: Es waren Entwürfe aus dem Land der Träume. Da sollten junge Gefangene, die in Gangs die Bürger terrorisiert hatten, ihr Anstaltsleben in Selbstverwaltung regeln. Da sollten junge Straftäter, denen man in der Schule kaum Lesen und Schreiben vermitteln konnte, eigenverantwortliche Fördervereinbarungen mit dem Vollzug ausarbeiten. Da sollten junge Räuber und Vergewaltiger, die man zuvor in keinem Jugendheim halten konnte, im offenen Vollzug untergebracht werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das passt keineswegs zusammen. Das zeugt von Realitätsferne, Wunschdenken und Träumerei. Das sind Qualitäten, die man nicht nur in den Entwürfen des Bundesjustizministeriums immer wieder findet, sondern vor allem auch im Gesetzentwurf
der GRÜNEN zum Jugendstrafvollzug. Wenn jugendliche Straftäter tatsächlich so wären, wie sie in Ihrem Gesetzentwurf beschrieben werden, frage ich mich, warum Sie sie überhaupt ins Gefängnis sperren wollen.
Der Entwurf der Staatsregierung geht von einer anderen Lage aus, nämlich von der Realität. Wenn eine Haft wirklich etwas bewirken soll, dürfen wir uns die Gefangenen nicht schönreden, vor allem nicht die Gefangenen des Jugendstrafvollzuges. Diese Leute haben wirklich eine ganze Menge auf dem Kerbholz, bis sie, nach dem Erziehungsgedanken, überhaupt erst einmal in den Vollzug gekommen sind. Wir müssen die Taten und das Vorleben dieser Gefangenen kennen, annehmen und ihre Defizite beim Namen nennen. Nur dann können wir diese Defizite beheben.
Ich glaube, dass dieser Ansatz inzwischen sogar vielen Kritikern einleuchtet. Sie haben erkannt, dass unser Gesetz auf jahrzehntelanger praktischer Erfahrung aufbaut. War es zu Beginn der Debatte noch chic, das Unwort des „Wettlaufs der Schäbigkeit“ im Mund zu führen, hat sich das inzwischen deutlich geändert, zumindest im Hinblick auf das bayerische Gesetz. Einige Kritiker haben sich die Mühe gemacht, sich ein eigenes Bild zu machen, und sind mit den Sachkundigen in Dialog getreten. Das halte ich für ganz wichtig. Man sollte nicht alles übernehmen, was irgendwo geschrieben worden ist, sondern sich selbst intensiv damit befassen.
Lassen Sie mich für die resistenten Kritiker noch ein paar Hinweise geben. Die Neuordnung der Vollzugsaufgaben wird gebetsmühlenartig kritisiert. Der Schutz der Bevölkerung, der betont wird, bedeute angeblich, dass wir unsere Gefangenen nicht mehr resozialisieren wollen. So ein Schmarrn. Die SPD spricht gar davon, dass das Ziel der Resozialisierung durch das Ziel des Schutzes der Allgemeinheit konterkariert würde. Da frage ich Sie, warum Sie junge Menschen eigentlich einsperren wollen, wenn es Ihnen nicht darum geht, Straftaten zu verhindern. Anscheinend haben Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht verstanden, die Sie selbst zitieren; denn Karlsruhe hat völlig richtig betont, dass zwischen beiden Zielen kein Gegensatz besteht.
Ich sage, beide Ziele gehören untrennbar zusammen. Ich weiß nicht, warum es so schwer zu begreifen ist, dass es hier um zwei Seiten der gleichen Medaille geht. Hier geht es nicht um ein Entweder-Oder,
sondern es geht um eine Achse mit zwei Rädern. Da kommt man nur voran, wenn beide wirklich Bodenkontakt haben, und deshalb stellt unser Entwurf sie nebeneinander auf eine Ebene.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, beliebter Angriffspunkt ist auch immer wieder unsere Entscheidung, das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen offenem und geschlossenem Vollzug umzudrehen. Da spricht man von einem Rückfall in frühere Zeiten. Dabei tun wir nichts anderes, als die gesetzliche Vorgabe vom Kopf zurück auf
die Füße zu stellen; denn 30 Jahre lang hat das bisherige Recht den offenen Vollzug zur Regel stilisiert. Damit hat es 30 Jahre lang ignoriert, was in Wirklichkeit geschieht. Meine Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter berichten immer wieder, dass es schon für die vorhandenen Plätze im offenen Vollzug nicht genügend geeignete Kandidaten bei den Gefangenen gibt – Herr Zellmeier hat das deutlich gesagt –, nämlich Gefangene, die mit den Verlockungen von Missbrauch und Flucht tatsächlich zurechtkommen.
Offener Vollzug ist auch nicht per se gleichbedeutend mit Resozialisierung. Wenn Gefangene Therapie und Zuwendung brauchen, nützen ihnen offene Tore wenig. Sinn macht der offene Vollzug dagegen dort, wo Erlerntes draußen erprobt werden soll, damit man sich auf ein straffreies Leben in Freiheit vorbereitet, also bei der Entlassungsvorbereitung ganz besonders.
Zu diesem Zweck bauen wir den offenen Vollzug dort aus, wo uns Kapazitäten fehlen, zum Beispiel im Frauenvollzug. So habe ich in Aichach letzte Woche einen Neubau eingeweiht, mit dem wir nun auch Mutter-KindPlätze im offenen Vollzug schaffen. Wenn eine Frau nach der Entlassung nicht nur für sich, sondern auch für ihr Kind sorgen muss, dann braucht sie Hilfe, und diese Hilfe geben wir ihr.
Aber all das ändert nichts daran, dass man sich die Gefangenen erst einmal im geschlossenen Vollzug ansehen muss, bevor man entscheidet, ob offener Vollzug verantwortbar ist. Wenn das so ist, dann, bitte schön, muss man es auch so ins Gesetz schreiben. Das verlangt die Ehrlichkeit, und der fühle ich mich verpflichtet. Und überhaupt: Ehrlichkeit, das ist die Maxime, der sich dieser Gesetzentwurf verschrieben hat. Ehrlichkeit ist auch gefordert beim heiklen Thema der Einzel- und Gemeinschaftsunterbringung im Jugendstrafvollzug. Denn nicht erst seit dem tragischen Mordfall in Siegburg wissen wir, dass die gemeinschaftliche Unterbringung junger Gefangener Risiken in sich birgt. Viele Länder schreiben nun – das haben Sie als gut bewertet – ohne Wenn und Aber für den Jugendstrafvollzug Einzelhafträume vor, obwohl sie ganz genau wissen, dass sie diesen Anspruch gar nicht – oder zumindest jetzt noch nicht – erfüllen können.
Frau Staatsministerin, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Es ist erfreulich, dass das Plenum wieder sehr viel stärker besetzt ist. Es ist weniger erfreulich, dass es entsprechend lauter geworden ist. Ich bitte also darum, der Rednerin zuzuhören. Frau Staatsministerin, bitte.
In Anbetracht der Entwürfe anderer Länder sage ich deswegen: Gesetze zu schreiben ist einfach, es ist um ein Vielfaches leichter, als neue Anstalten mit neuen Haftplätzen zu bauen. Der Weisheit letzter Schluss – das lassen Sie mich bitte auch sagen – ist die Einzelzelle ohnehin nicht. Denn erst jüngst konnte im bayerischen Jugendstraf
vollzug ein Selbstmord in einem Gemeinschaftshaftraum mit vier Gefangenen gerade dadurch verhindert werden, dass die Mitgefangenen dem schon Bewusstlosen Hilfe zukommen ließen. So denke ich, die beste Lösung liegt in einer verantwortungsbewussten Verbindung von Gemeinschafts- und Einzelunterbringung. Unser Entwurf schafft mit seiner Sollvorschrift für die Einzelzelle die Grundlage, diesen Spagat zu meistern. Die Praxis spricht Bände: Ich weise darauf hin, dass wir seit 1992 1500 zusätzliche Einzelhafträume geschaffen haben.
Vergessen wir aber dabei nicht, dass die Unterbringung nur einer von mehreren Faktoren ist. Wenn man in einem Haus voller gewaltbereiter, suchtgefährdeter, sozial entwurzelter Menschen jedem Einzelnen größtmögliche Sicherheit bieten will, dann braucht man vor allem eines: erfahrene und motivierte Bedienstete, die sich auskennen, die hinsehen und handeln. Daher wird unser Gesetz auch nicht von der günstigen Personalstruktur im Jugendstrafvollzug abweichen. In Bayern kommen circa zwei Bedienstete auf drei junge Gefangene.
Auch bei den Fachdiensten, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir uns weiß Gott nicht zu verstecken. Frau Stahl, Sie haben in der letzten Woche unzutreffende Zahlen in der Presse verkündet. Tatsächlich verfügen wir derzeit über elf Psychologen, zwölf Lehrer und 21 Sozialarbeiter für 725 junge Gefangene. Ich sage: Das kann sich sehen lassen. Es wird noch besser, wenn wir die Sozialtherapie ausgebaut haben.
Leider bleibt immer noch unerwähnt, wie viel hoch qualifiziertes Personal wir im Werkdienst vorhalten. Es sind unsere engagierten Handwerksmeister, die dafür Sorge tragen, dass viele junge Gefangene während der Haft ihre Berufsausbildung nachholen können. Ich kann Ihnen sagen, auf diesem Gebiet sind wir in Deutschland spitze.
Wenn jemand davon spricht, dass wir Jugendstrafvollzug repressiv betreiben, dann ist das völlig falsch. Schauen Sie sich die Gefangenen an, die wir in unseren Jugendstrafvollzugsanstalten haben. Das sind Menschen, denen es wirklich an den elementaren sozialen Kenntnissen und Erfahrungen fehlt. Diese jungen Leute brauchen Therapien und Behandlungen, und sie sind dankbar dafür und wollen sie auch. Das ist der Weg, mit dem wir diesen jungen Leuten helfen. Dass dazu auch gehört, Grenzen aufzuzeigen, ist selbstverständlich und wird von jedem ernstzunehmenden Psychologen und Psychiater als positiv angesehen werden.
Beachten wir also bitte auch, was hinter den Mauern der Jugendstrafvollzugsanstalten wirklich geschieht. Herr Kollege Zellmeier hat angesprochen, was es an Möglichkeiten gibt, Schulabschlüsse nachzuholen bzw. Berufsausbildungen zu absolvieren. Wenn es um progressive Möglichkeiten geht, muss ich sagen, ich hätte auch gern wie in Baden-Württemberg Stiftungen und Spenden, die es ermöglichen, dass man andere Methoden als Modell einführt.
Weit weg von der Realität aber sind die von Ihnen, Frau Stahl, immer wieder angesprochenen Meinungen in Forschung und Lehre. Da würde ich mir wünschen, dass diejenigen, die sich immer wieder laut in der Öffentlichkeit zum Jugendstrafvollzug äußern, sich mit der Realität in unseren Anstalten auseinandersetzen würden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, längst nicht nur die Haftzeit ist für uns wichtig – auch das machen wir durch unser Gesetz deutlich –, sondern auch und gerade die gefährliche Zeit danach.
Frau Staatsministerin, ich muss Sie noch einmal unterbrechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lautstärke ist indiskutabel. Wir können die Sitzung so lange unterbrechen, bis es wieder so ruhig ist wie jetzt; denn eine Fortsetzung ist bei diesem Lärmpegel indiskutabel. Frau Staatsministerin, bitte.
Wenn die Gefangenen aus der Anstalt entlassen werden, dann steht ihnen ihre größte Bewährungsprobe bevor. Dann ist die Krise am schnellsten da, und deswegen haben wir gesagt, wir brauchen eine allumfassende Nachsorge, die bereits in der Justizvollzugsanstalt beginnt, die die Lockerungen mit begleitet und den Gefangenen dann in der Freiheit weiter begleitet, um ihm dort Hilfe zu leisten, die so weit gehen kann, dass in Notfällen sogar die Rückkehr in den offenen Vollzug der Anstalt möglich ist mit dem Angebot, die schon bekannte Therapie dort wahrzunehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, verlassen wir die Bühne des politischen Hin und Her. Ich möchte zum wirklichen Herzstück unseres Gesetzentwurfs kommen, zur Sozialtherapie. Wir wollen die Menschen in Bayern vor Rückfällen schützen, indem wir unseren Gefangenen bestmögliche Resozialisierung bieten. Wir setzen dabei nicht nur auf hohe Mauern; die Sozialtherapie ist die intensivste Form der Behandlung im Strafvollzug, und sie ist zugleich vorbeugender Opferschutz. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass sich mit ihr das Rückfallrisiko um ein Drittel senken lässt. Die gesetzliche Pflicht zur sozialtherapeutischen Behandlung unserer erwachsenen und jungen Sexualstraftäter, aber auch der erwachsenen und jungen Gewaltstraftäter ist ein Quantensprung gegenüber dem alten Recht.
Zugleich ist sie etwas, das Bayern aus dem Wettbewerb heraushebt und zeigt, dass Bayern sein Gesetz nicht unter ideologischen Maßgaben gefertigt hat, sondern klar der Praxis den Weg weisen lässt. Das betrifft wohl gemerkt die Resozialisierung, nicht die Einsparungen.