Ich lasse Ihre Zwischenfrage gleich zu, geschätzter Herr Ex-Minister, ich mache es nicht so, wie Ihre früheren Kollegen in der Staatsregierung. Aber zu den Annahmestellen möchte ich noch sagen: Da hatten wir die offizielle Maxime, die auch von Ihnen verkündet wurde: Weites Land, kurze Wege. Bayern hat ein besonders dichtes Netz an Annahmestellen. Sie persönlich darf ich dazu gleich zitieren –: Nur der Kunde, der sich wohlfühlt, kommt wieder. Darum: Nehmen Sie das Angebot der Lotterieverwaltung wahr, ihr Ladenlokal attraktiv und modern auszugestalten. Im Bundesvergleich vergüten und motivieren wir unseren Vertrieb am besten. – Das war mit Sicherheit Ihre Motivation, den Spielerschutz zu betreiben und möglichst wenige Leute zu veranlassen, möglichst wenig Geld zu verzocken.
Gehe ich recht in der Annahme, Herr Kollege, dass Sie mit Ihren Ausführungen dem kleinen Mittelstand – es gibt auch Leute, die vom, Kümmermittelstand sprechen – in diesen Annahmestellen, 4000 an der Zahl, betrieben meistens von Ehepaaren, die ihr Leben noch einigermaßen fristen können, ohne zum Sozialamt gehen zu müssen – den Garaus machen wollen und diese Struktur durch einige wenige zentrale, große, im Wettbewerb stark gewordene, Annahmestellen ersetzen wollen und dadurch die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Freistaat Bayern vermehren wollen?
Herr Faltlhauser, da scheinen Sie einer Fehlinformation aufzusitzen oder Sie haben es gar nicht verstanden. Wenn Sie den zweiten Weg über das Monopol gehen, müssen Sie das Netz der Vertriebsstellen massiv eindampfen. Das heißt, Sie müssen aus den vielen tausend Annahmestellen einige wenige hundert machen. Sie bezeichnen dies als „Kümmermittelstand“. So würde ich es nicht bezeichnen. Wir kennen viele und haben mit vielen geredet. Die Vertreter einiger Annahmestellen sitzen heute hier oben. Wenn Sie das sagen, haben Sie es nicht verstanden. Denn wenn Sie den Weg einschlagen, den Sie jetzt einschlagen wollen,
werden Sie gezwungen, das Netz auszudünnen. Dann steht das Ziel Suchtprävention oben, Verhinderung von Spielsucht, Begrenzung der Spielleidenschaft. Das geht nur mit erheblich weniger Annahmestellen.
Ich habe Ihnen in diesem Fall keine Frage mehr gestattet. Wir machen es über eine Zwischenintervention, weil ich dann mehr Redezeit habe, Herr früherer Minister Faltlhauser.
Vielleicht noch einmal zum Hochblasen. Um Ihre Doppelzüngigkeit zu illustrieren, sage ich: Mit Begriffen wie „staatlich“ und „amtlich“ haben Sie das kommerzielle Glücksspiel erst enttabuisiert. Schauen wir uns doch einmal die Werbemaßnahmen der Staatlichen Lotterieverwaltung an! Dazu gehört nach eigener Aussage – ich zitiere –: Eventmarketing, um an jüngere Zielgruppen heranzukommen, intensive Nutzung der guten Kontakte zu großen bayerischen Funksendern, Begleitinformationen zu Oddset, umfangreiche Maßnahmen- und Medienpakete, die die Zielgruppe mehrstufig ansprechen und kontinuierlich Lust aufs Mitspielen erzeugen. – Gerade bei Oddset gab es den schönen Spruch, Herr Minister Faltlhauser: Tippfreunde haben bei Oddset die Möglichkeit, ihr Sportwissen in bares Geld umzuwandeln – das heißt: Sie wollten den Leuten suggerieren, sie seien kompetent und könnten dem Zufall durch ihre Sportkenntnisse ein Stück voraus sein. Also haben Sie damit einen besonderen Spielanreiz ausgeübt. Wir haben uns die Arbeit gemacht, über 20 Schriftliche Anfragen mit mehr als hundert Fragen zu stellen. Es gab auch noch Mündliche Anfragen. Darin sind all die Missstände dokumentiert.
Die Missstände gab es gerade in der Staatlichen Lotterieverwaltung. Obwohl sie Staatliche Lotterieverwaltung heißt, ist und war sie nichts anderes als ein Betrieb gewerblicher Art, welcher am Wirtschaftsgeschehen teilnimmt. Das hat die Herren von der Staatlichen Lotterieverwaltung aber nicht davon abgehalten, bei ihrer Tätigkeit zu suggerieren, sie wären hoheitlich tätig. Ich bringe Ihnen drei Beispiele.
Erstes Beispiel: Ein Finanzamt in Mittelfranken wurde mit einem Aufrechnungsverlangen seitens der Staatlichen Lotterieverwaltung Bayern konfrontiert. Es sollten Geldbeträge, die angeblich der Staatlichen Lotterieverwaltung geschuldet wurden – die waren im Übrigen bestritten – mit Steuererstattungsansprüchen einschließlich der Arbeitnehmersparzulage verrechnet werden.
Beispiel 2: Die Staatliche Lotterieverwaltung Bayern hat in Schreiben an kommunale Ordnungsbehörden den Eindruck suggeriert, die Ordnungsbehörden wären ihr untergeordnet. Die Ordnungsbehörden wurden in den Schreiben aufgefordert, radikal gegen private Wettbüros vorzugehen.
Das dritte Beispiel: Mitarbeiter der Staatlichen Lotterieverwaltung haben Supermärkte und Tankstellen aufgesucht und gesagt: Wir kommen vom bayerischen Finanzministerium, und ihr dürft bestimmte Produkte privater Spielevermittler nicht mehr vertreiben.
Ich bringe jetzt noch ein letztes Beispiel, das zeigt, wie amtsanmaßend und rechtsbrüchig Sie waren. Mit „Sie“ meine ich die ganze Staatsregierung und die Mehrheit im Bayerischen Landtag. Es geht um die rechtswidrige Weisung des Bayerischen Wissenschaftsministeriums an die Landeszentrale für Neue Medien. – Grüß Gott, Herr Professor Ring! – Vor Gericht hatte die Weisung keinerlei Bestand. Es war klar, dass es ein unzulässiger Eingriff in die Rundfunkfreiheit war. Doch auch vor solchen Mitteln sind Sie bedauerlicherweise nicht zurückgeschreckt.
Jetzt haben wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, und wir haben den neuen Staatsvertrag im Entwurf. Was passiert, obwohl die Richter Ersatzrecht geschaffen haben und sagen, jetzt muss gleich etwas passieren und nicht erst, wenn der neue Staatsvertrag in Kraft ist? Die Anforderung ist ganz klar: Werbung darf nur noch informatorisch und nicht mehr mit Aufforderungscharakter verbunden sein. Es passiert aber genau das Gegenteil: Es wird munter weiter geworben, dass die Schwarte nur so kracht.
Wenn Sie fernsehen, Herr Prof. Dr. Faltlhauser, und ein Sportler wird interviewt, dann geschieht das vor dem Hintergrund von Lotto- und Totowerbung. Wir haben Bandenwerbung, wir haben Plakatwerbung für Oddset, wir haben vorm Landtag Werbetafeln für Lotto. Das ist doch nicht nur reine Information! Wir haben aber noch vieles mehr. Herr Kollege Magerl war gestern Abend beispielsweise im Supermarkt einkaufen. Dort gab es eine Lautsprecherdurchsage, und darin wurde er auf den hohen Jackpot hingewiesen und aufgefordert, doch bitte Lotto zu spielen. Das ist doch keine reine Information! Dient
das vielleicht noch allein dem Spieler- und dem Jugendschutz? – Lassen Sie uns über das Suchtproblem reden.
Jeder Suchtforscher wird Ihnen bestätigen: Je häufiger und je zeitnäher die Gelegenheit zur Realisierung von Gewinnen bzw. von Verlusten gegeben ist, desto größer ist die Suchtgefahr. Wenn Sie sich das anschauen, dann müssen Sie doch ganz woanders ansetzen, und zwar beispielsweise bei den Geldspielautomaten. Davor haben Sie sich aber im Rahmen der Föderalismusreform bequem gedrückt.
Oder Sie müssen endlich bei den Aktienmärkten oder bei den Börsen ansetzen, denn dort ist das Suchtpotenzial sehr viel höher.
Wenn Sie es also ehrlich meinen, dann machen Sie das auch ehrlich. Ihre Argumentation ist so unglaublich unglaubwürdig. Das zeigt auch folgendes Beispiel: Sie haben ganz generell die Mittel zur Suchtbegrenzung erheblich gekürzt, denken wir beispielsweise an die Drogensucht. Uns allen ist bewusst, dass Ihnen die Drogensucht „völlig wurscht“ ist.
(Beifall der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜNE) – Engelbert Kupka (CSU): Gerade Sie brauchen über Suchtbekämpfung nicht zu reden!)
Schauen wir uns doch einmal Europa an und versuchen wir, die Sache auf die richtige Spur zu bringen. Inzwischen ist doch eine Konkretisierung gegeben, wir wissen, wohin McCreevy will. Das ist das Vertragsverletzungsverfahren 0 3 43 50 – dabei ging es nur um die Sportwetten. Wir haben die Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 22. März 2007: Ihr Gegenstand war das Verbot von Glücksspiel im Internet. Wir haben die EU-Vorschrift vom Mai 2007; danach sind freier Kapitalverkehr, freier Verkehr von Werbevertriebsdienstleistung und freier Wettbewerb tangiert. Doch auch hier wird das Beispiel Sportwetten fokussiert. Ich könnte das beliebig ausführen, vielleicht machen wir das später noch im Dialog.
Jetzt gehe ich einmal zu den deutschen Behörden, beispielsweise zu den deutschen Kartellbehörden und den zugeordneten Gerichten. Das hat der Vorredner von der CSU noch gar nicht angesprochen. Wir haben das Urteil des Kartellsenats beim OLG Düsseldorf oder die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Sommer 2007. Letzteres ist also sehr aktuell. Diese Gerichte haben ganz klar bestätigt: Die Untersagungsverfügung des Kartellamts gegen den deutschen Lotto- und Totoblock ist richtig. Das heißt, das Regionalprinzip ist ein unzulässiges Kartell, eine rechtswidrige Gebietsabsprache. Das bedeutet in der Konsequenz, gewerbliche Vermittler müssen Glücksspielangebote auch in anderen Bundesländern
vermitteln dürfen. Das wiederum bedeutet: Alles, was Sie anstreben, wird Ihnen sehr schnell von den Gerichten aus gutem Grund zerrissen werden.
Fazit: Wir sagen: Ihr Weg verstärkt die Rechtsunsicherheit. Vor allem aber ist er nicht zielführend, und zwar, was das von Ihnen propagierte Ziel betrifft, Herr Prof. Dr. Faltlhauser, die Kümmerexistenzen zu erhalten. Dies betrifft aber auch das Ziel, Werbeeinnahmen zu generieren oder die Destinatäre im Sport oder im Sozialen bedienen zu können. Im Hinblick auf all diese Ziele ist Ihr Weg der falsche.
Ihre Argumente tragen vor dem Hintergrund der Fakten und dem Hintergrund Ihres Verhaltens, des Verhaltens Ihrer Staatlichen Lotterieverwaltung, kein Gramm. Wir fordern Sie auf, bei den Sportwetten für ein reguliertes Miteinander zu sorgen. Das heißt selbstverständlich auch Jugend- und Spielerschutz. Das ist nämlich eine öffentliche Aufgabe und das, was die Länder hoheitlich wahrnehmen sollen. Das muss man auch nicht über die Kombination mit dem Monopol machen. Das bedeutet trotzdem eine hohe Abschöpfung. Was aber die Lotterien betrifft, da würden wir Ihnen durchaus konzedieren, lassen Sie das unter dem Dach der Länder. Wir haben vorhin vom Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gehört. Wir bitten Sie aber, sich auch hier endlich an Recht und Gesetz zu halten.
In diesen Fragen haben Sie bisher jeden entscheidenden Prozess verloren. Ich erinnere an die Stiftung „Umwelt und Gesellschaft“. Organisationen wie Amnesty International, Greenpeace, Terre des Hommes und der WWF haben eine Zeitlang eine Umweltlotterie betrieben. Sie wurden aber schikaniert, und zwar in diesem Fall von der Staatlichen Lotterieverwaltung in Nordrhein-Westfalen. Die ganze Aktion wurde also hintertrieben. Die Organisationen mussten aufhören. Im Nachhinein haben sie vor Gericht gewonnen, das hat aber wenig geholfen. Deshalb fordern wir Sie auf, sich endlich an Recht und Gesetz zu halten.
Herr Kollege Weiß hat seinen Redebeitrag damit eingeleitet, dass er seinen Beitrag kurz fassen will, auch deshalb, weil wir, als Landtag, bei so einem Staatsvertrag nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist doch ein Armutszeugnis sondergleichen! Wir haben selbstverständlich die Möglichkeit, einen Staatsvertrag zu Fall zu bringen. Einen solchen Staatsvertrag, der derart unsinnig ist wie der hier vorliegende, wollen wir in jedem Fall zu Fall bringen.
Wir hoffen, Sie helfen dabei mit. Stimmen Sie also mit uns, lehnen Sie die drei zur Abstimmung stehenden Texte ab. Bringen Sie diesen Unfug rechtzeitig zur Fall.
Herr Kollege, Sie haben sich die Zwischenintervention selbst gewünscht. Bitte bleiben Sie deshalb am Rednerpult.
(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das stimmt nicht! – Christine Stahl (GRÜNE): Ich fand es recht spannend!)
Diese Ausführungen waren meiner Ansicht nach für das Kernanliegen völlig irrelevant. Sie haben dann viele Dinge durcheinander gemischt wie beispielsweise Sportwetten mit Lotto,