Protocol of the Session on February 12, 2004

Wir müssen alle gemeinsam stärker an die Eigenverantwortlichkeit der Menschen appellieren. Unser Ziel ist es – Sie kennen es alle, es ist heute Morgen intensiv diskutiert worden, einen Haushalt 2006 ohne jegliche Neuverschuldung zu erreichen. Das ist auch sozialpolitisch der einzig richtige Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Denn nur mit einem strikten Spar- und Konsolidierungskurs laden wir die Schulden nicht künftigen

Generationen auf. Frau Kollegin Ackermann, ich bin in diesem Punkt völlig anderer Meinung als Sie.

Neue Schulden zu machen, ist ungerecht, unsozial und unverantwortlich, weil die künftigen Generationen von Zinszahlungen und Tilgungen erdrückt werden.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die dramatische demografische Entwicklung steht Deutschland noch bevor. Wir machen den Menschen etwas vor, wenn wir sie nicht klar über die finanzielle Situation aufklären. Zurzeit zahlt der Bund 100 Millionen Euro an Zinsen täglich, und es werden täglich 140 Millionen Euro Schulden gemacht. Dies halten 76 % der Bevölkerung in Deutschland für unmoralisch. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

Hinter dem Dringlichkeitsantrag der SPD steckt die gleiche Handlungsunfähigkeit wie bei der Bundesregierung: neue Schulden zu machen und die wirtschaftlichen Gegebenheiten schlicht und einfach zu ignorieren und keine Bereitschaft zum tatsächlichen Umsteuern zu zeigen.

Die Kürzungen im Sozialhaushalt sind teilweise brisant, das sehe ich durchaus. Ich halte sie aber für u n a b d i n g b a r. Wir haben im Sozialhaushalt 161 Millionen Euro an Einsparungen erbracht. Das sind exakt 9,9 %.

(Unruhe)

Verzeihung, Frau Ministerin. Es mag sein, dass es sehr viele Neuigkeiten gibt, wenn man sich allmählich wieder im Plenum versammelt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CSU)

Trotzdem bitte ich, hier keinen intensiven Meinungsaustausch zu betreiben, sondern der Frau Ministerin zuzuhören.

Ich bedanke mich beim Herrn Präsidenten herzlich, weil es letztendlich auch für die Diskussion wichtig ist, dass man sich mit diesen Dringlichkeitsanträgen auseinandersetzt.

Ziele bei der Umsetzung der Einsparungen waren – ich habe es eingangs gesagt -, dass wir gemeinsam mit den Betroffenen, mit den Wohlfahrtsverbänden, mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Behindertenverbänden, den Familienverbänden Schwerpunkte gesetzt haben. Dabei war ein Ziel, die gewachsenen Strukturen zu erhalten, dass wir Investitionen im Jahr 2004 aussetzen, dass wir im Bereich Fortbildung stärker einsparen als bei den Personalkosten und dass wir das ehrenamtliche Engage

ment, Herr Kollege Wahnschaffe und Frau Kollegin Ackermann, soweit wie nur möglich erhalten. Ein weiterer Schwerpunkt lag natürlich auch bei dem Ausbau der Kinderbetreuung. Hier haben wir im Einzelplan 10 zusätzlich 24 Millionen Euro zur Verfügung. Sie müssen sehen, dass dieser Ausbau der Kinderbetreuung weiterhin auf hohem Stand gehalten wird, ob es Ihnen passt oder nicht.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Johanna Werner- Muggendorfer (SPD))

Wir haben jetzt insgesamt 541 Millionen Euro im B e reich Kinderbetreuung. Das sind 30 % des Sozialhaushaltes. Das Niveau in Bayern lässt sich im bundesweiten Vergleich durchaus sehen. Das heißt, Bau neuer Kindergärten, Hort- und Krippenplätze trotz der immer enger werdenden Spielräume.

Wir haben weitere Schwerpunkte gesetzt, keine Kürzungen im Bereich der Behindertenarbeit, der berufsbezogenen Jugendsozialarbeit, der Jugendsozialarbeit an Schulen und der Schwangerenberatungsstellen vorzunehmen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das ist eine gesetzliche Aufgabe!)

Nein, Herr Kollege Wahnschaffe, was Sie sagen, das stimmt so nicht. Das möchte ich dazusagen. Bei den Schwangerenkonfliktberatungen wird nicht eingespart.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das habe ich nicht gesagt!)

Wir arbeiten bei den Schwangerenberatungen mit Pauschalen, wobei wir hinsichtlich der Aufwendungen bundesweit die höchsten Pauschalen haben. Ich frage mich, was Sie, Herr Kollege Wa h n s c h a ff e , zu den Leistungen anderer Länder sagen würd e n , wenn Sie diese mit Bayern verg l e i c h e n.

(Christa Steiger (SPD): Wir sind bayerische Landtagsabgeordnete! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!)

Beim erzieherischen und gesetzlichen Jugendschutz wird es keine Kürzungen geben. Die Erziehungsberatungsstellen sind übrigens grundsätzlich von den Kürzungen ausgenommen.

Sie haben das Erziehungsgeld angeführt. Dabei möchte ich klar sagen, dass wir beim Landeserziehungsgeld die Weichen richtig gestellt haben. Wir haben Leistungsverbesserungen ab dem dritten Kind vorgenommen; das ist keine Frage. Bundesweit sind es übrigens nur vier Länder, die Landeserziehungsgeld gewähren. Auch das sollten Sie einmal ganz klar sehen. Bei den Erziehungs-, Ehe- und

Familienberatungsstellen hat bereits die Frau Kollegin Dodell die Synerg i e e ffekte angespro c h e n , wobei ich Ihnen sagen möchte, dass ich mich mit den Wohlfahrtsverbänden zusammengesetzt habe und wir gemeinsam die einzelnen Beratungsstellen b a y e rnweit durchgehen, um aufzuzeigen, wo Synergieeffekte zu erzielen sind – Stichwort: integrierte Beratungsstellen, die übrigens wesentlich familienfreundlicher sind. Diese Umstände halte ich für ungeheuer wichtig.

Zum Blindengeld möchte ich sagen: Ich habe mich mit dem Blindenbund zusammengesetzt. Die Kürzungen im Umfang von 15 % bedeuten durchaus eine Belastung für die Blinden. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass mir der Bayerische Blindenbund erklärt hat, die 500 Euro wären für sie sozusagen die äußerste Schmerzgrenze. Jetzt sind wir bei einer Kürzung von 15 % bei 497 Euro. Das ist doch etwas, was wir letztendlich sozialverträglich gestaltet haben.

(Christa Steiger (SPD): Komisch ist nur, dass sie alle demonstrieren!)

Das ist doch ganz klar. Können Sie sich vorstellen, Frau Kollegin Steiger, dass sie freiwillig einer Kürzung von 15 % zustimmen werden. Das können die doch gar nicht machen. Sie müssen doch ihre Interessen vertreten. Das ist doch überhaupt keine Frage, Sie persönlich würden das doch genauso machen. Aber ich meine, Sie wissen das ganz genau und wenn Sie mit dem Blindenbund reden, werden die Ihnen bestätigen, dass wir intensive Gespräche geführt haben.

Bei den Beratungsstellen für Asylbewerber und der Ausländersozialberatung möchte ich darauf hinweisen, dass die gesamte Struktur der Beratung den Ausländern in Deutschland zur Verfügung steht. Bei den Asylbewerbern hatten wir im letzten Jahr einen sehr großen Rückgang zu verzeichnen, was übrigens auch für die Aussiedler gilt. Dies schlägt sich natürlich auch im Haushalt nieder. Wir haben bei den Mitteln für die Betreuung von Asylbewerbern eine Kürzung von 50 % und bei den Mitteln für die Aussiedlerbetreuung eine solche von 20 %. Der Hintergrund ist letztlich der, dass die Asylbewerberund Aussiedlerzahlen in Bayern zurückgegangen sind.

Wir haben uns gerade bei den schwierigen Einsparungen im Einzelplan 10 intensiv bemüht, sie so sozialverträglich wie möglich auszugestalten, damit Bayern sein soziales Antlitz nicht verliert und wir gerade für diejenigen, die unsere Hilfe benötigen, weiterhin Hilfe zur Verfügung stellen können.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über

diesen Antrag und anschließend zur namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/307 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zurück zum Tagesordnungspunkt 3.

(Unruhe)

Wenn die Erheiterung abgeklungen ist, können wir weiter machen. Es geht um die Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über Zuständigkeiten in der Landesentwicklung und in den Umweltfragen und des Bayerischen Landesplanungsgesetzes, Drucksache 15/30. Die Aussprache ist bereits geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung zugrunde liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/30 und die Beschlussempfehlung mit dem Bericht des f e d e r f ü h renden Ausschusses für Ve r f a s s u n g s - , Rechts- und Parlamentsfragen auf Drucksache 15/278.

Der federführende Ausschuss für Ve r f a s s u n g s - , Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt die unveränderte Annahme.

Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSUFraktion. – Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen von SPD und GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist so beschlossen.

Damit kommen wir zur Schlussabstimmung, die in namentlicher Form durchgeführt wird. Sie kennen den Weg zu den gekennzeichneten Urnen. Auf der Seite befindet sich die Urne mit den Ja-Stimmen, die Urne mit den Nein-Stimmen ist auf der Oppositionsseite und die Urne für die Enthaltungen in der Saalmitte. 5 Minuten stehen zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 15.07 bis 15.12 Uhr)

Fünf Minuten sind um. Die Stimmabgabe ist damit abgeschlossen. Die Stimmen werden außerhalb des Sitzungssaals ausgezählt. Wir machen mit der Tagesordnung weiter.

Der Stenografische Dienst bittet mich, Folgendes mitzuteilen, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe: Die Niederschriften der heutigen Sitzung können nicht mehr bis zum Sitzungsende fertig gestellt und daher den Rednern im Plenarsaal nicht mehr zugestellt werden; wir haben auch einen Ausfall der Technik. Aus diesem Grund bitte ich die

Redner, von den am Rednerpult aufliegenden gelben Formularen Gebrauch zu machen, falls die Niederschrift an eine Adresse außerhalb des Hauses zur Korrektur übermittelt werden soll.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote, Renate Ackermann und anderer und Fraktion (GRÜNE) Die Staatsregierung hat bis Oktober 2006 den zweiten Landessozialbericht vorzulegen (Drucksache 15/308)

Ich eröffne die Aussprache. Frau Kollegin Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Von welch immensem Interesse dieser Landessozialbericht ist, kann man allein am Besuch des Plenums, aber auch an der Abwesenheit der Ministerin erkennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit den Erkenntnissen des bayerischen Sozialberichts lässt sich die zukunftsorientierte Sozialpolitik der Staatsregierung noch zielgerichteter fortführen. Eine umfassende Datenbasis ist die notwendige Voraussetzung für die von der Staatsregierung erfolgte vorausschauende Sozialpolitik. Die Ergebnisse des bayerischen Sozialberichtes werden dazu beitragen, dass Sozialpolitik im Freistaat auch künftig nicht als nachträgliche Hilfeleistung für gescheiterte Fälle, sondern vielmehr mit einem präventiven Ansatz betrieben wird, sodass die Bürgerinnen und Bürger zu einem eigenverantwortlichen Leben befähigt werden. Dies ist aus der Sicht der Staatsregierung auch in Zukunft von besonderer Bedeutung; denn nur auf der Grundlage einer solchen vorausschauenden Sozialpolitik ist es möglich, das notwendige ausgewogene Verhältnis von Solidarität und Subsidiarität herzustellen.