Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Joachim Wahnschaffe, Johanna WernerMuggendorfer und Fraktion (SPD) H a u s h a l t s k ü rzungen der Staatsregierung gefährden das soziale Bayern (Drucksache 15/307)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach seiner Wiederwahl hat der Bayerische Ministerpräsident vor diesem Hause verkündet – Zitat:
Bei allen Entscheidungen der kommenden Jahre werde ich deshalb auf die soziale Balance und den sozialen Frieden achten.
Dazu dürfen Sie Beifall klatschen, aber warten Sie ab, dass Sie nicht zu früh klatschen. Frau Staatsministerin Stewens, die leider nicht da ist, erklärte gar,
die Familienpolitik sei für sie im Jahr 2004 eines der ganz großen Themen. Und sie rief das Familienland B a y e rn aus, was immer das bedeuten mag. Angesichts dieser vollmundigen Ankündigung hätten eigentlich Sie auf Seiten der CSU und der S t a a t s regierung waschkörbeweise Lobpre i s u n g e n des dankbaren bayerischen Volkes bekommen
müssen. Ich hoffe, Sie haben solche Lobpreisungen auch bekommen. Stattdessen haben aber alle neu gewählten Abgeordneten des Bayerischen Landtags ebenfalls waschkörbeweise ganz andere Post bekommen. Inzwischen kam nämlich nach und nach heraus, dass die wohlfeilen Ankündigungen von Ministerpräsident Stoiber im krassen Gegensatz zu den massiven Kürzungen und dem sozialen Kahlschlag in Bayern stehen. Sie haben damit nicht nur die bayerischen Wählerinnen und Wähler über Ihre wahren Absichten getäuscht. Sie haben auch viele Menschen, die ehrenamtlich oder hauptamtlich in Einrichtungen mitarbeiten, entmutigt. Sie sehen jetzt zu Recht den Wert ihrer Arbeit missachtet.
Das Schlimmste ist aber, meine Damen und Herren: Sie zerstören gewachsene soziale Strukturen. Viele Einrichtungen werden schließen müssen oder sind in ihrer Existenz bedroht. Viele Mitarbeiter, deren Wissen und Erfahrungen aus ehrenamtlicher oder hauptamtlicher Tätigkeit von den Einrichtungen und Initiativen genutzt wurde, werden unwiederbringlich verloren gehen. Der Ministerpräsident hat versucht, die Kürzungen, die den sozialen Bereich besonders hart treffen, mit den Worten zu rechtfertigen:
an der Zukunft unserer Jugend versündigen, wenn wir über Schulden heute das aufzehre n und aufbrauchen würden, was unsere Kinder und Enkel erst noch erarbeiten müssen.
Ein anderer Präsident, nämlich der Präsident des Diakonischen Werkes Bayern, Herr Dr. Markert, hat darauf die tre ffende Antwort gegeben. Er hat gesagt, die geplanten Streichungen der Staatsregierung wirkten nicht zugunsten sondern zulasten kommender Generationen. Markert hat wörtlich ausgeführt – lassen Sie es mich zitieren:
So werden kommende Generationen nicht entlastet, sondern belastet, denn jede Streichung beispielsweise bei den präventiven Angeboten, bei der Migrationsarbeit und bei den Betreuungsvereinen ist mit enormen Folgekosten und einer weiteren Entsolidarisierung verbunden. Wenn Zuschüsse für Mutter-Kind-Kuren, Kinder- und Jugenderholung sowie Ehe- und Lebensberatung gekürzt werden und dies auch noch mit Streichungen beim Landeserziehungsgeld verbunden wird, so hat das nichts mit der Stärkung der Familie oder gar der Kinder und Jugendlichen zu tun, wie der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung im November behauptet. Im Gegenteil, dies ist zutiefst unsolidarisch.
Ich meine, diesen Worten ist nichts hinzuzufügen. Frau Stewens, die leider immer noch nicht da ist, zu deren Kernaufgaben – –
Frau Stewens, zu deren Kernaufgaben eigentlich der Schutz der sozial Schwachen gehören müsste, hat zwar in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken versucht, sie werde um den Sozialetat kämpfen. Das Ergebnis ist allerdings niederschmetternd. Herr Kollege Unterländer, Ihr sanfter Protest war vielleicht sogar wirkungsvoller. Der Sozialetat wird allein um 10 % und damit überproportional gekürzt. In Wirklichkeit wird aber bei Familien, Jugendlichen, Kindern, Kranken und Pflegebedürftigen noch viel brutaler gekürzt. Alleine in der Krankenhausförderung sind die Kürzungen so hoch wie im gesamten Sozialetat; es wird nämlich um genau 161 Millionen Euro gekürzt.
Wo, Frau Staatsministerin oder Herr Staatssekretär, ist denn Ihr Aufschrei geblieben, als Sie gezwungen wurden, das Landeserziehungsgeld um 52 Millionen Euro zu kürzen? Sie erklärten stattdessen – das hat schon einigen Charme -, Sie seien froh, dass das Landeserziehungsgeld nicht gänzlich gestrichen wurde. Sie streuen den Familien Sand in die Augen, indem Sie behaupten, die Familien mit mehreren Kindern würden in Zukunft stärker gefördert als bisher. Wie sieht denn die Gesamtrechnung tatsächlich aus? Eine Familie mit drei Kindern bekommt künftig 1 428 Euro pro Jahr weniger, eine Familie mit zwei Kindern gar 1 944 Euro und eine Familie mit einem Kind 1 872 Euro weniger. Ein solches Programm verkauft der Ministerpräsident mit den Worten – so in seiner Regierungserklärung wörtlich: „Wir wollen deshalb Familien mehr fördern als bisher.“ Das ist blanker Zynismus, meine Damen und Herren.
Dazu passt dann auch, dass Sie das Familienprogramm um 2,18 Millionen Euro kürzen. Das Jugendprogramm kürzen Sie um 3,2 Millionen Euro. Sogar der Schutz des ungeborenen Lebens ist Ihnen nichts mehr wert. Sie kürzen auch hier. Dazu passt auch, dass Ihnen der Abbau von Gewalt gegen Kinder und Frauen nichts mehr wert ist. Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich vielleicht an die Debatte, die wir heute früh geführt haben. Dabei haben Sie sich in die Brust geworfen und gesagt, Sie wollten mehr Sicherheit in diesem Land, deswegen müsse unbedingt die Sicherungsverwahrung stärker ausgebaut werden. Sie sind aber nicht einmal bereit, dort zu handeln, wo Sie es könnten, nämlich beim Abbau von Gewalt gegen
Es geht munter so weiter. Aufbausprachkurse für die B e t reuung von Aussiedlern werden Opfer Ihre r Kürzungsorgie. Damit ist die Liste der Streichungen allerdings noch nicht am Ende.
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Haushaltsdebatte, die wir gerade geführt haben, ist besonders bemerkenswert die Behauptung der S t a a t s regierung, sie spare für künftige Generationen. Diese Behauptung wird gerade durch die eben genannten Kürzungen bei Familien, Jugendlichen und Kindern ad absurdum geführt. Spätestens seit dem ersten bayerischen Sozialbericht, auf den wir heute noch zu sprechen kommen werden, wissen wir, dass bei Kindern von Aussiedlern und Ausländern der Anteil derer, die überhaupt keinen Schulabschluss erreichen, besonders hoch ist. Das liegt auch an mangelnden Sprachkenntnissen und mangelnder Integration. Die Biografie vieler dieser jungen Menschen führt direkt in die Arbeitslosigkeit, bei manchen sogar in die Drogenabhängigkeit und – am schlimmsten – bei manchen sogar in die Kriminalität. Das nennen Sie Sparen für die Zukunft. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, das ist Sparen an der Zukunft.
Ein besonderes Drama ist die Insolvenzberatung in Bayern. Wie oft haben wir in der letzten Legislaturperiode um sachgerechte Lösungen gerungen? Herr Kollege Unterländer, Sie werden sich daran erinnern. Ich räume ein, alle Fraktionen haben sich darum bemüht. Frau Stewens hat den betroffenen Wohlfahrtsverbänden immer wieder vorgegaukelt, die Staatsregierung bemühe sich um eine tragfähige Lösung. Noch im Herbst hat man sich auf Eckpunkte einer künftigen Lösung geeinigt. Was aber ist das Ergebnis? – Sie haben so viel gekürzt, dass die Beratungsstellen heute vor dem Aus stehen. Das bedeutet, 250 000 Menschen, die wirklich an der untersten Skala unserer Gesellschaft angekommen sind, stehen ohne Schutz und ohne jede Beratung da. Das nennen Sie dann noch soziales Bayern.
Im Übrigen ist das eine der familienfeindlichen Maßnahmen Ihrer Kürzungsorgien. Gerade zu grotesk wirkt die Reaktion der Staatsregierung auf öffentliche Proteste. Die von der Insolvenzberatung Betroffenen könnten, so die Staatsregierung, einen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen, und wenn sie das Geld dafür nicht aufbringen könnten, hätten sie die Möglichkeit, beim Amtsgericht einen Beratungs
schein zu beantragen. Das ist doch ein SchwarzesPeter-Spiel, meine Damen und Herren. Auf der einen Seite werden die sozialen Ausgaben gekürzt, auf der anderen Seite muss das Geld dann über die Beratungsscheine bei der Justiz wieder ausgegeben w e rden. Das ist doch kein nachhaltiges Sparkonzept, sondern im Grunde ist das nichts anderes als den Leuten Sand in die Augen zu streuen.
Meine Damen und Herren von der CSU, angeblich liegt Ihnen das Ehrenamt besonders am Herzen. Was haben Sie sich entrüstet, weil Ihnen die steuerlichen Freigrenzen für die Freiwillige Feuerwehr nicht niedrig genug waren. Frau Kollegin Radermacher, Sie können sich sicher noch gut daran erinnern. Jetzt aber kürzen Sie beim Ehrenamt. Noch vor der Wahl haben Sie das Ehrenamt fast wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Präsident Glück ist im Moment nicht anwesend. Vor der Wahl gab es keine Versammlung bei der er als Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion nicht gesagt hätte: „Das Ehrenamt ist uns fast heilig.“ Sie haben dafür fast eine Million Euro in den Haushalt eingestellt. Was ist das Ergebnis? – Jetzt wird auch beim Ehrenamt gekürzt.
Ich rede bei diesen Maßnahmen nicht von Herrn Moshammer, der sich erfreulicherweise auch in die Debatte eingemischt hat und dem obdachlose Menschen besonders am Herzen liegen. Nein, ich rede vom Katholischen Männerverein in München. Dieser Verein kümmert sich seit Jahren um obdachlose Menschen in München und um die wachsende Zahl von Obdachlosen in diesem Land. Was aber machen Sie? – Sie unterstützen ehre n a m t l i c h e Arbeit, in dem Sie diese Leistungen mit einem Federstrich kürzen. Dabei streichen Sie nicht viel, der Betrag liegt unter einer Million Euro. Aber Sie richten damit etwas an, was viel, viel schlimmer wirkt, denn Sie entmutigen die Ehrenamtlichen und nehmen den Menschen, die an der untersten Ebene dieses Landes stehen die Hoffnung, dass Sie sich aus dieser Zwangslage wieder befreien können.
Meine Damen und Herren, der Caritas-Verband in Bayern, der nicht oft laut redet, hat das alles in einer Erklärung auf den Punkt gebracht. Er schreibt:
Die geplante Streichung der Zuschüsse für die Beratung der Menschen auf der Straße fügt sich nahtlos ein in die bisherigen Pläne der Staatsregierung. Auffällig ist, dass die sozial Schwachen, die Überschuldeten, die psychisch Kranken, die Jugendlichen, die ausländischen Arbeitnehmer, die Behinderten und die Familien finanziell belastet werden. Künftigen Generationen,
ist nicht gedient, wenn man Ihnen einen unsozialen Staat und eine unsolidarische Gesellschaft hinterlässt.
Meine Damen und Herren von der CSU, diese Worte der Caritas sollten Ihnen in den Ohren klingen. Noch haben Sie die Gelegenheit, auf den Pfad der sozialen Tugend zurückzukehren.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Wahnschaffe, Sie haben seit unserer Aussprache im sozialpolitischen Ausschuss bei seiner Sitzung im Sozialministerium nichts, aber auch gar nichts hinzugelernt. Sie haben heute Vormittag auch nicht zugehört. In Ihren Ausführungen verschweigen Sie uns jetzt wieder, wodurch die schwierige finanzielle Situation, die uns in Bayern zum Sparen zwingt, verursacht wurde. Sie wollen nicht wahrnehmen, dass eine katastrophale und völlig verfehlte Politik von Rot-Grün in Sachen Steuern, Arbeitsmarkt und Wirtschaft die wahre Ursache für dieses Desaster ist.
Das altbewährte SPD-Rezept, das auch in diesem Antrag wieder zu finden ist, lautet, alles so zu lassen wie es ist, nichts anzutasten. Das geht nicht, das g reift nicht mehr. Ihr Rezept lautet wie üblich: Machen wir doch locker eine M i l l i a rde Neuverschuldung. Damit machen Sie es sich aber zu einfach, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir hätten das auch anders machen können. Wir hätten unseren Finanzminister zur Bank schicken können, damit er die 2,5 Milliarden Euro aufnimmt. Dann hätten wir keine Demonstrationen und keinen Protest gehabt.
Wenn wir das Geld auf diese Weise aufgenommen hätten, wäre die Sache still und leise über die Bühne gegangen. Dieser Weg wäre aber fatal gewesen. Sie, sehr geehrter Kollege Wahnschaffe, beklagten in dieser Sitzung des sozialpolitischen Ausschusses: „Die Staatsregierung beschneidet mit Einsparvorhaben die Zukunftschancen von Kindern und jungen Menschen sowie die Entwicklungsmöglichkeiten von Familien.“ Ich sage Ihnen, das genaue Gegenteil ist der Fall. Mit unserer jetzt durchgeführten finanziellen Konsolidierung geht es doch genau darum, dass künftige Generationen, dass unsere Kinder und Enkel, die eines Tages die Verantwortung übernehmen, dieser Verantwortung auch noch
g e recht werden können. Mit dem SPD-Rezept, eines Tages nur noch Zinsen, Zinsen und Zinseszinsen zu zahlen, wird diese Generation ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können. Schauen Sie sich doch einmal an, was Ihr Bundesfinanzminister anrichtet: 100 Millionen Euro Zinsen sind pro Tag fällig.