Protocol of the Session on November 15, 2007

Wir wollen Werte. Ich sage: Jawohl, ich bekenne mich dazu. Wir wollen die bürgerlichen Tugenden stärken. Die große Mehrheit der Bürger in diesem Land, die diese Tugenden hoch schätzt, verdient Unterstützung. Diese braven, anständigen Menschen sagen: Jawohl, wir arbeiten hart; wir strengen uns an. Diese bürgerlichen Tugenden wurden gestern in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ angesprochen: sich für das Wohlergehen der Familie einzusetzen, zuverlässig und vertrauenswürdig zu sein, ein anständiger Mensch zu sein, verlässliche Staatsbürger zu sein, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, fleißig zu sein und viel zu arbeiten.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!)

Diese guten Tugenden verdienen Unterstützung, weil jeder weiß: Ohne die Menschen, die nach diesen Grundsätzen leben, könnte ein Gemeinwesen auch keine anständige Sozialpolitik betreiben; denn nur die Bürger, die sich anstrengen, helfen uns, dass wir dann auch viel Geld ausgeben können. Wir bemühen uns, dies in einer sehr zweckmäßigen und sachgemäßen Weise zu tun. Wir schaffen den Rahmen, und dieser Rahmen ist in Bayern offensichtlich so beschaffen, dass es den Menschen hier gut gefällt, sonst würden nicht so viele in unser Land kommen. Nur ganz wenige haben gesagt, sie seien nach Bayern zwangsverschleppt worden. Die Menschen, die hierher kommen, sagen: Die Lebensbedingungen sind so, dass man hier besser leben kann als anderswo.

Wir wollen also möglichst gute Rahmenbedingungen schaffen. Aber letzten Endes ist der Einzelne dafür verantwortlich, was er daraus macht. Deswegen, glaube ich, war es richtig, diese Regierungserklärung unter das Motto zu stellen: Es kommt auf jeden an – Gemeinsam für Bayerns Zukunft. – Ich danke Ihnen.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Die Fraktionsführungen haben sich darauf verständigt, dass nur die ersten drei Dringlichkeitsanträge im Plenum behandelt werden. Ich darf in Erinnerung rufen, dass nach der probeweise geltenden Redezeitregelung die Redezeit insgesamt 30 Minuten je Fraktion beträgt.

Wir kommen zum:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Veröffentlichung aktueller Energie- und Klimadaten (Drs. 15/9299)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Paulig.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich bitte darum, dass auch die Gespräche an der Regierungsbank eingestellt werden. – Herr Abgeordneter König! – Ich darf die gesamte Front an der Regierungsbank darauf hinweisen, dass die Gespräche draußen und nicht im Plenarsaal zu führen sind. – Ich unterbreche die Sitzung, bis die Gespräche beendet sind.

Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen. Herr Ministerpräsident Beckstein, Ihre letzten Worte waren toll: Bayern ist beim Klimaschutz wieder einmal an der Spitze. Ich muss nicht nur feststellen, dass Ihre Ausführungen in der Regierungserklärung dürftig waren, sondern auch: Bayern steht inzwischen beispielsweise, was den Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien betrifft, im Vergleich der Bundesländer an fünfter Stelle. Das, meine ich, ist keine Spitzenstellung.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): „Spitze“ wäre vorn!)

Sie sagen, unter Rot-Grün habe es keine Debatte zum Klimaschutz gegeben. Dazu muss ich sagen: CDU und CSU haben diese Debatte damals negiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wer hat denn das Erneuerbare Energien-Gesetz – EEG – abgelehnt, das den wirtschaftlichen Boom auf diesem Sektor für die Bundesrepublik Deutschland auf den Weg gebracht hat? Wir sind immer noch Marktführer bei Wind und Solarzellen. Wir haben allerdings zu befürchten, hierbei einzubrechen, wenn es keine vernünftige Folgeregelung des EEG gibt. Sie werden mir zustimmen. So schaut es aus im Bund. Ja, heuer haben wir Einbrüche zu verzeichnen. Durchaus steht die Drohung im Raum, dass andere Länder uns jetzt überholen und dass uns die Spitzenposition genommen wird, wenn wir nicht durch die Novelle des EEG vernünftige Anschlussregelungen bekommen. So sieht es aus.

Außerdem: Wer hat denn das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz auf den Weg gebracht, das jetzt allerdings dringend fortgeschrieben werden muss, weil es zu zahm war, weil die SPD damals nicht mitgemacht hat und die Große Koalition jetzt noch nicht handlungsfähig ist? Wer hat denn die novellierte Energieeinsparverordnung mit dem Energiepass auf den Weg gebracht, der verschärfte Anforderungen zum Klimaschutz in den Gebäuden bringt? Das waren die Grünen. Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich darf Sie daran erinnern: Bereits im Jahre 1986, als die Grünen zum ersten Mal in den Landtag kamen, sind wir mit einer Vortragsreihe zum Klimaschutz quer durch Bayern gezogen. Dr. Christian Magerl, Prof. Dr. Armin Weiss und ich haben die vielfältigen Bereiche, in denen Klimaschutz umzusetzen ist, angesprochen. Was ist geschehen? 20 Jahre lang hat die CSU in Bayern dieses Thema verschlafen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

20 wertvolle Jahre sind verstrichen. Jetzt haben wir ein knappes Zeitfenster von nur mehr 12 Jahren bis zum Jahre 2020, in dem dringend wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Dieses Thema haben Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU, verschlafen. Leider ist es auch in der heutigen Regierungserklärung nicht wirksam eingebracht worden. Wir werden Sie weiter auf die Dringlichkeit dieses Themas hinweisen.

Unser Dringlichkeitsantrag passt wunderbar dazu. Veröffentlichen Sie doch endlich die aktuellen Energie- und Klimadaten für Bayern! Das ist in der Tat überfällig.

(Beifall der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

Es gibt dieses nette Heftchen „Daten zur bayerischen Energieversorgung 2006“. Wir haben es im Februar 2007

erhalten. Die aktuellsten Daten, die darin enthalten sind, stammen aus dem Jahr 2003.

(Zuruf von den GRÜNEN: Nicht zu fassen!)

Beispielsweise geht die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs nach Energieträgern in Bayern gerade einmal bis 2002 in die Bilanz ein. Die aktuellsten Zahlen stammen hierbei von 2003. – So geht es nicht, Kolleginnen und Kollegen.

Schauen wir uns dann noch die Szenarien für die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs in Bayern, aufgeteilt nach Energieträgern, bis zum Jahre 2020 an. Diese enthalten als aktuellste Zahlen sogar nur jene von 1998. Ich bitte Sie: Aktualisieren Sie endlich diese Daten!

Im Internet könnte das Wirtschaftsministerium vielleicht aktueller sein als diese Broschüre. Aber auch hier sind das Aktuellste, was wir finden – gestern heruntergeladen –, die Zahlen von 2002. Gerade einmal beim Kapitel Fernwärme finden wir eine Zahl von 2004. Das ist aber die aktuellste Zahl.

Schauen wir uns sodann die Bilanzen an; denn es heißt immer: Bayern ist vorn. Nehmen wir doch einmal die Energiebilanzen des Länderarbeitskreises.

Im Länderarbeitskreis „Energiebilanzen“ sind das Wirtschaftsministerium und Vertreter des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung vertreten. Schauen wir uns einmal an, was im Länderarbeitskreis „Energiebilanzen“ vorgelegt worden ist. Da wird es für Bayern besonders peinlich. Alle Bundesländer mit Ausnahme von drei schwarzen Alleinregierungen haben die Zahlen aktuell vorgelegt. Nicht vorgelegt wurden sie von Bayern, aber auch von Hessen und Saarland. Wollten Sie sich damit immer vergleichen? Alle anderen Länder haben im Länderarbeitskreis „Energiebilanzen“ ihre aktuellen Zahlen wenigstens von 2004 vorgelegt. Aber Bayern ist hinten. Bayern hat die Zahlen für den Primärenergieverbrauch nicht vorgelegt, auch nicht die Zahlen zu den CO2-Emissionen aus dem generellen Endenergieverbrauch der Verursacherbilanz, ebenso nicht bezüglich des Verkehrs, nicht die Emissionen aus der Gewinnung von Steinen und Erde, auch nicht die Zahlen zum verarbeitenden Gewerbe, keine aktuellen Daten zu CO2-Emissionen aus den Sektoren Haushalte, Handel, Dienstleistungen und übrige Verbraucher.

Sie trifft die Schuld vielleicht nur bedingt, Frau Staatsministerin. Aber wir müssen schon sagen: Wenn wir heute über Klimaschutz und notwendige Maßnahmen diskutieren, dann brauchen wir die Zahlen zur aktuellen Entwicklung.

Dann brauchen wir – das steht in unserem Antrag – zum einen die endgültigen Energie- und Klimadaten für Bayern aus dem Jahr 2004. Wie gesagt, alle anderen Länder mit Ausnahme von Bayern, Hessen und Saarland haben die aktuellen Zahlen vorgelegt. Da darf man sich nicht hinstellen und sagen: Bayern ist spitze. Bayern ist hintendran. Bayern hat sogar diese Statistik verschlafen.

Nach dieser dringend notwendigen Bekanntgabe der Zahlen für 2004 brauchen wir aber zum Zweiten ebenso dringend die vorläufigen Zahlen für 2005 und 2006. In der Antwort auf die Anfrage der Kollegin Frau Biedefeld von der SPD-Fraktion haben Sie angedeutet, dass da teilweise Zahlen vorliegen.

Aus dem Landwirtschaftsministerium kommen, wenn zur Biomasse geredet wird, große, mutige Zahlen, die die Nutzung von Biomasse betreffen. Stellen Sie diese Zahlen doch offiziell ein. Sagen Sie, dass das die vorläufigen Zahlen für 2005 und 2006 sind. Stellen Sie das ins Internet. Dann können wir hier auf einer guten Datengrundlage die notwendigen Maßnahmen für den Klimaschutz besprechen.

Ich glaube, dies ist überfällig, um zu vernünftigen Prognosen zu kommen. Dann können wir vielleicht auch einmal feststellen, dass CO2-Emissionen – davon gehe ich fast aus – gerade im Verkehrssektor enorm ansteigen.

Weiter müssen wir über Ihre Planungen im Sektor Verkehr sprechen: neue Autobahnen, neue Bundesstraßen, neue Staatsstraßen, neue Regionalflughäfen, dritte Start- und Landebahn im Erdinger Moos. Das alles wird den Klimaeffekt verschärfen und zu einer weiteren Steigerung der Klimagase führen. Diese Maßnahmen sind zu unterlassen. Wir müssen heute mit der Umsteuerung beginnen, um die internationalen Anforderungen einigermaßen zu erfüllen. Diese sind: maximaler Temperaturanstieg um bis zu zwei Grad bis 2050, weltweite Reduktion der Klimagase um 50 %, als besondere Aufgabe der Industrieländer eine Reduktion der Klimagase um 80 %. Mit dem, was Sie hier bieten, sind wir in Bayern mit unserem Anteil davon weit, weit entfernt.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Dringlichkeitsantrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Hintersberger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir machen jetzt keine Replik auf die Regierungserklärung, sondern wir behandeln den Dringlichkeitsantrag. Dieser ist nach unserem Dafürhalten völlig überflüssig.

Selbstverständlich ist es üblich, richtig und notwendig, Datenbasen für politische Entscheidungen über Maßnahmen zu haben. Die haben wir auch und werden sie nutzen. Ich habe gerade erst heute Vormittag telefonische Auskunft über Zahlen – auch was die Energiebilanz anlangt, Frau Kollegin Paulig – für das Jahr 2004 bekommen. Nur ist auch Folgendes klar: Wir müssen abwägen. Frau Kollegin Paulig, Sie haben so vollmundig gesagt, wir bräuchten für unsere Maßnahmen auch eine entsprechende Datenbasis. Wir haben zu entscheiden, ob wir eine belastbare Datenbasis haben wollen, die seriös ist, auf die wir unsere Entscheidungen, auch die

Entscheidungen über Steuergelder stützen können, oder ob wir vorläufige, nicht belastbare Daten als Grundlage nehmen.

Ich denke, es ist schon ein Zeichen verantwortlicher Politik, zu sagen: Wir lassen diese Daten abklären. Das macht nicht irgendeine Fraktion, sondern das macht federführend – das wissen Sie, Frau Kollegin Paulig – das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung. Es kann die Datenbasis federführend, sachlich und seriös abklären.

Frau Kollegin Paulig, Sie haben hier immer wieder Krokodilstränen vergossen. Was Sie gesagt haben, ist immer wieder die gleiche Leier: Man tue nichts, man tue zu wenig, man tue es zu langsam, man komme nicht in die Gänge. Sie haben sich am 18. Juli in der Plenarsitzung darin verrannt, zu sagen, hieraus entstehe eine ideologisch veraltete Energiepolitik. Ich möchte Ihnen vorhalten, dass Sie eine umfangreiche Antwort am 14. August seitens des zuständigen Wirtschaftsministeriums von über fünf Seiten zur Energieversorgung bekommen haben.

(Henning Kaul (CSU): Das lesen die nicht!)

Wenn Sie hier eine ehrliche, seriöse Politik machen wollen, dann lese ich Ihnen eine Passage vor, die Sie womöglich nicht gelesen haben. Dann können Sie klar argumentieren, warum für eine seriöse Datengrundlage ein entsprechendes Zeitfenster notwendig ist. Ich zitiere also: