Protocol of the Session on October 23, 2007

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Rütting.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung zum Thema Alkohol: Frau Sonnenholzner hat bereits gesagt, das Oktoberfest sei ein Massenbesäufnis. Ein Journalist aus Neuseeland war so entsetzt über die vielen Betrunkenen, dass er sagte, in seinem Land würde sofort die Polizei einschreiten und das Fest verbieten, wenn dort so etwas passieren würde. In den Zeitungen wird darüber gejubelt, dass zwar weniger Besucher gekommen sind, aber mehr Bier getrunken wurde. Sechs Millionen Mass Bier werden als phantastisches Ergebnis hingestellt. Deshalb braucht man sich nicht darüber zu wundern, wenn die Kinder das nachmachen und saufen, bis sie umfallen und im Koma liegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Thema Cannabis. Unser Antrag wird immer wieder sowohl von der CSU als auch von der SPD falsch interpretiert.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Bewusst falsch!)

Ob bewusst oder unbewusst, sei dahingestellt.

Auch Dr. Schnappauf hat im Umweltausschuss in die gleiche Kerbe geschlagen und gesagt, die GRÜNEN wollten die Freigabe von Cannabis, in Bayern werde das aber nicht zugelassen. Unser Antrag zielt nicht auf die Freigabe von Cannabis, sondern nur auf die Zulassung von Cannabis als Medikament für schwerstkranke Patienten. Das muss wirklich noch einmal betont werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Cannabisprodukte sollen von Ärzten für schwerstkranke Patienten verschrieben werden dürfen. Dr. Zimmermann weiß als Arzt genau, dass er Cannabisprodukte verordnen darf, aber nur die halbsynthetischen oder die synthetischen. Die sind erlaubt, nicht aber die jahrtausendalte Heilpflanze Cannabis. Das ist absurd, weil die synthetischen und die halbsynthetischen Produkte ungeheuer teuer sind. Eine Monatspackung Marinol kostet 400 Euro. Eine Packung des Cannabis-Präparats Dronabinol kostet 700 Euro. Die Kassen bezahlen diese Mittel nicht oder nur bedingt. Also gibt es diese Mittel nur für reiche Leute. Daran zeigt sich wieder einmal, dass der, der arm ist, früher sterben muss. Damit muss aber endlich einmal Schluss sein, auch die Armen müssen diese Leistungen bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb verlangen wir, dass die natürliche Heilpflanze Cannabis, die sich über Jahrtausende bewährt hat, anerkannt wird und von Ärzten zur Behandlung schwerstkranker Patienten verordnet werden darf. Wir wollen keine Freigabe.

Ich weiß aus Gesprächen, dass Eltern sagen, ihre Kinder seien deshalb dazu gekommen, andere Drogen zu nehmen, weil Cannabis so verharmlost worden sei. Noch einmal: Uns geht es nicht um die Freigabe. Wir wissen aber, bei wie vielen Krankheiten die natürliche Cannabisheilpflanze eingesetzt werden kann. Wahnsinnige Schmerzen bei Krebs, bei Aids, bei Alzheimer oder bei Parkinson können damit gelindert werden. Es muss doch möglich sein, dass wir diese jahrtausendalte billige Heilpflanze unter ärztlicher Aufsicht verordnen dürfen. Es darf nicht länger heißen: Weil du arm bist, musst du früher sterben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Schluss hat noch einmal Herr Staatsminister Dr. Bernhard das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur noch auf ein paar Punkte, die angesprochen worden sind, eingehen. Zum einen will ich auf die drei Säulen Prävention, Repression und Hilfe eingehen. Die Reihenfolge dieser Säulen ergibt sich einfach aus den Abläufen. Erst

versuchen wir natürlich, präventiv tätig zu werden. Wenn etwas passiert ist, erfolgt die Repression und dann die Hilfe. Ich sehe darin überhaupt keine Abstufung. Jede der drei Säulen muss vernünftig ausgebaut und dort eingesetzt werden, wo es notwendig ist.

Zur Alkoholprävention. Sie wissen alle, dass Alkoholprävention einer der Schwerpunkte der Gesundheitsinitiative Bayern ist. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Projekten, die ich gar nicht alle aufführen will. Wir gehen jetzt auch gegen das Komasaufen vor, indem wir mit dem Projekt „HaLT“ ganz gezielt auf die Personen zugehen, die ins Krankenhaus eingeliefert werden. Es geschieht hier sehr viel.

Lassen Sie mich etwas zum Ritalin sagen. Die Ärzte sagen uns, dass davon zu wenig verordnet werde und deswegen das Verschreiben von Ritalin zugenommen habe. Ich kann es Ihnen nur so sagen. Bei den Medikamenten gibt es eine Reihe von Bemühungen sowohl der Gesellschaft für Psychotherapie als auch der Bundesärztekammer und anderer Institutionen. Es gibt Fortbildungen und so weiter. Trotzdem ist auf diesem Feld in erster Linie die Verantwortung der Ärzte gefragt. Das muss man feststellen, und das sollten auch Sie sehen. Auch wir arbeiten mit dem Landesfrauenausschuss zusammen, der sich sehr intensiv bemüht. Es gibt vielfältige Bemühungen, aber es bleibt immer bei der Verantwortung des Arztes. Theresa Schopper hat es schon einmal früher so formuliert: In vielen Bereichen kann und darf die Politik nicht eingreifen. Sie meint damit den Bereich der ärztlichen Verordnung, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und alles, was damit zusammenhängt.

Zu den Rollenspielen: Ich habe vorhin angedeutet, dass wir uns mit dem Glücksspiel und anderen Spielen als neuen Feldern intensiv befassen werden. Wir brauchen dazu auch etwas Forschung, um sagen zu können, was wir am besten tun sollen. Das wollte ich nur noch ergänzend zu dem, was ich vorhin schon gesagt habe, anmerken, um auf das einzugehen, was Sie jetzt angesprochen haben.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Abstimmung über Anträge etc., die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Listen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Niemand. Stimmenthaltungen? – Auch niemand. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 5, 6 und 7 auf:

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen auf Bundesebene (Drs. 15/8192)

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen auf Landesebene (Drs. 15/8194)

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ausschluss der Siemens AG von öffentlichen Aufträgen (Drs. 15/8195)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Pro Fraktion sind 15 Minuten vereinbart. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Skandale um die Siemens AG zeigen, dass Korruption ein Krebsübel in unserer Wirtschaft und für unsere Wirtschaft und auch in unserer Gesellschaft und für unsere Gesellschaft ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Korruption wirkt sich nicht nur zulasten möglicher Mitbewerber um die jeweiligen Aufträge aus. Korruption schadet auch den Auftraggebern, weil die Preise überhöht werden. Korruption ist aber auch schädlich für die Volkswirtschaft an sich, weil dadurch fairer Wettbewerb und das Funktionieren effektiver und effizienter Märkte verhindert werden. Neben dem materiellen Schaden richtet Korruption auch jede Menge immaterieller Schäden an. Zum Beispiel geht dadurch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Rechtsstaatlichkeit völlig verloren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch Preisabsprachen und andere Kartelle sowie durch illegalen Niedriglohn ermöglichte Dumpingangebote verhindern fairen und effektiven Wettbewerb und damit effizientes Wirtschaften. Nach geltendem Recht dürfen bzw. müssen in Deutschland Unternehmen, die sich offenkundig schwerer Korrupti

onsdelikte schuldig gemacht haben, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

Weitere Ausschlussgründe sind Betrug oder Untreue, Steuerhinterziehung, Verstoß gegen die Kartellrechtsvorgaben und Verstöße gegen die Vorgaben für die Arbeitnehmerentsendung und Arbeitnehmerüberlassung. Wir fanden die Diskussionen in den Ausschüssen doch überaus interessant. Nach herrschender Meinung und nach übereinstimmender Meinung aller Ministerpräsidenten der Länder hat ein Ausschluss unabhängig von der Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens zu erfolgen, wenn im Einzelfall angesichts der Beweislage kein vernünftiger Zweifel an einer solchen Verfehlung besteht.

Schauen wir uns aber einmal die Realitäten an. Tatsächlich sind es relativ wenige Unternehmen, die jedes Jahr von öffentlichen Aufträgen neu ausgeschlossen werden. Wir haben die Zahl aktuell abgefragt: In Bayern wurden in den letzten zehn Jahren 20 Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen, in erster Linie Baufirmen bzw. Planungsbüros. Man fragt sich nach den Gründen für diese geringe Anzahl. Man muss sagen: Zum einen liegt es am Opportunismus und an der Bequemlichkeit der jeweils vergebenden Stelle, zum anderen werden bedauerlicherweise – das ist wohl der Hauptgrund – bisher weder bundesweit noch in Bayern die Daten der Unternehmen, deren Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Verträge an und für sich geboten wäre, systematisch erfasst und weitergeleitet.

Deswegen hat die Bundesregierung im Jahr 2002 einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeitet und in die Debatte gebracht. Dieser Gesetzentwurf auf Bundesebene scheiterte im Herbst 2002, obwohl es im Vermittlungsausschuss eigentlich schon einen abgestimmten Kompromissvorschlag gegeben hat. Die Mehrheit im Bundesrat hat sich damals der Meinung Bayerns angeschlossen und war der Auffassung: Mei, wir brauchen schon so ein Register, aber darin sollen nur die klassischen Korruptionsdelikte aufgenommen werden, nicht aber Delikte wie Verstöße gegen die Vorgaben für die Arbeitnehmerentsendung und Arbeitnehmerüberlassung. Genau das sind aber die Knackpunkte, die uns in unserem heutigen Wirtschaftsleben überaus große Schwierigkeiten bereiten.

Nachdem es weder auf Bundesebene noch auf Freistaatsebene bisher überzeugende Korruptionsregister gibt, haben wir im Jahr 2007 entsprechende Anträge erarbeitet und eingebracht. Zum einen fordern wir die Schaffung eines bundesweiten Registers über unzuverlässige Unternehmen. Zum anderen, solange es auf Bundesebene ein solches Register nicht gibt, hätten wir gerne, dass es auf der Ebene des Freistaates ein solches Register gibt, das über das hinausgeht, das bisher im Innenministerium, bei der Obersten Baubehörde geführt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN – Telefonat des Abge- ordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Wenn Sie etwas leiser telefonieren würden, Herr Kreuzer, wäre das angenehm.

Wichtig ist uns, dass im bundesweiten Register die Ausschlussgründe sehr genau bestimmt werden. Das war ja auch erstmals ein berechtigtes Monitum im Bundesrat. Neben den klassischen Korruptionsdelikten sollten auch andere Ausschlussgründe enthalten sein, wie Verstöße gegen die Bestimmungen des Kartell- und Wettbewerbsrechts oder gegen die Vorgaben zur Arbeitnehmerentsendung und Arbeitnehmerüberlassung.

In einem dritten Antrag fordern wir die Staatsregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Siemens AG aufgrund schwerer Verfehlungen einzelner Bereiche bzw. von Tochterunternehmen wie Bestechung, Vorteilsgewährung, Untreue, illegaler Preisabsprachen und massiver Verstöße gegen die Vorgaben im Betriebsverfassungsgesetz von öffentlichen Aufträgen im Freistaat Bayern, das heißt von Aufträgen der Staatsregierung und von staatlichen Unternehmen, für einen Zeitraum von erst einmal drei Jahren ausgeschlossen wird. Warum? – Wir sagen ganz klar: Die Reihe der Verfehlungen ist riesengroß. Das Fehlen von Rechtstreue dokumentiert, dass es der Siemens AG an der Zuverlässigkeit mangelt, welche wiederum eindeutiges Eignungskriterium für den Zuschlag öffentlicher Aufträge ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Zentralvorstand der Siemens AG ist in die Verfehlungen involviert gewesen, wie wir mittlerweile alle mitbekommen haben. Teilweise sind diese Dinge sogar vom Zentralvorstand aus initiiert worden. Dabei geht es um viele hundert Millionen, wenn nicht sogar um eine Milliarde Euro an Bestechungsgeldern zur Erlangung von Aufträgen. Es geht um die Bildung schwarzer Kassen, um eine gewaltige Dimension an Korruptionsskandalen. Die gewaltige Dimension wird dokumentiert durch die immense Höhe der Bestechungsgelder, durch das wohl organisierte System schwarzer Kassen, Tarnfirmen, verschleierter Geldfirmen, über viele Jahre mit hoher krimineller Energie bandenmäßig organisiert.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Deswegen, Herr Kollege Beyer, fragen wir uns schon: Wie wollen Sie denn rechtfertigen, dass andere Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden? Die Kleinen kann man hängen, aber die Großen sollen hier verschont bleiben.

Die Frage nach den Gründen für den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen hat uns die Staatsregierung folgendermaßen beantwortet – ich zitiere –: Aus langjähriger Erfahrung des Staatsministeriums des Innern kann jedoch festgestellt werden, dass sich bei den Ausschlüssen die Fälle sogenannter klassischer Korruptionsdelikte wie Bestechung, Bestechlichkeit sowie Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme mit den Fällen von Betrug, aber auch wettbewerbsbeschränkenden Absprachen in etwa die Waage halten. Es kommt nicht selten vor, dass den

Ausschlüssen mehrere Tatbestände zugrunde liegen, die jeder für sich schon einen Ausschlusstatbestand begründen. – Da ist jeder einzelne Grund schon ein Ausschlusstatbestand, aber im Falle eines großen Unternehmens sieht es dann anders aus.