Nun zu Ihnen, Herr Beckstein. Sie selbst reden gar nicht von einem Neuanfang. Sie reden ganz vorsichtig von „Übergang“. Sie wissen auch sicherlich warum. Gerne aber reden Sie von einem neuen Stil. Das finde ich schon mal ganz nett. Ich kann verstehen, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der CSU darauf ganz besonders freuen.
Aber, eine freundliche Verpackung für den alten falschen Inhalt, Herr Beckstein, ist nicht das, was Bayern jetzt wirklich braucht.
Das Unsinnsprojekt Transrapid wird nicht dadurch sinnvoller, dass Sie ihm ein Oktoberfestherzerl umbinden. Verabschieden Sie den Transrapid, wie Sie Ihren ehemaligen Ministerpräsidenten verabschiedet haben,
Damit sind wir aber schon bei einem weiteren Problem. Sie, Herr Beckstein, sind Teil eines Tandems. Ich hoffe, das ist nicht so zu verstehen, dass Sie zusammen mit Erwin Huber die Fehler machen wollen, die Edmund Stoiber ganz alleine fertig gebracht hat.
Auf einem Tandem geht es darum, wer lenken darf und wer treten muss. Ich weiß, Sie Herr Beckstein sind kein Freund des Transrapids. Erwin Huber hingegen ist für rationale Argumente in diesem Zusammenhang längst nicht mehr zugänglich.
Wir sind gespannt, Herr Beckstein, wer in diesem Fall entscheidet, wo es langgeht. Wenn Sie das nicht können, wenn Sie sich wieder einmal mit Erwin Huber blockieren, werden die Bürgerinnen und Bürger in Bayern mit einem Volksentscheid sagen, wo es langgeht. Das wird ohne den Transrapid sein. Da bin ich mir ganz sicher.
Das sind die Schwierigkeiten auf einem Tandem. Wer große Erfahrung mit Doppelspitzen hat, wissen Sie, Herr Beckstein. – Das sind die GRÜNEN. Wenn Sie also Rat brauchen, wie man erfolgreich Politik mit einer Doppelspitze macht, stehen wir gerne zur Verfügung.
(Beifall bei den GRÜNEN – Allgemeine Heiter- keit – Henning Kaul (CSU): Wir wollen nicht auf 10 % zurückfallen!)
„Tandem“ ist nicht nur der Begriff für ein Fahrrad für Zwei. „Tandem“ ist eigentlich ein kleines lateinisches Wörtchen. Die Lateiner unter Ihnen wissen es vielleicht noch. Es bedeutet so viel wie „endlich“. Ich kann gut verstehen, wenn Sie, Herr Beckstein, am Ende des heutigen Tages „endlich“ seufzen werden. – Endlich dürfen Sie Ministerpräsident werden. Stoiber hat Ihnen das zweimal vermasselt. Sie waren schon auf dem Sprung und dann mussten Sie wieder ins Innenministerium zurück. Nun haben Sie eine dritte Chance bekommen, und Sie müssen Ihre Karriere nicht als dienstältester Innenminister Deutschlands beschließen. Endlich – kurz vor Ihrem 64. Geburtstag – dürfen Sie Chef oder zumindest Tandemchef für eine Übergangszeit werden. Endlich müssen Sie nicht mehr die Zähne zusammenbeißen, wenn Edmund Stoiber Ihnen für die nächsten 20 Jahre sagen will, wo es langgeht, was in Bayern zu passieren hat und was in der Welt zu geschehen hat. Endlich ist die lange Hängepartie vorbei und endlich die nervenden Lobhudeleien und die nicht enden wollenden Dauerverabschiedungen. Endlich, Herr Beckstein, können Sie etwas tun. Endlich können Sie beweisen, dass Sie mehr drauf haben als zum Beispiel Schulschwänzer von der Polizei abholen zu lassen
oder nach der Bundeswehr zu rufen, wenn es um den Schutz der Fußballweltmeisterschaft geht. Endlich können Sie zeigen, dass Sie zu mehr in der Lage sind als Online-Durchsuchungen zu fordern oder ein NPDVerbotsverfahren in den Sand zu setzen.
Endlich dürfen Sie beweisen, Herr Beckstein, dass Sie auch dann stark sind, wenn es nicht gegen die Schwachen geht.
Da kann ich nur sagen: Dann mal los. Was steht als Erstes an? – Richtig, es ist Ihr Kabinett. Vor einigen Tagen haben Sie den „Nürnberger Nachrichten“ Interessantes verraten. Zitat Beckstein:
Die Kunst ist die richtige Mischung zwischen Alt und Jung, Frauen und Männern. Entscheidend aber wird sein, ob ich jemandem zutraue, dass er ein Ressort führen kann.
Ja, da muss bei Ihnen Feuer am Dach sein, Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Die Hälfte des bisherigen Kabinetts muss kreidebleich werden.
Kompetenz statt Proporz! – Das wäre eine wirkliche Revolution in Bayern. Aber keine Bange, Kolleginnen und Kollegen: So schlimm wird es nicht kommen. Ihr neuer Ministerpräsident will ja nicht gleich zu Beginn politischen Selbstmord begehen.
Mit der Verjüngung ist es auch nicht so schwer. Wenn in der CSU Fünzigjjährige – nicht wahr, Herr Kollege Pschierer – noch als hoffnungsvolle Nachwuchstalente gehandelt werden, weiß man doch, dass das Alter ein sehr relativer Begriff ist. Das ist doch auch was Schönes.
Was steht inhaltlich an? – Herr Beckstein, Sie sollten zunächst einmal die größten Fehler Ihres Vorgängers schnell aus der Welt schaffen. Das Büchergeld wurde schon angesprochen und ich habe bereits den Transrapid erwähnt. Hier könnten Sie gleich zu Beginn einmal zeigen, dass Sie eine neue Handschrift pflegen, dass Sie gelernt haben und dass Sie die alten Fehler in der Zukunft nicht fortsetzen wollen. Außerdem geht es darum – da wird es schon schwerer –, die größten Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Ich nenne als Beispiele den Klimaschutz und als eines der zentralen Themen die Bildungsgerechtigkeit. Hier warten große Herausforderungen auf Sie. Hier haben Sie viel zu korri
Wir Grünen haben auf unserer Klausur schon einmal ein Zehn-Punkte-Programm mit den dringendsten Maßnahmen erarbeitet. Mir fehlt heute die Zeit, auf dieses Programm näher einzugehen. Herr Beckstein, ich überreiche es Ihnen nachher gerne persönlich. Das ist unser Master-Plan für Klimaschutz, unser Programm für die bayerischen Schulen und unser Programm, mit dem wir Bayern gerechter gestalten wollen. Herr Beckstein, ich erlaube Ihnen, daraus für Ihre Regierungserklärung alles abzuschreiben, was Sie wollen. Da haben wir überhaupt nichts dagegen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Beckstein, Sie sind noch gar nicht gewählt, da sind bereits in Ihrer eigenen Partei und Fraktion Spekulationen für Ihre Nachfolge losgegangen.
Entschuldigung, die kommen nicht von mir. Ihr hochverehrter Fraktionsvorsitzender hat heute früh der Presse gegenüber deutliche Worte gefunden. Ich zitierte Herrn Herrmann: „Ich gehe davon aus, dass jeder, der in den nächsten Wochen noch so dumm daherredet, eins auf die Nuss bekommt.“
Da habe ich meine Zweifel, dass die Schmierenkomödie wirklich vorbei ist. Vielleicht geht es jetzt erst richtig los. Herr Beckstein, trösten Sie sich damit, dass es wenigstens Claudia Roth ehrlich mit Ihnen meint.
Herr Beckstein, wir Grünen wünschen Ihnen alles Gute für das Amt, in das Sie gleich gewählt werden, und trotz allem eine erfolgreiche Politik für Bayern.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Wahl, die gemäß § 42 Absatz 1 Nummer 2 der Geschäftsordnung in geheimer Form stattfindet. Bitte verwenden Sie dazu den amtlichen Stimmzettel und die in Ihrer Stimmkarte enthaltene gelbe Namenskarte.
Die Wahl erfolgt gemäß § 42 Absatz 3 Geschäftsordnung durch die Beschriftung des Stimmzettels mit dem Namen des Kandidaten, mit einem der Worte „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ oder einer gleichbedeutenden Formulierung.
Die Urnen für die Namenskarten und für die Stimmzettel befinden sich auf den beiden Seiten des Sitzungssaals im Bereich der Eingangstüren sowie auf dem Stenografentisch. Ich bitte Sie, sowohl die Namenskarten als auch die Stimmzettel nicht selbst in die Urnen einzuwerfen, sondern diese den hierfür bereitstehenden Schriftführern und Mitarbeitern des Landtagsamtes auszuhändigen. Nur so kann der ordnungsgemäße Ablauf des Wahlvorgangs sichergestellt werden. Ich bitte darum, mit der Wahl zu beginnen. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Sind alle Stimmzettel abgegeben? – Damit ist der Wahl vorgang abgeschlossen. Ich unterbreche die Sitzung, bis die Stimmen ausgezählt sind.