Ich bitte, alle Gespräche einzustellen, bitte auch hinten und auf der Besuchertribüne. Im Übrigen darf ich vorweg sagen, dass Beifallsbekundungen auf der Besuchertribüne nicht zu den Modalitäten in diesem Hause zählen.
Ich eröffne damit die 103. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Wie leicht zu sehen ist, wurde die Genehmigung erteilt. Ich grüße herzlich die Gäste, die Zuschauerinnen und Zuschauer der Fernsehübertragung und die Hörerinnen und Hörer der Hörfunkprogramme.
Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich nachträglich drei Glückwünsche aussprechen: Jeweils einen halbrunden Geburtstag feierten Herr Kollege Günther Babel am 26. September, Herr Kollege Helmut Guckert am 28. September und Herr Kollege Bernd Kränzle am 29. September. Ich gratuliere den genannten Kollegen sehr herzlich im Namen des Hohen Hauses und auch persönlich und wünsche ihnen alles Gute.
Der bisherige Ministerpräsident, Herr Dr. Edmund Stoiber, hat am 30. September 2007 gemäß Artikel 44 Absatz 3 der Verfassung des Freistaates Bayern sowie der Artikel 8 Absätze 1 und 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Staatsregierung mir gegenüber seinen Rücktritt erklärt.
Herr Ministerpräsident, im Namen des Bayerischen Parlaments und persönlich danke ich Ihnen für Ihren unermüdlichen Einsatz und Ihre außergewöhnlichen Leistungen, die Sie in den vergangenen 14 Jahren an der Spitze der Bayerischen Staatsregierung für das Wohl des Freistaats und seiner Bürgerinnen und Bürger erbracht haben. Es ist ein Ausdruck der Qualität demokratischer Kultur, dass diese Anerkennung und dieser Dank nicht an Parteigrenzen gebunden sind. In Ihrer Amtszeit haben Sie Bayern durch eine Phase des Umbruchs und des tiefgreifenden Wandels in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft und ebenso weitreichender
globaler Veränderungen geführt. Auf der Basis der Politik der Vorgänger und deren Regierungen haben Sie mit Ihrer Mannschaft wichtige Weichen gestellt und weitreichende Entscheidungen getroffen. Diese Politik war geprägt – wie Sie es gestern zum Ausdruck gebracht haben – durch die Verbindung von wertegebunden und modern, Tradition und Fortschritt, Dynamik und Stabilität. Dass Bayern heute in Deutschland, in Europa und in der Welt eine besondere Stellung und hohes Ansehen genießt, ist besonders auch mit Ihrem Namen – und ich darf hinzufügen: mit dem Ihrer Frau Karin – verbunden und wird von der bayerischen Bevölkerung mit Respekt und Dankbarkeit gesehen.
Ich wünsche Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, und Ihrer Familie für die Zukunft und für diesen neuen Lebensabschnitt alles Gute und Gottes Segen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Nach Artikel 44 Absatz 4 der Bayerischen Verfassung wird bei einem Rücktritt des Ministerpräsidenten während seiner Amtsdauer in der nächsten Sitzung des Landtags ein neuer Ministerpräsident für den Rest der laufenden Amtsdauer gewählt. Vorweg mache ich darauf aufmerksam, dass sich die Fraktionen im Anschluss an die Beratungen im Ältestenrat auf eine Redezeit von bis zu 15 Minuten pro Fraktion verständigt haben. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren. Demnach ergibt sich folgender Sitzungsablauf: Zunächst wird um den Wahlvorschlag gebeten, anschließend erfolgt die soeben beschlossene Aussprache. Nach der geheimen Wahl und der Feststellung des Wahlergebnisses endet die Ministerpräsidentenwahl mit der Vereidigung des Gewählten. Nach der Vereidigung hat der neu gewählte Ministerpräsident das Wort.
Ich bitte jetzt um den Vorschlag für die Wahl des Ministerpräsidenten. Dazu hat der Fraktionsvorsitzende der CSU, Herr Kollege Herrmann, um das Wort gebeten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Am 30. September hat Dr. Edmund Stoiber sein Amt als Bayerischer Ministerpräsident zurückgegeben – zurückgegeben an das bayerische Volk und an uns, die Vertreter des bayerischen Volkes. Bevor ich dem Hohen Haus einen Vorschlag für die Neuwahl des Ministerpräsidenten mache, möchte ich dem scheidenden Ministerpräsidenten auch im Namen der CSU-Fraktion noch einmal Respekt und Dank bekunden.
Edmund Stoiber kann gemeinsam mit seiner Frau Karin auf eine beispiellose Leistung für den Freistaat Bayern zurückblicken. Sein großartiges politisches Werk wird genauso über den heutigen Tag hinaus Bestand haben wie der Dank von Millionen Menschen in Bayern. Am 16. Oktober 1957 – in einer Woche jährt sich dieser Tag – wurde Hanns Seidel zum Ministerpräsidenten gewählt.
Von den seither 50 Jahren ununterbrochener Regierungszeit der CSU in Bayern hat Edmund Stoiber genau die Hälfte maßgeblich geprägt. Seit seiner Berufung zum Leiter der Staatskanzlei unter Franz Josef Strauß 1982, als Innenminister unter Max Streibl ab 1988 und vor allem als Ministerpräsident seit 1993 hat Edmund Stoiber mit einem ja manchmal fast unglaublichen Einsatz und Tempo für die Zukunft Bayerns gearbeitet.
Edmund Stoiber hinterlässt ein wohl bestelltes Haus. Edmund Stoiber hat das Erbe seiner großartigen Vorgänger Alfons Goppel und Franz Josef Strauß gemehrt, und er ist längst aus deren Schatten herausgetreten.
Im Namen der CSU-Landtagsfraktion und persönlich danke ich Dir, lieber Edmund Stoiber, für deine großartigen Verdienste. Dieser Dank gilt nachdrücklich auch deiner Frau. Karin Stoiber war ihrem Mann stets ein wichtiger Rückhalt, zugleich hat sie sich aber auch selbst für viele soziale und wohltätige Projekte eingesetzt. Sie hatte einen vorbildlichen Stil als Bayerns First Lady entwickelt, wie ihn – glaube ich – sich niemand hätte besser vorstellen können.
Deshalb noch einmal am heutigen Tage: Danke Edmund und Karin Stoiber und ein Herzliches Vergelt’s Gott für euere großartige Leistung für den Freistaat Bayern.
Nun zur Neuwahl des Ministerpräsidenten. Bereits unmittelbar vor der Sommerpause hat die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag Staatsminister Dr. Günther Beckstein mit einem herausragenden Ergebnis zum Kandidaten für die Nachfolge von Dr. Edmund Stoiber als Bayerischer Ministerpräsident gewählt. Günther Beckstein ist der beste Mann für Bayern. Er ist hervorragend geeignet, dieses Land in die Zukunft zu führen und die Herausforderungen der kommenden Jahre zu meistern. Das sehen nicht nur die Wählerinnen und Wähler der CSU so, sondern die große Mehrheit der bayerischen Bevölkerung.
Alle Umfragen bestätigen: Günther Beckstein ist der beliebteste Politiker in Bayern. Wir als Kolleginnen und Kollegen im Bayerischen Landtag und auch die Menschen im Land insgesamt erleben ihn als führungsstark und kompetent, gleichzeitig aber auch als sympathisch, als glaubwürdig, als bescheiden und bürgernah. Deshalb hat auch der CSU-Parteitag vor zehn Tagen Dr. Günther Beckstein mit über 96 % der Stimmen zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2008 bestimmt. Diese überwältigende Mehrheit ist ein wirklich einzigartiger Vertrauensbeweis. Was der Soziologe Max Weber von guten Politikern erwartet
Leidenschaft in der Sache, Verantwortungsgefühl und Augenmaß –, das verkörpert Dr. Günther Beckstein in seiner ganz persönlichen Art und Weise. Damit – denke ich – entspricht Günther Beckstein genau dem, was sich Bayerns Bürgerinnen und Bürger von einem guten Ministerpräsidenten wünschen.
Hinzu kommt natürlich seine große politische Erfahrung. 14 Jahre lang war er bayerischer Innenminister und hat sich in dieser Zeit einen hervorragenden Ruf längst weit über Bayern hinaus erarbeitet. Ich bin sicher, dass Dr. Günther Beckstein den Freistaat Bayern erfolgreich führen und überzeugend repräsentieren wird.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schlage Ihnen daher zur Wahl zum Bayerischen Ministerpräsidenten unseren Kollegen Staatsminister Dr. Günther Beckstein vor und bitte Sie um Ihre Stimme für ihn.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Stoiber, wir haben in diesem Haus viel miteinander diskutiert, gerungen, auch gestritten, immer mit dem Ziel, das Beste für Bayern und seine Menschen zu erreichen. Ich denke, dass ich das sagen darf: Daraus ist auch gegenseitiger Respekt entstanden. Ich möchte Ihnen heute auch im Namen unserer Fraktion noch einmal – es gab schließlich in den letzten Wochen manche Gelegenheit, um sich zu verabschieden – alles Gute und Gottes Segen für Ihren weiteren Lebensweg wünschen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach der nun folgenden Wahl durch den Bayerischen Landtag wird ein neuer Bayerischer Ministerpräsident sein Amt antreten. Ich wünsche Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Beckstein, viel Erfolg und gute Entscheidungen bei diesen Aufgaben im Interesse unseres Landes. Ich gratuliere Ihnen und nehme damit die eigentliche Wahl nicht vorweg; Sie sind ein vorsichtiger Mensch. Aber so große Vorsicht ist jetzt nicht mehr angebracht. Ich gratuliere Ihnen persönlich, und ich knüpfe damit an eine ganze Reihe durchaus kollegialer Gespräche an, die wir in der Vergangenheit geführt haben und, so haben wir das miteinander verabredet, auch in Zukunft führen wollen. Aus Respekt vor dem Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten dürfen Sie auf unsere offene, kritische, aber konstruktive Mitarbeit zählen und darauf zurückgreifen, wenn Sie das wollen.
Erstens. Sie kommen in dieses Amt nur, weil dem der Sturz des Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber vorausgegangen ist. Wir wissen das, und es macht auch keinen Sinn, das anders darstellen zu wollen. Herr Stoiber selbst hat in mehreren Interviews dargelegt, dass er gerne noch einige Jahre im Amt geblieben wäre und die Geschicke dieses Landes weiter gestaltet hätte. Sie von der Mehrheitsfraktion haben ihm dieses Vertrauen nicht geschenkt, sondern ihn jener Nacht in Kreuth aus dem Amt gedrängt. Es ist Herrn Huber und Herrn Beckstein gemeinsam gelungen, seine Positionen zu erringen.
Ich meine, Sie haben das auch selbst gelegentlich so empfunden. Dadurch ist eine Reihe von wichtigen Entscheidungen liegen geblieben. Sie, Herr Dr. Beckstein, haben selbst in mehreren Interviews einige Entscheidungen genannt, die jetzt dringend getroffen werden müssen. Ich nenne nur als ein Beispiel die weitere Entwicklung unserer Landesbank. Wir haben uns darüber ausgetauscht. Solche Entscheidungen müssen jetzt schnell getroffen werden. Uns wären damals – daran darf ich erinnern – Neuwahlen lieber gewesen. Zumindest hätten wir einen schnellen Wechsel und einen schnellen Übergang gebraucht. Das haben Sie nicht durchsetzen können. Deswegen ist uns die Situation in den letzten Monaten nicht erspart geblieben.
Sehr geehrter Herr Dr. Beckstein, Sie werden jetzt für ein Jahr gewählt. Ihre Amtszeit wird nicht lang sein. Sie wird kurz sein. Dann werden in Bayern die Karten neu gemischt werden. Ich hoffe zumindest, dass dann auch die Gewichte in Bayern neu verteilt werden.
Erstens. Ich glaube, der Politik- und Regierungsstil in Bayern muss sich dringend verändern. Er muss weniger selbstherrlich und weniger selbstgerecht, dafür aber mehr kooperativ werden. Wir brauchen weniger Staatskanzlei und mehr Ressortverantwortlichkeit. Wir brauchen weniger Autorität und mehr Dialog.
Vielleicht gelingt es Ihnen sogar einmal, Vorschläge der SPD, die Sie für richtig halten, nicht erst abzulehnen, um sie dann aufzugreifen, abzuschreiben und schließlich als eigene Erfindung auszugeben, sondern gleich zu übernehmen. Das würde die Einsetzung mancher Expertenkommissionen überflüssig machen, weil die Vorschläge der SPD ohnehin schon bekannt gewesen sind.
Die zweite Erwartung richtet sich an die Bildung Ihres Kabinetts. Hier lautet das Thema Verjüngung. Von einem Generationenwechsel kann bei einem Wechsel von einem 66-jährigen auf einen 63-jährigen Ministerpräsidenten nicht geredet werden. Ich verstehe, dass Herr Dr. Stoiber selbst diesen Generationenwechsel noch einleiten wollte, es aber nicht mehr durfte. Nun liegt diese Aufgabe bei Ihnen. Ich weiß, dass junge Politiker die Sache nicht unbedingt besser machen als ältere, aber eine gewisse Zukunftsorientierung sollte ein Kabinett schon ausstrahlen.
Noch wichtiger scheint mir zu sein, dass die Repräsentanz der Frauen in der Bayerischen Staatsregierung auf ein einigermaßen zeitgemäßes Niveau angehoben wird.