Protocol of the Session on October 24, 2002

Starzmann (SPD) : Freuen Sie sich schon auf meine Erklärung, oder weshalb herrscht hier diese Unruhe?

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte mein Abstimmungsverhalten begründen. Ich war mir sehr unsicher, wie ich abstimmen soll, weil ich immer der Auffassung war, dieser Südring sei absolut umweltunverträglich. Als Ingenieur glaube ich aber, dass die kürzeste Straßenverbindung unter Umweltgesichtspunkten auch immer die beste ist. Deswegen war ich sehr

unsicher. Überzeugt hat mich heute die sehr gute Rede des Herrn Innenministers, sodass ich jetzt diesen Antrag ablehnen muss. Er hat erklärt, dass die Gutachten aus den 90-er Jahren – das letzte stammt vom 10. Dezember 1999 –, mit welchen dieses Vorhaben abgelehnt wurde, im Jahr 2002 schon nicht mehr gültig sind. Dieser Antrag verlangt eine Studie im Jahr 2003 für einen Bau im Jahr 2025. Ich bin mir sicher, dass die Studie aus dem Jahr 2003 im Jahr 2025 einen Pfifferling wert sein wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

(Anmerkung der Red.: Die persönliche Erklärung der Frau Abgeordneten Lochner-Fischer (SPD) zur Abstimmung wurde zu Protokoll gegeben – siehe Anlage 6)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie empfiehlt die unveränderte Annahme. Für die Stimmabgabe, die jetzt erfolgt, sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion, die Urne für Stimmenthaltungen auf der Oppositionsseite jeweils im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Nein-Urne ist diesmal auf dem Stenografentisch. Es kann mit der Stimmabgabe begonnen werden. Es stehen fünf Minuten Zeit zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 18.16 – 18.21 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen.

Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend „Aufweichung des Europäischen Stabilitätspakts verhindern“, Drucksache 14/10527 bekannt. Es gab 87 Ja-Stimmen, 51 Nein-Stimmen und keine Enthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 7)

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 3

Haushaltsplan 2003/2004,

Einzelplan 06 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen

Im Ältestenrat wurde für die Aussprache eine Redezeit von 1 Stunde und 30 Minuten festgesetzt. Davon entfallen auf die Fraktion der CSU 42 Minuten, auf die Fraktion der SPD 30 Minuten und auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 18 Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen noch nicht vor.

(Unruhe – Herrmann (CSU): Kollege Sackmann für die CSU-Fraktion!)

Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Schieder.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass die Debatten heute Nachmittag im Plenum recht interessant und abwechslungsreich waren. Allerdings hat sich die CSU über lange Strecken hinweg geradezu neurotisch in die Themen der Bundespolitik hineingesteigert. Deswegen finde ich es gut, dass wir uns jetzt wieder den Hausaufgaben der bayerischen Landespolitik zuwenden. Hier wird sich zeigen, inwieweit Sie bei den Themen, in die Ihnen weder der Bund noch sonst jemand hineinredet, Ihre Hausaufgaben gemacht haben, so wie man das von Ihnen erwarten und verlangen kann.

Ich will mit einem Wort des Dankes beginnen. Vielleicht ist das etwas, was uns eint. Weil der Haushalt des Finanzministeriums ganz überwiegend ein Personalhaushalt ist, möchte ich mich herzlich bei den Beschäftigten der Steuerverwaltung, der Schlösser- und Seenverwaltung, der Vermessungsverwaltung und der Lotterieverwaltung bedanken. Das sind alles Verwaltungen, die Geld in den Haushalt einbringen. Ich denke, die Beschäftigten haben unseren Dank verdient. Sie arbeiten nicht immer unter einfachen Bedingungen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, einen besonderen Dank haben die Beschäftigten der Steuerverwaltung verdient; denn soweit die bayerische Steuerverwaltung überhaupt noch einigermaßen funktioniert, ist das den Beschäftigten zu verdanken und leider nicht dem Finanzminister.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der Grund, warum wir uns heute etwas intensiver mit den Problemen der Steuerverwaltung beschäftigen müssen.

Der Haushaltsausschuss hat sich in den letzten Jahren mehrfach mit den Problemen der Steuerverwaltung beschäftigt. Der Rechnungshof hat in den letzten Jahren mehrmals eklatante Mängel aufgezeigt und die massiven Steueraußenstände und die Bearbeitungslücken angeprangert. Auch wir haben wiederholt verbesserte personelle Bedingungen bei den Finanzämtern gefordert. Leider muss man aber heute feststellen, dass sich die Lage bei den Finanzämtern in den letzten Jahren im Großen und Ganzen nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert hat. Noch nie war die Zahl der Beschwerden, die die Beschäftigten und ihre Vertretungen inzwischen auch in der Öffentlichkeit äußern, so groß wie heute. Noch nie gab es so viele Petitionen von Beschäftigten und ihren Vertretungen im Haushaltsausschuss, die sich händeringend an den Bayerischen Landtag wenden und dringend darum bitten, ihre Lage endlich zu verbessern. Das ist die Situation, die wir zu verzeichnen haben.

Für diesen Zustand – oder besser gesagt: diesen Notstand – in der bayerischen Steuerverwaltung tragen Sie, Herr Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser, die Verantwortung. Sie haben auf jede Kritik des Rechnungshofs und auf jede Kritik unsererseits in den vergangenen Jahren – ich darf hier beispielsweise an die skandalöse Unterausstattung bei der Betriebsprüfung und der Steuerfahn

dung erinnern – immer hektisch mit dem Stopfen von Löchern geantwortet. Gleichzeitig haben Sie immer neue Löcher aufgerissen. Anstatt gerade jene Verwaltung, die überhaupt erst die Einnahmen für den Haushalt organisiert, besonders leistungsfähig zu machen – das wäre gerade in Zeiten knapper Finanzmittel eine prioritäre Aufgabe –, fällt Ihnen, Herr Staatsminister, nichts anderes ein als weiterer Personalabbau und das Festhalten an einer leistungsfeindlichen Besoldungsstruktur. Auf beide Punkte komme ich gleich zurück.

Ich will an dieser Stelle vorausschicken: Die unvermeidliche Folge einer solchen Politik sind Arbeitsüberlastung und ein inzwischen riesiger Beförderungsstau. Diese Linie setzen Sie leider auch im Doppelhaushalt 2003/2004 fort. Sie zeigen damit, dass Sie die Lage der bayerischen Steuerverwaltung und die Lage bei den Finanzämtern völlig verkennen. Deswegen fühlen sich die bayerischen Steuerbeamten von der Staatsregierung zu Recht im Stich gelassen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nicht nur eine Behauptung von mir, sondern das zeigt auch eine vom Finanzministerium veranlasste große Umfrage, bei der einerseits den bayerischen Steuerbeamten von den Steuerzahlern Bestnoten für Kompetenz und Kundenfreundlichkeit erteilt werden und andererseits von den Beschäftigten der Finanzämter dem bayerischen Finanzminister schlechteste Noten gegeben werden. Die Mitarbeiter sind unzufrieden und frustriert. Die Zufriedenheit der Beamten ging in den letzten Jahren stark zurück. Dafür muss es wohl Gründe geben.

Meine Damen und Herren, ich will aus einer Vielzahl von Artikeln, die gerade in den letzten Monaten zu lesen waren, beispielhaft nur eine Pressestimme zitieren. In meiner Heimatzeitung war vor nicht allzu langer Zeit Folgendes zu lesen. Ich zitiere:

Überalterung, Arbeitsbelastung und Beförderungsstau: Tacheles redete Personalratsvorsitzender Johann Ott bei der Amtseinführung von Günther Eschenbacher. Bei ständig weniger Personal würden die Strukturen auf den Kopf gestellt; aus Zeitnot und angesichts enormer Fallbelastungen könnten oftmals keine steuerlichen Beanstandungen mehr erfolgen. Ott: Die Steuerbelastung kann deshalb nicht so festgesetzt werden, wie vom Gesetzgeber gefordert. Die Finanzverwaltung ist auf keinem guten Weg. Wir

er meint die Beschäftigten der Finanzämter

stellen uns unsere Arbeit anders vor, nämlich mit genügend Zeit, um steuerlich relevante Punkte aufzuklären, sagte Ott, der negative Auswirkungen sowohl auf die Steuergerechtigkeit als auch auf das Steueraufkommen befürchtet.

Soweit das Zitat. Ich glaube, dieser Personalratsvorsitzende hat die Situation sehr gut erkannt und die Probleme richtig formuliert. Seine Äußerung zeigt im Übrigen auch den nach wie vor vorhandenen ungeheueren Idealismus der Beschäftigten bei den Finanzämtern,

denen es nicht einfach darum geht, irgendeine Arbeit zu tun, sondern darum, ihre Pflicht im Sinne der Einnahmen für den Staat zu erfüllen und Steuergerechtigkeit herzustellen.

Genau das ist der Punkt: Uns, der SPD-Fraktion, geht es sicher auch um die Belange der Beschäftigten. Aber viel entscheidender sind für uns andere Gesichtspunkte. Wir sollten im Landtag bei den Haushaltsberatungen alle Weichen dafür stellen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Steuern tatsächlich bezahlt werden. Dass diese steuerlichen Mehreinnahmen dringend gebraucht werden, kann doch heute niemand ernstlich bestreiten.

Genauso wichtig ist für uns und war für uns immer die Frage der Steuergerechtigkeit.

Wenn gerade in Bayern die Menschen zunehmend den Eindruck haben, der ehrliche Steuerbürger sei der Dumme, dann müsste doch eigentlich für den Finanzminister Feuer auf dem Dach sein. Dann müsste er doch eigentlich handeln.

(Frau Radermacher (SPD): Sollte man meinen!)

Wenn die Lage so ist, dann muss man sich doch auch nicht wundern, wenn in immer größerem Umfang falsche Erklärungen gegenüber dem Finanzamt gemacht werden. Das hat dann mit rechtstaatlichen Verhältnissen nichts mehr zu tun. Einer der obersten Grundsätze ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Maßgabe der Gesetze. So steht es im steuerlichen Grundgesetz, der Abgabenordnung. Von diesem Grundsatz sind wir, Herr Staatsminister, in Bayern meilenweit entfernt. Das ist die Lage.

Hier plädiert niemand dafür – damit ich hier nicht missverstanden werde –, jede Steuererklärung akribisch bis aufs Letzte zu durchleuchten. Dafür plädiere ich nicht. Aber ein ordentliches Normalmaß, das Steuergerechtigkeit und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beachtet, muss auch in der Zukunft gewährleistet werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zurück zur Frage des Personalmangels. Nach Ihren eigenen Angaben, Herr Staatsminister, die Sie mir in Form einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage gegeben haben, klafft bei den bayerischen Finanzämtern zwischen der nach bundeseinheitlichen Kriterien durchgeführten Personalbedarfsberechnung und dem Personal-Ist eine Lücke von 1700 Stellen bei einer Gesamtbeschäftigtenzahl von etwa 18000 Personen. Das Interessante ist, dass diese Lücke in den letzten Jahren immer größer geworden ist. Ich behaupte gar nicht, wir müssten die Personalbedarfsberechnung akribisch umsetzen, weil sie – das gebe ich gerne zu – eine ideale Wunschbesetzung ausdrückt. Es lässt sich aber nicht mehr bestreiten, dass diese Lücke groß ist, weiter wächst und wir einen deutlichen Personalfehlbestand haben.

Sie bauen in diesem Doppelhaushalt 2003/2004 weitere Stellen ab, obwohl in den letzten fünf Jahren schon fast 1000 Stellen abgebaut worden sind. Man muss auch

sehen, dass in dieser von mir zitierten Personalbedarfsrechnung neue Aufgaben für die Finanzämter noch gar nicht eingerechnet sind, beispielsweise die Bauabzugsteuer und der Kosten-Leistungs-Vergleich, den Sie, Herr Staatsminister, zunächst in einem Pilotversuch bei einigen Finanzämtern und dann generell einführen wollen und werden. Mir ist von den Finanzamtsvorstehern gesagt worden, dass allein die Durchführung dieses Kosten-Leistungs-Vergleichs – ich will mich gar nicht darüber streiten, ob das eine sinnvolle Maßnahme ist oder nicht; Sie führen sie jedenfalls ein – bei jedem Amt durchschnittlich zwei Vollzeitarbeitskräfte bindet. Das sind bei 110 Ämtern in Bayern 220 Personen, die alleine für Ihren Kosten-Leistungs-Vergleich gebunden werden. Sagen Sie mir doch einmal, wie die Finanzämter in der Lage sein sollen, diese zusätzliche Aufgabe, die Sie ihnen zuschieben wollen, zu bewerkstelligen.

Herr Staatsminister, die Steuerabteilung des Finanzministeriums, das zuständige Personalreferat und das Organisationsreferat haben für diesen Haushalt 500 Stellen zusätzlich für die Finanzämter angefordert, und zwar als Minimum, damit der Laden überhaupt noch funktioniert. Sie sind aber an der Haushaltsabteilung bzw. an Ihnen, Herr Staatsminister, gescheitert. Es gibt keine neuen Stellen, sondern 100 weniger.

Ich finde, dass wir in Bayern bei der Staatsregierung ein Problem haben: Wir haben einen Finanzminister, der für die Steuerverwaltung und für den Haushalt zuständig ist. Das Problem ist, dass sich dieser Finanzminister leider nur als Haushaltsminister und nicht auch als Minister für die Steuerverwaltung versteht. Wir brauchen hier in Bayern einen Finanzminister, der sich auch als Minister für die Steuerverwaltung begreift und für deren Probleme ein Mindestmaß an Sensibilität aufbringt. Das ist leider nicht der Fall.

(Beifall bei der SPD)

Jeder muss – auch Sie, Herr Staatsminister, sowie Sie, Herr Kollege Sackmann, müssen das tun – registrieren, dass die Fallzahlen bei den Finanzämtern in den letzten Jahren enorm angestiegen sind. Vollstreckungsfallzahlen plus 20 Prozent, Körperschaftsteuerfälle plus 21 Prozent; die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

Was machen jetzt die Finanzämter angesichts dieser wachsenden Arbeitsflut, die nun einmal gegeben ist, ob einem das gefällt oder nicht? Auch die Steuergesetzgebung ist nicht einfacher geworden; das gefällt mir auch nicht, ich gebe es gerne zu. Das ist aber ein Faktum. Wir können uns über das Problem unterhalten, aber die Leute, die in den Ämtern arbeiten, stehen vor diesem Problem. Man kann die Probleme auch nicht wegdrücken. Wie helfen sich nun die Finanzämter?

Die Finanzämter helfen sich angesichts dieser Arbeitsüberlastung noch mehr als bisher schon, mit Abhaken und Abschreiben. Angesichts dieser Lage sind auch die steigenden Fehlerquoten, die der Rechnungshof laufend und zunehmend moniert, keine wundersame Erscheinung, sondern die notwendige Folge dieser Problematik.