Protocol of the Session on October 9, 2002

Diese Steuereinnahmen sind – trotz der Korrekturen, die wir in der Vergangenheit vornehmen mussten und zwangsläufig immer wieder vornehmen müssen – eine solide Grundlage, auf der wir aufbauen können. Herr Finanzminister, auch wenn Sie verständlicherweise die Verantwortung für ihren Schrumpfhaushalt wegschieben wollen, müssen Sie einfach wissen: Wer mit dem Zeigefinger nach Berlin zeigt, zeigt automatisch mit drei Fingern auf sich selbst zurück!

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich zu Ihrem Lieblingsthema. Sie haben uns angekündigt, heute Nachmittag würden Sie noch darüber reden. Wir freuen uns natürlich darauf, dass Sie zu den Kommunalfinanzen noch etwas sagen. Nur, damit die Gefechtslage klar ist: Nach den Fakten stellen wir fest: In den Jahren 1998 bis zum 31.12.2001 haben die kreisfreien Städte 410 Millionen DM weniger an Steuern eingenommen, die kreisangehörigen Gemeinden jedoch 1,1 Milliarden DM mehr. Insgesamt haben die Kommunen etwa 529 Millionen DM mehr eingenommen. Die Gefechtslage ist also klar! Die Aussage, dass die

Steuereinnahmen stets rückläufig seien, ist also schlichtweg falsch.

Ich gebe zu, ein Problem ist da: dass nämlich die kreisfreien Städte weniger haben, die kreisangehörigen mehr. Nun ist es einfach nicht redlich, wenn wir die Schuld dafür hin- und herschieben, wenn Sie sagen: Ja, bei den kreisfreien Städten ist die Bundesregierung schuld, bei den kreisangehörigen ist die gute Politik des Freistaats Bayern die Ursache. So darf es nicht gehen, meine Damen und Herren!

Tatsache ist, dass die Einnahmen konstant sind. Das Problem liegt bei den Ausgaben. Wer ständig die Ausgaben von oben nach unten verlagert, wie es die Bayerische Staatsregierung in den letzten Jahren und Jahrzehnten getan hat, – –

(Zuruf von der SPD: Genau! – Beifall bei Abgeord- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): Die Bundesregierung!)

Lieber Herr Bernhard, informieren Sie sich als stellvertretender Fraktionsvorsitzender doch einmal – –

(Dr. Bernhard (CSU): Die Grundsicherung!)

Die Grundsicherung? – Meine Damen und Herren, da kann ich Ihnen ein Dutzend Beispiele nennen. Wer hat denn die Schülerbeförderungskosten von oben nach unten verlagert? – Das war doch die Bayerische Staatsregierung. Wer hat denn die Kosten der Schulsozialarbeit von oben nach unten verlagert? – Das waren doch Sie, meine Damen und Herren. Wer hat durch die Richtlinienänderung bei RzWas dafür gesorgt, dass die Kommunen weniger Geld haben und der Bürger mehr an Gebühren zu zahlen hat? – Das war doch Dr. Bernhard mit seiner Fraktion und nicht wir, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil Sie Probleme haben, fällt Ihnen nichts anderes mehr ein, als die Bundesregierung zu beschuldigen: die Bundesregierung, die Bundesregierung! Machen Sie doch zuerst hier im Freistaat Bayern – in der Staatskanzlei, in Ihren Ministerien – Ihre Hausaufgaben, bevor Sie immer wieder nach Berlin zeigen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe ja vorhin versucht, es ganz sachlich klarzustellen. Herr Dr. Bernhard, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Einnahmen insgesamt gestiegen sind, aber die kreisfreien Städte Probleme haben. Warum sagen Sie als Münchner Abgeordneter nicht: Jawohl, ich, Dr. Bernhard, bin dafür, dass der Freistaat Bayern endlich die kommunalen Schulen übernimmt und die Lehrkräfte bezahlt!

(Beifall bei der SPD)

Dann hätten wir sehr schnell die Probleme der kreisfreien Städte gelöst – in Würzburg, Regensburg, Augsburg, Nürnberg und München. Meine Damen und Herren, das ist Ihr Problem! Dafür, dass hier die Kosten nach unten verlagert werden, sind Sie verantwortlich und nicht die Bundesregierung. Das möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der CSU, noch einmal sagen.

Wenn wir hier die Leistungen im Freistaat Bayern für die Kommunen darstellen, so müssen wir auch feststellen, dass die Schlüsselzuweisungen – übrigens die niedrigsten unter allen westdeutschen Bundesländern – trotz erheblicher Anstrengungen der Kommunen selbst nur auf dem Niveau von 2002 gehalten werden. Dabei beträgt der Eigenanteil der bayerischen Kommunen an dieser Kraftanstrengung 119 Millionen e. Es fehlen den Kommunen bei der Förderung von Baumaßnahmen, bei der Krankenhausförderung, bei der Förderung von Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen, beim kommunalen Straßenbau 119 Millionen e. Das ist ein riesiger Betrag.

Nach Ihren eigenen Aussagen gehen die bereinigten Landesleistungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs im Jahre 2003 gegenüber dem Jahr 2002 um insgesamt 153,1 Millionen e zurück. Herr Finanzminister, diese Zahlen verdeutlichen einmal mehr: Die Bayerische Staatsregierung ist nicht, war nicht und wird auch in Zukunft nicht der Anwalt der Kommunen sein,. Das werden Sie nie sein.

(Beifall bei der SPD – Dr. Bernhard (CSU): Weil Sie kein Wachstum produzieren! Deshalb ist das so!)

Meine Güte; Herr Dr. Bernhard, was Ihr Wachstum betrifft: Bei der letzten Bundestagswahl war dies auch nicht gerade grandios. Das müssen wir sehen. Wir können unendlich lange darüber diskutieren, wer wann Wachstum hat. Sie sollten sich vielleicht etwas mit dem größeren Rahmen befassen, damit, welche Auswirkungen die Deutsche Einheit, der Euro usw. auf das Wachstum haben.

(Dr. Bernhard (CSU): Helmut Schmidt: Hausgemacht!)

Zu den Problemen bei der Gewerbesteuer: Herr Minister, Sie sollten redlich sein. Sie haben dem Städtetag einmal etwas anderes mitgeteilt, was die Rücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage betrifft. Ich kann zur Rücknahme der Gewerbesteuerumlage nur sagen: Probiert, im Bundesrat dafür die Mehrheit zu erhalten. Ich weiß, dass die Bundesregierung wartet und sagen wird: Schauen wir, was der Bundesrat macht. Überzeugen Sie die CDU-geführten Länder. Sind diese bereit, die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zurückzunehmen? – Deswegen waren die Anträge und Vorstöße der SPDLandtagsfraktion, von Helga Schmitt-Bussinger genau richtig. Was haben wir denn im Freistaat Bayern? – Im Freistaat Bayern haben wir ein riesiges wirtschaftliches Gefälle, wie unser Dr. Heinz Kaiser immer sagt, auch hinsichtlich der Finanzen. Das ist eine Tatsache. Vor kurzem sind die Steuerkraftzahlen bekannt gegeben worden. Die Menschen in Niederbayern sind genauso fleißig wie die Menschen in Oberbayern, aber die Kommunen in

Niederbayern haben nur eine Steuerkraft in Höhe von 56% der Steuerkraft der oberbayerischen Kommunen. Dies kann doch nicht an den Menschen liegen. Das liegt an der Struktur, die die Bayerische Staatsregierung zu verantworten hat.

(Lachen bei der CSU – Zurufe von der CSU – Ach (CSU): Abenteuerlich!)

Augenblick, meine Damen und Herren. Ich erinnere Sie an die Diskussion über den Länderfinanzausgleich. Beim Länderfinanzausgleich diskutieren Sie doch genauso. Dies liegt doch an der Struktur im Freistaat Bayern.

(Ach (CSU): Das ist doch etwas ganz anderes!)

Deshalb ist unser Antrag richtig gewesen, die Einnahmen aus der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage in Höhe von ca. 170 Millionen e zum Ausgleich des riesigen Steuergefälles zwischen Niederbayern und Oberbayern über die Schlüsselzuweisungen zu verwenden. Genau dies wäre im Interesse der Niederbayern und der anderen steuerschwachen Regierungsbezirke gewesen. Meine Damen und Herren der CSU, das ist richtige Strukturpolitik, aber dazu sind Sie nicht in der Lage.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Kollege Franz Meyer, der aus Niederbayern kommt, die Position der Niederbayern richtig vertreten würde, müsste er zu seinem Kandidaten Stoiber gehen und sagen: Es ist nicht in Ordnung, dass wir in Niederbayern nur 56% der Steuerkraft Oberbayerns haben. Wir müssen etwas tun. Genau dies wäre der richtige Ansatz gewesen, aber dazu sind Sie nicht bereit.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Wer hat denn die Gewerbesteuerumlage verändert?)

Ich habe schon darauf verwiesen, dass die Aufgaben immer von oben nach unten verlagert worden sind. Wir, die Sozialdemokraten, werden noch in diesem Jahr tätig werden. Wir sagen – dazu sind Sie nicht bereit; daran kann man erkennen, wie Sie es mit den Kommunen meinen –: Unser Grundsatz ist und muss sein: Wer anschafft, der zahlt auch. Deshalb fordern wir – wir werden in diesem Jahr noch eine Initiative starten –, dass das Konnexitätsprinzip gesetzlich verankert wird. Es geht nicht an, dass wir zum Beispiel die Schulsozialarbeit von oben nach unten verlagern und Landkreise und Kommunen, aber nicht der Freistaat Bayern zahlen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben viele Aufgaben, zum Beispiel Schulpsychologen, EDV-Systemverwaltung, Ganztagsbetreuung, einfach von oben nach unten verlagert und haben die Kommunen immer wieder zur Kasse gebeten.

Ich komme nun zu einem Thema, bei dem auch ein Problem der Verlagerung von oben nach unten vorhanden ist. Frau Kollegin Kellner hat vielleicht eine andere Meinung, aber vom Grundsatz passt es genau hierher. Sie ziehen sich vom Ausbau der Staatsstraßen zurück und

sagen: Das sollen die Kommunen machen. Diese Aufgaben wird also auch von oben nach unten verlagert, und die Kommunen müssen dann mit 15 oder 20% dabei sein.

Das Problem des Verlagerns von oben nach unten ist bei den Bezirken noch viel kritischer. Es müsste unser gemeinsames Anliegen sein, die Bezirke zu retten. Die Finanznot der Bezirke ist eklatant. Eigentlich sind sie finanziell am Ende. Die Defizite in Mittelfranken und in Schwaben sind auf ungeheuerliche Größenordnungen gestiegen. Die Mittel nach Artikel 15 FAG sind nicht so erhöht worden, wie wir es immer wieder vorgeschlagen haben. Ich sage Ihnen auch: Für diese Situation der Bezirke – die SPD hat wiederholt Vorschläge gemacht – sind allein die CSU und die Staatsregierung verantwortlich, weil sie zu den guten Vorschlägen der Sozialdemokraten immer wieder Nein gesagt haben. Deshalb tragen Sie die Verantwortung für diese Situation. Ich könnte ein Beispiel nennen.

(Zuruf von der CSU: Ungeheuerlich!)

Was heißt da ungeheuerlich? Meine Güte. Wir haben in den letzten Monaten von Ihnen doch so vieles gehört. Ich unterstelle einmal Folgendes:

(Zuruf von der CSU: Keine Unterstellung, bitte!)

Ich bin richtig informiert, dass die Bezirkstagspräsidenten alle der CSU angehören und in den Bezirkstagen die CSU-Fraktion überall die Mehrheit hat. Was würden Sie, meine Damen und Herren von der CSU und von der Staatsregierung sagen, wenn es umgekehrt wäre, wenn die Bezirkstagspräsidenten alle der SPD angehören würden und die SPD überall Mehrheitsfraktion wäre?

(Zuruf des Abgeordneten Freiherr von Rotenhan (CSU))

Ich will gar nicht das sagen, was Sie sagen würden. Meine Damen und Herren, Sie würden doch uns die Schuld zuweisen. Das ist doch klar. Deshalb sage ich auch, dass die Verantwortung bei der CSU liegt. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Die Verantwortung liegt nicht bei uns, den Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich, dass es mit der Zukunft der Bezirke Probleme geben wird, wenn es nicht gelingt, die Bezirke möglichst schnell besser auszustatten. Herr Innenminister Dr. Beckstein, ich habe Ihnen vor Wochen geschrieben mit der Bitte, doch klarzustellen, wie es um die Zukunft der Bezirke steht. Dort sind eklatante Probleme vorhanden. Es kann nicht sein, dass Sie die Schuld an der Situation der Bezirke auf die Bundesregierung schieben. Das ist falsch, meine Damen und Herren. Dies hat mit der Bundespolitik derzeit nicht das Geringste zu tun. Die Defizite sind im letzten Jahr entstanden, sie entstehen in diesem Jahr. Die Umlage wird über zwei Jahre zurückberechnet. Jetzt haben die Bezirke die großen Probleme.

Die Aufsichtsbehörde hätte schon längst einschreiten und sagen müssen: Wir müssen etwas tun. Was haben aber Sie und die Bayerische Staatsregierung gemacht? – Die SPD, Peter Hufe und viele andere, hat gesagt: Die Hochschule für Musik erfüllt eine staatliche Aufgabe; also muss der Freistaat Bayern die Hochschule für Musik in Nürnberg und in Augsburg als staatliche Aufgabe übernehmen. Dazu gibt es von uns im Landtag Anträge. Sie haben diese abgelehnt und gesagt: Die Bezirke sollen das bezahlen. Dies ist wieder ein Beispiel dafür, dass Sie Aufgaben von oben nach unten verlagern, aber sich dann wundern, wenn es bei den Bezirken finanzielle Schwierigkeiten gibt.

(Beifall bei der SPD)

Die Vernachlässigung der Kommunen habe ich vorhin schon angesprochen; sie ist noch immer eklatant. Lieber Kollege Ach, lieber Herr Innenminister als Kommunalminister: Wir müssen endlich einmal eine Antwort auf die Probleme finden. Seit Jahren warten die Kommunen auf Zuschüsse. Ich habe beispielsweise vor kurzem die Einweihung eines Schullandheimes erlebt.

(Meyer (CSU): SPD-Bürgermeister bedankt sich!)

Augenblick. Ein Schullandheim wird eingeweiht und ist fertig; die Kommune bekam dafür 300000 e. Insgesamt bräuchte sie aber eine Millionen e. Die Kommunen müssen einfach zu lange warten, bis sie das Geld für Maßnahmen bekommen, die längst abgeschlossen sind.

(Beifall bei der SPD – Meyer (CSU): Konkrete Beispiele!)