Protocol of the Session on July 17, 2002

Wir brauchen eine Weiterentwicklung der positiven Arbeit in den Kindertagesstätten durch die gemeinsame Entwicklung von Qualitätsstandards. Bei einer viel beachteten Veranstaltung des Landesverbandes der Kindertagesstätten in Bayern – auch Frau Kollegin Narnhammer war dabei – hat Herr Prof. Dr. Fthenakis darauf hingewiesen, dass Bayern bisher das einzige Land ist, in dem ein solcher Bildungsplan entwickelt wird. Wir sind hier Vorreiter. Wir brauchen eine Verbesserung der Vernetzung bei der Schnittstelle zwischen Kindertagesstätte und Schule. Aufgrund der Veränderungen, die mit dieser Schwerpunktsetzung verbunden sind, ist eine Weiterent

wicklung der Weiterbildung der Lehrerinnen und Erzieherinnen erforderlich geworden. Entsprechende Konzepte befinden sich bereits in der Umsetzungsphase. Gemeinsam werden wir ein transparentes, soziales und vor allem kindgerechtes Finanzierungssystem entwickeln, das den Bedürfnissen aller Beteiligten Rechnung trägt. Wir alle sollten an diesem Auftrag arbeiten.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zum Antrag über die Schulsozialarbeit und die Jugendsozialarbeit an Schulen sagen. Ich halte es für bemerkenswert, dass die Bundesanstalt für Arbeit eine Finanzierung für drei Jahre garantiert und anschließend aus dieser Finanzierung aussteigt.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist doch nicht ihre Aufgabe!)

Trotz der Zusagen ist die Bundesanstalt nicht bereit, für Übergangslösungen zu sorgen. Aus diesem Grunde werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme erteile ich Frau Staatsministerin Hohlmeier das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um einige Aussagen der Opposition gerade zu rücken bzw. richtig zu stellen. Frau Kollegin Radermacher, Sie haben gesagt, dass drei SPD-regierte Länder bezüglich der Lesekompetenz der Fünfzehnjährigen an der Spitze stünden.

(Frau Radermacher (SPD): Unter sieben Ländern befinden sich vier SPD-regierte Länder!)

Ich lese Ihnen die Reihenfolge der Länder hinsichtlich der Lesekompetenz vor. Ich beziehe mich dabei auf den prozentualen Anteil der Fünfzehnjährigen an den einzelnen Kompetenzstufen für 14 Länder der Bundesrepublik Deutschland: 1. Bayern, 2. Baden-Württemberg, 3. Sachsen, 4. Rheinland-Pfalz, 5. Saarland, 6. Thüringen und 7. Nordrhein-Westfalen.

(Frau Radermacher (SPD): Ich habe nur von der Untersuchung über die Gymnasien gesprochen!)

Sie haben nur von den Gymnasien gesprochen. Das Problem hatten wir schon in Schleswig-Holstein. Wir wollen nicht nur die Gymnasiasten fördern, sondern alle Kinder und Jugendlichen.

(Beifall bei der CSU)

Ich halte Gymnasien für ungemein wichtig. Darin wird mich niemand übertreffen. Ich halte aber Haupt-, Real– und Gesamtschüler für ebenso wichtig wie Gymnasiasten. Das bedeutet: Bei der Lesekompetenz sieht die

Bilanz auch nicht besser aus. Auch Frau Bulmahn bringt immer wieder diese Argumentation. Ich habe oft den Eindruck, dass die Pisa-Studie häufig nicht genau durchgelesen wird. Sie sagt: Kinder aus der Oberschicht hätten bei uns besonders gute Chancen, während in den SPDregierten Ländern die übrigen Kinder gute Chancen hätten. Ich sage Ihnen dazu Folgendes: Wenn ein Kind in Bremen das Gymnasium besucht, lernt es nicht mehr als ein Hauptschüler in Bayern. Es nützt doch nichts, wenn man nur Abiturzeugnisse vergibt und keine Bildung vermittelt. Diese Schüler versagen dann an den Hochschulen.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Diese Leute studieren dann in Bayern!)

Das ist doch kein Bildungsniveau. Ich möchte Ihnen noch etwas mitgeben, damit Ihr Zahlensalat etwas zurecht gerückt wird. In Bayern, in Rheinland-Pfalz, in Schleswig-Holstein und in den von Ihnen regierten Großstädten ist das Verhältnis der Oberschichtkinder zu den so genannten Kindern aus den Arbeiterhaushalten ziemlich gleich. Je nach Statistik sind es in Schleswig-Holstein sechseinhalbmal so viel, während es bei uns sechsmal so viele sind. Bei einer anderen Statistik sind es in Bayern zehnmal so viel, dafür in Rheinland-Pfalz gut neunmal so viel. In Schleswig-Holstein sind es achtmal so viel und in den von Ihnen regierten Großstädten immerhin vierzehnmal so viel. Ich möchte diese Dinge einfach richtig stellen. Ihre Argumentation ist nicht richtig. Natürlich wollen wir auch Kinder fördern, die aus bildungsfernen Elternhäusern kommen. Wir bejahen Ganztagsangebote. Das ist überhaupt keine Frage.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist doch schon ein Fortschritt!)

Wir bejahen Ganztagsangebote nicht erst seit gestern. Allerdings haben die Kinder ohne ein Elternhaus wesentlich geringere Bildungschancen.

Das muss man sich ganz ehrlich eingestehen.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden das Elternhaus auch mit noch so guter Ganztagsförderung nicht vollständig ersetzen können. Wir können uns zwar bemühen, aber man muss den Eltern ehrlich klarmachen, dass sie Verantwortung für ihre Kinder tragen. Frau Radermacher, ich glaube, da sind Sie mit mir einer Meinung, aber nicht mit allen, die bei Ihnen in der Partei vertreten sind.

Ein Weiteres muss ich in diesem Zusammenhang sagen: Bei uns gibt es viele ländliche Bereiche, in denen die Eltern ihre Kinder bewusst nicht aufs Gymnasium schicken. Frau Schieder, ich empöre mich über den – jetzt sinngemäß wiedergegebenen – Satz – Sie sollten ihn nicht wiederholen –, dass viele nicht zu dumm seien, in Bayern auf das Gymnasium zu gehen. Sie sagen damit doch, dass alle anderen, die nicht auf das Gymnasium gehen, dumm sind.

(Frau Radermacher (SPD): Das stimmt nicht! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Genau das sagt sie nicht, sie sagt, die sind auch nicht dümmer! – Zurufe der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Um Himmels willen, hören wir doch auf, die Kinder in dumm oder nicht dumm aufzuteilen.

(Beifall bei der CSU – Frau Marianne Schieder (SPD): Herr Schneider hat das gesagt!)

Völlig gleich, welche Schulen unsere Kinder besuchen: Ich behaupte, unsere Kinder sind generell nicht dumm, sondern sie haben einen unterschiedlichen Förderbedarf.

(Beifall bei der CSU)

Hören wir doch mit diesen einfachen Klischees auf. Wir wissen genau, dass eine Menge Eltern auf dem Land ihre Kinder bewusst auf die Hauptschule oder auf die Realschule schicken, obwohl sie sie auf das Gymnasium schicken könnten.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist doch in Ordnung!)

Das geht aber auch in diese Statistik ein. Uns macht man dann den Vorwurf, dass Schüler aus der Oberschicht angeblich viel größere Chancen haben. Das gehört auch mit zu dieser Statistik. Ich sage Ihnen: Die Statistik hat eine Schieflage. Deshalb verwenden die Kultusminister Deutschlands sie eigentlich nicht. Die Kultusminister der SPD-regierten Länder befinden sich in der gleichen Situation wie die Kultusminister der CDU-/CSU-regierten Länder. Aus diesem Grund versuchen wir, das Ganze nach der Situation im jeweiligen Land sachlich zu analysieren. Eine einhellige und sachliche Stellungnahme ist deshalb: Wir wollen auch Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern unterstützen.

Jeder muss die Chance haben, das Abitur zu machen. Diese Chance hat jeder. Das geht aber nicht nur über das Gymnasium. Das geht auch über Fachoberschulen, über Berufsoberschulen.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Wo es keine Lehrer gibt!)

Es geht auch über das berufliche Bildungswesen, über die Meisterqualifikation, über Fachschulen. Viele Wege führen nach Rom. Das ist gerade die Vielfalt des bayerischen Bildungswesens; bei uns führen viele Wege ans Ziel, nicht nur einer.

(Beifall bei der CSU)

Ausschlaggebend ist nicht nur der Anteil der Gymnasiasten, nicht nur die Anzahl der Schüler, die das Gymnasium besuchen. Es stehen viele Wege offen. Das ist unser Ziel.

Frau Schieder, zu Ihrem Hinweis auf die Fachoberschulen und die Berufsoberschulen: Wir haben in diesem Jahr einen Anstieg um rund 40% der Schülerschaft in

den 13. Klassen an den Berufsoberschulen. Wir haben einen Anstieg von fast 30% an bestimmten Fachoberschulen. Wir lösen das Problem nicht wie die Landeshauptstadt München, welche die Schüler vor die Tür stellt.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wer ist daran Schuld? – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir nehmen alle Schüler an und geben den kompletten Pflichtunterricht. Wir können aber nicht mehr so viel Wahlunterricht wie früher halten.

Frau Schieder, Sie müssen einen Unterschied machen bzw. kennen lernen zwischen Kernfächern und Pflichtunterricht.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Das ist eine Unverschämtheit, das können Sie unterlassen!)

Entschuldigen Sie, Sie haben gesagt, dass der Beamte – –

(Zuruf der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD) – Glocke des Präsidenten)

Das Zuhörenkönnen gehört auch zur Pisa-Studie.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Lesen Sie einmal nach, was Frau Schieder gesagt hat, Sie sind diejenige, die nicht zuhört!)

Frau Johanna Werner-Muggendorfer, Sie haben echt ein Problem damit, wenn jemand anderer redet.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Können wir versuchen, die Debatte in Ruhe zu Ende zu bringen? –

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum?)

Ich spreche vielleicht besser zum nächsten Punkt – sonst regt sich die Opposition zu sehr auf –, Bayern hätte zu viele Schüler, die die Hauptschule ohne Abschluss verlassen. Ich darf Ihnen sagen: Es sind in fast allen Ländern gleich viele Schülerinnen und Schüler. Zwischen Bayern und anderen Ländern gibt es kaum Unterschiede.