Der Vertreter des Kultusministeriums hat im Ausschuss etwa so geantwortet: Ja, in den Kernfächern wird der Unterricht schon erteilt, mehr Lehrer können wir nicht einstellen; schließlich brauchen wir für die R 6 schon über 600 neue Stellen. An dieser Aussage können Sie erkennen, dass man überall dort, wo man es politisch will, die nötigen Lehrerinnen und Lehrer einstellen kann.
Das vor allen Dingen im ländlichen Bereich sich abzeichnende Hauptschulsterben lässt Sie kalt. Sie haben diesen Schulen bei der Einstellung der R 6 zwar viel versprochen, halten aber nichts davon ein.
Das neue Konzept zur Verbesserung der Sprachkenntnisse durch die Schaffung von so genannten Sprachlernklassen geht so weit an der Realität vorbei und ist so unpraktikabel, dass Schulleiterinnen und Schulleiter zu Recht den Kopf schütteln. Diese neue Form der Aussonderung von Kindern und jungen Menschen, die der deutschen Sprache zu wenig mächtig sind, wollen weder Eltern von deutschen Schülern noch Eltern von ausländischen Kindern, noch die Schülerinnen und Schüler selbst. Wir brauchen Integration und nicht wiederum Aussonderung aus unseren Schulen!
Hinzu kommt, dass die Schulen vor Ort genau wissen, wie sie das Problem angehen möchten, dass sie aber wegen der fehlenden Personalkapazitäten dazu nicht in der Lage sind. Hören Sie doch auf mit dieser Bevormundung unserer Schulen und mit diesem bürokratischen Aufwand! Stellen Sie einfach den Schulen die nötigen und echt zusätzlich dort auftauchenden Lehrkräfte zur Verfügung, und Sie werden feststellen, dass die Schulen vor Ort sehr gut in der Lage sind, eigene, ihrer Situation angepasste Konzepte zu entwickeln und gerade auch im Bereich der Sprachförderung wirklich gute Ergebnisse zu erzielen.
Tun Sie endlich etwas gegen die hohe Zahl der jungen Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen! Erst vor kurzem war in der Presse zu lesen, dass wir da nicht mehr von 10%, sondern von 15% ausgehen können. Dazu sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung richtigerweise, Bildung schütze vor Arbeitslosigkeit; jeder Siebente, der keine Ausbildung hatte, war Anfang der Neunzigerjahre arbeitslos, und heute ist es jeder Vierte.
Wie schwierig es ist, ohne Schulabschluss einen Ausbildungsplatz zu finden und eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen, das brauche ich hier niemandem zu erklären. Prof. Baumert, einer der Väter von Pisa, sagt zu Recht: “Diesen Kindern entzieht man Lebenschancen.“
Sorgen Sie dafür, dass die Zahl der jungen Menschen, die in Bayern das Abitur erreichen, größer wird. Das ginge nicht, sagen Sie, denn da brächte man die Qualität des Abiturs in Gefahr. Es ist nicht nötig, wie Pisa zeigt, das Niveau des Abiturs zu senken, um die Zahl derer, die es erwerben können, zu erhöhen.
Um mehr Abiturienten zu bekommen, bräuchte es zum Beispiel mehr Förderung der Schülerinnen und Schüler und nicht nur Forderungen an sie. 20% Abbrecher an den Gymnasien, das ist eine bundesweit führende Zahl, die viel zu hoch ist. Wenn der Kollege Schneider feststellt, dass die niedersächsischen Schülerinnen und Schüler doch nicht dümmer sein können, muss ich entgegnen: die bayerischen auch nicht.
Es kann doch nicht sein, dass hier 10% weniger so gescheit sind, das Abitur zu erwerben. Wenn Sie meinen, Bremen bemühen zu müssen, dann sagen Sie auch, was Prof. Baumert gesagt hat: Wenn man Bremen zum Vergleich heranzieht, dann ist halt Bayern das Bremen von Kanada.
Frau Ministerin, wenn Sie meinen, dass das Abitur in anderen Ländern so viel schlechter ist als das unsere, dann hauen Sie mal kräftig bei der Kultusministerkonferenz auf den Tisch und sorgen Sie dafür, dass anderswo das Niveau gesteigert wird,
Mit dieser Politik der Beschneidung von Lebenschancen junger Menschen erreichen Sie nämlich genau das Gegenteil von dem, was Sie angeben, erreichen zu wollen. Weil Sie den jungen Menschen den Zugang zu den Universitäten nicht ermöglichen, studieren dort Abiturienten, die das Abitur woanders gemacht haben, und werden in Bayern Führungspositionen von Leuten besetzt, die Sie dafür angeblich für zu schlecht qualifiziert halten.
Unsere jungen Menschen lässt man nicht an die Universitäten, um dann denen das Feld zu überlassen, bei denen man davon ausgeht, dass sie es nicht können. So kann vernünftige Politik, die auf Chancengerechtigkeit angelegt ist, wirklich nicht aussehen.
Die Abiturientenquote ist für mich nicht der einzige Gradmesser für Bildungsgerechtigkeit, aber er ist einer davon, und es kann nicht gerecht sein, wenn bayerischen Schülerinnen und Schülern an den Gymnasien das verweigert wird, was anderswo möglich ist.
Im Übrigen, Frau Ministerin, muss ich Ihnen sagen: Für mich beginnt der Mensch nicht mit dem Abitur. Für die Bayerische Staatsregierung ist es doch so, dass seit Jahrzehnten das bayerische Bildungssystem nach außen immer dargestellt wird mit dem großen Siegel des wunderbaren und ach so schweren Abiturs. Wenn Sie aber einmal wirklich selbstkritisch anschauen, was Sie dagegen für diejenigen tun, die an unseren Schulen nicht zu Rande kommen, dann müssten Ihnen eigentlich die Augen aufgehen.
Dann würden Sie nämlich feststellen, dass sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die in Bayern an die Förderschule gehen, in den letzten zehn Jahren um 57,6% erhöht hat, dass die Klassenstärken dort enorm angestiegen sind und dass Bayern im innerdeutschen Vergleich den höchsten Anteil an Schülerinnen und Schülern hat, die in Förderschulen gehen. Gott sei Dank, kann ich sagen, Frau Ministerin, sind die Förderschulen im Pisa-E-Test nicht dabei gewesen. Das ist Ihr großes Glück.
Anstatt konkrete Schritte aufzuzeigen, wie sinnvoll auf Pisa reagiert werden kann, ergehen Sie sich in billiger Polemik und unnötigen Ausführungen über die Vorteile des Föderalismus. Niemand will den Ländern ihre Kompetenzen wegnehmen. Dennoch brauchen wir mehr Zusammenarbeit und Vergleichbarkeit im Bereich der Schulen. Dies ist doch unbestritten. Wie wollen wir denn ein gemeinsames Europa weiterbringen, gerade bei der gegenseitigen Anerkennung von Bildungsabschlüssen, was zunehmend notwendiger wird, wenn wir es schon innerhalb unseres eigenen Landes zu keiner Gemeinsamkeit bringen können?
Genauso unbrauchbar für die Sache ist für mich und die SPD-Fraktion der Antrag der CSU-Fraktion, den wir ablehnen, weil er uns in Bayern in keiner Weise weiterbringen wird und eigentlich nur davon ablenken will, dass in Bayern etwas getan werden muss in den verschiedensten Bereichen, wo es eben auch an unseren Schulen Defizite aufzuholen gilt.
Sie alle wissen, dass ich aus der Oberpfalz komme und deswegen besonders gut des Oberpfälzer Dialekts mächtig bin.
Deswegen möchte ich Ihnen zum Schluss natürlich auch eine Kostprobe mit auf den Weg geben und mit einem Oberpfälzer Sprichwort das beschreiben, was in meinen Augen Frau Hohlmeier als bildungspolitisches Konzept angeboten hat. Die Oberpfälzer sagen in diesem Fall: Der sel‚ Schneider hat gsagt, dös wird sich schon geben mit dem Bügeln, wie er kennt hat, dass das Hosentürl hinten auf der Hosn ist und ned vorn.
In diesem Sinne hofft unsere Frau Ministerin auch, dass sich das schon alles geben wird. Aber mir fehlt der Glaube daran. Ich glaube, sowohl die Staatsministerin als auch die CSU und die CSU-Fraktion täten gut daran, in ihren Reden und auch in den ihren Anträgen endlich einmal konkrete Dinge zu beschreiben, mit denen man in Bayern etwas voranbringen will, und das dann auch für alle Schulen und Schularten zu machen. Frau Ministerin Stewens, mit 60 Modellprojekten im ganzen Land Bayern werden wir halt auch nicht weit kommen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser fulminanten Rede von Frau Schieder
Moment, Moment! – wäre ich fast geneigt, bei der Präsidentin zu beantragen, Frau Schieder für einige Zeit zu beurlauben und sie als Gastrednerin den Landtagen von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Bremen auszuleihen;
denn das sind die fünf Bundesländer der Bundesrepublik, die im Pisa-Test eindeutig am Ende stehen. Dort können Sie mit Ihren Äußerungen mit Sicherheit Entwicklungsarbeit leisten.
Nach den breiten Ausführungen zum Thema Pisa und Pisa-E darf ich für unsere Fraktion zum Abschluss kommen und die Kernaussage der Pisa-E-Studie verdeutlichen, die eindeutig sagt, dass Bayern in Deutschland Spitze ist und dass Bayern mit seinen 510 Punkten auch international einen beachtlichen Spitzenplatz einnimmt. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen und nicht über Klassenstärken zu reden; denn Klassenstärken und Leistungen der Schüler stehen auch nach Aussage der Pisa-Studie in keinem signifikanten Zusammenhang.